Montag, 7. September 2009

assoziation: taliban, maras, piraten etc. - der asymmetrische krieg des westens gegen die "untere milliarde" (2)

(zum ersten teil)

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das auftreten von gangs - egal ob mit politischer und/oder religiöser ideologie - lässt sich durchaus als globales phänomen betrachten, und zwar als zwangsläufiges: erstens stellt die form der bande eine art rudimentäre basis der menschlichen sozialität dar, allerdings nur in situationen allgemeiner äußerer bedrohung und unsicherheit. zweitens lassen sich bandenstrukturen in allen gesellschaften mit traumatisch kontaminierter sozialstruktur nachweisen (ich verlinke
das vorsichtshalber nochmal); und drittens lässt sich die these aufstellen, dass es sich bei den meist männlichen mitgliedern i.d.r. um jüngere und agile teile der so called "unteren milliarde" (vielleicht ließe sich auch von globalen prekariat sprechen), die im mehrfachen sinne des wortes ungebundener agieren und sich bewegen können als bspw. die millionen von frauen, kindern, alten und familienvätern, die sich in den elendszonen des planeten täglich um leben, essen, wasser und gesundheit so viele sorgen machen müssen, dass sie davon in so ziemlich allen lebensäußerungen determiniert sind.

viertens aber gehört der vorherige punkt schon ebenfalls zur these, dass es trotz aller kulturellen unterschiede und räumlichen entfernungen strukturelle gemeinsamkeiten zwischen diesen gangs gibt, die fünftens von den strategen der oberklasse regelmässig instrumentalisiert werden. zumindest der versuch ist belegbar, auch wenn solche versuche oftmals - wie in afghanistan - zum rohrkrepierer werden. sechstens scheint mir in allen fällen die klassische form der mafia als, wenn auch nicht bewusste, matrix zu fungieren. und siebtens ist mit der hinweis mit am wichtigsten, dass in allen drei fällen die letzte verantwortlichkeit für das entstehen der jeweiligen gangs durchaus deutlich in der mehrheitlich bisher tolerierten politik der westlichen "elliten" zu suchen ist.

um diese sieben punkte etwas näher zu beleuchten, folgen drei beispiele - mit den taliban befindet sich der westen bekanntlich im offenen, wenn auch asymmetrischen, krieg. die piraten von ostafrika (aber auch asien) werden dem gegenüber durch eine art militärischen polizeieinsatz bekämpft, während sich die maras inzwischen von mittelamerika aus über recht große teile der usa (besonders im südwesten) ausgebreitet haben, in der ganzen region zu einer echten bedrohung für viele geworden sind und in und von mehreren staaten vorwiegend polizeilich, in ansätzen aber auch bereits paramilitärisch, bekämpft werden.

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auszüge aus einem interessanten
text zur jüngeren (politischen) geschichte afghanistans:

(...) "An diesem Punkt der afghanischen Geschichte betraten die Taliban (...) die Bühne. Wie aus dem Nichts schien diese unbekannte, neue Miliz aufgetaucht zu sein. Tatsächlich deutet einiges darauf hin, daß der pakistanische Militärgeheimdienst ISI am Aufbau der Taliban wesentlich beteiligt war: von Anfang an war die Miliz gut bewaffnet und verfügte über schwere Waffen, einschließlich Panzer und Flugzeuge. Auch die Spannungen zwischen Pakistan und der Regierung in Kabul legen diesen Schluß nahe. Später wurde dies mehrfach belegt, etwa durch die Festnahme von pakistanischen Offizieren in Mazhar-i-Sharif, in afghanischen Norden.

Die Taliban verfügten über drei entscheidende Vorteile: erstens waren die Mudschahedinparteien und ihre zerstrittene Regierung in der Bevölkerung weitgehend diskreditiert. Es hatte sich lange herumgesprochen, daß sie weder das Wohl des Landes, noch den Islam im Sinn hatten, sondern nur das eigene, und daß sie den Krieg verewigten. Zweitens waren die Bevölkerung und selbst viele Mudschahedin ausgesprochen kriegsmüde. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen 1988/89 und dem Sturz Nadschibullahs 1992 waren immer weniger Gründe für eine Fortsetzung des Krieges zu erkennen, aber der Krieg und das Leiden hörten nicht auf. Beide Punkte stellten die Taliban ins Zentrum ihrer politischen Arbeit. Drittens aber waren die Taliban eine neue, unverbrauchte Kraft, die für die Verbrechen, Korruption und den Krieg keine Verantwortung trugen. Sie waren die einzige Organisation mit Glaubwürdigkeit. Und schließlich war es ein großer Vorteil, daß die Taliban nicht nur ständig vom Islam redeten, sondern “islamische Studenten” waren - also als überparteilich, unabhängig von der Parteipolitik und selbstlos gelten konnten. In der Bevölkerung waren die Taliban durchaus beliebt, da sie disziplinierter und rücksichtsvoller auftraten. Sie genossen Respekt, während man den Parteien gegenüber vor allem Furcht, Opportunismus oder Zynismus spüren konnte. (...)

Tatsächlich machten sie ernst mit “dem Islam”, wenn auch mit einer besonders rigiden und reaktionären Variante. Zuerst ließen die Taliban die Mohnfelder abbrennen und die Heroinlabors zerstören, da Drogen gegen den Islam verstießen. (Inzwischen haben sie den finanziellen Nutzen der Opiumproduktion erkannt und den Drogenexport wieder aufgenommen.) Sie einigten als drei Viertel des Landes unter ihrer Führung, womit die Zerstückelung Afghanistans zum Teil rückgängig gemacht und die Instabilität verringert wurde. Und in ihren Herrschaftsgebieten wurde tatsächlich der Krieg beendet - kein kleines Verdienst nach mehr als 1,5 Millionen Toten. Aber ihre Art des Islam hatte von Anfang an stark repressive Züge. Männer wurden gezwungen, sich Bärte wachsen zu lassen, Frauen verstärkt unterdrückt: Berufstätigkeit und Schulausbildung für Frauen sind verpönt und faktisch verboten. Das Tragen der burqa - ein Ganzkörperschleier - wird den Frauen aufgezwungen. Brutalste Bestrafungsformen und Willkür sind an der Tagesordnung. Was viele Afghanen zuerst als die letzte Hoffnung auf Frieden begrüßt hatten, entwickelte sich schnell zu einer terroristischen Gewaltherrschaft hinter religiösen Rechtfertigungsformeln. " (...)


es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der genannte pakistanische geheimdienst isi eine enge zusammenarbeit mit der us-amerikanischen cia pflegt. eine weitere
quelle stellt zur zusammensetzung und soziologie der taliban fest:

(...) "Die Taliban stammten überwiegend aus den ländlichen Gebieten in Südostafghanistan und den Flüchtlingslagern in Nordpakistan. Die meisten waren junge Männer zwischen 15 und 30 Jahren, die im Krieg herangewachsen waren, viele als Waisenkinder.

Die Masse der Taliban sind Analphabeten. Sie verfügen lediglich über ein religiöses Basiswissen, das ihnen in religiösen Internaten (madrassa) beigebracht wurde." (...)


also kriegs- und waisenkinder, die zusätzlich zu diesem traumatischen background noch den spezifischen, in islamischen gesellschaften verbreiteten
gewalttätigen methoden im umgang mit kindern ausgesetzt waren. die teils extrem brutalen taten der taliban haben ihren psychophyischen hintergrund mit sehr großer wahrscheinlichkeit in den traumatischen biographien ihrer mitglieder, gekoppelt mit gruppendynamischen prozessen und der kriegsobligatorischen verrohung.

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aus nachvollziehbaren gründen hierzulande fast unbekannt sind die
maras :

(...) "Es sind junge Menschen, die leiden, die uns hassen, die uns herausfordern. Sie erwecken die schlimmsten Albträume. Aber im Grunde sind sie der Ausdruck absoluter menschlicher Einsamkeit." So sprach der französisch-spanische Dokumentarfilmer Christian Poveda über die Maras - straff organisierte Jugendbanden, die Mittelamerika und Teile der USA seit Jahren mit brutalster Gewaltkriminalität terrorisieren. (...)

Die Maras haben sich für die armen Länder Mittelamerikas zum existentiellen Problem ausgeweitet. Sie kontrollieren ganze Landesteile, vergewaltigen, erpressen, morden und erledigen die Drecksarbeit für die Drogenhändler. El Salvador, Guatemala und Honduras haben mit die höchsten Mordraten der Welt.

Aber auch in Einwanderervierteln in US-Städten stellen die Maras ein gewaltiges Sicherheitsrisiko dar. Gefürchtet sind sie an der Grenze zwischen Guatemala und Mexiko, wo sie Migranten überfallen. Auch in Madrid sind sie schon aufgetaucht. Das FBI stuft sie als "transnationale Super-Gangs" ein. Die US-Bundespolizei geht von 60.000 Maras aus, andere Quellen sprechen von 200.000.

Journalist Poveda sprach kürzlich in einem Interview mit der Los Angeles Times den USA eine direkte Mitverantwortung für die Existenz der Banden zu. Ihre Vorläufer entstanden in US-Vorstädten zu Zeiten der mittelamerikanischen Bürgerkriege der 80er Jahre, als Washington Diktatoren im Kampf gegen Guerilleros unterstützte. Mittelamerikaner flohen zu Hunderttausenden in die USA. Ihre Söhne schlossen sich zu Gangs zusammen, in Los Angeles entstand die berüchtigte Mara 18, benannt nach der 18. Straße.

Nach dem Friedensschluss in Mittelamerika begannen die US-Behörden, gefasste Bandenmitglieder, pandilleros, in ihre Herkunftsländer abzuschieben, wo sie weder Arbeit, Familie noch Halt fanden; und wenig Gegenwehr. Poveda sah in ihnen "die Antwort einer verlorenen Generation" auf die blutige Vergangenheit und die Aussichtslosigkeit ihrer Heimat." (...)




"Ihr Kennzeichen sind Tätowierungen, die Gesicht, Kopf und Körper bedecken und ein pervertiertes Wertesystem ausdrücken, in dem es darum geht, sich "Respekt" zu verschaffen - und zwar durch Gewalt. Tätowierte Tränen unter dem Auge stehen für Ermordete, für jeden Toten kommt eine hinzu.

Die meiste Gewalt fügen die Banden sich aber gegenseitig zu, Rivalin der Mara 18 ist die Mara Salvatrucha (ein abfälliges Wort für Salvadorianer), die auch Mara 13 heißt, weil sich männliche Neumitglieder einer 13-sekündigen Prügelorgie unterziehen müssen. Mädchen müssen Sex mit drei Bandenmitgliedern haben.

Aussteiger berichteten, sie seien zur Initiation gezwungen worden, den nächstbesten Passanten zu erstechen. Normalerweise verlässt man die Mara nur durch den eigenen Tod. Einzig radikale evangelikale Gruppen haben einen gewissen Erfolg dabei, Maras aus ihrem System zu brechen, in dem sie ihnen ein anderes, ebenso striktes entgegenhalten.

Die Regierungen haben versucht, mit harter Hand zu antworten, der frühere Präsident von Honduras, Ricardo Maduro, ließ das Militär gegen die Maras aufmarschieren, die seinen Sohn ermordet hatten. Gefüllt hat das jedoch nur die Gefängnisse, wahre Verbrechens-Hauptquartiere." (...)


btw: an der stelle möchte ich nochmals auf einen älteren beitrag und die diskussion rund um das thema
tattoos, piercing etc. hinweisen.

die zitierte aussage des journalisten, dass die usa direkte mitverantwortung trügen, muss eher noch ausgeweitet werden: die - ebenfalls teils schwer traumatisierten - flüchtlinge aus den diktaturen centralamerikas sind direkt als opfer us-amerikanischer politik - die diese dikaturen installiert und getragen hat - zu begreifen. das vor jahrzehnten produzierte gewaltpotential kehrt nun als weitgehend ungerichtete verrohung ebenfalls in und gegen die us-bevölkerung zurück, aber auch gegen die bevölkerungen mittelamerikas. und auch hier bilden sich die gangs aus dem potential von kindern und jugendlichen mit traumatischem background - in den usa als latinos rassistisch ausgegrenzt, in ihren heimatländern mit der ökonomischen aussichtslosigkeit und der unverarbeiteten traumatischen geschichte konfrontiert.


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etwas komplizierter ost der hintergrund der
piraterie in somalia , wobei auch hier im kern kriegsverwüstungen eine rolle spielen:

(...) "Der Hauptgrund für die somalische Seeräuberei ist immer wieder schnell genannt: Seit dem Sturz des diktatorisch regierenden Siad Barre 1991 ist Somalia ohne funktionierende, im ganzen Land anerkannte Regierung. Seither bekämpfen sich Clans, politische und religiöse Organisationen sowie andere Interessengruppen.

Als Erklärung für das aktuelle Ausmaß der Piraterie gerade in Somalia kann das Fehlen einer staatlichen Ordnung allein aber nicht ausreichen. Denn die Zahl der Kaperungen hat dort erst 2006 – also 15 Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs – leicht zugenommen, stieg dann 2007 deutlich und 2008 sprunghaft an. Und es handelte sich dabei nicht nur um eine zahlenmäßige Zunahme, sondern vor allem um eine qualitative, hinsichtlich der Größe und des Wertes der gekaperten Schiffe. Außerdem: Die meisten Piratenakte um das Horn von Afrika, schätzungsweise 80 Prozent, ereignen sich im Golf von Aden, nördlich von Puntland, das sich 1998 von Somalia getrennt hat und seither de facto ein eigener Staat ist. Die Verhältnisse dort sind aber, verglichen mit denen Somalias, relativ stabil und friedlich.

Ein entscheidender Faktor für die plötzliche Zunahme der Seeräuberei rund um Somalia ist wahrscheinlich in der Verfügbarkeit von Kapital zu sehen, das den Piraten beispielsweise die Anschaffung von neuen Schnellbooten ermöglichte, mit denen sie inzwischen auch über 200 Kilometer weit vor der Küste operieren können. Die Piraterie ist zu einem Geschäft geworden, in das exil-somalische Geschäftsleute in Kanada, Großbritannien, auf der arabischen Halbinsel und in Südasien investieren. Vielleicht besteht auch ein direkter Zusammenhang zwischen dem gleichzeitigen Rückgang der Piraterie in Südostasien, vor allem in der Straße von Malakka, und dem Aufschwung der Seeräuberei um das Horn von Afrika: daß nämlich verbrecherisches internationales Kapital ein neues Betätigungsfeld gesucht und gefunden hat.

Von seiten entwicklungspolitischer und antikapitalistischer Gruppen wird auf den Zusammenhang zwischen der Piraterie und der Ruinierung der somalischen Fischer vor allem durch internationale Raubfischerei und die mafia­mäßig organisierte »Entsorgung« aller Arten von Giftmüll in den Gewässern um Somalia hingewiesen.

Tatsächlich haben diese Faktoren, die aber auch schon Anfang der 90er Jahre vorhanden waren, bei der Entstehung der somalischen Seeräuberei eine wesentliche Rolle gespielt. Es begann den Berichten zufolge mit Notwehraktionen von Fischern gegen die aggressiv vorgehenden, Raubfischerei in den somalischen Gewässern betreibenden Fangschiffe aus vielen Ländern der Welt. Die wichtigsten »Piratennester« – Bossaso und Eyl in Puntland, Haradere und Hobyo in Somalia – sind ursprünglich Fischerstädtchen, die allerdings durch die Piraterie in den letzten Jahren einen Boom erlebt haben. Immer noch sind viele Piraten ehemalige Fischer, auch wenn sich ihre Stützpunkte inzwischen zu Magneten für Männer aus allen Teilen des Landes und aus unterschiedlichen Berufen entwickelt haben. Darunter viele frühere Angehörige der heute praktisch kaum noch existenten Küstenwacht und schlecht entlohnte Soldaten. So wurde im vergangenen Sommer gemeldet, daß sich 400 puntländische Soldaten mit ihren Fahrzeugen den Piraten in Eyl angeschlossen hatten, nachdem die Soldzahlungen ausgeblieben waren."


durch die spezifischen eigenarten vor ort haben sich die bewaffneten seeräubereien für viele marginalisierte somalis als im verhältnis recht bequeme art und weise herausgestellt, das eigene überleben in einer weitgehend zusammengebrochenen und ebenfalls kriegstraumatischen sozialstruktur sicherzustellen. die erwähnte involvierung von organisierter kriminalität ist vor dem hintergrund der besonderen beute - ganz frachtschiffe - ebenfalls nicht überraschend. eine vom westen jahrelang abgeschriebene und nur mit kurzzeitigen "militärischen interventionen" bedachte region, deren meeresressourcen - die nahrungsbasis mindestens für die küstenbevölkerung - dazu noch geplündert wurden und werden, bringt sich so wieder ins gedächtnis.

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zusammenfassend lässt sich folgendes sagen:
  • alle drei gangphänomene sind in einer stark geschädigten sozialstruktur entstanden
  • bei allen drei spielt bei den jeweils aktiven eine traumatische matrix durch kriege, diktaturen sowie mehr oder weniger gewalttätige erziehungspraktiken eine rolle (in mittelamerika kommt noch das rollenbild des machismo hinzu)
  • alle drei sind teils direkte (taliban), teils indirekte produkte westlicher "politik" (die sich ihre eingangs erwähnten "demokratischen und moralischen ideale" sonstwohin stecken kann)
  • zwei (taliban, piraten) dienen bereits jetzt schon zur rechtfertigung globaler militäreinsätze. ich prophezeie hinsichtlich der maras in naher zukunft eine ähnliche entwicklung
"wir" ernten, was wir gesät haben....

solidarität? nun, mit den gangs begründet sicher nicht - eher mit den einzelnen menschen darin. wobei auch nicht vergessen werden darf, dass extrem antisoziale strukturen eines solchen kalibers (die sich auch als realitische widerspiegelung ihrer erschaffer und gegenparts begreifen lassen, vorläufig (nicht) mehr mit üblichen politischen und sozialen maßnahmen erreichbar sind. um diese strukturen aufzulösen bzw. überhaupt die bedingungen dafür zu schaffen, sind grundlegende veränderungen unabdingbar. kurz skizziert würde mir da einfallen:
  • massive ökonomische unterstützung der betroffenen regionen
  • stopp des waffenhandels
  • aufbau eines massiven psychosozialen netzes mit dem schwerpunkt der antitraumatischen arbeit
  • schaffung breiter bildungsmöglichkeiten
  • rückhaltlose ehrliche ansprache seitens der verantwortlichen westlichen staaten über ihre fehler an die betroffenen menschen
  • grenzziehung im sinne des verhindern des gewalttätigen ausagierens. der punkt wird vermutlich vielen nicht gefallen, impliziert er doch tatsächlich polizeiliche oder auch militärische interventionen, allerdings nur als reaktion, nicht für ökonomische interessen, und nur im zusammenspiel mit den anderen genannten maßnahmen, die parallel laufen müssen
Sie können selbst beurteilen, wie realistisch ein solches szenario - welches nicht nur humaner, sondern langfristig sogar ökonomisch günstiger kommen würde als die im ersten teil skizzierten pläne der eu - aktuell scheint. mit diesen politikerInnen und leider mehrheitlich auch dieser bevölkerung.

aber die alternative ist langfristig nur ein übles gemisch aus "brazil", "1984", "gattaca", "mad max" und "rambo". und bekanntlich hat die realität die eigenart, jeden filmplot um längen zu schlagen. und selbst die höchsten mauern und hochgerüstete kampfeinheiten werden selbst zum preis von wahrhaften massenmorden nicht verhindern können, dass am ende der totalitäre kapitalismus schlicht von der "unteren milliarde" überrannt werden wird. nur wird dann der verlust existenzieller menschlicher sozialer fähigkeiten der normalfall sein. und wer eine solche welt nicht will, muss sich jetzt und hier gedanken machen. und handeln.

assoziation: taliban, maras, piraten etc. - der asymmetrische krieg des westens gegen die "untere milliarde" (1)

während um den luftangriff in afghanistan inzwischen ein internationales (des-)informationsspektakel entbrannt ist, welches so nebenbei nochmals deutlich macht, dass es durchaus immer noch etwas gibt, was sich als innerimperialistisches machtgerangel bezeichnen ließe, gibt es heute auch von einem anderen abschnitt der front - und das ist nicht als metapher zu verstehen, wie später deutlich werden sollte - aktivitäten deutscher truppen zu vermelden:

"Die Fregatte "Brandenburg" vor Somalia hat ein verdächtiges Skiff mit fünf bewaffneten Insassen gestoppt. Bei dem Manöver kam einer der mutmaßlichen Piraten ums Leben

Nach Angaben der Bundeswehr vom Montag wollte die Fregatte Brandenburg ein verdächtiges Boot im Golf von Aden überprüfen. Nachdem die Verdächtigen auf wiederholte Warnhinweise und Warnschüsse nicht reagiert hätten, sei die Erlaubnis zum Anwenden von "manövrierunfähig machendem Beschuss" erteilt worden. Durch Schüsse wurde demnach ein Insasse des Skiffs tödlich verletzt." (...)


nein, ebensowenig wie in der trockenen gebirgslandschaft von afghanistan kann in den gewässern vor der afrikanischen ostküste von krieg gesprochen werden - einerseits, wenn man nämlich immer noch ein bild von kriegen im kopf hat, welches von sog. regulären armeen mit hundertausenden von soldaten ausgeht, die in formal erklärten kriegszuständen und großen schlachten gegen das militär anderer staaten kämpfen. andererseits spricht eigentlich alles dafür, dass diese art des krieges eine historische darstellt, zukünftig nur noch in ausnahmefällen stattfinden und abgelöst wird von einer situation, für die sich inzwischen der begriff
asymmetrischer krieg eingebürgert hat:

(...) "Anders als bei den üblichen Kämpfen außerhalb eng besiedelter Bevölkerungsgebiete sind asymmetrische Kriege aber sehr häufig mit hohen Opferzahlen unter einer eigentlich nicht direkt am Kampf beteiligten Zivilbevölkerung verbunden. Diese bietet zwar bei vorhandener Sympathie des Anliegens gegenüber asymmetrisch Kriegführenden und eigener Leidensfähigkeit eine ausgezeichnete Versteckmöglichkeit für die waffentechnisch schwächere Kriegspartei, bei denen auch technisch immer ausgeklügeltere Systeme moderner hochtechnisierter Armeen zwar kurzfristig erfolgversprechend sind, aber in ihrer Wirkung rasch abstumpfen (vgl. ständige blutige Zwischenfälle in Afghanistan und Irak).

Dieses Verstecken und unerwartete Zuschlagen von asymmetrisch Kriegführenden (Nadelstiche) führt aber bei konsequenter Durchführung innerhalb moderner Armeen rasch zu Frustrationen auf unterer Kommandoebene mit der Gefahr einer Eskalation, die sich dann in plötzlichen Massakern an der Zivilbevölkerung (wie My Lai im Vietnamkrieg) oder zur Nichteinhaltung eines Mindestmaßes an Humanität äußern kann, da der Freischärler ja jederzeit in ihr untertauchen kann und sie gerne als Schutzschild missbraucht. Diese Generäle oder ihre zivilen Vorgesetzten setzen sich bei lange nicht einstellenden Durchbrüchen in ihrer eigenen Bevölkerung harter Kritik aus, die ihre fachliche Reputation beeinträchtigen kann. Aus humanitärer Sicht ist damit auch bei kriegführenden Demokratien rasch eine Minderbewertung des menschlichen Lebens zu erwarten, so wie es von der Gegenseite ohnehin regelmäßig praktiziert wird. Auch demokratische Staaten laufen dann Gefahr ihre eigenen moralischen Ideale zu verraten, indem sie sich der gleichen Verbrechen schuldig machen, wie ihr Guerilla-Gegner (foltern und wahllos töten)." (...)


zu den unterstellten "moralischen idealen" der sog. demokratischen staaten ebenfalls später mehr. ein (konservativer) politologe spricht einen weiteren
wichtigen punkt an:

(...) "...aber im Verlauf asymmetrischer Kriege kommt es immer wieder zu Massakern von beiden Seiten. Das können die Angriffe auf das World Trade Center sein, das können aber auch etwa der US-Luftangriff auf den "Highway of Death" sein. Also Massaker ist eine Begleiterscheinung asymmetrischer Kriege und sie können nicht beendet werden durch einen Friedensvertrag. Symmetrische Kriege wurden eröffnet mit der Kriegserklärung und beendet mit dem Friedensvertrag. Was wir stattdessen erfunden haben, ist der Begriff "Friedensprozess", also ein langer Vorgang der psychischen Umgestaltung dieser Akteure, der Gewinnung von Vertrauen und so weiter, Vorgänge, die sich meistens über ein Jahrzehnt hinziehen, in denen der Krieg dann auf niedriger Flamme weiterköchelt und man nicht sicher ist, ob er wieder ausbricht. Der Blick in solche Konflikte zeigt eigentlich, dass er immer wieder dann hochkocht und es sind wenige Konflikte, bei denen es dann gelungen ist, sie dauerhaft zu beenden."

den begriff der "psychischen umgestaltung" - bei denen er mit akteuren in diesem kontext offensichtlich immer das "terroristische" gegenüber meint - finde ich sehr bemerkenswert. auch dazu noch später etwas.

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nun ist es keinesfalls so, dass die innerhalb der westlichen "eliten" für repression und "sicherheit" beauftragten erst seit gestern von diesen kriegen neuen typs wissen, die bei näherer betrachtung gar nicht so neu sind - der partisanenkampf des zweiten weltkriegs oder auch die vielen guerillakriege in der zweiten hälfte des letzten jahrhunderts waren ein vorgeschmack auf das, mit dem nicht nur die westlichen strategen nun zusehends mehr in aller welt konfrontiert sind. und ihre gedanken schweifen schon in die nähere zukunft wie bspw. ins jahr 2020, wie ein gerade im netz verbreitetes
papier des "eu instituts for security studies" (euiss) deutlich macht - ein sog. think tank (ähnlich "leap2020" auf ökonomischen gebiet) der eu:

(...) "Wie das "Institute for Security Studies" der EU (EUISS) in einer aktuellen Studie schreibt, würden die Kriege der Zukunft nicht mehr zwischen Staaten geführt, sondern zwischen "ungleichen sozioökonomischen Klassen der Weltgesellschaft" ("unequal global socioeconomic classes of society"). Auf der einen Seite dieser "hierarchischen Klassengesellschaft" ("hierarchical class society") stehe dabei eine metropolitane "Elite", die sich aus transnational operierenden Konzernen, den Staaten der OECD und den aufstrebenden Wirtschaftsmächten Indien, China und Brasilien zusammensetze. Diese werde von Seiten der weltweiten Armutsbevölkerung mit "zunehmend explosiven Spannungen" ("increasingly explosive tensions") konfrontiert, heißt es. Um einen Zusammenbruch des globalen Wirtschaftssystems ("global systemic collapse") zu vermeiden, fordert das Institut, gegen die "untere Milliarde" der Menschheit ("bottom billion") das "gesamte Spektrum hoch intensiver Kampfmaßnahmen" ("full spectrum of high intensity combat") in Anschlag zu bringen.

Als "zentrale militärische Aufgabe" ("major military task") beschreibt das EUISS die Abwehr von Elendsflüchtlingen aus den Ländern des Südens. Groß angelegte "Sperroperationen" ("barrier operations") müssten den reichen Teil der Welt vor den "Spannungen und Problemen der Armen schützen", heißt es ("shielding the global rich from the tensions and problems of the poor"). Laut EUISS ist davon auszugehen, dass der Anteil der von Armut und Perspektivlosigkeit betroffenen Menschen an der Weltbevölkerung weiter zunehmen wird. Daher sei es unumgänglich, das bereits außerordentlich rigide Regime an den Außengrenzen der EU drastisch zu verschärfen ("strengthen our barriers").

Das EUISS setzt die Abwehr von Armutsflüchtlingen in direkte Beziehung zum globalen ökologischen Krisenmanagement. So könnten durch den Klimawandel verursachte Naturkatastrophen zu plötzlichen Migrationsströmen in die EU führen ("sudden refugee or migration flows within the EU"), die mit Hilfe des Militärs gesteuert werden müssten. Darüber hinaus sollten die reichen Länder des Nordens natürliche Ressourcen wie tropische Regenwälder oder Fischgründe in den südlichen Armutszonen militärisch gegen unerwünschten Zugriff absichern, fordert das Institut: Es handele sich dabei um "universelle Schätze" ("universal treasures"), die der Verfügungsgewalt einzelner Staaten zu entziehen seien ("overriding sovereign considerations")." (...)


diese zusammenfassung bei german-foreign-policy wird in kurzer zeit kostenpflichtig sein, darum habe ich die mir am wichtigsten erscheinenden strategischen ziele zitiert (die gesamte studie kann in english bei
wikileaks eingesehen werden.)

die us-südgrenze in der nähe von san diego (quelle: wikipedia)

die gesamte studie liest sich wie kaltblütiger plan zum bedingungs- und rücksichtslosen schutz des herrschenden status quo der völlig richtig benannten "internationalen hierarchischen klassengesellschaft". das tödliche regime von
frontex an den europäischen südgrenzen, aber auch der high-tech-zaun an der grenze zwischen den usa und mexico (das obige bild zeigt einen grenzausschnitt in der nähe von san diego)sowie jene "gated communities in den usa (aber auch anderen reichen enklaven auf dem planeten) sind dabei nur die eine seite der medaille des neu-alten klassenkampfes. die andere ist aktuell in den schlagzeilen zu studieren - der asymmetrische krieg.

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nun ist es in der realität so, dass sich - im gegensatz zu früheren zeiten, wo es bspw. befreiungsbewegungen mit sozialistischen und/oder auch nationalistischen forderungen, programmen, formalen organisationen und mehr oder weniger bekannten sprecherInnen gab, die sich mehr oder weniger im rahmen einer auch von ihren gegnern empfundenen politischen rationalität bewegten (und die man in diesem rahmen unterstützen oder ablehnen konnte) - , die heutigen formen der organisationen der verdammten dieser erde zusehends mehr dem phänomen der bande / gang angleichen, die sich primär um das eigene (materielle) überleben kümmert. das halte ich erstens
nicht für verwunderlich, zweitens aber wirft das fragen und probleme für alle an menschlicher emanzipation interessierten auf, die spätestens jetzt anlässlich der aktuellen ereignisse akut geworden sind. mehr dazu im zweiten teil.

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