assoziation: occupy, echte demokratie jetzt etc. - wo geht´s hin?
während ich gestern und heute mit zunehmender fassungslosigkeit die news und die berichterstattung über das treiben der politischen und ökonomischen "eliten" in europa und speziell in griechenland zur kenntnis nehme - von der reaktion der "märkte" auf die bloße (und, das sollte mittlerweile klar sein, gefakte) absicht, die bevölkerung auch mal zu fragen, was sie von ihrer eigenen verelendung hält bis hin zu unverhohlenen drohungen und erpressungsmethoden seitens der anderen eu-"eliten" an ihre griechischen pendants (die sind keineswegs irgendwie besser) -; während ich dieses tolldreiste stück also zwischen gerüchten über einen krieg gegen iran, berichten über erneute unkontrollierte kernspaltungsprozesse in fukushima und anderen symptomen eines tag für tag dysfunktionaler werdenden systems verfolge, denke ich über den sinn oder unsinn nach, mich in dieser situation unter dem label "demokratie" zu organisieren. dazu im folgenden gleich mehr, eingebettet in weitere ergänzungen rund um das occupy-movement vor allem in den usa.
*
echte demokratie jetzt: yo, da sitze ich nun seit zwei wochen regelmässig sonntags in einer runde von 20 bis 30 leuten, mit sehr unterschiedlichen backgrounds, motivationen, biographien, erfahrungen und vorstellungen. altermässig geht es rund um 18 los, um bei ü-50 zu enden. ehemalige und aktuelle "attac-"aktivisten treffen auf schülerInnen aus den aktuellen bildungsprotesten und aktive aus (im weitesten sinne) der erwerbslosenbewegung - dazu kommen leute aus der piratenpartei, einzelne (alt-) autonome bzw. undogmatische linke, verfechter des bedingungslosen grundeinkommens und vertreter der bremer regionalwährung roland und last bot not least tatsächlich (sich selbst so einschätzende) bisher "unpolitische" menschen, die das gefühl haben, dass "einiges ganz grundsätzlich schief läuft". nicht zuletzt waren bisher auch immer ein oder zwei studenten aus spanien dabei, die dort bei democracia real YA! in städten wie barcelona und valladolid aktiv sind und als interessierte beobachter kommen.
ich habe vor mehr als einem jahrzehnt auf ähnlichen, autonom-linksradikalen plena gesessen und kann nicht vermeiden, dass mir immer wieder vergleiche zu dieser zeit einfallen - und diese vergleiche gehen bisher eindeutig pro heute aus. das hat sicherlich auch etwas mit meiner eigenen entwicklung zu tun, ergibt sich aber primär aus der bisherigen erfahrung, dass eine derart heterogene runde es tatsächlich schafft, über drei bis vier stunden so etwas wie eine angenehme arbeitsatmosphäre herzustellen. klar ist nach so einer zeit die erschöpfung im allgemeinen groß, aber bei den anfangs angesprochenen damaligen plena war das meist bereits nach zwei stunden der fall, dazu oft genug in einer vergifteten atmosphäre (wo und wie die von fall zu fall entstand, ist mir heute klarer, aber soll gerade nicht thema sein.)
auf der oben verlinkten seite unseres "echte demokratie jetzt"-ablegers lassen sich bis auf weiteres etliche diskussionen und zukünftig auch ergebnisse der einzelnen arbeitsgruppen nachlesen - das erspart mir einiges an inhaltlichen beschreibungen. tatsächlich ist bisher der hauptanteil der treffen neben weiteren aktionsplanungen zeitlich der eigenen strukturierung gewidmet gewesen, d.h. es haben sich eine menge arbeitsgruppen - inhaltlich zu ökonomie und verwandten themen, öffentlichkeitsarbeit, gruppendynamik (sowohl nach innen - umgang untereinander - als auch nach aussen, was bspw. umgang mit der staatsgewalt angeht), und gesellschaftlichen alternativen gebildet, die mittlerweile ihre ersten treffen hatten. ich habe mich für die "inhalte"-gruppe entschieden und plane da, das thema peak oil einzubringen. auch die gruppendynamik finde ich grundsätzlich spannend, zumal es schon feststellbar ist, dass durchaus ein bewusstsein für die immer brisanter werdende psychosoziale lage hierzulande vorhanden ist, nicht zuletzt durch die erfahrungen von leuten, die in diesem bereich beruflich tätig sind. hier schliesst potenziell vieles von dem an, was im blog bis heute immer wieder thema war und ist. was aber auch für peak oil gilt, und ich sehe bekanntlich aus dieser ecke die massivsten verwerfungen kommen, was dann auch der grund für meine entscheidung ist.
parteienvertreter - wie erwähnt waren bisher leute von den piraten, weiter der linkspartei und auch den jusos dabei - werden bisher als vertreterInnen für sich selbst und nicht für ihre organisationen akzeptiert und treten auch so auf - materielle unterstützung bspw. in sachen infrastruktur nehmen wir an, alles weitere hat diskussionsbedarf. so ging es beim letzten mal sehr lange um die frage, ob bei der nächsten geplanten aktion vor der hiesigen "deutschen bank" parteifahnen bzw. fahnen von organisationen überhaupt zugelassen werden sollen oder nicht - und das spektrum der meinungen reichte von völliger freigabe bis hin zum völligen unterlassen. rausgekommen ist dabei der kompromiss, besonders parteien im vorfeld darauf hinzuweisen, dass werbung unerwünscht ist, während gruppen wie attac, der BUND o.a. durchaus im rahmen als gruppen in erscheinung treten können und sollen. ich mache das deshalb so relativ ausfürhrlich, um deutlich zu machen, dass so ziemlich alle grundsätzlichen fragen bisher weder diskutiert geschweige denn geklärt sind, was allerdings bei der geschwindigkeit und dynamik der entwicklung sowie der unterschiedlichkeit der beteiligten kein wunder ist. das dürfte sich mit weiterer etablierung der arbeitsgruppen zukünftig ändern.
es erstaunt nicht, dass bei solchen voraussetzungen der diskussion die methodik der entscheidungsfindung eine entscheidende rolle spielt. und hier lehnen wir uns stark an die erfahrungen aus spanien an, was redezeiten, methoden von zustimmung und ablehnung sowie konsensprinzip betrifft. diese art der entscheidungsfindung in grösseren menschengruppen verdient einen eigenen beitrag, deshalb an dieser stelle nur soviel dazu, dass das durchaus von fall zu fall anstrengend, aber für mich persönlich auch interessant und anregend ist.
wir haben inzwischen sogar ein eigenes kampflied ;-) - ladies and gentlemen, we´re proudly present :
(auch an dieser stelle dank an plunderphoenix für die arbeit - atmosphäre und aussage gefallen mir, trotz eigentlich völlig anderer musikalischer präferenzen).
insgesamt ziehe ich bis jetzt ein durchaus positives fazit - im gegensatz zu einigen unerfreulichen entwicklungen in anderen städten (die umstrittene "zeitgeist"-fraktion ist da nur ein beispiel), haben wir bislang in dieser hinsicht keine größeren probleme, auch wenn sich das bei weiterem anwachsen der beteiligung noch ändern könnte und vermutlich wird. das aber halte zumindest ich für eine unvermeidbare und aus der historie politisch-sozialer bewegungen unvermeidliche entwicklung, der dann begegnet werden muss, wenn sie eintritt. dazu ist allerdings die persönliche anwesenheit unverzichtbar. vielleicht haben wir in dieser stadt auch andere voraussetzungen als anderswo - hier geht es eher darum, sich nicht komplett sozialdemokratisch-grün vereinahmen zu lassen, was aus meiner sicht eine große herausforderung darstellt.
soweit für erste ein kleiner rundblick, ich werde zukünftig bestimmt auf weitere entwicklungen eingehen.
*
updates und nachträge:
*
Ihnen geht der mediale mainstream auch auf die nerven? ab sofort lassen sich spon, "zeit", "sueddeutsche" und andere zumindest virtuell okkupieren.
*
zu occupy marines weitere berichte aus der huffpost sowie dem schweizer tagesanzeiger:
(...) "Schon zuvor seien durchaus nicht wenige Ex-Soldaten an den Protesten beteiligt gewesen. Aber die Geschehnisse von Oakland hätten die Veteranen nun richtig wachgerüttelt, meint Ex-Soldat und Student Scott Kimball gegenüber dem Nachrichtenmagazin «USA Today». Kimball ist Mitglied der Protestgruppe Veterans of the 99%. «Wir erhalten jede Menge Anrufe von Kriegsveteranen aus dem ganzen Land. Es herrscht grosse Wut und Bestürzung darüber, dass jemand, der zweimal im Irak gedient hat, als friedlicher Demonstrant so behandelt wird.»
Andere Soldaten-Verbände können den Trend bestätigen. Chef der Vereinigung Iraq Veterans against War (Irak-Veteranen gegen Krieg) und pensionierter Unteroffizier Joe Carter spricht von einer steigenden Anzahl ehemaliger und aktiver Soldaten, welche an den Protesten teilnehmen wollten. «Bei uns melden sich sogar 80-jährige Ex-Marines.» (...)
*
occupy together veröffentlicht seit kurzem einen täglichen überblick zum stand in sachen occupy, primär auf die usa bezogen, aber auch mit internationalen entwicklungen.
*
kurz zum gestrigen generalstreik in oakland:
(...) "Die Gruppe Occupy Oakland hatte zu dem Streik aufgerufen, an dem sich viele Lehrer und städtische Angestellte beteiligten. Die meisten Geschäfte in der Innenstadt von Oakland hätten ihre Läden geschlossen, berichtet der US-Sender CNN. Auch der Hafen von Oakland – einer der bedeutendsten in den USA – habe seinen Betrieb eingestellt, teilte der Betreiber mit. In Oakland werden jährlich Ein- und Ausfuhren im Umfang von 39 Milliarden Dollar verschifft. Der Betreiber sagte, er hoffe, dass am Donnerstag die Arbeit wieder aufgenommen werden könne." (...)
durchaus eine erstaunliche entwicklung, wie ich finde. am rande gab´s wieder stress mit den cops, aber das war wirklich am rande und nicht der schlagzeilenträchtige krawall, den einige medien daraus machen. ebenso sind viele soliaktionen quer durch die usa zu vermerken, die sich explizit auf den streik in oakland bezogen haben.
noch ein bericht dazu aus der täglichen sendung von democracy now von gestern - es zeigt u.a., dass die beteiligung tatsächlich groß gewesen ist.
*
zum schluß noch ein brief aus kairo an die occupy-bewegung in den usa, den ich zwar unter vorbehalt verlinke, weil ich bisher keine hinweise auf die möglichen verfasserInnen finden konnte (nein, ich möchte keine namen wissen, aber zumindest einen beleg für die authentizität); der aber nichtsdestotrotz etliche interessante passagen enthält, v.a. in hinsicht auf die sog. gewaltfrage:
(...) "In unsere eigenen Besetzungen von Tahrir trafen wir auf Leute, die unter Tränen den Tahrirplatz betraten, weil es das erste Mal war, das sie durch jene Straßen liefen, ohne von der Polizei belästigt zu werden; nicht nur die Ideen sind wichtig, diese öffentlichen Räume sind elementar für die Möglichkeit einer neuen Welt. Dies sind öffentliche Plätze. Plätze für Versammlung, Freizeit, Treffen und Interaktion – diese Plätze sollten der Grund sein, warum wir in Städten leben. Wo der Staat und die Interessen der Besitzer sie unzugänglich, exklusiv oder gefährlich gemacht haben, liegt es an uns, sicherzustellen, dass sie sicher, inklusiv und gerecht sind. Wir müssen sie weiterhin für jedermann öffnen, der eine bessere Welt gestalten möchte, besonders für die marginalisierten, ausgeschlossenen und für jene Gruppen, die am meisten gelitten haben.
Was ihr in diesen Räumen tut ist weder so grandios und abstrakt noch alltäglich wie “echte Demokratie”; die aufblühenden Formen des Umsetzens und des sozialen Engagements, die in den Besetzungen betrieben werden, vermeiden die leeren Ideale und den schalen Parlamentarismus, die das Wort Demokratie mittlerweile repräsentiert. Also müssen die Besetzungen weitergehen, weil niemand übrig ist, um auf Reformen zu drängen. Sie müssen weitergehen, weil wir das erschaffen, worauf wir nicht länger warten können.
Aber die Ideologien von Besitz und Anstand werden sich erneut manifestieren. Ob durch den offenen Widerstand von Grundbesitzern oder öffentlichen Verwaltungen gegen eure Camps oder durch subtilere Versuche, Räume durch Verkehrsregeln, Regeln gegen das Campen oder Gesundheits- und Sicherheitsregeln zu kontrollieren. Es gibt einen direkten Konflikt zwischen dem, was wir aus unseren Städten zu machen versuchen und was das Gesetz und die Polizeisysteme, die dahinter stehen, uns gestatten.
Wir haben uns solch direkter und indirekter Gewalt gegenübergestellt, und tun das immer noch. Diejenigen, die gesagt haben, die ägyptische Revolution sei friedlich, haben nicht die Schrecken wahrgenommen, denen uns die Polizei ausgesetzt hat, noch haben sie den Widerstand und sogar die Gewalt wahrgenommen, die die Revolutionäre gegen die Polizei eingesetzt haben, um ihre versuchten Besetzungen und Widerstände zu verteidigen: nach den Angaben der Regierung selbst wurden 99 Polizeiwachen in Brand gesetzt, Tausende Polizeiautos zerstört und alle Büros der regierenden Partei wurden überall in Ägypten niedergebrannt. Barrikaden wurden errichtet, Polizeibeamte zurückgeschlagen und mit Steinen beworfen, noch während sie mit Tränengas und scharfer Munition auf uns schossen. Aber am Ende des 28. Januars hatten sie sich zurückgezogen, und wir hatten unsere Städte erobert.
Es ist nicht unser Wunsch, Gewalt auszuüben, aber es ist noch weniger unser Wunsch, zu verlieren.
Wenn wir nicht aktiv Widerstand leisten, wenn sie kommen, um sich zu nehmen, was wir zurückgewonnen haben, dann werden wir mit Sicherheit verlieren. Verwechselt die Taktik, die wir verfolgten, als wir “friedlich” riefen, nicht mit einer Fetischisierung der Gewaltlosigkeit; wenn der Staat sofort aufgegeben hätte wären wir vor Freude überwältigt gewesen. Aber da sie versucht haben, uns zu missbrauchen, uns zu schlagen, uns zu töten, wussten wir, dass es keine andere Möglichkeit gab, als zurück zu schlagen. Hätten wir uns zu Boden geworfen und es erlaubt, uns zu verhaften, zu foltern und zu Märtyrern gemacht zu werden um “eine Aussage zu machen”, wären wir um nichts weniger blutig geschlagen und getötet worden. Seid darauf vorbereitet, die Dinge zu verteidigen, die ihr besetzt habt, die ihr errichtet, denn nachdem alles andere von uns genommen wurde, sind diese wiedereingenommenen öffentliche Räume sehr kostbar für uns." (...)
mit diesen sehr treffenden worten verabschiede ich mich für heute.
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echte demokratie jetzt: yo, da sitze ich nun seit zwei wochen regelmässig sonntags in einer runde von 20 bis 30 leuten, mit sehr unterschiedlichen backgrounds, motivationen, biographien, erfahrungen und vorstellungen. altermässig geht es rund um 18 los, um bei ü-50 zu enden. ehemalige und aktuelle "attac-"aktivisten treffen auf schülerInnen aus den aktuellen bildungsprotesten und aktive aus (im weitesten sinne) der erwerbslosenbewegung - dazu kommen leute aus der piratenpartei, einzelne (alt-) autonome bzw. undogmatische linke, verfechter des bedingungslosen grundeinkommens und vertreter der bremer regionalwährung roland und last bot not least tatsächlich (sich selbst so einschätzende) bisher "unpolitische" menschen, die das gefühl haben, dass "einiges ganz grundsätzlich schief läuft". nicht zuletzt waren bisher auch immer ein oder zwei studenten aus spanien dabei, die dort bei democracia real YA! in städten wie barcelona und valladolid aktiv sind und als interessierte beobachter kommen.
ich habe vor mehr als einem jahrzehnt auf ähnlichen, autonom-linksradikalen plena gesessen und kann nicht vermeiden, dass mir immer wieder vergleiche zu dieser zeit einfallen - und diese vergleiche gehen bisher eindeutig pro heute aus. das hat sicherlich auch etwas mit meiner eigenen entwicklung zu tun, ergibt sich aber primär aus der bisherigen erfahrung, dass eine derart heterogene runde es tatsächlich schafft, über drei bis vier stunden so etwas wie eine angenehme arbeitsatmosphäre herzustellen. klar ist nach so einer zeit die erschöpfung im allgemeinen groß, aber bei den anfangs angesprochenen damaligen plena war das meist bereits nach zwei stunden der fall, dazu oft genug in einer vergifteten atmosphäre (wo und wie die von fall zu fall entstand, ist mir heute klarer, aber soll gerade nicht thema sein.)
auf der oben verlinkten seite unseres "echte demokratie jetzt"-ablegers lassen sich bis auf weiteres etliche diskussionen und zukünftig auch ergebnisse der einzelnen arbeitsgruppen nachlesen - das erspart mir einiges an inhaltlichen beschreibungen. tatsächlich ist bisher der hauptanteil der treffen neben weiteren aktionsplanungen zeitlich der eigenen strukturierung gewidmet gewesen, d.h. es haben sich eine menge arbeitsgruppen - inhaltlich zu ökonomie und verwandten themen, öffentlichkeitsarbeit, gruppendynamik (sowohl nach innen - umgang untereinander - als auch nach aussen, was bspw. umgang mit der staatsgewalt angeht), und gesellschaftlichen alternativen gebildet, die mittlerweile ihre ersten treffen hatten. ich habe mich für die "inhalte"-gruppe entschieden und plane da, das thema peak oil einzubringen. auch die gruppendynamik finde ich grundsätzlich spannend, zumal es schon feststellbar ist, dass durchaus ein bewusstsein für die immer brisanter werdende psychosoziale lage hierzulande vorhanden ist, nicht zuletzt durch die erfahrungen von leuten, die in diesem bereich beruflich tätig sind. hier schliesst potenziell vieles von dem an, was im blog bis heute immer wieder thema war und ist. was aber auch für peak oil gilt, und ich sehe bekanntlich aus dieser ecke die massivsten verwerfungen kommen, was dann auch der grund für meine entscheidung ist.
parteienvertreter - wie erwähnt waren bisher leute von den piraten, weiter der linkspartei und auch den jusos dabei - werden bisher als vertreterInnen für sich selbst und nicht für ihre organisationen akzeptiert und treten auch so auf - materielle unterstützung bspw. in sachen infrastruktur nehmen wir an, alles weitere hat diskussionsbedarf. so ging es beim letzten mal sehr lange um die frage, ob bei der nächsten geplanten aktion vor der hiesigen "deutschen bank" parteifahnen bzw. fahnen von organisationen überhaupt zugelassen werden sollen oder nicht - und das spektrum der meinungen reichte von völliger freigabe bis hin zum völligen unterlassen. rausgekommen ist dabei der kompromiss, besonders parteien im vorfeld darauf hinzuweisen, dass werbung unerwünscht ist, während gruppen wie attac, der BUND o.a. durchaus im rahmen als gruppen in erscheinung treten können und sollen. ich mache das deshalb so relativ ausfürhrlich, um deutlich zu machen, dass so ziemlich alle grundsätzlichen fragen bisher weder diskutiert geschweige denn geklärt sind, was allerdings bei der geschwindigkeit und dynamik der entwicklung sowie der unterschiedlichkeit der beteiligten kein wunder ist. das dürfte sich mit weiterer etablierung der arbeitsgruppen zukünftig ändern.
es erstaunt nicht, dass bei solchen voraussetzungen der diskussion die methodik der entscheidungsfindung eine entscheidende rolle spielt. und hier lehnen wir uns stark an die erfahrungen aus spanien an, was redezeiten, methoden von zustimmung und ablehnung sowie konsensprinzip betrifft. diese art der entscheidungsfindung in grösseren menschengruppen verdient einen eigenen beitrag, deshalb an dieser stelle nur soviel dazu, dass das durchaus von fall zu fall anstrengend, aber für mich persönlich auch interessant und anregend ist.
wir haben inzwischen sogar ein eigenes kampflied ;-) - ladies and gentlemen, we´re proudly present :
(auch an dieser stelle dank an plunderphoenix für die arbeit - atmosphäre und aussage gefallen mir, trotz eigentlich völlig anderer musikalischer präferenzen).
insgesamt ziehe ich bis jetzt ein durchaus positives fazit - im gegensatz zu einigen unerfreulichen entwicklungen in anderen städten (die umstrittene "zeitgeist"-fraktion ist da nur ein beispiel), haben wir bislang in dieser hinsicht keine größeren probleme, auch wenn sich das bei weiterem anwachsen der beteiligung noch ändern könnte und vermutlich wird. das aber halte zumindest ich für eine unvermeidbare und aus der historie politisch-sozialer bewegungen unvermeidliche entwicklung, der dann begegnet werden muss, wenn sie eintritt. dazu ist allerdings die persönliche anwesenheit unverzichtbar. vielleicht haben wir in dieser stadt auch andere voraussetzungen als anderswo - hier geht es eher darum, sich nicht komplett sozialdemokratisch-grün vereinahmen zu lassen, was aus meiner sicht eine große herausforderung darstellt.
soweit für erste ein kleiner rundblick, ich werde zukünftig bestimmt auf weitere entwicklungen eingehen.
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updates und nachträge:
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Ihnen geht der mediale mainstream auch auf die nerven? ab sofort lassen sich spon, "zeit", "sueddeutsche" und andere zumindest virtuell okkupieren.
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zu occupy marines weitere berichte aus der huffpost sowie dem schweizer tagesanzeiger:
(...) "Schon zuvor seien durchaus nicht wenige Ex-Soldaten an den Protesten beteiligt gewesen. Aber die Geschehnisse von Oakland hätten die Veteranen nun richtig wachgerüttelt, meint Ex-Soldat und Student Scott Kimball gegenüber dem Nachrichtenmagazin «USA Today». Kimball ist Mitglied der Protestgruppe Veterans of the 99%. «Wir erhalten jede Menge Anrufe von Kriegsveteranen aus dem ganzen Land. Es herrscht grosse Wut und Bestürzung darüber, dass jemand, der zweimal im Irak gedient hat, als friedlicher Demonstrant so behandelt wird.»
Andere Soldaten-Verbände können den Trend bestätigen. Chef der Vereinigung Iraq Veterans against War (Irak-Veteranen gegen Krieg) und pensionierter Unteroffizier Joe Carter spricht von einer steigenden Anzahl ehemaliger und aktiver Soldaten, welche an den Protesten teilnehmen wollten. «Bei uns melden sich sogar 80-jährige Ex-Marines.» (...)
*
occupy together veröffentlicht seit kurzem einen täglichen überblick zum stand in sachen occupy, primär auf die usa bezogen, aber auch mit internationalen entwicklungen.
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kurz zum gestrigen generalstreik in oakland:
(...) "Die Gruppe Occupy Oakland hatte zu dem Streik aufgerufen, an dem sich viele Lehrer und städtische Angestellte beteiligten. Die meisten Geschäfte in der Innenstadt von Oakland hätten ihre Läden geschlossen, berichtet der US-Sender CNN. Auch der Hafen von Oakland – einer der bedeutendsten in den USA – habe seinen Betrieb eingestellt, teilte der Betreiber mit. In Oakland werden jährlich Ein- und Ausfuhren im Umfang von 39 Milliarden Dollar verschifft. Der Betreiber sagte, er hoffe, dass am Donnerstag die Arbeit wieder aufgenommen werden könne." (...)
durchaus eine erstaunliche entwicklung, wie ich finde. am rande gab´s wieder stress mit den cops, aber das war wirklich am rande und nicht der schlagzeilenträchtige krawall, den einige medien daraus machen. ebenso sind viele soliaktionen quer durch die usa zu vermerken, die sich explizit auf den streik in oakland bezogen haben.
noch ein bericht dazu aus der täglichen sendung von democracy now von gestern - es zeigt u.a., dass die beteiligung tatsächlich groß gewesen ist.
*
zum schluß noch ein brief aus kairo an die occupy-bewegung in den usa, den ich zwar unter vorbehalt verlinke, weil ich bisher keine hinweise auf die möglichen verfasserInnen finden konnte (nein, ich möchte keine namen wissen, aber zumindest einen beleg für die authentizität); der aber nichtsdestotrotz etliche interessante passagen enthält, v.a. in hinsicht auf die sog. gewaltfrage:
(...) "In unsere eigenen Besetzungen von Tahrir trafen wir auf Leute, die unter Tränen den Tahrirplatz betraten, weil es das erste Mal war, das sie durch jene Straßen liefen, ohne von der Polizei belästigt zu werden; nicht nur die Ideen sind wichtig, diese öffentlichen Räume sind elementar für die Möglichkeit einer neuen Welt. Dies sind öffentliche Plätze. Plätze für Versammlung, Freizeit, Treffen und Interaktion – diese Plätze sollten der Grund sein, warum wir in Städten leben. Wo der Staat und die Interessen der Besitzer sie unzugänglich, exklusiv oder gefährlich gemacht haben, liegt es an uns, sicherzustellen, dass sie sicher, inklusiv und gerecht sind. Wir müssen sie weiterhin für jedermann öffnen, der eine bessere Welt gestalten möchte, besonders für die marginalisierten, ausgeschlossenen und für jene Gruppen, die am meisten gelitten haben.
Was ihr in diesen Räumen tut ist weder so grandios und abstrakt noch alltäglich wie “echte Demokratie”; die aufblühenden Formen des Umsetzens und des sozialen Engagements, die in den Besetzungen betrieben werden, vermeiden die leeren Ideale und den schalen Parlamentarismus, die das Wort Demokratie mittlerweile repräsentiert. Also müssen die Besetzungen weitergehen, weil niemand übrig ist, um auf Reformen zu drängen. Sie müssen weitergehen, weil wir das erschaffen, worauf wir nicht länger warten können.
Aber die Ideologien von Besitz und Anstand werden sich erneut manifestieren. Ob durch den offenen Widerstand von Grundbesitzern oder öffentlichen Verwaltungen gegen eure Camps oder durch subtilere Versuche, Räume durch Verkehrsregeln, Regeln gegen das Campen oder Gesundheits- und Sicherheitsregeln zu kontrollieren. Es gibt einen direkten Konflikt zwischen dem, was wir aus unseren Städten zu machen versuchen und was das Gesetz und die Polizeisysteme, die dahinter stehen, uns gestatten.
Wir haben uns solch direkter und indirekter Gewalt gegenübergestellt, und tun das immer noch. Diejenigen, die gesagt haben, die ägyptische Revolution sei friedlich, haben nicht die Schrecken wahrgenommen, denen uns die Polizei ausgesetzt hat, noch haben sie den Widerstand und sogar die Gewalt wahrgenommen, die die Revolutionäre gegen die Polizei eingesetzt haben, um ihre versuchten Besetzungen und Widerstände zu verteidigen: nach den Angaben der Regierung selbst wurden 99 Polizeiwachen in Brand gesetzt, Tausende Polizeiautos zerstört und alle Büros der regierenden Partei wurden überall in Ägypten niedergebrannt. Barrikaden wurden errichtet, Polizeibeamte zurückgeschlagen und mit Steinen beworfen, noch während sie mit Tränengas und scharfer Munition auf uns schossen. Aber am Ende des 28. Januars hatten sie sich zurückgezogen, und wir hatten unsere Städte erobert.
Es ist nicht unser Wunsch, Gewalt auszuüben, aber es ist noch weniger unser Wunsch, zu verlieren.
Wenn wir nicht aktiv Widerstand leisten, wenn sie kommen, um sich zu nehmen, was wir zurückgewonnen haben, dann werden wir mit Sicherheit verlieren. Verwechselt die Taktik, die wir verfolgten, als wir “friedlich” riefen, nicht mit einer Fetischisierung der Gewaltlosigkeit; wenn der Staat sofort aufgegeben hätte wären wir vor Freude überwältigt gewesen. Aber da sie versucht haben, uns zu missbrauchen, uns zu schlagen, uns zu töten, wussten wir, dass es keine andere Möglichkeit gab, als zurück zu schlagen. Hätten wir uns zu Boden geworfen und es erlaubt, uns zu verhaften, zu foltern und zu Märtyrern gemacht zu werden um “eine Aussage zu machen”, wären wir um nichts weniger blutig geschlagen und getötet worden. Seid darauf vorbereitet, die Dinge zu verteidigen, die ihr besetzt habt, die ihr errichtet, denn nachdem alles andere von uns genommen wurde, sind diese wiedereingenommenen öffentliche Räume sehr kostbar für uns." (...)
mit diesen sehr treffenden worten verabschiede ich mich für heute.
monoma - 3. Nov, 15:48