Montag, 14. Mai 2012

assoziation: "So werden ... Bürger mit Meinungen konfrontiert, denen sie nicht oder nur schwer ausweichen können" - europa im mai 2012

diesem satz voran geht "Blockaden beeinträchtigen regelmässig die Rechte anderer Menschen", und zu finden ist diese insgesamt ungemein bemerkenswerte aussage auf seite 10 der verbotsverfügung an occupy frankfurt (auf der seite am ende verlinkt). ganz recht, die verfügung an occupy, nicht blockupy. wobei letzteres den grund für die angekündigte "partielle" räumung des ersteren darstellt, aber nicht nur die occupistas vor der ezb gehen davon aus, dass dieses "partiell" am ende durch "dauerhaft" ersetzt werden wird.

über diesen satz in der verbotsbegründung komme ich aber immer wieder ins meditieren. ist damit eigentlich im wörtlichen sinne meinungsfreiheit gemeint, also ein zustand, in dem sich niemand mehr von irgendwelchen meinungen beunruhigen, aufregen, berühren... lassen muss? frisch und frei bei der deutschen bank geschäfte machen - "spekulation mit nahrungsmitteln? davon will ich nichts hören" -, bei bp (bzw. aral) tanken - "deep water horizon? ist das ein neuer science fiction-film?" - und mit monsantos giften den eigenen kleingarten einnebeln - "wie, agent orange? monopolisierung der agrarproduktion? geh mir wech!"

faszinierend. es gibt scheinbar eine art recht auf ignoranz und selbstverblödung? anders kann ich mir diesen satz nicht erklären, weil er anders keinen sinn macht. interessant aber, dass er nur in eine richtung zu gelten scheint - ich fühle mich nämlich bspw. immer dann belästigt und genötigt, wenn ich mich beim einkauf oder am kiosk mal wieder mit irgendwelchen "bild"-schlagzeilen konfrontiert sehe, die irgendwas von faulen griechen verkünden. oder aber die allgegenwärtigen werbewände und litfaßzsäulen in den städten, bei deren anzahl es schwerfällt, den botschaften - "kaufen Sie nur unseren mist!" - irgendwie auszuweichen. man möchte ja nicht ständig mit geschlossenen augen durch die strassen laufen.

warum habe ich bloß das gefühl, dass solche meinungen damit nicht gemeint sind? sondern eben jene, die von z.b. von einer sitzblockade (wobei: im prinzip lässt sich diese neueste innovation deutscher bürokratenhirne eigentlich auf jede demonstration ausweiten) vor einer bank verbreitet werden und deren kunden darauf hinweisen könnten, mit was für einer kriminellen organisation sie gerade im begriff sind, ein geschäft zu machen? würde mich ja interessieren, ob in dem büro des frankfurter ordnungsamts, in dem jener satz ausgebrütet wurde, ein sinnspruch ungefähr der folgenden art an der wand hängt:

"selig sind die einfältigen und profitablen schäfchen in unser aller demokratiesimulation, ihnen gehört das himmelreich des nichtwissens und der willigen selbstaufgabe, das shopping und die neuesten klingeltöne für ihre überwachten handys".

ja-und-amen.

*

um diese art der meinungsfreiheit für seine schäflein auch durchzusetzen, greift der freiheitlichdemokratischerechtsstaat [TM] dann natürlich zum ganzen arsenal der verfügbaren schutzmaßnahmen - da wird dann nicht nur
alles verboten, nein, es wird noch mehr verboten - geht nicht gibt´s nicht:

stadtverbotsverfügung blockupy ffm

alle jene, die bei der durchaus eskalierten, aber keinesfalls, wie medial suggeriert, als ganzes die stadt in schutt & asche legenden märzdemonstration in frankfurt in irgendeiner form polizeilich auffällig geworden sind - und das heisst auch, z.b. nur in einer personalienkontrolle gelandet sind, und weder verhaftet noch irgendwie angezeigt wurden -, erhalten in diesen tagen nach den
verfügbaren informationen also ein partielles stadtverbot von mehreren tagen dauer, durchsetzbar sofort gegen androhung von zwangsgeld oder ersatzweise haft.

können Sie sich den medialen rummel vorstellen, den solche maßnahmen hier in den medien produzieren würde, wenn sich derartiges in der ukraine, weißrussland... zutragen würde? (nicht, dass es solches bzw. ähnliches dort nicht geben würde - aber das sind ja schließlich auch undemokratische, ja fast schon autoritäre systeme mit diktatorischen tendenzen - so lernen wir es nicht ganz unberechtigt aus unseren unabhängigen [TM] medien).

aber hier geht es ja um meinungsfreiheit (also die "freiheit", sich nicht mit dem befassen zu müssen, was der eigene "way of life" so anrichtet) und die aufrechterhaltung des ungestörten geschäftsbetriebs - das sind genau genommen schon erstrangige staatsziele, zumindest dann, wenn sich ein staat (und teilweise auch große teile der sedierten bevölkerung) primär als willige(r) büttel der herrschenden ökonomischen "eliten" begreift.

*

anderswo wird der letztgenannte zustand gerade klarer - madrid am gestrigen sonntagmorgen, und auch heute morgen sah das dort und in anderen spanischen städten ähnlich aus...




...und noch klarer...

Italiens Regierung berät über Einsatz von Armee:

"Die italienische Regierung berät in dieser Woche über den Einsatz der Armee, um das Rüstungsunternehmen Finmeccanica und die Steuerbehörde Equitalia zu schützen. Beide sind in der jüngsten Zeit Ziele von Anschlägen geworden, was Sorgen über eine Eskalation der politischen Gewalt weckte.

Im krisengeschüttelten Land nehmen gewaltsame Proteste vor allem gegen die Steuerbehörden zu." (...)


...um am ende völlige klarheit zu schaffen:




was da zu sehen ist? das:

"Die Zusammenarbeit militanter Faschisten mit der griechischen Polizei findet immer unverhohlener statt. Beide Seiten versuchen seit der letzten Wahl nicht mehr ihre Zusammenarbeit zu verbergen. Am 09.Mai führten Nazis der Partei "Golden Dawn" und Beamte der YMET eine gemeinsame Operation gegen migrantische Straßenhändler durch.

"Golden Dawn" ist eine faschistische Partei, die bei der Wahl ins Parlament einzog. YMET sind Riot-Bullen, die nicht so kampfstark und gut ausgerüstet sind wie die MAT. YMET wird zum Objektschutz und für Razzien eingesetzt. Bei diesen Razzien in Athen wurden in den letzten Monaten tausende MigrantInnen festgenommen und teilweise in Internierungslager eingeliefert.

Im Zuge dieser Razzien wurde schon oft von einer Zusammenarbeit von Nazis und Polizei berichtet, selten liegen aber so offene Beweise vor wie jetzt.

Der Einsatz wurde auf der Pattission Straße geführt. Eine Busladung YMET rückte zusammen mit ca. 20 unvermummten Faschisten vor. Die migrantischen Straßenhändler stehen immer vor der ASOEE Universität und verkaufen Handys, Uhren und Taschen. Sie kommen vor allem aus Afrika und Pakistan. Die Nazis näherten sich mit Eisenstangen und warfen Steine. StraßenhändlerInnen, StudentInnen und herbeigeeilte GenossInnen verteidigten sich.

Polizei und Nazis nahmen Anlauf von Westen, aus dem Bereich Viktoria Platz; ein Platz der bis vor kurzem stark bevölkert war, inzwischen aber abends aufgrund der Angriffe leer ist. Das schockierende ist die offene Zusammenarbeit am hellichten Tag. (...)

Die griechische Polizei wird übrigens von deutschen Beratern unterstützt. Dies geschieht im Rahmen von FRONTEX und Programmen gegen "Euroanarchisten".


klartext: staatsmacht und faschisten hand in hand gegen jene, die nicht etwa zu den krisenverursachern und -profiteuren gehören, sondern gleich mehrfach zu den losern.

*

ohne die situation eins-zu-eins gleichzusetzen, zum schluß eine frage: haben Sie sich jemals gefragt, wie sich die leute so ca. 1931/32 in europa gefühlt haben?
(und nicht nur in europa)

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