Quirinus (Gast) - 11. Sep, 03:47

Aus Zeitgründen

nur Dank für Ihre Antwort und dies: daß ich durchaus und definitiv nicht behaupte, die Struktur des Menschen sei zutiefst negativ und destruktiv. Dächte ich es, dann würde ich es auch explizit sagen. Ich denke es aber nicht und habe deshalb nur geschrieben, daß sie eine ambivalente ist, die sich je nach den Bedingungen, unter denen ein Mensch ausgetragen, geboren und sozialisiert wird, in die eine oder andere Richtung entwickeln kann. Deshalb stimme ich Ihnen zu, wenn Sie sagen, daß das Pathologische der heutigen Zivilisation nicht einer 'natürlichen' Pathologie aller enschen entspricht, sondern sich mit den gesellschaftlichen Verhältnissen entwickelt hat. Daß sie sich haben entwickeln können und unter bestimmten Umständen 'normale' Menschen zu Bestien werden können, spricht jedoch dafür, daß zur 'normalen' Grundausstattung jedes Menschen, auch des Gesündesten, das Destruktive (das ich nicht von vornherein als negativ betrachte) gehört. Unter 'normalen' Umständen hält es sich in Grenzen, dient also der Arterhaltung, etwa indem es uns dazu befähigt, ein uns genetisch nahestehendes Tier oder einen Angreifer töten zu können; unter pathologischen hingegen führt es zur Zerstörung unserer Lebensgrundlagen bis hin zur Vernichtung ganzer Völker oder gar der gesamten Menschheit.

Analogien finden sich zuhauf in der Farbenlehre; vor allem in der Musik. Einen Menschen kann man sich als einen Akkord vorstellen, der je nach seiner Umgebung (also der Tonart, in der das jeweilige Musikstück steht) steht, harmonisch oder dissonant wirken und die unterschiedlichsten Verbindungen eingehen kann. Kommt er allerdings in einer Umgebung vor, in der er keinerlei Beziehungen eingehen kann, die musikalisch einen Sinn ergeben, ist er falsch. Und wir stimmen wohl darin überein, daß sich in unserer Gesellschaft die Disharmonien häufen, was dazu führt, daß immer mehr Menschen (vor allem psychisch labile) sich in ihrem Streben nach Harmonie unbewußt deformieren lassen oder Deformierungen bewußt in Kauf nehmen, um in der allgemeinen Kakophonie nicht mehr aufzufallen oder aber als besonders schrill (ergo dominant) wahrgenommen zu werden. Dies alles aber ist eben nur möglich, weil jeder Mensch von Natur aus ein ambivalentes Wesen ist: weder gut noch böse, sondern mit einem Potential ausgestattet, das ihn zu allem befähigt.

Es steht bereits geschrieben im Alten Testament, so etwa in diesem Psalm, den Pete Seeger vertont hat und den The Byrds 1965 berühmt gemacht haben. Hier ein späteres Video mit Roger McGuinn, der sich nicht von dieser Welt hat korrumpieren lassen, sondern wie ein Besessener (wieder ein ambivalentes Wort!) Folksongs sammelt und sie ins Netz stellt, um sie angesichts des Lärms vorm Vergessenwerden zu bewahren. Dies als Auflockerung und zugleich als Indiz dafür, daß ich nicht zu jenen gehöre, die meinen, der Mensch als solcher und schlechthin sei 'nur böse'. Wäre es so, dann gäbe es nicht solche Bibeltexte und solche Musik. Amen.

Morgaine - 11. Sep, 13:21

Ich bin wirklich angetan von der Qualität der Beiträge, halte mich daher momentan gerne etwas im Hintergrund und möchte einfach nur - wenn Sie erlauben - eine Ihrer Kernausssagen wiederspiegeln:

"das in "unserer" kultur, und drastischer womöglich noch in den usa, aggressionen grundsätzlich als negativ geächtet sind und viele menschen angst vor ihren eigenen aggressionen und denen der anderen haben; trotzdem die bösartigsten verbrechen der planetaren historie eben innerhalb dieser kultur entstanden sind - ist das nicht gerade eher als beleg für ein grundsätzliches ungleichgewicht zu sehen"

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