kontext 10: autismus als extremvariante von männlichkeit? oder "männlichkeit" als autismusvariante?
in einem artikel auf spon wird heute eine these als angeblich neu vorgestellt, die bereits in den letzten jahren immer wieder in den v.a. wissenschaftlichen diskussionen zum autismus diskutiert wurde:
"Denn ihre These über das "Rain Man"-Syndrom und das Gehirn lautet, in Kurzform: "Autismus stellt eine extreme Form der männlichen Struktur dar." Von "beeinträchtigter Empathie" und "erweiterter Systemisierung" ist da die Rede.
Was bei Autisten mit "Systemisierung" gemeint ist, kennt man etwa aus dem Film "Rain Man" oder dem Roman "Buntschatten und Fledermäuse" von dem autistischen Autor Axel Brauns: Fahrpläne auswendig lernen, Kreuzworträtsel ausdenken, zum Vergnügen Telefonbücher lesen, von Straßennamen besessen sein, die Reihenfolge hunderter Spielkarten im Kopf behalten. Praktische, wenn auch im Alltag selten wirklich dringend nötige Fähigkeiten also. Normale Männer machen so etwas auch - in reduzierter Form. Zum Beispiel spielen Jungen lieber als Mädchen mit mechanischem Spielzeug und sind besser im Kartenlesen."
(...)
Autisten können sich gar nicht in die Lage anderer versetzten, sie haben keine "Theory of Mind", wie Psychologen das nennen: Sie wissen einfach nicht, was im Kopf ihres Gegenübers vor sich geht. Bei Männern, vermutet das Forscherteam vom Autism Research Center der Cambridge University, ist das ähnlich. "Wir haben festgestellt, dass Menschen aus dem Autismus-Spektrum eine übersteigerte Form des männlichen Profils aufweisen", schreiben die Wissenschaftler."
es steht ja noch die fortsetzung dieses beitrags aus, und ich werde da versuchen, auf die - hm, testosteron-hypothese näher einzugehen. die möglichen verbindungen des autistischen phänomens in all seinen erscheinungsformen zu den verbreiteten geschlechterstereotypen sind allemal einer näheren betrachtung wert (dazu gehört übrigens auch der überproportional hohe anteil an frauen mit borderlinediagnose). und - möglicherweise! - erleben wir mit dieser diskussion den beginn einer notwendigen neuformulierung von patriarchatskritik auf einer neurobiologischen basis. dabei wird es imo für alle beteiligten bisher unvorhergesehene kröten zu schlucken geben - meine ganz persönliche meinung dazu.
nachtrag: in der dem spon-artikel zugrundeliegenden pressemitteilung heisst es am ende:
Baron-Cohen betonte laut BBC, dass die Wissenschafter daran interessiert seien den Autismus zu verstehen. "Es geht nicht darum, wie man intervenieren, Autismus verhindern oder einen pränatalen Test entwickeln kann. Es gibt zwei ethische Bedenken: Ob es sich bei Autismus um eine Krankheit handelt und ob ein möglicher pränataler Test spezifisch oder genau genug wäre."
die anmerkungen zum pränatalen test - okay, aber die andere frage erinnert sofort an etwas ähnliches: "was nützlich ist, kann keine krankheit sein"
"Denn ihre These über das "Rain Man"-Syndrom und das Gehirn lautet, in Kurzform: "Autismus stellt eine extreme Form der männlichen Struktur dar." Von "beeinträchtigter Empathie" und "erweiterter Systemisierung" ist da die Rede.
Was bei Autisten mit "Systemisierung" gemeint ist, kennt man etwa aus dem Film "Rain Man" oder dem Roman "Buntschatten und Fledermäuse" von dem autistischen Autor Axel Brauns: Fahrpläne auswendig lernen, Kreuzworträtsel ausdenken, zum Vergnügen Telefonbücher lesen, von Straßennamen besessen sein, die Reihenfolge hunderter Spielkarten im Kopf behalten. Praktische, wenn auch im Alltag selten wirklich dringend nötige Fähigkeiten also. Normale Männer machen so etwas auch - in reduzierter Form. Zum Beispiel spielen Jungen lieber als Mädchen mit mechanischem Spielzeug und sind besser im Kartenlesen."
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Autisten können sich gar nicht in die Lage anderer versetzten, sie haben keine "Theory of Mind", wie Psychologen das nennen: Sie wissen einfach nicht, was im Kopf ihres Gegenübers vor sich geht. Bei Männern, vermutet das Forscherteam vom Autism Research Center der Cambridge University, ist das ähnlich. "Wir haben festgestellt, dass Menschen aus dem Autismus-Spektrum eine übersteigerte Form des männlichen Profils aufweisen", schreiben die Wissenschaftler."
es steht ja noch die fortsetzung dieses beitrags aus, und ich werde da versuchen, auf die - hm, testosteron-hypothese näher einzugehen. die möglichen verbindungen des autistischen phänomens in all seinen erscheinungsformen zu den verbreiteten geschlechterstereotypen sind allemal einer näheren betrachtung wert (dazu gehört übrigens auch der überproportional hohe anteil an frauen mit borderlinediagnose). und - möglicherweise! - erleben wir mit dieser diskussion den beginn einer notwendigen neuformulierung von patriarchatskritik auf einer neurobiologischen basis. dabei wird es imo für alle beteiligten bisher unvorhergesehene kröten zu schlucken geben - meine ganz persönliche meinung dazu.
nachtrag: in der dem spon-artikel zugrundeliegenden pressemitteilung heisst es am ende:
Baron-Cohen betonte laut BBC, dass die Wissenschafter daran interessiert seien den Autismus zu verstehen. "Es geht nicht darum, wie man intervenieren, Autismus verhindern oder einen pränatalen Test entwickeln kann. Es gibt zwei ethische Bedenken: Ob es sich bei Autismus um eine Krankheit handelt und ob ein möglicher pränataler Test spezifisch oder genau genug wäre."
die anmerkungen zum pränatalen test - okay, aber die andere frage erinnert sofort an etwas ähnliches: "was nützlich ist, kann keine krankheit sein"
monoma - 4. Nov, 15:42