notiz: der mai ist gekommen
und ich kann mich des eindrucks schon seit längerer zeit nicht erwehren, dass dieser monat in bezug auf vieles, was den weiteren verlauf der fundamentalen systemkrise (der beitrag ist übrigens 2009 geschrieben) beeinflussen wird, eine entscheidende rolle spielen könnte. und in erster linie auffällig wären da zunächst die international zu beobachtenden reaktionen auf die "neuen" oppositionellen bewegungen des letzten jahres - egal, ob sie occupy, democracia real ya! oder sonst wie heissen. der diesjährige mai ist global als neubeginn, fortsetzung und verstärkung der letztjährigen aktivitäten angelegt, und während damals auch das überraschungsmoment eine rolle gespielt hat, reagieren die repressiven apparate jetzt in der einzigen form, die sie kennen und die ihren inhalt ausmacht: mit verboten, druck und (physischer) gewalt.
blockupy frankfurt bspw. stellt einen in d-land selten genug zu beobachtenden versuch dar, nicht nur "neue" und "alte" widerstandsstrukturen hierzulande zusammen zu bringen, sondern auch auf die internationale bzw. europäische krisenchoreografie von oben endlich den startschuss zur lange überfälligen analogen reaktion von unten zu geben. mittelerweile sind bewegungen, organisationen und gruppen aus italien, griechenland, slowenien, spanien, großbritannien, niederlande, belgien... an der europäischen mobilisierung beteiligt, die richtigerweise direkt zu einigen der hauptakteure in sachen "austeritätspolitik" (heisser kandidat für das unwort des jahres) führt: ins frankfurter bankenviertel mit der europäischen zentralbank im mittelpunkt. das gestern von der stadt frankfurt erlassene totalverbot der gesamten aktionstage passt sich nun durchaus den reaktionen anderer staaten auf analoge proteste an und läuft auf das hinaus, was in einer aktuellen petition gegen das verbot so formuliert wird:
(...) "Damit sollen die Proteste gegen eine Krisenpolitik, die tief in das Leben von Millionen Menschen in Europa eingreift, komplett verhindert werden. Das Bündnis plant während der Aktionstage Proteste gegen die Sparpolitik der europäischen Regierungen und der Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF und hatte einen Teil davon als Demonstrationen, Kundgebungen, Mahnwachen und demonstrative Versammlungen (Asambleas) demonstrationsrechtlich angemeldet.
Dieses Verbot ist ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger skandalöser Vorgang und eine offene Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Demonstrationsrechts." (...)
*
diese tendenz zum puren administrativen niederschlagen aller proteste, die als nucleus für weiteres dienen könnten, ist in den letzten wochen ebenso in den usa - wo im vorfeld der von occupy usa ausgerufenen aktionen zum ersten mai zb. in new york razzien und hausdurchsuchungen stattfanden, an denen interessanterweise nicht nur die new yorker polizei, sondern auch das fbi beteiligt war; und während des tages selbst an vielen aktionsorten nicht nur eine massive polizeipräsenz, sondern auch viele größere und kleinere zusammenstöße zwischen demonstrierenden und eben dieser polizei zu verzeichnen waren -, wie auch in der vielleicht deutlichsten art & weise in spanien sichtbar geworden, wo die angekündigten neuen gesetze deutlich auf die bewegung M15 / die indignados zielen:
(...) "Ein (...) im Parlament eingebrachter Gesetzesentwurf sieht drastische Strafen für die Organisatoren gewalttätiger Ausschreitungen vor. Mindestens zwei Jahre Gefängnis will der Politiker des rechten Partido Popular (PP) für Anstiftung zur Störung der öffentlichen Ordnung durch Medien oder soziale Netzwerke durchsetzen. Der Minister warnt vor "Gewalt in großem Ausmaß", die mit "Techniken der Stadtguerilla" organisiert werde.
Auch Blockaden öffentlicher Gebäude sollen unter das neue Gesetz fallen, ebenso "aktiver oder passiver Widerstand gegen die Sicherheitskräfte". Somit würde es der Polizei erleichtert werden, gegen Demonstranten vorzugehen, die sich Räumungsanordnungen widersetzen.
Besonders die Jugendbewegung der "Indignados" (Empörten) hatte im Vorjahr zu friedlichen Platzbesetzungen aufgerufen." (...)
das bedeutet im klartext nichts anderes, als das bereits eine reine - und passive - sitzblockade von mit ihren armen eingehakten menschen künftig mit knast bedroht ist und mittels der juristischen winkelzüge per definition bereits irgendwo im vorfeld des "terrorismus" angesiedelt wird. es blieb dem katalanischen innenminister vorbehalten, die logik hinter diesen deutlich selbst die rudimentärsten mindeststandards der sog. bürgerlichen demokratie aushebelnden maßnahmen in die welt zu tröten:
(...) "Puig betonte, dass die Strafrechtsreform nicht erreichen solle, dass mehr Menschen im Gefängnis landen, sondern dass er darauf hoffe, dass "die Leute mehr Angst vor dem System haben und deshalb nicht mehr so wagemutig sind". (...)
dieser satz ist immerhin von erfreulicher offenheit, macht er doch für alle mit auch nur einem hauch von wahrnehmungsvermögen nicht nur den aktuellen systemstatus (aus der perspektive von oben) deutlich, sondern schafft auch klarheit darüber, wohin die reise (ohne groß zu spekulieren lässt sich hier meiner meinung nach sagen: der gesamten sog. westlichen, bürgerlich-kapitalistischen demokratiesimulationen) hingehen soll. und das dabei angst einmal mehr eine hauptrolle spielt, dürfte nicht nur für die stammleserInnen hier keine neuigkeit darstellen.
wie sich eine solche innere verfassung dann auf den strassen darstellt, liess sich u.a. am ersten mai in barcelona beobachten - die vermummten und "zivil" gekleideten schlägertrupps aus dem innenministerium sind alleine durch ihre armbinden als amtspersonen erkennbar:
*
in diesen zusammenhang gehören gleichfalls die in etlichen ländern zu beobachtenden extrem rechten bis offen faschistischen bewegungen, die trotz ihrer als-ob-systemfeindlichen rhetorik durch und durch selbst einen teil der strategischen kalküle seitens der "eliten" darstellen, auch wenn das potenzial an psychophysischer destruktivität, welches sie anzapfen und ihm ausdruck verleihen, durchaus eine sozusagen authentische option in größeren bevölkerungsteilen darstellt (dass diese option allerdings auch nicht vom himmel gefallen ist, sollte eine binse sein).
jedenfalls: staatliche repression plus faschistische aggression = "elitäre krisenbewältigung". es scheint, dass sich manchmal geschichtliche tragödien doch wieder als tragödien wiederholen wollen. wenn nicht vorher wirkungsvolle grenzen gezogen werden. und in diesem sinne:
wir sehen uns am 12.mai, und danach in frankfurt.
monoma - 5. Mai, 14:44