Samstag, 7. Juli 2012

assoziation: fünf tote im medialen und politischen kunstnebel

die ereignisse vergangenen mittwoch in karlsruhe und ihre mediale aufbereitung sind einmal mehr ein exemplarisches beispiel dafür, wie in diesem land
  • soziale realitäten nicht bzw. fehlwahrgenommen werden
  • die möglichen destruktiven konsequenzen (a-)sozialer politik aus ihren kontexten gerissen und
  • generell auch gesellschaftlich bedingte handlungen ständig medial reduktionistisch-vereinzelt behandelt werden
  • und damit dann auch diskurse lanciert werden, an die bisher niemand gedacht hat
letzteres sieht dann bspw.
so aus:

"Bei einer Zwangsräumung hat ein Mann in der Karlsruher Nordstadt vier Menschen als Geiseln genommen. Vier davon tötete er, bevor er sich selbst erschoss. Beamte der Spezialeinheiten SEK und MEK fanden die fünf Leichen vor, als sie drei Stunden nach dem Kidnapping die Dreizimmerwohnung stürmten. (...)

Trotz der Gewalttat brauchen Gerichtsvollzieher nach Ansicht ihres Verbands keine Bewaffnung. "Sie tragen keine Schutzwesten und auch keine Waffen. Eine Bewaffnung lehnen wir ab", sagte der Vorsitzende des Deutschen Gerichtsvollzieherbundes, Walter Gietmann. Waffen seien Sache der Polizei."


in einem weitgehend lediglich die polizeiberichte wiedergebenen artikel taucht dann zum ende recht unvermittelt die frage nach der möglichen bewaffnung von gerichtsvollziehern auf - und zwar ohne jeden bezug auf ihre aufgaben und die daraus in vielen fällen folgenden konsequenzen, die gerade bei zwangsräumungen für die betroffenen existenzbedrohende dimensionen - die bis zur obdachlosigkeit gehen können - annehmen. damit ist das thema trotz der deutlichen aussagen oben als idee bzw. option in der öffentlichkeit vorhanden.

die möglichen
hintergründe dieser tat springen einen daneben gerade zu an:

"Weil die Wohnung seiner Lebensgefährtin zwangsgeräumt werden sollte, hat ein 53-Jähriger vier Menschen und sich selbst erschossen. Die Staatsanwaltschaft spricht von einem geplanten vierfachen Mord. Die Zwangsräumung habe die Existenz des Täters ins Wanken gebracht. (...)

Laut Staatsanwaltschaft habe der Täter genau geplant, was er tun wird, wenn die Räumung der Wohnung ansteht. Als der 47 Jahre alte Gerichtsvollzieher um 8 Uhr in Begleitung eines Sozialarbeiters und des Schlüsseldienstes an der Tür klingelt, lässt der Arbeitslose die Gruppe herein. Dann zwingt er die Männer mit Waffengewalt, sich hinzusetzen. Als sich der Gerichtsvollzieher weigert, schießt der Täter ihm zweimal in die Beine. Darauf fordert er den 33 Jahre alten Schlüsseldienstmann auf, die anderen zu fesseln. Inzwischen ist auch noch der neue Eigentümer der Wohnung eingetroffen, der Ende April die Immobilie erworben und die Zwangsräumung beantragt hat. (...)

"Der Gerichtsvollzieher konnte mit dem schlimmen Verlauf zu keinem Zeitpunkt rechnen", sagt Oberstaatsanwalt Gunter Spitz. Er spricht von geplantem Mord in vier Fällen. Die Zwangsräumung habe die Existenz desTäters bedroht. Erklären kann das die Tat nicht."


nun, wenn eine existenzbedrohung - dazu noch bei vorhandener erwerbslosigkeit - keinerlei motiv darstellen soll, stellt sich die frage: was eigentlich dann? diese frage muss gestellt werden, ohne auch nur einen hauch von sympathie für die tat zu empfinden. das auch noch mögliche beziehungsproblematiken spekulativ aufscheinen, macht sie keinesfalls überflüssig. und das, was sich in diesem fall als "erweiterter suizid" bezeichnen lässt, ist durchaus typisch für viele reaktionen von betroffenen letztlich politischer entscheidungen hier im land - der unterschied dieser tat zu
solchen offenen "selbstmorden" liegt aus meiner sicht lediglich darin, dass sich der täter hier dafür entschied, auch aus seiner sicht (mit)schuldigen das leben zu nehmen - das mag in seiner individuellen disposition begründet gewesen sein, entbindet die gesellschaft als ganzes jedoch nicht der pflicht, solche taten endlich auch einmal im gesamten kontext zu begreifen. das bleibt bis auf weiteres natürlich ein frommer wunsch...einmal mehr.

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