notiz: südafrika - massive soziale kämpfe deuten sich im schatten der wm an

in den letzten krisennews vor einiger zeit wurde die möglichkeit für eine sehr überraschende variante der aktuellen fussball-wm ja schon kurz skizziert. und inzwischen zeichnet sich ab, dass zumindest teile der südafrikanischen gewerkschaften wie auch eine grössere zahl von arbeiterInnen die möglichkeiten nutzen, die sich ihnen durch die derzeitige aufmerksamkeit einer weltöffentlichkeit sowie die eben dadurch erzeugte prekäre lage der regierung auf diversen ebenen gerade bieten.

begonnen haben die teils massiven auseinandersetzungen mit einem
streik von stadion-ordnern bzw. "stewards" am sonntag nach dem spiel d-land vs. australien in durban:

(...) "In der Nacht zuvor hatte es nach dem 4:0 der deutschen Mannschaft gegen Australien in Durban Auseinandersetzungen gegeben, die von der Polizei mit aller Härte beendet wurden. Die Sicherheitsbediensteten hatten vor dem Stadion gegen eine Kürzung ihrer Löhne demonstriert.

Die Polizei setzte Tränengas ein, eine Frau wurde Augenzeugenberichten zufolge von einem Gummigeschoss getroffen. Sie soll über eine Stunde lang vor dem Stadion gelegen haben, bevor eine Ambulanz sie in eine Klinik brachte." (...)


und dort scheinen die proteste zumindest kurzfristig durchaus etwas bewirkt zu haben:
Ordner nach Krawallen in Durban ausbezahlt.

an anderen spielorten ist das nicht der fall, und so wird offensichtlich auch in durban
weitergestreikt:

(...) "Der Protest breitet sich rasant aus: Die Stadion-Stewards setzten am Dienstag ihre Streiks in Durban und Kapstadt fort, zudem legten sie auch in Johannesburg ihre Arbeit nieder. Daher entwarfen die WM-Veranstalter bereits für die Partie am Abend zwischen Rekordmeister Brasilien und Nordkorea im Ellis Park einen Notplan. Sie betrauten die Polizei mit den Aufgaben der privaten Ordnungshüter.

"Unsere Priorität besteht darin, gemäß unseres Auftrages die Sicherheit des Turniers zu garantieren", teilte Südafrikas Polizeichef Bheki Cele mit. 1000 Polizisten wurden für das Spiel am Dienstagabend kurzfristig zum Ellis-Park-Stadion in Johannesburg beordert. Auch in Durban, Kapstadt und Port Elizabeth sollen ab sofort die staatlichen Ordnungshüter in und um die Stadien den Sicherheitsdienst übernehmen." (...)


wie zu erwarten und dem bericht zu entnehmen, hält sich die FIFA bisher aus allem heraus und weist alle probleme den südafrikanischen institutionen zu - mal sehen, ob sich diese linie der völligen ignoranz gegenüber der sozialen realität für diesen überflüssigen verband weiter durchhalten lässt. denn die situation direkt in den stadien ist keinesfalls der einzige brennpunkt; auch in anderen bereichen lässt sich die nötige infrastruktur einer wm leicht lahmlegen:

(...) "Der Steward-Streik ist die gravierendste arbeitsrechtliche Auseinandersetzung. In den Hintergrund gedrängt wurde dadurch ein Protest von Busfahrern in Johannesburg, der am Montag zu Behinderungen nach dem Spiel Niederlande gegen Dänemark führte. Auch dafür wollten Fifa und OK keine Verantwortung übernehmen und verwiesen an die kommunalen Behörden, die den öffentlichen Transport koordinieren. Mittlerweile fahren die Busse wieder regelmäßig, aber ein anderer Streit könnte für neues Ungemach sorgen.

Die Angestellten des Energieversorgers Eskom drohen mit Streik, da die Firmenleitung trotz Millionenbonuszahlungen für die Führungskräfte in den Tarifverhandlungen weit unter den Forderungen der Arbeitnehmer bleibt. Ein partieller Stromausfall würde angesichts vieler Elektroheizungen auch in Unterkünften zahlreicher WM-Fans bei den herrschenden Wintertemperaturen wenig Fußball-Fieber verbreiten." (...)


vielleicht müssen die übertragenden fernsehsender demnächst mal ihr motto überarbeiten:

"fussball-weltmeisterschaft soziale kämpfe? bei uns sitzen Sie in der ersten reihe!"

*

edit: sehr empfehlen möchte ich dazu eine materialsammlung beim labournet:
"Verkaufen, verjagen, verbieten, kontrollieren: Der FIFA-Staat ist ein Notstandsregime".

und das ist nicht übertrieben:

(...) "Über 40 Gruppierungen quer durchs Land hatten für den 10. Juni 2010 zu einer Protestdemonstration für ein besseres Erziehungswesen aufgerufen - um von der Polizei mitgeteilt zu bekommen, dass diese Demonstration nicht erlaubt werde: Keine Demonstration werde während des ganzen Monats Juni bis zum 15. Juli 2010 in ganz Südafrika erlaubt werden. In einer Pressemitteilung vom 27. Mai 2010 (bei amandla) protestieren diese Organisationen gegen das Verbot: "Civil Society Organisations Condemn Ban on March For Quality Education" unter anderem mit dem bescheidenen Hinweis darauf, dass es für dieses Verbot in ganz Südafrika keinerlei gesetzliche Grundlage gäbe... Die Erziehungsdemonstration kann jetzt doch stattfinden, die Verbote etwa für das Johannesburger Antiprivatisierungsforum aber bleiben bestehen." (...)

persönlich bin ich bei all diesen widerwärtigkeiten nur froh, dass mich dieser milliardenschwere event trotz grundsätzlichem fussballinteresses so desinteressiert findet wie noch niemals zuvor. und zu den sonstigen aspekten einer wm sowie des profifussballs im allgemeinen verweise ich einfach auf den beitrag, den ich zum thema vor vier jahren geschrieben hatte:
"Wir brauchen einen Rausch". der titel trifft´s heute fast noch besser als damals, und es müssen eigentlich nur bestimmte länder- und spielernamen ausgetauscht werden - dann passen auch die inhalte wie angegossen.
monoma - 15. Jun, 21:23

"Die Angst vor dem Super-Streik"...

...titelt das "handelsblatt" seit ein paar stunden; und obwohl der ganze artikel natürlich aus kapitalaffiner ("zu hohes lohnniveau im land blablabla") sicht geschrieben ist, enthält er doch ein paar weitere interessante informationen:

(...) "Auch die Auto-, Wein- und Fruchtindustrie waren zuletzt unter Druck geraten. Albert Schuimaker, Chef der Kapstädter Handelskammer, bezeichnete die jüngsten Streiks als "verheerend" und warnte vor einem Übergreifen auf andere Sektoren. (...)

Neben den Arbeitern bei Eskom haben nun auch andere Angestellte im öffentlichen Dienst, darunter Krankenschwestern und Lehrer, mit Streiks gedroht." (...)


na denn - unter den derzeitigen speziellen bedingungen könnten große teile der südafrikanischen bevölkerung regelrechte kantersiege landen. viel glück!

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