quirinus - 29. Jun, 04:48

Jaja, der Medienrummel ...

... erinnert auch mich an das Theater um Lady Di. Aber Michael Jackson war eben nicht Lady Di, sondern ein schwarzer Künstler, über den letztlich nur seine Fans und Pophistoriker, die sich ernsthaft mit ihm beschäftigt haben, Dinge wußten und wissen, die ich (da ich aus musikalischen Gründen nie ein Jackson-Fan war) mir erst jetzt allmählich anlese. Und je mehr ich lese, desto mehr interessiere ich mich für den Menschen hinter dem Medienphänomen Jackson, der nämlich nicht nur mit dem Bürgerrechtler Jesse Jackson befreundet war, sondern noch 2001 und 2002 selbst im Sinne der schwarzen Bürgerrechtsbewegung öffentlich in Erscheinung trat. Wer diesen sehr wichtigen Artikel über ihn gelesen und speziell das Video zu dem antirassistischen Song They Don't Really Care About Us gesehen hat und zudem weiß, daß Jackson dem auch aus anderen Gründen berüchtigten Staatsanwalt, der ihn 1993 wegen Kindesmißbrauchs hinter Gitter zu bringen versuchte, 1995 einen bösen Song ("D.S.") gewidmet hat, der wird anläßlich der 2003 erneut einsetzenden Hetzkampagne schon ins Grübeln kommen.

Fakt ist, daß MJ, weil sein Vater ihn in mehrerlei Hinsicht mißbraucht hat, an einem posttraumatischen Belastungssyndrom gelitten haben muß, das er als Künstler zu bewältigen versucht hat und mit dem er offensichtlich auch halbwegs hat leben und arbeiten können - bis 1993, noch auf dem Höhepunkt seiner Karriere, mit der er als Schwarzer selbst Elvis überflügelt hatte, die ersten Mißbrauchsanschuldigungen kamen. Auf der zuvor erschienenen CD Dangerous aber befindet sich einer seiner bekanntesten antirassistischen Songs, nämlich Black Or White. Erst Mitte der 90er Jahre, so sagt man, seien seine Auftritte "skurriler" geworden. Genug, daß MJ sich als Opfer eines rassistischen Komplotts fühlte; aus guten Gründen. Und es ist wohl klar, daß ein ohnehin psychisch extrem labiler und zugleich extrem begabter Mensch unter diesen Umständen zerbrechen kann, zumal es für MJ nach dem Thriller-Triumph und seines Alters wegen als Popstar nur noch bergab gehen konnte. Aber er war eben nicht nur der Freak, als der er uns dargestellt wurde. Das zeigen seine Reden, von denen ich bis heute nichts wußte und von denen du wahrscheinlich auch erst in diesem Augenblick erfährst.

Will sagen: auch wir lassen uns zuweilen von den Medien manipulieren, weil wir uns nicht mit allem gleichzeitig beschäftigen können; und in diesem Fall handelt es sich um eine rassistische (und politische; siehe ganz unten) Manipulation, für die auch alle empfänglich waren (und noch immer sind), die Jacksons Musik nicht sonderlich mochten; also gerade auch all die so antikapitalistischen Antirassisten ...

In diesem Augenblick gestehe ich, daß ich mich schäme, die Hetze gegen MJ und all die Klatschgeschichten nie zum Anlaß genommen zu haben, ihn nicht nur (was ich oft getan habe) vage gegen die Mißbrauchsvorwürfe (die einst auch Chuck Berry in den Knast gebracht haben; es hat also Tradition) zu verteidigen, sondern zu versuchen, anhand der im Internet verfügbaren Quellen herauszubekommen, was wirklich dahinterstecken könnte: nämlich der Versuch seitens der Neocons in den USA, einen schwarzen Künstler, dem es gelungen war, alle weißen Popstars zu überflügeln, komplett zu ruinieren.

Und in diesem Augenblick auch sage ich: daß ich, ohnehin 'zufällig' seit einigen Wochen beschäftigt mit dem nicht unähnlichen Phänomen Elvis (der ja Mitte der 50er Jahre wie kein anderer Weißer seine Rasse verraten und 1968 einen der beeindruckendsten Nachrufe auf Martin Luther King gesungen hat!), nun sehr auf eine kenntnisreich geschriebene Jackson-Biographie hoffe. Bis die erscheint, werden wohl noch 10 Jahre vergehen. Aber ich werde sie lesen, wenn ich dann noch lebe.

Ws ich jetzt schon sagen kann, ist: daß wir hier in Deutschland immer dann besonders aufpassen sollten, wenn Tratschgeschichten speziell über schwarze Künstler kolportiert werden. Unsere Medien plappern ja nur nach, was in den amerikanischen Mainstream-Medien zu finden ist, und das ist eben unterschwellig rassistischer als wir ahnen, gerade auch jetzt, da man sich bemühen wird, für den armen kranken MJ Verständnis zu heucheln. Offensichtlich war er nämlich noch vor einigen Jahren nicht nur der bedauernswerte Freak, als den wir (auch wir Linken!) ihn wahrnahmen, sondern ganz nebenbei auch eine politische Gefahr für Bush & Konsorten und die noch immer von Weißen dominierte US-Unterhaltungsindustrie. Kein Wunder also, daß viele Leute ein Interesse daran hatten, ihn unschädlich zu machen - zumal Michael Jacksons Bruder Jermaine 1989 zum Islam konvertiert war und das Gerücht ging, der Megastar sei ihm gefolgt; vgl. diesen Artikel.

Aber nun genug damit. Zu sagen bleibt vorläufig nur noch, daß Pop & Politik nicht voneinander zu trennen sind, schon gar nicht in den USA - und wohl erst recht nicht im Fall Michael Jackson. Inzwischen bin ich mir sicher, daß diese Geschichte wirklich eine monströse ist - aber ganz anders monströs, als sie uns verkauft wurde und wir sie bisher wahrgenommen haben.

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