notiz: meet the shministim!
im letzten beitrag zum nichtendenwollenden israelisch-palästinensischen konflikt hatte ich ein älteres fazit mit eigenen gedanken zu möglichen auswegen wiederholt, in dem u.a. das folgende enthalten ist:
"parallel zu diesen maßnahmen müsste dann in allen beteiligten gesellschaften besonderes gewicht auf die entwicklung ziviler strukturen / entmilitarisierung gelegt werden"(...)
und jenseits der üblichen, lautstarken und vor allem bei den beteiligten außerhalb der kriegszone auch von äußerst zweifelhaften motivationen begleiteten öffentlichen positionierung zugunsten von einer der beiden seiten spielen ansätze gesellschaftlicher initiativen in israel und palästina, die im genannten zivilen und antimilitaristischen sinne aktiv sind, bisher weder vor ort und erst recht nicht im rest der welt irgendeine besondere rolle in der öffentlichen diskussion. und umso mehr freut es mich, mit meinen leserInnen die zumindest mir ganz neuen informationen zur existenz der shministim teilen zu können:
(...)""Die gegenwärtige Gewalt ist ein Ergebnis jahrzehntelanger Besatzung sowie einer Blockade des Gaza seit dem Rückzug aus diesen Gebieten", erklärte Maya Yekhieli-Wind vor ihrer Inhaftierung angesichts des aktuellen Krieges in Gaza. "Die sinnlose Besatzung von Millionen führt nur zu einer Radikalisierung ihrer Positionen, zu Hass und der Eskalation der Gewalt. Gewalt ist ein Kreislauf, der sich selbst nährt. Dieser Kreislauf wird nicht enden, bis jemand aufsteht und sich ohne Kompromisse weigert, daran teilzunehmen. Das ist es, was ich heute tue."(...)
Raz Bar-David Varon und Maya Yekhieli-Wind gehören einer Gruppe von 60 Abiturientinnen und Abiturienten an, die sich im Sommer 2008 als Shministim zusammengeschlossen haben. Gemeinsam hatten sie, Frauen und Männer, gegenüber dem israelischen Verteidigungsminister erklärt, dass sie sich gegen die "Besatzungs- und Unterdrückungspolitik der israelischen Regierung" wenden. "Wir werden uns deshalb weigern, an den Aktionen teilzunehmen, die vom israelischen Militär in unserem Namen durchgeführt werden." Bislang wurden acht von ihnen zumeist mehrfach inhaftiert."(...)
die motivationen der zuletzt genannten acht lassen sich hier in deutscher sprache nachlesen; raz bar-david varon und maya yekhieli-wind sind aktuell zum wiederholten male inhaftiert. und in einem kriegführenden staat verlangt die demonstrative verweigerung nochmals wesentlich mehr mut, als ich ihn bspw. bei meiner eigenen, schon einige jahrzehnte zurückliegenden, totalen kriegsdienstverweigerung (= auch ablehnung des "zivilen" ersatzdienstes als bemäntelung der "wehrpflicht"erfüllung) brauchte, der "nur" eine bewährungsstrafe folgte. aber bis heute fühle ich mich solidarisch mit allen, die grundsätzlich das angemaßte "recht" der jeweiligen staaten in frage stellen, ihr eigenes leben in destruktiven bewaffneten auseinandersetzungen zu opfern - und zwar in der regel meist für zweifelhafte und fremde interessen.
und gerade in israel braucht so eine entscheidung mut, denn dieser staat existiert real ständig mit einer mehr oder weniger großen bedrohung von außen, die die notwendigkeit für eine bewaffnete verteidigung noch eher nachvollziehbar macht als anderswo, und das dürfte für große teile der israelischen bevölkerung auch aus eigenem erleben außer frage stehen. umso eindrucksvoller ist die entscheidung der jungen männer und frauen der shministim für mich, trotz dieser lage einen grundsätzlichen schritt zu versuchen, um endlich räume jenseits der schier unlösbar erscheinenden traumatischen täter-opfer-dialektik zu öffnen. und wenn man sich genauer ihre motivationen anschaut, wird sowohl ihre vielfältigkeit als auch die entschiedenheit deutlich:
"Ich glaube, dass es richtig ist, der Gesellschaft, der ich angehöre, zu dienen. Und genau das ist der Grund, warum ich mich weigere, mich an den Kriegsverbrechen zu beteiligen, die mein Land begeht."
omer goldman
"Es ging mir wie vielen anderen Israelis. Auch ich konnte die israelische Armee nicht wegen ihrer unmoralischen Aktionen kritisieren oder sie damit konfrontieren. Ich stelle fest, dass diese Schwierigkeit daher rührt, dass ich mich mit den SoldatInnen meines Alters verbunden fühle, die auch meine Freunde sein könnten. Heute bringt mich genau diese Erkenntnis dazu, dass ich die Ableistung des Militärdienstes verweigere. Ich kann nicht die Menschlichkeit der Israelis anerkennen und Palästinenserinnen und Palästinenser davon ausschließen. Gerade wegen meines tiefen Gefühls der Verpflichtung und Verantwortung der Gesellschaft gegenüber, in der ich aufwuchs, weigere ich mich, am Kreislauf des Blutvergießens teilzunehmen."
maya yekhieli-wind
auf der website der gruppe lassen sich sowohl die aktuellsten infos als auch möglichkeiten zur unterstützung nachlesen.
(und ich bedanke mich noch bei che für den hinweis.)
monoma - 28. Jan, 00:13