Freitag, 13. Juli 2007

notiz: vom täglichen krieg in der "besten aller welten[TM]"

in den simulierten fiktionen, die v.a. medial in vielfältigster weise immer wieder zur unterstützung der tragenden ideologien dieser gesellschaft verbraten und verbreitet werden, spielen der fetisch arbeit (und die arbeitswelt) sowie die besinnung auf familiäre werte eine herausragende rolle. der wahre kern in diesen fiktionen - und der mag auch ihre ungebrochene anziehungskraft zumindet zu einem großen teil erklären - besteht nun darin, dass eine sinnvolle und erfüllende, d.h. nicht fremdbestimmte, nicht als zwang zur bloßen existenzsicherung konzipierte und nicht zur bloßen profitmaximierung egal mit welchen destruktiven folgen verbundene arbeit genauso wie eine großzügige und liebevolle familiensituation, die sich nicht auf biologistische und patriarchale mythen beruft und v.a. nicht als "schule der nation" bzw. "keimzelle des staates" gebrauchen lässt, ganz wesentliche elemente einer gesunden menschlichen entwicklung darstellen.

eine mehr oder weniger zufällige auswahl aktueller nachrichten macht deutlich, wieweit die herrschenden gesellschaftlichen strukturen diese fundamentalen menschlichen sehnsüchte inzwischen täglich pervertieren. arbeit und familie werden zum schlachtfeld, und nicht nur diese bereiche.

der verdacht, dass an den verschiedensten "zivilen" kriegsfronten nicht zufällig das mittel der traumatisierung als waffe eingesetzt wird, drängt sich nicht zum erstenmal regelrecht auf - im folgenden bericht zu den nicht anders als menschenverachtend zu nennenden praktiken eines rechtsanwalts wird das in den letzten sätzen auf den punkt gebracht:

(...)"Wenn Naujoks Methoden Schule machten, "wirft uns das zurück in die Zeiten des Manchester-Kapitalismus. Das ist einfach reaktionär", sagt der Berliner Arbeitsrechtler Volker Ratzmann. "Es geht ihm weit über die rechtliche Auseinandersetzung hinaus darum, Konfrontationen aufzubauen und den Gegner persönlich zu treffen."

Roland Renger ist darüber krank geworden. Wer ihn wie seine Kollegin Regenfelder gut kennt, erinnert sich an ein "absolutes Alpha-Männchen, ein herausragender Stratege, den nichts so schnell umwarf und der flammende Reden gehalten hat".

Jetzt raubt ihm die Erinnerung an seine Zeit als Betriebsratschef bei Kabel BW nachts den Schlaf, der Schweiß bricht ihm aus, wenn er darauf angesprochen wird. Seit Monaten ist er krank; die Ärzte attestieren, Renger leide an "posttraumatischen Belastungsstörungen". Das kennt man von Soldaten, die im Krieg Schlimmes erlebt haben."


im folgenden zitat können Sie übrigens beliebige namen von irgendwelchen metropolen einsetzen - es ist grundsätzlich gültig, zumal bei den heute global herrschenden ökonomischen strukturen:

(...)"Wirtschaft ist Krieg", heißt es von Managern in den Straßenschluchten Seouls. "Und für den Krieg muss man immer gewappnet sein!"(...)

*

da die eindimensionale - und im schlimmsten sinne dumme - wahrnehmung aller aspekte des menschlichen lebens alleine unter ökonomischen - also grundsätzlich verdinglichenden - perspektiven im totalitären kapitalismus als "normalität" durchgesetzt werden soll (stichwort "familienmanagement"; und gar nicht zufällig taucht hier das altbekannte nlp mal wieder auf), breitet sich folgerichtig die grundsätzliche kriegssituation bis in die anscheinend "privatesten" refugien aus:

(...)Ein 14 Jahre altes Mädchen muss wegen Totschlags an ihrer Mutter für vier Jahre und zehn Monate ins Gefängnis. Es hatte im Dezember vergangenen Jahres ihre 34 Jahre alte Mutter mit 24 Messerstichen getötet.

Die Tat sei maßgeblich auf eine jahrelange mütterliche Tyrannei zurückzuführen, berichtete der Sprecher des Gerichts. Das Kind sei emotional vernachlässigt, misshandelt und gedemütigt worden.(...)


nicht nur wird hier zum wiederholten male das sichtbar, was als täter-opfer-dialektik bezeichnet werden kann - auch die völlig unangmessene justizielle reaktion spricht wieder einmal bände - wer glaubt wirklich, dass diesem kind im sog. strafvollzug eine perspektive geboten werden kann? die justiz agiert hier hier zum wiederholten mal als gnadenloser exekutiver apparat im interesse von diffusen rachebedürfnissen und vor allem im interesse der gesellschaftlichen verdrängung - wenn wir uns ernsthaft als gesellschaftlich beteiligte wahrnehmen und begreifen würden, könnten wir bei derartigen gewaltereignissen schlicht und einfach nicht mit unserem alltäglichen kram fortfahren.

*

dieser ach so wichtige alltagskram zu vieler menschen - "kriege/behalte ich die stelle?" "sehe ich gut genug beim date aus?" " wer wird der nächste superstar?" "wie komme ich an das coole auto?" etc.) wird ebenfalls durch meldungen wie diese in den relationen zurechtgerückt (und vielleicht auch gleichzeitig als integraler bestandteil des kriegsszenarios kenntlich) :

(...)"Im sauerländischen Iserlohn ist ein drei Monate alter Junge durch Verwahrlosung ums Leben gekommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die 26-jährige Mutter und deren 25-jährigen Lebensgefährten wegen eines Tötungsdeliktes.

"Außerdem ermittelt die Behörde wegen fahrlässiger Tötung gegen Mitarbeiter des Iserlohner Jugendamtes“, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Rahmer.

Wie jetzt öffentlich bekannt wurde, starb der Junge vor drei Wochen an den Folgen von Unterernährung. Dem Jugendamt seien die Verhältnisse in der Dachgeschoss-Wohnung in der Nähe der Iserlohner Innenstadt bekannt gewesen, erklärte der Staatsanwalt."(...)


das letztere erinnert frappierend an den "fall" kevin - und bei der mutter dürfte eine hohe wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass sie in zukünftigen forensisch-psychiatrischen gutachten als borderline klassifiziert werden wird - schauen Sie ruhig nochmal in den index dieses blogs, um nachzuvollziehen, warum das mitnichten als bloße spekulation anzusehen ist.

*

borderline ist dann auch das stichwort für eine grausige geschichte rund um einen doppelmord bzw. den prozeß darüber - auszug aus einem disput zwischen dem anwalt des angeklagten und dem staatsanwalt:

(...) Was er als mögliche Borderline-Erkrankung, als den angesichts hoher Schulden nicht mehr zu verhindernden Zusammenbruch einer Scheinwelt mit eruptivem Kontrollverlust einstuft, ist aus Sicht von Staatsanwalt Justus Koch allenfalls die nicht krankhafte Wahnvorstellung eines Hochstaplers.(...)

das konstrukt der "nicht krankhaften wahnvorstellung" ist hier besonders interessant - jenseits der obligatorischen juristischen spitzfindigkeiten wird hier mal wieder der katastrophale und letztlich unhaltbare begriff von realität und wahnsinn der aktuellen justiz deutlich - mehr und ausführlicher gibt´s dazu hier und hier zu lesen. zum begriff der scheinwelt würden mir diverse beispiele aus der welt der sog. "eliten" einfallen, aber justiziell verfolgt wg. konstruktion von scheinwelten werden bis heute nur die simulierenden "kleinen fische" - lesen Sie den zweiten teil des beitrags.

***

das oben gesammelte hat mich heute irgendwann so frustriert, dass ich mich zum schreiben regelrecht genötigt sah - aber ich hatte auch mal etwas freiraum und zeit, um dem nachzugeben. ansonsten bin ich gerade so vielfältig beschäftigt, dass hier auch weiterhin nur sporadisch etwas passieren wird. wenn Sie zufällig das erste mal auf dieser seite sein sollten und die themen Sie interessieren, empfehle ich zum stöbern den index. und allen stammleserInnen hier wünsche ich inzwischen eine gute zeit.

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