Wie immer, ich bin zwar im hohen Maße multitaskiing-fähig aber bei Deinen Texten muss ich das Radio abschalten. ;-)
Abgesehen vom Nicken, das mein Vorredner schon erwähnte, will ich noch mal Deine Haltung zu humanistischen Therapien unterstreichen. Es ist die einzige Therapieform, die ich kennengelernt habe, die die Menschen nicht als krank in einem funktionalen Sinne betrachtet und schon gar nicht losgelöst von ihren Beziehungsstrukturen. Es ist auch die einzige, die ich kenne, die Übertragungen (in tradionell psychoanalytisch orientierten Therapien als erwünscht angesehen) als mißbräuchlichen Übergriff ansieht und als solchen behandelt. Erst dann wird nämlich sichtbar, wie wir ständig unsere Mitmenschen für unsere Zwecke funktionalisieren.
Ein Aspekt ist mir noch durch den Kopf gegangen (falls ich ihn überlesen habe sollte,, entschuldige ich mich schon mal dafür). Es scheint eine ausgesprochene Fazination für einen verorteten Wahnsinn in unserer westlichen Kultur zugeben. Mal abgesehen von der Verarbeitung dieser Faszination in Romanen und Filmen, gibt es noch den Aspekt des wahnsinnigen Künsterlers/der wahnsinnigen Künstlerin. Kunst ist nur dann Kunst, wenn es eine wahnsinnige, oder wenn das nicht klappt, eine tragische Geschichte in den Kunstschaffenden steckt. Dabei geht es mir nicht um die Marginalisierung realer traumatischer Erlebnisse, die diese Kunstschaffenden möglicherweise in ihren Werken auch ausdrücken, sondern um die Anerkennungsstruktur durch die Gesellschaft. Diese Anerkennung gilt aber ausschließlich dem Kunstwerk. Der Mensch dahinter, wird damit aber noch lange nicht anerkannt.
Es gibt eine ganz spanndende Dokumentation über Maria Callas. Dort wird sehr deutlich, dass sie beziehungsgestört war und unter schweren Depressionen litt (war noch einiges mehr, ist aber zu lange her, um mich noch an alles zu erinnern). Es kamen dort viele ihrer "Freunde" zu Wort. Die allesamt über ihre Probleme mit M. Callas erzählten, was letztlich zu einem Kontaktabbruch führte. (Hier meine ich nicht einen authentischen Kontakt, sondern die allgemein umgangssprachliche Bedeutung von Kontakt) Aber ihre unglaubliche Leistung als Sängerin, die war erwünscht. ICh weiß nicht, ob es mir gerade gelingt, das so darzustellen, wie ich es meine. Ihr unglaubliches Talent als Sängerin und Darstellerin war ihrer gesamten Persönlichkeit geschuldet. Darüber hinaus (ich kann das jetzt für Singen sagen, weil ich mich damit auskenne) entblößt sich eine solche Sängerin auf der Bühne in einem Ausmaß, wie es für die meisten Zuschauer für sich selbst kaum vorstellbar ist. Das ist eine psychische Belastung, die selbst für einen körperlich gut verankerten Menschen eine besondere Belastung darstellt. Für einen Menschen, wie es M. Callas war, muss das eine zerstörerische Wirkung gehabt haben, grad ein Hinblick darauf, dass sie außerhalb der Bühne dann bitte doch normal "funktionieren" sollte.
Der Wahnsinn hat somit einen Ort und kann dort stellvertretend "entsorgt" werden. Im Umgang mit den dahinterstehenden Menschen zeigt sich die Abwehrstruktur der Gesellschaft gegen das nicht "rational" handelnde Individuum deutlich.
Als letztes, mo, kennst Du folgendes Buch:
Marlock, Gustl: Körper Psyche, Gesellschaft, 1998, Afra Verlag (Zitat aus dem Klappentext: Sollte ich das gemeinsame Motiv der vorliegenden Aufsätze charakterisieren, dann besteht es darin, solife therapeutische Theoriebildung mit dem Versuch zu verbinden, sich der weitverbreitenden Tendenz zu posivistischer Theorie und dem Denken in unkritischen Begriffen der therapeutischen Mittel und Zwecke zu widersetzen, und sich an Max Horkheimers Kritik der instrumentellen Vernunft zu erinnern. Seitdem gilt auch für die therapeutischen Kulturen, daß die auf Effektivität abziehlenden Mittel des wissenschaftlichen technischen Fortschritts die Tendenz haben sich zu verselbständigen und den Zweck von Fortschritt, nämlich die Selbstverwirklichung des Menschen zu hintertreiben.)
und die Reihe: Charakter & Energie, herausgegeben von David Boadella und Berhard Maul? (Ich hab nur den Band von Juni 1998)
Wednesday (Gast) - 29. Mai, 11:24
Callas
Hallo somlu, ich denke nicht, daß es zu viel verlangt ist, wenn man von Persönlichkeiten bzw Diven wie Frau Callas, mal runter von der Bühne, "normales" Verhalten wünscht, schon um sich zu schützen... Sie war, wenn ich zwei Biographien trauen darf, schrecklich aufbrausend und manipulierend - vielleicht kein Wunder, bei der offensichtlich ebenfalls gestörten Mutter, die ihre Tochter zur Berühmtheit machen wollte...
Belastend war für Frau Callas wohl eher, daß sie im realen Leben nicht so durfte, wie auf der Bühne, und nicht die Furcht der Freunde vor ihren Ausbrüchen. Auf der Bühne lebte sie sich aus, wie es ja viele Bühnenmenschen machen. Sie starb nach dem Ende ihrer Karriere als Sängerin, vielleicht weil ihr die Bühne so sehr fehlte.
Dann frag ich mich, wie auch beim unsäglichen Kinski, den ich wirklich zutiefst erschreckend fand, warum gehen manche Künstler tatsächlich bis in den Tod aus sich heraus, solche Verausgabung (in Kunst und sonstwo, zB auch im Sport) kommt mir ja schon ziemlich lächerlich vor.
Abgesehen vom Nicken, das mein Vorredner schon erwähnte, will ich noch mal Deine Haltung zu humanistischen Therapien unterstreichen. Es ist die einzige Therapieform, die ich kennengelernt habe, die die Menschen nicht als krank in einem funktionalen Sinne betrachtet und schon gar nicht losgelöst von ihren Beziehungsstrukturen. Es ist auch die einzige, die ich kenne, die Übertragungen (in tradionell psychoanalytisch orientierten Therapien als erwünscht angesehen) als mißbräuchlichen Übergriff ansieht und als solchen behandelt. Erst dann wird nämlich sichtbar, wie wir ständig unsere Mitmenschen für unsere Zwecke funktionalisieren.
Ein Aspekt ist mir noch durch den Kopf gegangen (falls ich ihn überlesen habe sollte,, entschuldige ich mich schon mal dafür). Es scheint eine ausgesprochene Fazination für einen verorteten Wahnsinn in unserer westlichen Kultur zugeben. Mal abgesehen von der Verarbeitung dieser Faszination in Romanen und Filmen, gibt es noch den Aspekt des wahnsinnigen Künsterlers/der wahnsinnigen Künstlerin. Kunst ist nur dann Kunst, wenn es eine wahnsinnige, oder wenn das nicht klappt, eine tragische Geschichte in den Kunstschaffenden steckt. Dabei geht es mir nicht um die Marginalisierung realer traumatischer Erlebnisse, die diese Kunstschaffenden möglicherweise in ihren Werken auch ausdrücken, sondern um die Anerkennungsstruktur durch die Gesellschaft. Diese Anerkennung gilt aber ausschließlich dem Kunstwerk. Der Mensch dahinter, wird damit aber noch lange nicht anerkannt.
Es gibt eine ganz spanndende Dokumentation über Maria Callas. Dort wird sehr deutlich, dass sie beziehungsgestört war und unter schweren Depressionen litt (war noch einiges mehr, ist aber zu lange her, um mich noch an alles zu erinnern). Es kamen dort viele ihrer "Freunde" zu Wort. Die allesamt über ihre Probleme mit M. Callas erzählten, was letztlich zu einem Kontaktabbruch führte. (Hier meine ich nicht einen authentischen Kontakt, sondern die allgemein umgangssprachliche Bedeutung von Kontakt) Aber ihre unglaubliche Leistung als Sängerin, die war erwünscht. ICh weiß nicht, ob es mir gerade gelingt, das so darzustellen, wie ich es meine. Ihr unglaubliches Talent als Sängerin und Darstellerin war ihrer gesamten Persönlichkeit geschuldet. Darüber hinaus (ich kann das jetzt für Singen sagen, weil ich mich damit auskenne) entblößt sich eine solche Sängerin auf der Bühne in einem Ausmaß, wie es für die meisten Zuschauer für sich selbst kaum vorstellbar ist. Das ist eine psychische Belastung, die selbst für einen körperlich gut verankerten Menschen eine besondere Belastung darstellt. Für einen Menschen, wie es M. Callas war, muss das eine zerstörerische Wirkung gehabt haben, grad ein Hinblick darauf, dass sie außerhalb der Bühne dann bitte doch normal "funktionieren" sollte.
Der Wahnsinn hat somit einen Ort und kann dort stellvertretend "entsorgt" werden. Im Umgang mit den dahinterstehenden Menschen zeigt sich die Abwehrstruktur der Gesellschaft gegen das nicht "rational" handelnde Individuum deutlich.
Als letztes, mo, kennst Du folgendes Buch:
Marlock, Gustl: Körper Psyche, Gesellschaft, 1998, Afra Verlag (Zitat aus dem Klappentext: Sollte ich das gemeinsame Motiv der vorliegenden Aufsätze charakterisieren, dann besteht es darin, solife therapeutische Theoriebildung mit dem Versuch zu verbinden, sich der weitverbreitenden Tendenz zu posivistischer Theorie und dem Denken in unkritischen Begriffen der therapeutischen Mittel und Zwecke zu widersetzen, und sich an Max Horkheimers Kritik der instrumentellen Vernunft zu erinnern. Seitdem gilt auch für die therapeutischen Kulturen, daß die auf Effektivität abziehlenden Mittel des wissenschaftlichen technischen Fortschritts die Tendenz haben sich zu verselbständigen und den Zweck von Fortschritt, nämlich die Selbstverwirklichung des Menschen zu hintertreiben.)
und die Reihe: Charakter & Energie, herausgegeben von David Boadella und Berhard Maul? (Ich hab nur den Band von Juni 1998)
Callas
Belastend war für Frau Callas wohl eher, daß sie im realen Leben nicht so durfte, wie auf der Bühne, und nicht die Furcht der Freunde vor ihren Ausbrüchen. Auf der Bühne lebte sie sich aus, wie es ja viele Bühnenmenschen machen. Sie starb nach dem Ende ihrer Karriere als Sängerin, vielleicht weil ihr die Bühne so sehr fehlte.
Dann frag ich mich, wie auch beim unsäglichen Kinski, den ich wirklich zutiefst erschreckend fand, warum gehen manche Künstler tatsächlich bis in den Tod aus sich heraus, solche Verausgabung (in Kunst und sonstwo, zB auch im Sport) kommt mir ja schon ziemlich lächerlich vor.