Quirinus (Gast) - 28. Feb, 13:16

Wertkonservativ

ist die Kritik an Guttenberg & Co zweifellos. Doch das hat auch einen sehr handfesten Grund. Der Fortschritt der Menschheit basierte immer auch auf dem Erfindungsgeist und den Leistungen bestimmter Individuen - und darauf, daß etwa ein Handwerkslehrling sich darauf verlassen konnte, daß der Meister, von dem er gehört hatte, ihn wirklich in neuen Techniken würde unterweisen können. In diesem Vertrauen ging er auf Wanderschaft, lernte, war stolz auf das Gelernte und machte sich - schon die Sprache verrät mal wieder, worum es eigentlich geht - einen Namen. Aus jener Zeit stammt der Glaube, daß, wer einen Namen habe, auch wirklich ein Meister seines Fachs oder ein Gelehrter sei. Man verließ sich darauf, was man man von irgendeinem Reisenden gehört hatte, und machte sich auf den beschwerlichen Weg.

Nach diesem Prinzip des Vertrauens funktioniert jede menschliche Gesellschaft und auch jedes Kollektiv. Man kann es unterhöhlen, so wie es ja auch im Laufe der Geschichte des Kapitalismus oft genug getan wurde und täglich getan wird; aber man kann es nicht außer Kraft setzen. Jeder Mensch, der ein Problem hat und es nicht allein lösen kann, will wissen, wer ihm am besten helfen kann. Das war früher so, das ist heute so, und das wird auch in Zukunft so sein.

Auch dieses Themenblog funktioniert auf dem skizzierten Prinzip. Du, 'monoma', verfügst über ein Spezialwissen, das viele andere nicht haben, und hast dir damit einen guten Ruf erarbeitet - was aber nur möglich war, da dein Blog namentlich identifizierbar ist. Zwar ist dein bürgerlicher Name nur wenigen bekannt; doch das ist völlig egal. Für deine Leserinnen und Leser bist du Momoma, und dieser Monoma gilt gewiß so einigen als Autorität, die sich nicht zuletzt auch dafür verbürgt, daß die von ihr empfohlenen Bücher lesenswert sind oder sogar 'Pflichtlektüre'. Die Autoren dieser Bücher wiederum verbürgen sich für andere Autoren - und so weiter. Und wer weitergehende Informationen von diesen Autorinnen und Autoren benötigt, muß sie als Individuen identifizieren können. Denn in der Wissenschaft und auch im Handwerk, ja sogar in der Musik ist es anders als in der Technoszene der 90er Jahre. Es genügt nicht zu wissen, daß etwas gemacht worden ist, und sich darüber zu freuen, sondern man muß wissen, von wem man die Kenntnisse erwerben kann, die man braucht. Und viele dieser Kenntnisse sind nicht anonym bzw. pseudonym zu vermitteln, etwa via Internet.

Die völlige Anonymität aber (also das Verschwinden jedes Einzelnen im Kollektiv) wäre auch gar nicht wünschenswert, sondern erstens nicht machbar und zweitens ein Horrorszenario. Vertrauen kann nicht aus dem Glauben an die Weisheit eines Kollektivs erwachsen, sondern nur daraus, daß sich ein identifizierbarer Mensch (ob unter seinem bürgerlichen Namen oder einem Pseudonym) oder eine aus identifizierbaren Menschen bestehende überschaubare Gruppe für eine bestimmte Sache verbürgt.

Guttenberg hat dieses fast archaische Vertrauen gröblichst mißbraucht; und deshalb war und ist die Wut auf ihn berechtigt. Zu welchen Zwecken sie instrumentalisiert und geschürt wird, ist eine andere Sache. Wichtig ist auf jeden Fall, daß jetzt vielen zu dämmern beginnt, worauf jedes menschliche Zusammenleben basiert: auf bestimmten Werten, die nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen, egal von wem und mit welchen Argumenten. Ohne Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit geht gar nichts.








Dieses Prinzip

quirinus - 28. Feb, 13:30

Ergänzend

will ich noch mal eben sagen, daß ohne Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit auch in der White-Label-Szene der 90er nichts gegangen wäre. Wer Techno macht, ist sogar in besonderem Maße auf die Vertrauenswürdigkeit anderer angewiesen: darauf, daß die Hardware funktioniert, daß die Software etwas taugt und die Scheiben sachgerecht gepreßt werden.
Wednesday (Gast) - 28. Feb, 15:49

> [...] Nach diesem Prinzip des Vertrauens funktioniert jede
> menschliche Gesellschaft und auch jedes Kollektiv. [...]

Hm, stimmt... danke.

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