Ubue (Gast) - 28. Mär, 00:16

latent irres Spannungsfeld

@ Monoma: die Zielfrage bei der Therapie: hier sehe ich es wieder sehr ähnlich wie Du es in Deinem letzten Beitrag schreibst. Im Moment scheint bei gängigen Therapien vieles letztlich auf bloßes "Funktionieren" hinauszulaufen bzw. Anpassung. Als Erfolgskriterium gilt dann die Anzahl weiterer stationärer Aufenthalte oder die berufliche Leistung. Anpassung an ein krankes System macht aber auch nicht gesund. Das dürfte wohl feststehen.

Was die "Fixierung" an das Thema Als-Ob-Welten betrifft, muß es auch solche Menschen geben. Es müssen Leute sein, die nicht zu zentral selber im System mitschwimmen, vielleicht zumindest mit einem gewissen schizoiden Zug, der sie zu einem eigenen Blick befähigt. Dann können sie aber auch hier wieder Höchstleistungen erbringen im Sinne von Leistungen der Lebendigkeit, die auch unverzichtbar sind.

Man muß wohl wirklich etwas dialektisch an das Thema "objektivistisches Dasein" herangehen. Es kann auch durchaus möglich sein, über rein mechanistische Techniken sich aus dem objektivistischen Bereich zu entfernen und lebendiger zu werden (Meditationstechniken, Übungen zur Mindfulness usw). Die Motive dafür sind dann wichtig.

Ebenso kann man über eine rein objektivistische Beobachtung sehr viel Kenntnisse erlangen, so wie es auch Mertz letzlich auf eine sezierende Weise macht. Und bei Linehan haben wir einen ganzen Baukasten voller Module, die man anwenden könnte und die fast alle sehr gut durchdacht sind.

Ein Hauptproblem dürfte sein, daß die gesamten Helferapparate selber von Borderlinern besetzt sind. Außer im Bereich Bühnen- und Filmsternchen (vgl. Dein neuestes Update) gibt es m.E. keinen einzigen anderen Bereich mit einer solchen Borderliner-Dichte wie das sozialpädagogisch-psychologisch-seelsorgerlich-ärztliche Feld, plus Heilpraktiker, Krankenschwestern, Psychiater, Streetworker usw. Saskia hat es oben auch geschrieben - "die wohlbekannten destruktiven Strukturen". Mertz schreibt es fast durchgängig in seinem Buch. Rohde-Dachser hat die These frühzeitig erwogen. Dulz und Knauernase (oder so ähnlich, muß nochmal nachschauen) haben schon einen extra Aufsatz dazu geschrieben.

Muß nicht, es gibt sicher auch Ausnahmen, ist aber sehr häufig. In einem Borderline-Forum wurde dies vor längerer Zeit kontrovers diskutiert, dann eine Umfrage gestartet, und schließlich ergab sich eine Zahl von 75% aller Forenteilnehmer, die in so einem sozial-helfermäßigen Berufsfeld aktiv waren oder eine Ausbildung darin machen wollten. Auch das nur ein Schlaglicht, aber mit der üblichen Aussagerichtung.

Alice Miller hat ganz ähnliche Thesen, nämlich daß das von den Eltern oder einem Elternteil übermäßig beschlagnahmte und benutzte Kind nachher in der Therapeutenrolle landet, wo es wieder als Auffangstation für andere Probleme fungieren muß. Sogar zum Mißbrauch ziehen sich hier Parallelen.

Solange aber die ganze Helferwelt selber voller blander oder sogar labiler Borderliner ist, bleibt die Situation sehr vertrackt und meines Erachtens auch ziemlich ungesund!

@ Pete:

Pete schrieb: "weißt du was merkwürdig ist?

dass DIE bl-mechanismen (vernichtung und so) erst einsetzen, wenn der borderliner sich der zuneigung/liebe des gegenübers 120% sicher ist. "platt gesagt: wenn der borderliner macht bekommt"

dafür ist bestimmt auch eine erklärung in dem buch "borderline-wie manipuliere ich(?) richtig" zu finden."


Ja, ist so wie Du schreibst. Erst muß bei Borderline eine Verschmelzung (Art Kernfusion) mit dem oft arglosen Partner erfolgen, dann gibt es nachher die Explosion im seelischen Reagenzglas mit all den bekannten üblen Folgen.

Und wie stößt man einen "Verschmolzenen" wieder ordentlich und funktionierend ab? Dafür braucht man schon extreme Mittel: absolute Nichtung, Haßaufladung, völliger "Neuanfang".

Wieso sollte man auch einen vorher neutralen Partner nachher nichten? Nur der symbiotisch gewordene Partner muß bekämpft, am besten ver-nichtet werden (aus der Logik des Borderliners).

Daß ein Borderliner gerade auf diese Nichtungsweise seinen Partner auch für sich wieder re-konstruieren kann, beschreibt glaube ich Mertz irgendwo. Ungewöhnlicher, aber guter Gedanke. In der Symbiose sehe ich den anderen ja gar nicht mehr. Das Verfolgungsintrojekt beginnt dann hochtourig mit dem Prozeß der Ausscheidung des Einverleibten, der am Ende schmutzig, gebraucht und unter Umständen geplündert wieder alleine sehen muß, wie er zurecht kommt. Es muß auch betont werden, daß die Fälle mit einem Kind zwischen dem "ausscheidenden" Borderliner und dem geexten Partner natürlich die übelsten sind, weil die "Ausscheidung" dann am wenigsten funktioniert.

Auf diese Weise wird aber stabil, wie auch Mertz schreibt, für neuen Borderline-Nachwuchs gesorgt, da man als Kind in so einem extremen Spaltungsprozeß nur latent irre werden kann.

pete (Gast) - 28. Mär, 10:14

wieder sehr interessant.

weißt du was ich auch noch merkwürdig finde?

sobald man einen borderliner nach kurzer zeit als solchen enttarnt (mit "geübtem" verstand durch einige jahre training aus verschiedenen "bezug-zum-borderliner-blickwinkeln") sind die borderliner ratzfatz verschwunden und die "zuneigungs-/liebesbekundungen" (in der bl-literatur: idealisierung) schnell vergessen.

der pragmatiker könnte jetzt vermuten, dass der borderliner seine perversion (macht, zerstörung, etc.) ausleben will mit einem gegenüber der noch "borderline-unerfahren" ist...........

die frage der therapiefähigkeit könnte jetzt den platz der kernfrage einnehmen............

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