diskussion: zum verhältnis individueller (diagnostizierter) autismus - gesellschaftliche kollektive und individuelle autistische zustände
in den letzten tagen hat ein leser namens guru, selbst (asperger-)autist, wie ich den kommentaren entnehme, hier an verschiedenen stellen harsche kritik an dem im blog vertretenen autismus-begriff und seinen möglichen implikationen geübt. um diese diskussion übersichtlicher zu gestalten, mache ich einen eigenen beitrag dafür auf, auch weil es bei den aufgegriffenen themen inhaltlich zur sache geht. deshalb @guru und potenzielle andere: ich bitte darum, dass Sie zukünftige kommentare innerhalb dieses beitrags hinterlassen, schon weil das zusammensuchen an verschiedenen stellen einen größeren aufwand bedeutet. die von Ihnen gesuchte beitragsübersicht lässt sich übrigens in der menueleiste rechts unter dem punkt index finden.
*
um das ganze für interessierte leserInnen, die womöglich erst jetzt einsteigen, nachvollziehbarer zu machen, liste ich die bisherigen kommentare von guru jetzt in ihrer chronologischen folge auf: eins , zwei , drei , vier , fünf , sechs , sieben , acht und neun .
eine erste antwort meinerseits hatte ich auf kommentar fünf gegeben, gurus replik wiederum werde ich im folgenden zitierend beantworten.
*
bevor ich aber gleich damit beginne, scheint es mir angebracht, nochmals teile dieses alten beitrages hier einleitend zu zitieren:
(...)1. was bedeutet eigentlich "autismuskritik"?
dieses wort ist eine spontane augenblickskreation und scheint mir bis auf weiteres als prägnante zusammenfassung das hauptthema dieses blogs am ehesten wiederzugeben - den versuch einer analyse und kritik diverser gesellschaftlicher phänomene, die mir in den letzten jahren zunehmend bedrohlich erscheinen - die folgen von direkter und struktureller gewalt auf die menschlichen fähigkeiten zum sozialen leben als basis jeder gesellschaft und kultur. der autismus, egal wie er definiert wird - als krankheit, als behinderung, und/oder als seinsweise - weist dabei strukturell am deutlichsten in seinen erscheinungsformen auf defekte hin, die sich meiner meinung nach auch in gesellschaftlichen bereichen wiederfinden lassen, die wir als "normal" zu betrachten uns angewöhnt haben.
2. ist es nicht unzulässig und auch diskriminierend für direkt betroffene, das attribut "autistisch" in zusammenhang bspw. mit kindsmorden, kriegen und allgemein soziopathischem verhalten zu benutzen?
eine berechtigte frage - zeit für eine klarstellung: mir ist schon klar, das autistische menschen heute i.d.r. selbst betroffen von vielfältiger stigmatisierung/ausgrenzung sind (das gilt z.t. übrigens auch für diejenigen, die die diagnose einer der hier öfter erwähnten persönlichkeitsstörungen mit sich herumschleppen, gerade borderline ). und gleichfalls sind als solche diagnostizierte autistische menschen in aller regel nicht an der mehrzahl der hier dokumentierten, teils extrem destruktiven verhaltensweisen, beteiligt. trotzdem scheint mir aus gründen, die in punkt 1 schon näher benannt wurden, das wort "autismus" als nicht nur als metapher begründet zu sein - vor allem dann, wenn man ( wie ich) von der these ausgeht, dass sich autistische züge und strukturen bei weitaus mehr menschen finden lassen als bei den immer noch relativ wenigen, die eine diagnose aus diesem spektrum "offiziell" tragen. dabei geht es vor allem um die grundsätzlichen möglichkeiten und defekte der menschlichen wahrnehmungsfähigkeiten, die als eine der wichtigsten voraussetzungen für das menschliche leben auch für jede gesellschaft und kultur eine entscheidende (und meistens völlig unterschätzte) rolle spielen. die krankheiten des autistischen spektrums weisen dabei am deutlichsten darauf hin, was wahrnehmungsstörungen und defekte für konsequenzen haben können. bei anderen diagnosen, v.a. aus dem bereich der persönlichkeitsstörungen, existieren hingegen recht weit verbreitete und gut dokumentierte materialien, die einen zusammenhang zwischen kulturellen und gesellschaftlichen entwicklungen, extrem destruktiven praktiken und bestimmten persönlichkeitsstörungen mehr als nur nahelegen.(...)
das nochmals zur erinnerung. und nun zur direkten debatte. die von guru zitierten teile meiner vorherigen antwort setze ich dabei zwecks unterscheidbarkeit in eckige klammern.
*
Dass Sie Erfahrungen mit psychiatrischen Diagnosen haben, tut mir sehr leid. Es scheint Ihrem Verstand ja nicht geschadet zu haben,
der sog. verstand oder die instrumentelle intelligenz ist in aller regel bei psychophyischen störungen nicht nur nicht geschädigt im konventionellen sinne, sondern diese fähigkeiten springen mit einiger wahrscheinlichkeit sogar kompensatorisch, wenn auch in unorthodoxer form, für die jeweils ausgefallenen fähigkeiten ein - das dürfte selbst für die "klassischen" psychosen gelten.
Konstruktivismus ist eine interessante Theorie, radikaler auch, besonders aus wahrnehmungstheoretischer Sicht. Die Realität wird konstruiert und es werden Zusammenhänge hergestellt, wo manchmal gar keine sind. Und ich finde, das passiert hier.
da die virtuelle "natur" des netzes grundsätzlich eine konstruktivistische ist, lässt sich dieser eindruck - und zwar egal, bei welchem thema - nicht vermeiden.
Verdinglichung ist auch ein spannendes Thema. Einem Menschen Gefühle abzusprechen heißt, ihm Menschsein abzusprechen, Tiersein, Teil der Natur sein. Es heißt, ihn zu einem Objekt zu machen. Das ist Verdinglichung oder habe ich was falsch verstanden?
ja, haben Sie. wenn auch haarscharf: verdinglichung ist das produkt von bestimmten wahrnehmungsmodi, die aus bestimmten gründen in bereichen auftreten - zwischenmenschlich/sozial und auch gegenüber tieren - , in denen sie hochgradig dysfunktional und destruktiv wirken müssen. diese wahrnehmungsmodi, die ich hier im blog unter das label objektivistisch gepackt habe, gehören zur menschlichen grundausstattung, und sind zur bewältigung des lebens bzw. der auseinandersetzung mit den nichtlebendigen teilen unserer umwelt unverzichtbar und nicht per se pathologisch. letzteres werden sie jedoch in diversen formen und ausprägungen immer dann, wenn das gestörte psychophysische gleichgewicht innerhalb eines menschen den objektivistischen modus in eine wahrnehmungsmäßige monopolposition gebracht hat. das hat erstens zur folge, dass sich der betroffene in einem gewissen sinne selbst, v.a. "seinen" körper, als objekt wahrnimmt, und zweitens diese art der wahrnehmung im gesamten sozialen bereich praktiziert. anders ließe sich das als weitgehender verlust der eigenen vollständigen subjektivität beschreiben, und das ist die vorbedingung dafür, auch bei anderen deren subjektivität nicht mehr wahrnehmen zu können. im schlimmsten fall wird dieser status dann noch mittels objektivistisch produzierter simulationen überspielt, um sich an die jeweiligen sozialen normen und verhaltenskodexe anzupassen - in einer art "reinform" bei den klassischen soziopathen zu beobachten.
und subjektive fähigkeiten/eigenarten wie gefühle werden eher nicht "abgesprochen", sondern können vom objektivistischen modus nicht wahrgenommen werden, bzw. werden als konstruiertes interpretiert, was aber eher einer projektion des eigenen funktionsmodus entspricht. und auch, wenn sich dieser ganze prozeß als eine art überlebens- und anpassungsstrategie (innerhalb antisozialer umweltbedingungen) verstehen lässt, bleibt das ganze grundsätzlich destruktiv - zumindest für andere, nicht unbedingt für den betroffenen selbst. wie letzteres dann konkret aussehen kann, zeigt ein fallbeispiel .
Grundlegende soziale Fähigkeiten – was versteht man darunter? Ich möchte wohl behaupten, dass ich über grundlegende soziale Fähigkeiten verfüge. Mitunter bin ich etwas zu direkt und man sollte mich nicht nach meiner Meinung fragen, wenn man sie nicht hören will, aber grundsätzlich bin ich ein sozial sehr engagierter und feinfühliger Mensch und selbst wenn ich dies nicht wäre, bliebe ich ein Mensch wie jeder andere. Oder anders, wenn ich das nicht wäre, wäre ich wie die meisten anderen.
grundlegende soziale fähigkeiten sind zb. empathie als umfassende subjektive fähigkeit, einen anderen menschen verstehen zu können. ebenso fällt die intuition darunter als fähigkeit, beliebige situationen spontan ganzheitlich korrekt und in einer tiefe wahrnehmen zu können, die "der verstand" aufgrund seiner funktionalen beschränkungen niemals erreichen kann - seine aufgabe ist eher die im besten falle realistische interpretation und synthese der wahrgenommenen informationen.
ohne die beiden genannten ist letztlich kein soziales leben denkbar, welches auf vertrauen, liebes- und kollektivfähigkeit basieren sollte. das es das bis heute nur in absoluten ausnahmen tut, hat auch damit zu tun, dass diese sozialen fähigkeiten bzw. ihre materiell-körperlichen voraussetzungen - die in den verlinkten beiträgen teils schon erwähnt sind; spiegelneurone und propriozeption gehören u.a. dazu - in einem klassisch klinischen sinne geschädigt bzw. u.u. auch zerstört werden können. und wenn man nun so ein phänomen wie die verdinglichung umfassend begreifen will, ist es mehr als nur plausibel, die grundlagen eines solchen sozusagen entgleisten wahrnehmungsmodus´ eben in unserer absoluten biologischen basis zu suchen: dem körper (incl. hirn & nervensysteme), der wir sind.
da Sie sich ja vermutlich aus höchst eigenem interesse mit den diversen forschungen rund um den autismus beschäftigen, sind Ihnen vielleicht auch forschungen wie diese bekannt, wo es um den zusammenhang zwischen gestörten spiegelneuronsystemen und autismus geht? was automatisch die frage nach der empathiefähigkeit bei autismus nach sich zieht. ebenso gibt es starke hinweise richtung störungen (im letzten teil des beitrags) der oben erwähnten propriozeptiven wahrnehmung bei autistischen menschen.
das läßt aus meiner sicht hinsichtlich Ihrer obigen behauptung bzw. selbstbeschreibung, die ich bezgl. Ihrer selbstwahrnehmung gar nicht in abrede stellen will bzw. kann, eigentlich nur zwei schlüsse zu - und jetzt werde ich sehr direkt und nicht um den heißen brei herumreden:
entweder ist Ihre (vermutliche) diagnose unzutreffend, oder aber Ihre selbstwahrnehmung beruht auf einem zugegebenermaßen extrem schwer zu erkennenden prozeß der verwechslung von authentischen sozialen fähigkeiten mit durch eine art lernprozeß herausgebildeten simulativen fähigkeiten, die sich bei Ihnen zwecks anpassung / überleben / funktionieren in einer sozialen umwelt geprägt haben. das wäre noch nichteinmal als manko zu betrachten, sondern lässt sich auch in einem bestimmten sinne als kreative lösung eines existenziellen problems ansehen. nur: qualitativ wäre Ihre art der wahrnehmung trotzdem etwas sehr anderes als das, was ich oben unter den sozialen fähigkeiten beschrieben habe. und ich muss Ihnen auch sagen, dass ich "soziales engagement" nicht als - hm, "beleg" für das vorhandensein bzw. nichtvorhandensein authentischer sozialität ansehen kann. sozial engagieren kann ich mich auch aus eiskaltem kalkül heraus, um bestimmte wirkungen zu erzielen, die mit altruistischen motivationen aber auch gar nix zu tun haben müssen - die marketing- und pr-abteilungen großer konzerne verbringen inzwischen einen großen teil ihrer zeit mit derlei als-ob-engagement. ebenso kann authentisch wirkendes soziales engagement ein teil des konstrukts einer beliebigen eigenen identität sein, welche ganz und gar simulativ daherkommen kann, aber eben als solche nicht bewusst sein muss.
wie gesagt, ich will Ihnen mit dem obigen nichts unterstellen, weise aber darauf hin, dass Sie durchaus die möglichkeit in betracht ziehen müssen, dass Ihnen Ihre selbstwahrnehmung hier einen streich spielt - was bei einer lebenslangen praxis desselben weder verwunderlich noch unverständlich wäre. denn genau durch (qualitative) veränderungen dieser sozialen fähigkeiten (und den konsequenzen) zeichnet sich der klassische autismus, jedenfalls nach allem, was ich bisher weiß, ja aus.
*
an dieser stelle möchte ich aus zeitlichen gründen unterbrechen. der rest der antwort kommt in einem update demnächst. ich würde es begrüßen, wenn bis zu diesem zweiten teil von kommentaren zum obigen abgesehen wird.
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um das ganze für interessierte leserInnen, die womöglich erst jetzt einsteigen, nachvollziehbarer zu machen, liste ich die bisherigen kommentare von guru jetzt in ihrer chronologischen folge auf: eins , zwei , drei , vier , fünf , sechs , sieben , acht und neun .
eine erste antwort meinerseits hatte ich auf kommentar fünf gegeben, gurus replik wiederum werde ich im folgenden zitierend beantworten.
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bevor ich aber gleich damit beginne, scheint es mir angebracht, nochmals teile dieses alten beitrages hier einleitend zu zitieren:
(...)1. was bedeutet eigentlich "autismuskritik"?
dieses wort ist eine spontane augenblickskreation und scheint mir bis auf weiteres als prägnante zusammenfassung das hauptthema dieses blogs am ehesten wiederzugeben - den versuch einer analyse und kritik diverser gesellschaftlicher phänomene, die mir in den letzten jahren zunehmend bedrohlich erscheinen - die folgen von direkter und struktureller gewalt auf die menschlichen fähigkeiten zum sozialen leben als basis jeder gesellschaft und kultur. der autismus, egal wie er definiert wird - als krankheit, als behinderung, und/oder als seinsweise - weist dabei strukturell am deutlichsten in seinen erscheinungsformen auf defekte hin, die sich meiner meinung nach auch in gesellschaftlichen bereichen wiederfinden lassen, die wir als "normal" zu betrachten uns angewöhnt haben.
2. ist es nicht unzulässig und auch diskriminierend für direkt betroffene, das attribut "autistisch" in zusammenhang bspw. mit kindsmorden, kriegen und allgemein soziopathischem verhalten zu benutzen?
eine berechtigte frage - zeit für eine klarstellung: mir ist schon klar, das autistische menschen heute i.d.r. selbst betroffen von vielfältiger stigmatisierung/ausgrenzung sind (das gilt z.t. übrigens auch für diejenigen, die die diagnose einer der hier öfter erwähnten persönlichkeitsstörungen mit sich herumschleppen, gerade borderline ). und gleichfalls sind als solche diagnostizierte autistische menschen in aller regel nicht an der mehrzahl der hier dokumentierten, teils extrem destruktiven verhaltensweisen, beteiligt. trotzdem scheint mir aus gründen, die in punkt 1 schon näher benannt wurden, das wort "autismus" als nicht nur als metapher begründet zu sein - vor allem dann, wenn man ( wie ich) von der these ausgeht, dass sich autistische züge und strukturen bei weitaus mehr menschen finden lassen als bei den immer noch relativ wenigen, die eine diagnose aus diesem spektrum "offiziell" tragen. dabei geht es vor allem um die grundsätzlichen möglichkeiten und defekte der menschlichen wahrnehmungsfähigkeiten, die als eine der wichtigsten voraussetzungen für das menschliche leben auch für jede gesellschaft und kultur eine entscheidende (und meistens völlig unterschätzte) rolle spielen. die krankheiten des autistischen spektrums weisen dabei am deutlichsten darauf hin, was wahrnehmungsstörungen und defekte für konsequenzen haben können. bei anderen diagnosen, v.a. aus dem bereich der persönlichkeitsstörungen, existieren hingegen recht weit verbreitete und gut dokumentierte materialien, die einen zusammenhang zwischen kulturellen und gesellschaftlichen entwicklungen, extrem destruktiven praktiken und bestimmten persönlichkeitsstörungen mehr als nur nahelegen.(...)
das nochmals zur erinnerung. und nun zur direkten debatte. die von guru zitierten teile meiner vorherigen antwort setze ich dabei zwecks unterscheidbarkeit in eckige klammern.
*
Dass Sie Erfahrungen mit psychiatrischen Diagnosen haben, tut mir sehr leid. Es scheint Ihrem Verstand ja nicht geschadet zu haben,
der sog. verstand oder die instrumentelle intelligenz ist in aller regel bei psychophyischen störungen nicht nur nicht geschädigt im konventionellen sinne, sondern diese fähigkeiten springen mit einiger wahrscheinlichkeit sogar kompensatorisch, wenn auch in unorthodoxer form, für die jeweils ausgefallenen fähigkeiten ein - das dürfte selbst für die "klassischen" psychosen gelten.
Konstruktivismus ist eine interessante Theorie, radikaler auch, besonders aus wahrnehmungstheoretischer Sicht. Die Realität wird konstruiert und es werden Zusammenhänge hergestellt, wo manchmal gar keine sind. Und ich finde, das passiert hier.
da die virtuelle "natur" des netzes grundsätzlich eine konstruktivistische ist, lässt sich dieser eindruck - und zwar egal, bei welchem thema - nicht vermeiden.
Verdinglichung ist auch ein spannendes Thema. Einem Menschen Gefühle abzusprechen heißt, ihm Menschsein abzusprechen, Tiersein, Teil der Natur sein. Es heißt, ihn zu einem Objekt zu machen. Das ist Verdinglichung oder habe ich was falsch verstanden?
ja, haben Sie. wenn auch haarscharf: verdinglichung ist das produkt von bestimmten wahrnehmungsmodi, die aus bestimmten gründen in bereichen auftreten - zwischenmenschlich/sozial und auch gegenüber tieren - , in denen sie hochgradig dysfunktional und destruktiv wirken müssen. diese wahrnehmungsmodi, die ich hier im blog unter das label objektivistisch gepackt habe, gehören zur menschlichen grundausstattung, und sind zur bewältigung des lebens bzw. der auseinandersetzung mit den nichtlebendigen teilen unserer umwelt unverzichtbar und nicht per se pathologisch. letzteres werden sie jedoch in diversen formen und ausprägungen immer dann, wenn das gestörte psychophysische gleichgewicht innerhalb eines menschen den objektivistischen modus in eine wahrnehmungsmäßige monopolposition gebracht hat. das hat erstens zur folge, dass sich der betroffene in einem gewissen sinne selbst, v.a. "seinen" körper, als objekt wahrnimmt, und zweitens diese art der wahrnehmung im gesamten sozialen bereich praktiziert. anders ließe sich das als weitgehender verlust der eigenen vollständigen subjektivität beschreiben, und das ist die vorbedingung dafür, auch bei anderen deren subjektivität nicht mehr wahrnehmen zu können. im schlimmsten fall wird dieser status dann noch mittels objektivistisch produzierter simulationen überspielt, um sich an die jeweiligen sozialen normen und verhaltenskodexe anzupassen - in einer art "reinform" bei den klassischen soziopathen zu beobachten.
und subjektive fähigkeiten/eigenarten wie gefühle werden eher nicht "abgesprochen", sondern können vom objektivistischen modus nicht wahrgenommen werden, bzw. werden als konstruiertes interpretiert, was aber eher einer projektion des eigenen funktionsmodus entspricht. und auch, wenn sich dieser ganze prozeß als eine art überlebens- und anpassungsstrategie (innerhalb antisozialer umweltbedingungen) verstehen lässt, bleibt das ganze grundsätzlich destruktiv - zumindest für andere, nicht unbedingt für den betroffenen selbst. wie letzteres dann konkret aussehen kann, zeigt ein fallbeispiel .
Grundlegende soziale Fähigkeiten – was versteht man darunter? Ich möchte wohl behaupten, dass ich über grundlegende soziale Fähigkeiten verfüge. Mitunter bin ich etwas zu direkt und man sollte mich nicht nach meiner Meinung fragen, wenn man sie nicht hören will, aber grundsätzlich bin ich ein sozial sehr engagierter und feinfühliger Mensch und selbst wenn ich dies nicht wäre, bliebe ich ein Mensch wie jeder andere. Oder anders, wenn ich das nicht wäre, wäre ich wie die meisten anderen.
grundlegende soziale fähigkeiten sind zb. empathie als umfassende subjektive fähigkeit, einen anderen menschen verstehen zu können. ebenso fällt die intuition darunter als fähigkeit, beliebige situationen spontan ganzheitlich korrekt und in einer tiefe wahrnehmen zu können, die "der verstand" aufgrund seiner funktionalen beschränkungen niemals erreichen kann - seine aufgabe ist eher die im besten falle realistische interpretation und synthese der wahrgenommenen informationen.
ohne die beiden genannten ist letztlich kein soziales leben denkbar, welches auf vertrauen, liebes- und kollektivfähigkeit basieren sollte. das es das bis heute nur in absoluten ausnahmen tut, hat auch damit zu tun, dass diese sozialen fähigkeiten bzw. ihre materiell-körperlichen voraussetzungen - die in den verlinkten beiträgen teils schon erwähnt sind; spiegelneurone und propriozeption gehören u.a. dazu - in einem klassisch klinischen sinne geschädigt bzw. u.u. auch zerstört werden können. und wenn man nun so ein phänomen wie die verdinglichung umfassend begreifen will, ist es mehr als nur plausibel, die grundlagen eines solchen sozusagen entgleisten wahrnehmungsmodus´ eben in unserer absoluten biologischen basis zu suchen: dem körper (incl. hirn & nervensysteme), der wir sind.
da Sie sich ja vermutlich aus höchst eigenem interesse mit den diversen forschungen rund um den autismus beschäftigen, sind Ihnen vielleicht auch forschungen wie diese bekannt, wo es um den zusammenhang zwischen gestörten spiegelneuronsystemen und autismus geht? was automatisch die frage nach der empathiefähigkeit bei autismus nach sich zieht. ebenso gibt es starke hinweise richtung störungen (im letzten teil des beitrags) der oben erwähnten propriozeptiven wahrnehmung bei autistischen menschen.
das läßt aus meiner sicht hinsichtlich Ihrer obigen behauptung bzw. selbstbeschreibung, die ich bezgl. Ihrer selbstwahrnehmung gar nicht in abrede stellen will bzw. kann, eigentlich nur zwei schlüsse zu - und jetzt werde ich sehr direkt und nicht um den heißen brei herumreden:
entweder ist Ihre (vermutliche) diagnose unzutreffend, oder aber Ihre selbstwahrnehmung beruht auf einem zugegebenermaßen extrem schwer zu erkennenden prozeß der verwechslung von authentischen sozialen fähigkeiten mit durch eine art lernprozeß herausgebildeten simulativen fähigkeiten, die sich bei Ihnen zwecks anpassung / überleben / funktionieren in einer sozialen umwelt geprägt haben. das wäre noch nichteinmal als manko zu betrachten, sondern lässt sich auch in einem bestimmten sinne als kreative lösung eines existenziellen problems ansehen. nur: qualitativ wäre Ihre art der wahrnehmung trotzdem etwas sehr anderes als das, was ich oben unter den sozialen fähigkeiten beschrieben habe. und ich muss Ihnen auch sagen, dass ich "soziales engagement" nicht als - hm, "beleg" für das vorhandensein bzw. nichtvorhandensein authentischer sozialität ansehen kann. sozial engagieren kann ich mich auch aus eiskaltem kalkül heraus, um bestimmte wirkungen zu erzielen, die mit altruistischen motivationen aber auch gar nix zu tun haben müssen - die marketing- und pr-abteilungen großer konzerne verbringen inzwischen einen großen teil ihrer zeit mit derlei als-ob-engagement. ebenso kann authentisch wirkendes soziales engagement ein teil des konstrukts einer beliebigen eigenen identität sein, welche ganz und gar simulativ daherkommen kann, aber eben als solche nicht bewusst sein muss.
wie gesagt, ich will Ihnen mit dem obigen nichts unterstellen, weise aber darauf hin, dass Sie durchaus die möglichkeit in betracht ziehen müssen, dass Ihnen Ihre selbstwahrnehmung hier einen streich spielt - was bei einer lebenslangen praxis desselben weder verwunderlich noch unverständlich wäre. denn genau durch (qualitative) veränderungen dieser sozialen fähigkeiten (und den konsequenzen) zeichnet sich der klassische autismus, jedenfalls nach allem, was ich bisher weiß, ja aus.
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an dieser stelle möchte ich aus zeitlichen gründen unterbrechen. der rest der antwort kommt in einem update demnächst. ich würde es begrüßen, wenn bis zu diesem zweiten teil von kommentaren zum obigen abgesehen wird.
monoma - 29. Jun, 12:06