Dienstag, 2. Dezember 2008

tv-tipp: heute ab 21.00 h auf arte, themenabend "die hungerkrise"

wer heute abend noch nichts vorhat bzw. mit den geplanten aktivitäten unzufrieden ist, sollte sich das nicht entgehen lassen:

(...)"Grundnahrungsmittel und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse erleben in der letzten Zeit weltweit rasante Preisanstiege. Der Themenabend forscht nach den Ursachen und dokumentiert, dass wieder einmal die ärmsten Länder der Welt am härtesten getroffen werden."(...)

Sonntag, 30. November 2008

notiz: krisennews und -gedanken (7) [update]

„Der Klassenkampf ist ein historischer Fakt, er wird von meiner Klasse, der Klasse der Reichen geführt und wir sind dabei ihn zu gewinnen“ (warren buffet, us-amerikanischer multimilliardär, in der new york times vom 26.11.2006)

"Der grösste Kredit, auf dem das Kapital gegenwärtig seine Herrschaft errichtet, ist weder seine ökonomische noch seine militärische Kraft. Es sind vielmehr die sich beharrlich reproduzierenden Fiktionen und Halluzinationen der Alltagscharaktere. Diese Krise mag fundamental sein, doch wenn wir gar nicht daran glauben, wird sie aber schön schauen, die Krise."
(franz schandl, österreichischer historiker und redakteur der zeitschrift
streifzüge)

"Jeder, der glaubt, dass exponentielles Wachstum für immer weitergehen kann in einer endlichen Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom."
(kenneth e. boulding, us-amerikanischer ökonom und sozialwissenschaftler)


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mit den drei obigen zitaten sind wesentliche eckpunkte der derzeitigen situation meiner meinung nach sehr schön zugespitzt auf den punkt gebracht. und rund um diese drei punkte werden sich auch die einzelnen teile dieser neuen ausgabe der krisenreihe hier bewegen. ist es übrigens notwendig, noch zu erwähnen, warum ein blog, welches sich thematisch rund um den komplex beziehungskrankheiten und gesellschaft dreht, der aktuellen weltwirtschaftskrise so derart viel platz einräumt? auch die antwort(en) auf diese frage lassen sich in den obigen zitaten finden - von der frage nach der inneren strukturierung von leuten wie buffet über die (noch) systemtragenden "fiktionen und halluzinationen der alltagscharaktere" (ein treffendes synonym für das als-ob-leben) bis zur frage der grenzen, die uns jeweils individuell und kollektiv (als spezies) gesetzt sind, und ihrer wahrnehmung - so ziemlich alle zentralen parameter und bedingungen der sich weiter entfaltenden krise weisen bei näherer betrachtung auch immer - und ich finde: zwangsläufig - auf die jeweiligen psychophysischen und psychopathologischen eigenschaften der aktiven und auch der passiven protagonistInnen hin.

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wobei mich momentan das stichwort der passivität am meisten interessiert, und wie in den letzten folgen der reihe und auch gleich zu sehen sein wird, ist das eine haltung (bezogen auf relevante bevölkerungsmehrheiten), die zwar nicht nur in diesem land hier, aber gerade hier besonders ausgeprägt ist - und das macht die derzeitige situation nochmals fataler, als sie eh schon ist.

einiges von den möglichen gründen hatte ich schon im letzten
teil umschrieben, und ich möchte es nicht wiederholen. zuletzt beschäftigten mich diese gründe vor ein paar tagen in einer betriebsversammlung des kleinen mittelständischen unternehmens, in dem ich lohnarbeite, und zu der ein mitarbeiter der für uns zuständigen gewerkschaft eingeladen war, um etwas zur krise und der gewerkschaftssicht darauf zu erzählen. sinngemäß sagte der mann zu diesem speziellen punkt in etwa, dass er sich wundere und auch nicht verstehe, wie das alltagsleben noch so relativ normal weiterlaufen könnte. und führte das auf eine strategie der regierungspolitik zurück, viele der - zunächst noch - primär finanziellen belastungen der krise hintenrum und still und heimlich auf die bevölkerung abzuwälzen. bei betrachtung der ereignisse der letzten zwei bis drei monate sowie der medienberichterstattung ist das durchaus nachvollziehbar. andererseits gilt aber auch weiter, dass die entsprechende innere disposition dafür bei der zielgruppe auch vorhanden sein muss, sich quasi mit offiziellen beruhigungspillen auch abspeisen zu lassen bzw. lassen zu wollen. und das ist keinesfalls nicht nur eine frage der zweifellos größtenteils schönfärbenden berichte der mainstreammedien.

ansonsten gab´s auch aktuelle einschätzungen der geschäftsführung zu hören, die ich hier aus nachvollziehbaren gründen nicht detailliert wiedergeben werde. nur soviel: das kommende jahr 2009 wird auch auf basis der letzten quartalszahlen als problematisch und teils unkalkulierbar eingeschätzt - womit wir uns denn auch in den chor der immer lauter wehklagenden stimmen aus immer mehr bereichen der sog. realwirtschaft eingegliedert haben. und womit die krise dann für mich und die mitarbeiterInnen auch im ganz persönlichen leben angekommen ist, was durchaus kein angenehmes gefühl darstellt. die weiteren persönlichen und ans kollektive gebundenen perspektiven sind das eine, und schon diesbezgl. bin ich seit längerer zeit schwer beunruhigt. die ganz konkreten persönlichen aussichten jedoch, an denen bspw. auch die frage der eigenen reproduktion hängt, werden jetzt gleichfalls unsicher. und so bin ich unfreiwillig in die lage versetzt, das, was ich selbst konkret bezgl. dieser perspektiven wahrnehme oder eben auch nicht wahrnehme, wie eine art seismograph zu registrieren und daraus von fall zu fall auch trends zu schließen, die bei psychophysisch ähnlich strukturierten menschen gleichfalls auftreten könnten. das immerhin macht die situation aufgrund meiner allgemeinen neugier für mich noch erträglich. aber verschiedene ängste werden mehr und mehr thema.

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bei der erwähnten versammlung kam ganz zum ende auch die frage auf, warum wir (kollektiv als betrieb und individuell als konsumentInnen) zum teufel nochmal eigentlich so auf die frage des wachstums fixiert sind, wo doch genau dieser immerwährende und als quasi naturgesetzliche determinante verkaufte drang und zwang nach (materiellem) wachstum nicht nur eine der wesentlichen krisenursachen darstellt, sondern inzwischen allerorten als die angeblich einzige "lösung" präsentiert wird? richtige frage, gute frage, und ein paar gute antworten sind in der aktuellen taz zu
lesen, wo u.a. ausgeführt wird:

(...)"Denn nicht zu wenig Konsum ist das Problem der nationalen und internationalen Wirtschaft, sondern zu viel vom falschen. Erinnern wir uns: In den USA begann die Finanzkrise mit einem Kaufrausch im Immobiliensektor, der über ungesicherte Kredite finanziert war. Die zweite Schockwelle wird folgen, wenn ausfallende Kreditkartenschulden die globalen Märkte erfassen werden. Und dann geben auch noch die Staaten dem Wachstum zuliebe ihre nicht vorhandenen Gelder aus. So gehört nicht viel Fantasie dazu, die nächste Krise durch kollabierende öffentliche Haushalte kommen zu sehen. Wir merken: Jede dieser Krisen wird befeuert durch Konsum, den wir uns bei genauer Betrachtung gar nicht leisten können.

Klar, wer mit viel Geld spontanes Wachstum schafft, kann damit kurzfristig als Retter der Wirtschaft dastehen. Er mag sich über die Wahlperiode hinwegdilettieren. Doch dauerhaft wird er der Wirtschaft damit nicht helfen, sondern sie vielmehr ruinieren. Denn jede neue Krise nach dem Abflauen des provozierten Wachstums wird heftiger werden als die jeweilige zuvor.

Über kurz oder lang nämlich muss das materiell-quantitative Wachstum vor die Wand laufen. Zwangsläufig, denn die Grenzen des Wachstums sind in Sicht. Sie sind der entscheidende Auslöser des Bebens der Weltwirtschaft. Nun kann man zwar durchaus zu recht über die fehlende Kontrolle der Geldmärkte oder die Gier der Finanzakteure lamentieren, doch das sind Nebenschauplätze. Längst definieren die natürlichen Ressourcen das ökonomische Limit: Energie und Rohstoffe sind knapp. Jeder politische Wachstumsimpuls wird daher zur Folge haben, dass der Ölpreis wieder emporschnellt und so das Wachstum wieder abwürgt. Naturgesetze lassen sich eben nicht überlisten - selbst von Ökonomen nicht."(...)


yep, immer wieder nötig, zu wiederholen, dass wir es gerade nicht nur mit einer, sondern mit den dynamiken gleich mehrerer krisen zu tun haben, die sich gegenseitig beeinflussen - stichwort bspw.
peakoil. und vor diesem hintergrund neige ich immer mehr dazu anzunehmen, dass, selbst den fall vorausgesetzt, die "eliten" (deren instrumentell-objektivistische intelligenz und überlebensdrang niemand unterschätzen sollte!) und "ihr" system kriegen für dieses mal noch die kurve (was momentan durchaus fraglich erscheint), die gesamte menschliche welt in eine art kaskade von immer schneller aufeinanderfolgenden gesellschaftlichen und ökonomischen krisen gerät, über der immer greller die botschaft zu lesen sein wird:

(qualitative und grundsätzliche) individuelle und kollektive veränderung oder tod (bzw. ein zeitalter der barbarei, welches für die allermeisten von uns den letztgenannten bedeuten würde).

falls ich Ihnen damit jetzt gerade die stimmung versaue, tut´s mir ja leid - aber ich komme, egal wie ich das alles drehe und wende, zu keinem anderen, mir realistisch erscheinendem ergebnis.

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schauen wir uns mal an, ob es möglich ist, anhand der entwicklung in ganz verschiedenen ländern bereits tendenzen in die eine oder andere der beiden oben genannten richtungen zu erkennen.

aus japan, dem land des
hikikomori, erreichen uns dieser tage nachrichten wie diese...

"Japans Industrie hat ihre Produktion kräftig gedrosselt. Damit mehren sich die Hinweise, dass die Rezession noch tiefgreifender wird als befürchtet. Im Oktober ging die Fertigung um 3,1 Prozent zurück. Das Verarbeitende Gewerbe wird deshalb im letzten Vierteljahr wohl im Rekordtempo um 8,6 Prozent schrumpfen. Exportstarken Firmen wie Toyota brechen die Aufträge weg. Das ist dramatisch, weil der Export die wesentliche Stütze der Wirtschaft ist. Manche Experten befürchten, dass Japan die längste konjunkturelle Durststrecke seiner Geschichte droht."(...)

...vor derem hintergrund dann infos wie der folgende
artikel, obwohl der inhalt mich teils schon überrascht hat, dann doch verständlicher werden:

"Nein zur Armut!", schallte es aus dem Megafon. "Steht auf und verändert die Gesellschaft!" Mit solchen Forderungen zogen kürzlich Tausende Japaner durch Tokio. Sie waren in diesem Jahr nicht allein: In mehr als 40 Städten gingen Menschen auf die Straße. Ihre Proteste richteten sich gegen die unsicheren Lebensverhältnisse im Land - und signalisierten ein neues Bewusstsein: Die sozialen Verlierer in Japan begehren auf und lassen sich nicht mehr länger als Versager abstempeln. "Ich bekomme kaum Arbeit und finde nur schwer eine Wohnung", beschwerte sich eine junge Frau. "Man sagt mir oft, ich sei dafür selbst verantwortlich. Aber das stimmt einfach nicht."(...)

Der 1929 verfasste Proletarier-Roman "Kanikosen" über die Ausbeutung von Arbeitern auf einem Krabbenfänger-Schiff entwickelt sich zu einem Bestseller. Mehr als eine halbe Million Exemplare wurden in diesem Jahr verkauft, weil sich viele Leser nach Ansicht des Verlages in den sklavenartigen Arbeitsbedingungen jener Zeit wiedererkennen. In den Buchläden stapeln sich anti-kapitalistische Werke. Das erfolgreichste Buch des Jahres - "Gieriger Kapitalismus und die Selbstzerstörung der Wall Street" von Hideki Mitani - wirft Japan vor, seine Unternehmenskultur auf dem Altar des angelsächsischen Kapitalismus geopfert zu haben. Im Dezember erscheint "Das Kapital" von Karl Marx erstmals als Manga.

Die Kommunistische Partei Japans gewann in weniger als einem Jahr mehr als zehntausend neue Mitglieder."(...)


neben der information, dass also auch in japan die fiktion des raffenden (aka "wall street") und schaffenden ("japanische unternehmenskultur") kapitalismus mit allen nationalistischen und faschistoiden untertönen gedeiht, finde ich vor den mir bekannten hintergründen der japanischen gesellschaft tatsächlich einen derart öffentlich werdenden protest, der sich gegen zentrale eigenarten des systems wendet, schwer bemerkenswert. die - teils religiös untermauerten - dortigen gesellschaftlichen hierarchien, deren erstickung aller tatsächlich authentischen individuellen regungen meiner meinung nach eben auch phänomene wie das hikikomori mit hervorbringt, grundsätzlich in frage zu stellen, dürfte für viele der dortigen menschen tatsächlich eine art revolutionären schritt darstellen. also genau das, was hierzulande bisher fast völlig fehlt.

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die im letzten beitrag schon thematisierten zustände auf einer anderen insel, nämlich island, produzieren inzwischen ähnliche bilder, wie sie auch in spanien schon zu sehen waren - es wird
unruhig:

(...)"In der isländischen Hauptstadt ist es am Samstag zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.
Die Polizisten setzten Pfefferspray ein, einige der Protestierenden mussten mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Die Demonstranten hatten versucht, in eine Polizeiwache in Reykjavik einzudringen, wo sie einen seit Freitag dort festgehaltenen Mann befreien wollten.(...)

In Island ist es in den vergangenen Wochen zu zahlreichen Protesten gekommen, nachdem die Wirtschaft des Landes im Zuge der weltweiten Finanzkrise nahezu zusammengebrochen ist."(...)


und eine nötige
anmerkung dazu:

(...)"Dies mag für deutsche Ohren lächerlich klingen. In Island hingegen, wo man gar nichts anderes als friedliche Demonstrationen kennt (...), ist dies ein nie gekannter Gewaltausbruch.

die beiden berichte beziehen sich auf eine demonstration vom 22.11., aber wie einem weiteren
artikel zu entnehmen ist, bildet sich dort seit wochen eine tradition von samstagsdemonstrationen heraus:

"Wie auch an den Samstagen zuvor fand am 22. November eine große Demonstration vor dem Parlament in Reykjavik statt. Dieses mal kam es im Anschluss zu Auseinandersetzungen vor der Polizeistation. Die buntgemischte Demonstration unter Beteiligung von linken und anarchistischen Gruppen fordert den Rücktritt der Regierung unter der konservativen Unabhängigkeitspartei von Premierminister Haarde, welche für die neoliberale Politik der letzten Jahre, die in Island im Staatsbankrott gipfelte verantwortlich gemacht wird. Während der regelmäßigen Samstagsdemos flogen immer wieder Farbeier und Obst gegen das Regierungsgebäude.(...)

U.a. richtete sich der Protest auch gegen den IWF, welcher der Regierung kürzlich Kredit gewährte, aber auch gegen die enge Verknüpfung von Premierminister Haarde und dem Chef der Zentralbank David Oddson.
Insgesamt nahmen an der Demonstration letzten Samstag mehrere tausend Leute teil, was gemessen an der Gesamteinwohnerzahl Islands- 300 000 - einem Massenprotest gleichkommt."(...)


einen atmosphärischen eindruck von diesen demos lässt das folgende video zu:



leider existieren dafür keine übersetzungen, es wäre spannend zu hören, was dort im einzelnen gesagt wird.

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auch im brennpunkt usa sind die inzwischen wahrnehmbaren krisenfolgen für eine täglich größer werdende menge von menschen schlicht verheerend, wie nicht nur die allgemeinen
armutszahlen zeigen...

"Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise steigt nicht nur die Zahl der Arbeitslosen in den USA, auch die Zahl der Amerikaner, die auf Lebensmittelmarken (food stamps) angewiesen sind, nimmt wieder zu. Erwartet wird, dass erstmals seit der Flutkatastrophe durch den Wirbelsturm Katrina 2005, als kurzzeitig im November 2005 ein Höchststand von 29,8 Millionen erreicht wurde, mehr als 30 Millionen Menschen auf das Programm rekurrieren, das seit 1. Oktober unter dem angeblich weniger stigmatisierenden Namen Simplified Nutrition Assistance Program, abgekürzt SNAP, läuft."(...)

...sondern damit zusammenhängend auch die in den letzten beiträgen schon erwähnte persönliche katastrophe der obdachlosigkeit als eine mögliche armutsfolge, die aufgrund der us-spezifischen verhältnisse nicht selten gewaltsam tödlich enden kann, wie eine
meldung von anfang november zeigt:

(...)"In einem Obdachlosen-Lager bei Los Angeles sind fünf Personen einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Polizisten fanden die Leichen der zwei Frauen und drei Männer nach einem anonymen Hinweis am Sonntag in Long Beach.

Auf einige der Opfer sei mehrfach geschossen worden. Anwohner berichteten, sie hätten Sonntagmorgen mehrere Schüsse und lautes Schreien gehört.(...)

In der Gegend waren Obdachlose in den vergangenen Monaten immer wieder Opfer von Verbrechen geworden. Zuletzt wurde Ende September ein Obdachloser bei lebendigem Leibe angezündet und so getötet. In und um Los Angeles leben Schätzungen zufolge rund 73.000 Menschen ohne Dach über dem Kopf. "


wie schrieb ich weiter oben? veränderung oder tod/barbarei !

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und für all diejenigen, denen bei den verlautbarungen aus unseren spaß- und gute-launeministerien regelmässig die gesichtszüge entgleisen, hat wirtschaftsquerschuss wieder einmal die mühe auf sich genommen, die regierungsamtlichen fiktionen an der bösen realität platzen zu lassen -
Der deutsche Arbeitsmarkt im November 2008 macht deutlich, dass auch die eingangs erwähnte "hintenrum-strategie" in bälde ihr ende finden wird...und ob das ein ende mit wenig oder viel schrecken sein wird, bestimmen wir alle tag für tag mit.

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einen kleinen nachtrag habe ich noch vergessen - eine
geschichte aus lettland nämlich:

"Die Finanzkrise hält in Lettland nicht nur Politiker und Ökonomen in Atem, sondern auch die Sicherheitspolizei. Seit in der Baltenrepublik die Gerüchte über eine mögliche Abwertung des Lats nicht verstummen, geht die Sicherheitspolizei konsequent gegen jeden vor, der öffentlich eine Abwertung der Landeswährung anspricht oder gar dazu auffordert, Spareinlagen abzuheben. So wurde ein Dozent der Universität Ventspils Mitte November zwei Tage lang wegen des Vorwurfs festgehalten, er habe mit seinen Aussagen das lettische Finanzsystem destabilisiert."(...)

das absichern der offiziell angeordneten und erlaubten fiktionen mittels polizei & strafgesetzbuch - so sind sie, unsere demokratiesimulationen.

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edit am 03.12.: aus aktuellen anlässen einige nachträge - in island kam es gestern zu einer halbsymbolischen
stürmung der zentralbank:

(...)"Angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage platzt sogar den sonst so friedliebenden Isländern der Kragen. Am Montag sind mehrere hundert Demonstranten in die Isländische Zentralbank (Seðlabanki Íslands) eingedrungen. Zuerst schlug die Menge gegen die Glastür, später wurden die Menschen dann in das Gebäude hineingelassen. In der Lobby erklangen Protestlieder und sie skandierten "Weg mit David".

Mit "David" ist David Oddsson gemeint. Der isländische Notenbankchef machte als Ministerpräsident von 1991 bis 2004 den Inselstaat zu einem wirtschaftsliberalen Musterland. Oddsson privatisierte Banken, öffnete die Geldmärkte und ermöglichte so der Finanzbranche ein rasantes Wachstum. Nun kreiden die Isländer ihm den Absturz des Landes an."(...)




eine nachricht übrigens, die es das erste mal auch breiter in die hiesigen mainstreammedien schaffte.

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während hierzulande vor ein paar wochen die mitarbeiterInnen am hauptsitz der bayrischen landesbank in münchen für "ihren" vorstandsvorsitzenden demonstrierten - erinnern Sie sich? - , also genau den gleichen mann, der jetzt im zuge der verschärften krise dieser bank ein paar tausend entlassungen ankündigte - davon einen nicht geringen teil am hauptsitz in münchen. sollen wir das als ironische botschaft der geschichte betrachten? es ist eben sehr wahrscheinlich, dass etliche der damals demonstrierenden jetzt aus eben dem mund, vor den sie sich damals gestellt haben, ihre kündigung entgegengenommen haben. wenn das keine lernprozesse in gang bringt, was denn dann?

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und zum thema der obdachlosigkeit in den usa bzw. den zunehmenden angriffen auf obdachlose dort gibt´s jetzt einen ausführlichen
beitrag auf telepolis.

Freitag, 14. November 2008

notiz: krisennews und -gedanken (6)

zum beginn der heutigen folge zunächst ein kleines quiz - wer sagte die folgenden sehr aktuell klingenden worte bezgl. der verfassung großer teile der hiesigen bevölkerung...

"Sie lebt an sich selbst und ihrer Geschichte vorbei, die Bevölkerung der Bundesrepublik, uninformiert und unaufgeklärt, desorientiert, unentschieden zwischen BILD und RTL-News, im Bilde über "Deutschland sucht den Superstar" und die Bundesligaergebnisse, nicht über Finanzkrise und Überwachungsstaat. (...) 26 Jahre Kohl, Schröder und Merkel haben aus 80 Millionen Deutschen, Schreibern und Lesern, Politikern und Kommentatoren, Zuschauern und Produzenten an Fernsehschirm und Monitor ein Volk von Halbinformanden und Halbinformierten gemacht, von denen die einen nur die Hälfte dessen sagen, was sie wissen, von denen die anderen nur die Hälfte dessen erfahren, was sie brauchen; belastet mit Vorurteilen, umgeben von Tabus, eingeschnürt in Illusionen, so daß sie ihre eigenen Vorteile nicht mehr zu erkennen vermögen, ihre eigenen Interessen nicht mehr wahrzunehmen."

...und ihrer aktuellen regierung:

"Zu den Mitteln Großer-Koalitions-Politik gehören: die Verdrängung politischer Sachdiskussionen zugunsten von Personalfragen (!), die Unterordnung politischer Meinungsverschiedenheiten unter ein alle Personen ergreifendes Ziel. Was mit diesen Mitteln bewirkt wird, ist das, was man gemeinhin Entpolitisierung nennt. Die Politik der Großen Koalition zielt nicht auf eine regierungstreue Bevölkerung, sondern auf eine unpolitische. Regierungstreue stellt sich dann von selbst ein."

ich habe übrigens im ersten zitat insgesamt neun worte ausgewechselt / ersetzt, ohne jedoch den sinn zu entstellen. und klar sind das explizit politische kommentare, die gerade bei der beschäftigung mit "eigenen vorteilen" bzw. interessen der bevölkerung die vorhandene innere widersprüchlichkeit der als tendenziell nur "unterdrückt" bzw. "unbewusst" dargestellten interessen nicht berücksichtigen. trotzdem steckt da für mich einiges an realität dahinter, und besonders bemerkenswert daran ist - aber zur auflösung komme ich am schluß des beitrags.

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die benannte desorientierung und uninformiertheit vieler menschen hat zu einem guten teil auch damit etwas zu tun, wie dreist hier von sog. "führungspersönlichkeiten" aus politik & wirtschaft seit dem offenen "ausbruch" der krise gelogen wurde - hieß es vor ca. einem halben jahr noch "es gibt gar keine krise" bzw. " die krise ist ausgestanden" (so sinngemäß u.a. ackermann), ging es dann zur "krise als us-amerikanischem problem" (steinbrück), um inzwischen beim zugeständnis einer klitzekleinen rezession (diverse) gelandet zu sein - häppchenweise wird so das harmoniesüchtige und beruhigungswillige publikum an der kurzen leine im theater der illusionen und des als-ob geführt, auf das ja niemand auf die idee kommt, ernsthaft das nachdenken und -fühlen zu beginnen - denn wer dieses verpönte vorhaben angeht, kann längst nicht mehr über die allerorten leuchtenden roten lampen und gellenden alarmklingeln hinwegsehen und -hören. einige beispiele aus dieser kakofonie eines inzwischen täglich sichtbarer werdenden globalen (und nicht nur mehr primär ökonomischen) zusammenbruchs habe ich im folgenden zusammengestellt.

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uninformiertheit bzw. der unwillen, überhaupt etwas von den laufenden destruktiven prozessen wahrzunehmen, dürfte neben der bereits früher thematisierten sozialen trance auch an der abstraktheit liegen, die gerade ökonomische vorgänge auszeichnet und es schwer machen, so etwas wie emotionale berührung zu empfinden. das ändert sich regelmässig erst dann, wenn die abstrakten zahlen - soundsoviel prozent mehr erwerbslose, mehr obdachlose, mehr armut - mit dem konkreten schicksal von betroffenen menschen in verbindung gebracht werden. zwei visualisierte beispiele dafür, wie sich die krise in den usa auswirkt:
der zerfall in ohio, dito in californien.

neben solchen krassen verelendungsprozessen sind die weiteren aussichten für die usa derart, dass obama tatsächlich nur scheitern kann - die
kreditkartenblase beginnt zu platzen...

(...)"Meldungen, wonach immer mehr Amerikaner ihre Kreditkartenschulden nicht begleichen, haben die Finanzbranche alarmiert. Etwa 900 Milliarden Dollar beträgt die Summe der ausstehenden Kredite.

Rund 5,5 Prozent davon sind faul und selbst optimistischen Prognosen zufolge werden es schon bald mehr als sieben Prozent sein. Das Problem: Anders als Hypotheken sind Kreditkartenschulden nicht mit Vermögen besichert. Jeder Ausfall bedeutet einen Totalverlust."(...)


...und das lässt sich zwar mit diversen buchungstricks (ein bereits bei anderen müllkrediten bewährtes staatlich eingeräumtes mittel der bankster) wie weitere stückelung der in raten zurückzuzahlenden schulden, verlängerung der ratenrückzahlung etc. verlangsamen, aber letztlich nicht verhindern. es wird zeit geschunden, um den ganz großen knall jeweils auf den nächsten tag, die nächste woche oder den nächsten monat zu verschieben - zeit, die die "eliten" gerade auch dringend nötig haben, die sich alle anderen aber eigentlich überhaupt nicht mehr leisten können. zu monströs sind die
paukenschläge der desillusionierung in der us-wirtschaft, um das eigentlich wünschenswerte und überfällige ende des globalen kapitalismus unter us-vorherrschaft nicht auch mit einer ordentlichen portion beunruhigung im bauch wahrzunehmen.

denn wer wird - und zwar nicht nur monetär - für all das in vielfältigster hinsicht bezahlen? naomi klein gab neulich nicht nur auf diese frage eine
mögliche antwort, sondern auch gründe für die oben erwähnte elitäre zeitschinderei an:

(...)"In Wahrheit hat überhaupt keine Verstaatlichung stattgefunden. Da die Steuerzahler keine Kontrolle über das Rettungspaket haben, können die Banken das Geld ausgeben, wie sie wollen (für Boni und Fusionierungen), während die Regierung nur höflich darum bitten kann, man möge doch einen Teil auch für die Kredite verwenden.

Was ist also der wahre Grund für die Bereitstellung des Rettungspaketes? Ich fürchte, dass es bei dem Fonds nicht um eine einmalige Finanzspritze an das Großunternehmertum geht, sondern vielmehr darum, die Staatskasse auf Jahre hinaus weiter plündern zu können.

Man darf nicht vergessen, dass die große Sorge der Global Player, besonders der Banken, nicht der fehlenden Kreditlinie, sondern ihren fallenden Aktienkursen gilt. Investoren haben das Vertrauen in die Banken verloren - und das aus gutem Grund. Darum ist die Investition der Staatskasse so willkommen."(...)


ein szenario, welches im kern - mit ein paar länderspezifischen kosmetischen korrekturen bzw. beruhigungspillen wie gehaltsobergrenzen u.ä. - auch für die europäischen staaten zutreffend sein dürfte.

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aber immerhin bemerkenswert, dass die redaktion der frankfurter rundschau in der gleichen serie, innerhalb der naomi klein das obige verfasst hat, auch eine stimme derjenigen zu wort kommen lässt, die gerade in den kreisen von bankstern & managern vor jahrzehnten dafür sorgten, dass diese herren ihre häuser und autos zeitweise zu hochsicherheitstrakten umfunktionieren mussten - und die deshalb logischerweise auch bis heute - und aus sicht der "elite" verständlich - als eigentliches symbol für "den terrorismus" fungieren. und es wundert mich etwas, dass aus diesen kreisen noch kein empörter aufschrei mit inhalten wie "terroristisches gedankengut", "demokratiegefährdend" und was dergleichen phrasen mehr sind, zu vernehmen war - die ehemalige aktivistin der "bewegung 2. juni" und der raf,
inge viett, ruft zu nichts weniger als zur sozialen revolution auf:

(...)"Es gibt nur eine Lösung: die Vergesellschaftung der Produktionsmittel und die gesellschaftliche Planung von Produktion und Verteilung. Also die Enteignung der Großeigentümer. Also die soziale Revolution. Das Problem: Die Bevölkerung sieht das noch nicht, und die Linke traut sich nicht einmal, es zu sagen und noch viel weniger es praktisch zu organisieren.

Die objektiv potenziellen Gegner des Kapitalismus: die Lohnabhängigen, die Gewerkschaften, das gesamte linke Spektrum, sind auf die kapitalistische Krise nicht vorbereitet. Leider. Das Glück dabei: die faschistischen und potenziell faschistischen Kräfte sind es auch noch nicht."


und macht dabei aus meiner sicht den gleichen fehler, den ich auch beim eingangszitat konstatieren muss: die bevölkerung will mehrheitlich vielleicht auch gar nichts sehen; und die "objektiv potenziellen gegner" sind ebenfalls ein teil dieser bevölkerung, und damit den gleichen wahrnehmungsbeschränkungen unterworfen. wenn auch mit einigen schwer erarbeiteten größeren spielräumen bei den letzteren - die sog. radikale linke fängt besonders bei den schon langjährig ökonomiekritischen gruppen an, aus der starre zu erwachen. die zeitschrift wildcat kommt sowohl mit einem lesenswerten gesamtüberblick zur
globalen krise incl. berichten zu den aktuellen krisenfolgen in einzelnen staaten heraus als auch mit daran anschließenden 23 thesen, in denen sehr zu recht betont wird:

"Die Krise ist eine des kapitalistischen Weltsystems"

weitere ansätze zum besseren verständnis lassen sich bspw. auf seiten wie
krisis.org und exit-online finden. und das sind definitiv keine beruhigungspillen, die da verabreicht werden.

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aber um zu direkten berichten aus einzelnen ländern zu gelangen, ist es z.zt. nicht mal nötig, speziell auf seiten wie die gerade genannten zurückzugreifen - selbst touristische sites wie zb. über
island sehen sich genötigt, ihr publikum mit ungewohnten einblicken in die realität zu konfrontieren:

(...)"Für die Isländer hat die Krise nun auch ganz konkrete Auswirkungen. Die Inflationsrate liegt mit 14% auf Rekordniveau. Preise für Obst und Gemüse sind in den vergangenen Monaten um fast 50% gestiegen. Viele Händler und Supermarktketten können keine Devisen mehr beschaffen, um dringend benötigte Waren im Ausland zu kaufen. Die Arbeitslosenquote stieg binnen Monatsfrist von 1,3% auf 2,4%, die Zahl ausländischer Arbeitskräfte halbierte sich im gleichen Zeitraum auf knapp unter 10.000. Die Baubranche kam praktisch zum erliegen."(...)

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und wie Sie vielleicht wissen, setzt island in dieser situation voll auf den internationalen währungsfond (iwf), dessen unheilvolles treiben in der vergangenheit hier schon in einer der letzten folgen thema gewesen ist. und der iwf bleibt seiner linie konsequent treu, die da lautet:
streichungen, kürzungen, privatisierungen:

(...)"Dafür muss die Regierung in Kiew einem strikten Finanzplan folgen. Das bedeutet: Sozialleistungen einfrieren, Gaspreise erhöhen, Staatsunternehmen privatisieren und Subventionen abbauen. Die Banken werden schon seit Oktober streng reguliert.

Die Ukraine ist nach Island und Ungarn das dritte Land, das in Folge der Finanzkrise Hilfszusagen des IWF erhalten hat. Auch Pakistan hat schon angefragt. Weitere Länder könnten folgen. Spekuliert wird vor allem über Rumänien, das von der internationalen Ratingagentur Standard & Poors kürzlich in seiner Kreditwürdigkeit auf "junk" herabgestuft wurde, sowie Serbien, die Seychellen und Griechenland."(...)


natürlich gelten die genannten attribute immer nur für die jeweils breite masse, niemals aber für die leistungsträger - ob das womöglich damit zusammenhängt, dass der iwf letztlich nur ein instrument der letzteren darstellt? und deshalb auch ganz logischerweise eine "politik" des "mehr-desselben" fährt, nämlich mehr genau desselben, was in gestalt von deregulierungen, ausplünderung immer größerer bevölkerungsteile und hemmungsloser privatisierung zu einem großen teil die destruktive wucht der krise mit hervorgebracht hat. zu "reformieren" gibt´s an so einem verein nix mehr.

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was macht eigentlich unser inzwischen schon alter bekannter, der baltic dry index, der einigen aufschluss über wichtige ströme des schiffsbasierten welthandels gibt? rischtisch, er
kriselt weiter so vor sich hin:

(...)""Die Lage ist sehr ernst", meint Jeremy Penn, Präsident der Baltic Exchange, welche die Daten zum BDI-Index ermittelt. "Frachtraten sind noch nie so steil gefallen. Der Welthandel mit Rohstoffen krankt vor allem an der Schwierigkeit Akkreditive von Banken zu erhalten."

Als Ursache für die wegbrechenden Frachtraten sind neben der wegbrechenden Nachfrage, also auch die mangelnden Akkreditive, eine Art Zahlungsversprechen der Bank eines Importeurs, für die Ware eines Exporteurs Zahlung zu leisten! Für die Zahlung muss der Importeur eine entsprechende Kreditlinie bei seiner Bank haben, diese werden aber gerade massiv gestrichen! Von den weltweit gehandelten Gütern im Volumen von 13,57 Billionen Dollar in 2007, wurden 90% auf Basis der Akkreditive abgewickelt."(...)


grunsätzlich hat sich also nichts an der weiterhin prekären situation geändert, und das macht - zumindest nach meinem verständnis - auch deutlich, dass ein immer wieder postuliertes vorrangiges ziel der sog. "rettungspakete", nämlich den interbankenhandel, an dem die kreditvergabe der banken untereinander und in der folge auch an die sog. realwirtschaft hängt, wieder ins laufen zu bringen, bisher glatt verfehlt wird. und vor diesem hintergrund bekommen naomi kleins argumente zur tatsächlichen verwendung der abermilliarden weiter oben nochmals gewicht.

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aber nicht nur auf den ozeanen ist eine zunehmende leere zu beobachten, inzwischen sind auch die straßen betroffen. das legen zumindest die beiträge in einem
forum selbstständiger (lkw-)spediteure nahe, in denen sich - in etwas branchenbedingt esoterischer sprache - einträge wie bspw. die folgenden finden - auszüge:

(...)"Letzte Woche am Freitag hat ein Kollege fast 4 Stunden gesucht, bis er eine Ladung aus PLZ 4 nach PLZ 7 gefunden hat, die auch ordentlich bezahlt wurde. Ansonsten war da bis letzte Woche fast immer freie Auswahl angesagt.

Aktuell absolut tot auch auf der Relation Süd-D - Nord-D, da Exportladungen nach HH und HB zwar stockend laufen, aber alles andere fast zum Erliegen gekommen ist.
Daimler hat faktisch die 4-Tage-Woche eingeführt, sodaß freitags im Raum Stuttgart mehr als 100 Linien nicht bedient werden.....
Heute in Heilbronn im Hafen standen mind. 20 Sattelzüge aus TR, die teilweise schon seit Tagen auf Rückladung warten....(...)
Daimler stellt 63 Mio. @ bereit, um die Gefahr von drohenden kurzfristigen Händlerinsolvenzen vorübergehend zu bannen und den Händlern werbetechnisch und bei Vorführfahrzeugen unter die Arme zu greifen
Bosch arbeitet ab nächste Woche für 6 Monate in Bamberg kurz, weitere Werke werden folgen -> das große Zulieferersterben setzt ein.

Und die TU sind dann die nächsten....wir müssen uns ganz warm anziehen!"

(auf der ersten seite unten)


und zusammenfassend wird auf seite 11 ein medienbericht zitiert:

"Ertragslage bei den Verkehrs- und Logistikfirmen verschlechtert sich „dramatisch“
München. „Der Wirtschaftsbereich Verkehr und Logistik befindet sich derzeit am Rande einer Rezession“, heißt es in einem Bericht der Creditreform, der der VerkehrsRundschau vorliegt. Danach ist der Branchenindex Verkehr/Logistik im dritten Quartal um 3,5 Punkte auf 0,3 Punkte abgestürzt. Das war der schwerste Einbruch des Index seit dem Beginn der Berechnungen. Die Branche liegt in dieser Wertung mit Abstand auf dem letzten Platz von insgesamt elf analysierten Wirtschaftszweigen.

Laut dem Bericht erzielten lediglich 31,3 Prozent der Betriebe aus dem Sektor Verkehr und Logistik ein Umsatzplus. 21,5 Prozent der Unternehmen vermeldeten im dritten Quartal 2008 einen Umsatzrückgang. Die zukünftige Situation wird ebenfalls skeptisch beurteilt. 28,8 Prozent rechnen mit steigenden, nahezu gleich viele Unternehmen (27,5 Prozent) mit sinkenden Umsätzen.

Doch viel entscheidender: Die Gewinne stürzen ab. „In den zurückliegenden Monaten verschlechterte sich die Ertragslage in der Verkehrs- und Logistikwirtschaft dramatisch“, schreiben die Experten von Creditreform. Nur 15,9 Prozent der Logistikfirmen verzeichneten demnach Ertragssteigerungen. Bei 56 Prozent hingegen verschlechtern sich die Ertragszahlen."(...)


die dortigen teilnehmer berichten übrigens auch von leerer werdenden autobahnen in ländern wie spanien und italien.

*

bei den stichworten "spanien" und "autos" kam mir übrigens auch eine
meldung in erinnerung, die in den hiesigen medien bestimmt nicht zufällig bestenfalls unter "ferner liefen" rangierte - angst, dass das dargestellte schule machen könnte?

"Die Krise der Automobilindustrie hat in Spanien zu einem Gewaltausbruch geführt. In Barcelona griffen Nissan-Arbeiter den Verwaltungssitz des japanischen Autobauers an. Sie bewarfen das Gebäude mit Steinen, Eiern und Knallkörpern.

Zuvor hatten sich Hunderte Beschäftigte zu einem Protestmarsch versammelt, um gegen die von Nissan geplanten Stellenstreichungen zu demonstrieren. Wie Autobauer weltweit leidet auch Nissan unter dem Nachfrageeinbruch und will in Barcelona mehr als anderthalbtausend Arbeitsplätze abbauen. Außerdem soll die Produktion zurückgefahren werden."(...)




und ich wette, dass Sie von protesten ähnlichen kalibers anlässlich einer
werftenschließung in gijon gleichfalls nichts mitbekommen haben - oder?

*

aber es ist zugegebenermaßen inzwischen auch so gut wie unmöglich geworden, den tag für tag einströmenden krisennachrichten auch nur ansatzweise zu folgen, und in meinem kopf spukt seit ein paar tagen die idee herum, dass vielleicht ein neues - und kollektiv betriebenes - blog sinnvoll wäre, welches sich nur darauf konzentriert, entsprechende informationen zu sammeln und zu verbreiten. alleine diese arbeit ist immens, aber nötig, weil wir davon ausgehen müssen, dass im weiteren verlauf eskalierende soziale unruhen aller art konsequent medial zensiert werden. wie sehen Sie da draußen das?

*

tja, und gerade die leerer werdenden autobahnen sind durchaus ein symbol für die zwiespältigkeit der ganzen geschichte, die ich in den letzten beiträgen dieser reihe schon thematisiert habe. es bleibt dabei, dass ich viele wirkungen der krise durchaus für wünschenswert halte, gerade was einen auf vielfältige weise und zwangsläufig zurückgehenden konsum anbelangt, an dessen durchweg negativen begleiterscheinungen wir uns über die jahrzehnte angewöhnt haben, konsequent vorbeizuschauen. andererseits fehlt natürlich weiterhin eine grundsätzliche alternative, was nur den schluß zulässt, dass es jetzt und hier an der zeit ist, eine eben solche zu entwickeln. ja, ich bin ganz unbescheiden. und lege noch eine phrase aus dem depot des positiven denkens nach: "es ist notwendig, daher ist es möglich". gefällt mir in situationen wie diesen immer wieder ganz gut.

*

von wem die zitate am anfang denn nun sind? nun, die schrieb eine kolumnistin der zeitschrift "konkret" jeweils 1964 und 1966. ihr name war ulrike meinhof, und bemerkenswert finde ich die fast schon unheimliche kontinuität bezgl. der inneren verfassung großer bevölkerungsteile hier, die es möglich macht, über 40 jahre später die zitate als aktuell treffend zu empfinden. das sagt auch viel über die "alte brd" aus, der heutzutage so einige immer noch hinterhertrauern. und es sagt keinesfalls etwas gutes aus.

Sonntag, 9. November 2008

"waltz with bashir" - animierte kriegstraumata

nein, das ich gerade heute am 9. november sowohl einen beitrag zu heinrich himmler als auch jetzt diese filmvorstellung über - tja, die täter-opfer-dialektik bei israelischen soldaten verfasse, war durchaus nicht beabsichtigt. aber nachdem mir erst vorhin das heutige datum eigentlich bewußt wurde, finde ich beides sehr passend. und wer sich schon mit dem thema der transgenerationalen traumata beschäftigt hat, wird auch die unsichtbaren verbindungslinien zwischen beiden themen sehen können - früher schon mal hier näher beleuchtet.

aber aktuell zu einem film über ein natürlich nicht nur israelisches thema:



ich bin noch nicht im kino gewesen, aber es sieht so aus, als wäre es hier mit eher ungewöhnlichen visuellen mitteln gelungen, eines der zentralen kennzeichen von (kriegs-)traumata sichtbar zu machen -
das vergangene krallt sich in die gegenwart:

(...)"Wirklichkeitsfetzen, Erinnerungsskizzen, Verdrängtes. Erfundene, halluzinierte Reminiszenz – all das schiebt sich ineinander, Traum und Albtraum verschmelzen. Am Ende sieht man reale Aufnahmen von weinenden, schreienden Frauen aus einem der Lager. Überlebende. Es ist nicht mal eine Minute. Die Minute, die Ari Folmans System nicht gespeichert hatte. Danach ist man froh, dass vorher alles Trickfilm war, halbwegs erträglich anzusehen.

Ari und seine Freunde, die blutjung in den Krieg zogen, ahnungslos, überfordert – sie leiden unter Opfer- wie unter Tätergefühlen. Sie sind unschuldig schuldig, ein vertrackter Komplex. Folman hat diesen Film gedreht, als Therapie. Er hat keine Palästinenser massakriert, er hat „nur“ wild um sich geschossen, um zu überleben – dabei wurden ganze Familien getötet. Er war nicht in den Flüchtlingslagern, aber die Israelis haben die Leuchtraketen abgeschossen, damit die Mörder Licht hatten zum Morden. Deshalb ist der Himmel so gelb.

Darin steckt das Teuflische jedes Krieges, in Israel, im Libanon, in Vietnam, in Irak. Soldaten töten, um im Meer ihrer Angst nicht zu ertrinken. Nicht jeder, der zurückkehrt, kann einen Film drehen, um sich seinem Trauma zu stellen."(...)


ebenso ungewöhnlich ist es, dass der regisseur hier
weiß , um welche realitäten es geht:

(...)"SZ: Sie verarbeiten dabei Ihre Therapie. Haben Sie tatsächlich diese Erinnerung in sich gefunden, die Sie belastet hat, an die Sie aber nicht herankamen?

Ari Folman: Das geht sehr langsam, man stellt Fragen, trifft sich mit Leuten, redet mit dem Therapeuten und denkt dann eine Woche über das Gespräch nach. Das hat nichts mit Amnesie zu tun, das funktioniert schon anders. Ich hatte lineare Erinnerungen mit schwarzen Löchern, die es zu füllen galt. Ich wollte zeigen, wie das funktioniert. Bei einem solchen Prozess im Inneren muss es ja nicht notwendigerweise um eine verdrängte Kriegserfahrung gehen. Ich denke, eine gescheiterte Liebesbeziehung, der Verlust von jemandem, der einem sehr nahestand, löst ganz ähnliche Mechanismen aus - jede Erfahrung, die das eigene Leben wirklich auf den Kopf stellt."


waltz with bashir ist aktuell in den kinos zu sehen.

assoziation: re-inszenierungen eines antisozialen* - ansätze zum erweiterten biographischen verständnis in der ns-forschung

gestern beim durchblättern der aktuellen taz blieb ich am ende bei einem interview hängen, in dem es um eine neue biographie über den ss-führer heinrich himmler geht - nicht unbedingt ein thema, welches die reste öffentlicher aufmerksamkeit noch groß auf sich zu ziehen vermag. die nazis sind angeblich und anscheinend bis in die letzte ecke be- und erforscht, analysiert und diskutiert worden. und doch war und ist (nicht nur mein) eindruck, seit dem ich mich persönlich für die ns-geschichte interessiere, recht schnell derart, dass hier möglicherweise ein fall von den-wald-vor-lauter-bäumen-nicht-sehen vorliegt - will sagen, dass vor allem das zusammenspiel zwischen persönlichkeitsmerkmalen und historischer wirkung sowohl bei den handelnden akteuren als auch bei der damaligen deutschen bevölkerung entweder zu wenig thematisiert oder aber bisher nicht recht begriffen worden ist.

eine ausnahme innerhalb der ns-forschung ist in der literaturliste rechts in der sidebar zusehen, über die ich früher auch schon einmal geschrieben hatte:
"einfach irre", oder was?!?

die neue himmler-biographie des historikers peter longerich lässt sich ebenfalls zumindest teilweise in der im weitesten sinne psychohistorischen tradition verorten, auch und gerade die lebensgeschichtlichen prägungen und einflüsse bei sog. historischen persönlichkeiten zum verständnis heranzuziehen. wie das aussehen kann und wie gleichzeitig die aktuelle dominierenden psychiatrischen / psychologischen ansätze die grenzen des möglichen wissens determinieren, lässt sich gut im interview nachvollziehen - auzüge:

(...)"Sie schreiben überraschenderweise, dass Himmler eigentlich kein Bürokrat gewesen ist, sich überall einmengte, alles entscheiden wollte. Wie konnte er dann die Terrorapparate des Nazireichs effektiv leiten?

In der Tat. Himmler war kein Bürokrat. Was Bürokratien auszeichnet, sind doch geregelte Verfahren und Normen, nach denen sich alle Funktionäre in einem Apparat einschließlich der Leitung richten müssen. Es geht um Berechenbarkeit. Sie aber war im Fall Himmlers gerade nicht gegeben. Er nahm sich das Recht, im Einzelfall nach seinem Gutdünken zu entscheiden. Sieht man genauer hin, wird man feststellen, dass die Gesamtstruktur der SS eigentlich ziemlich unübersichtlich war, ja von Himmler bewusst so angelegt wurde. Er hatte seinen umfangreichen persönlichen Stab und regierte hinein, wo er wollte.

In seinen Anfangsjahren als Parteifunktionär war Himmler zwar extrem pedantisch, aber schlecht organisiert. Er verpasste Termine, verschlampte Dokumente, musste ständig erinnert, oft ermahnt werden. Später hat er einen ganz spezifischen Führungsstil entwickelt.

Er kannte die Schwächen seiner Leute, "packte sie beim Schlafittchen". Er hat sie gelobt, bestraft, ihnen dann wieder verziehen. Er hat sie aufgebaut, sie heruntergedrückt. Vieles erinnert an den Erziehungsstil seines Vaters. Es gibt keine Trennung von Privatem und Dienstlichem. Deshalb wäre es ganz falsch, seinen Führungsstil mit dem innerhalb einer militärischen Organisation gleichzusetzen."(...)


die figur von himmler ist eine der unangenehmsten und abstossendsten innerhalb des regimes gewesen, und viele leute assoziieren ihn tatsächlich mit einer gut geölten und effizienten vernichtungsmaschinerie. teilweise ist dazu noch seine merkwürdige begeisterung magische und esoterische strömungen im bewusstsein, und damit hat sich´s dann bei vielen auch (wobei bereits der widerspruch der bilder zwischen effizientem bürokratischem technokrat und schwärmerischen germanenfetischist nicht wieter betrachtet wird).

bei longerich ist nun zunächst oben zu lesen, dass himmler offensichtlich eine gewisse kenntnis der damaligen dominanten persönlichkeitsstrukturen seiner umgebung zugesprochen werden muss, andererseits aber das bild des stumpfen bürokraten in uniform nicht zutreffend ist.

heinrich himmler mit sieben jahren (quelle: wikipedia)

(...)"Sie schreiben, dass Himmler seine persönlichen Lebenserfahrungen als Richtschnur seines Führungsstils genommen hätte. Was haben wir uns konkret darunter vorzustellen?

Nehmen Sie das Beispiel der Heiratsgenehmigungen für SS-Männer. Die Geschichte dieser Genehmigungsverfahren spiegelt auch Himmlers eigene Ehe und ihre Probleme wider. Als er schließlich begann, mit seiner Privatsekretärin eine Zweitehe zu führen, stellt er entsprechende Maximen für seine SS-Leute auf, ermunterte sie nachhaltig, Kinder außerhalb ihrer Ehen zu zeugen, was er selber auch tat.

Oder nehmen Sie seine oft skurrilen Strafmaßnahmen. Zum Beispiel arbeitete Himmler einen zweiseitigen Plan aus, wonach SS-Chargen, die sich nicht um die Verpflegung ihrer Leute kümmerten, für vier Wochen in ein "Haus der schlechten Verpflegung" eingewiesen wurden. Er fügte sogar Rezepte bei. Dann hatte er die Idee, für Leute, die sich nicht um die Insektenplage kümmerten, ein "Fliegenzimmer" einzurichten.

All diese Erziehungsmaßnahmen weisen auf die Erziehung durch seinen Vater zurück, gegen den er übrigens niemals aufbegehrt hat."


spätestens bei diesen aussagen hat´s bei mir geklingelt, und der effekt dürfte sich ähnlich bei leserInnen von alice miller oder lloyd deMause ähnlich einstellen - die "persönlichen lebenserfahrungen" gerade der kindheit als "richtschnur" des eigenen führungsstils bzw. handelns zu nehmen, ist nach meinem verständnis nicht anderes als eine etwas entschärfte umschreibung des psychophysischen funktionsgesetzes von der re-inszenierung eigener traumatisch-biographischer erfahrungen, die umso destruktiver ausfallen, desto mehr die traumatische matrix des eigenen handelns selbst nicht erkannt ist - abgespaltene neuronale netzwerke mit "eingefrorenen" erinnerungen liegen unverarbeitet in der person und können durch geringste trigger, die irgendetwas mit der ursprünglichen situation zu tun haben, aktiviert werden und "übernehmen" dann die aktuellen handlungsmotivationen. so grob skizziert lässt sich der prozeß der traumainduzierten dissoziation umschreiben; bei menschen allerdings, die innerlich in einem bestimmten sinne vernichtet und deshalb auch nicht mehr lebendig in einem gesunden gleichgewicht sind, übernimmt die traumatische matrix das gesamte (rest-)leben - solche leute sind zwar funktionsfähig im sinne des bloßen (biologischen) überlebens, benötigen aber dafür etwas, was sich als eine art inneres stützkorsett beschreiben ließe - die (auswechselbare) orientierung an beliebigen bruchstücken gesellschaftlich verbreiteter ideologien, vorurteilen und kollektiven halluzinationen, die nur eine bedingung erfüllen müssen: nämlich dass sich mit ihnen bzw. durch sie persönliche macht erlangen lässt, die bei derart beschädigten menschen regelmässig dazu dient, die eigenen traumainduizierten erfahrungskomplexe der ohnmacht, scham, angst und wut zu kompensieren in der form, dass das vorhandene terroristische erzeugte bild der eigenen "guten eltern" erhalten werden kann durch die re-inszenierung und das ausagieren der als unerträglich empfundenen und wie sprengstoff wirkenden abgespaltenen erfahrungen.

das dabei sowohl direkt als auch indirekt immer die ganz persönlich erlebten terroristischen angriffe zwanghaft wiederaufgeführt werden, nur diesesmal mit teils vertauschten rollen und anderem personal - das herausgearbeitet zu haben, ist eben u.a. das verdienst der oben genannten autorInnen. und mit einiger wahrscheinlichkeit lässt sich daraus schließen, dass himmler sowohl mit er erwähnten streichung von nahrungsmitteln als auch mit dem arrest in einem zimmer voller fliegen ureigene erfahrungen in klassischer form re-inszeniert hat. zumindest verkürzte essensrationen waren auf jeden fall ein damals noch verbreitetes angriffsmittel gegen das wohlergehen von kindern, während das "fliegenzimmer" eher auf die sadistische phantasie einzelner verweist. himmler wusste jedenfalls von beidem etwas (und wenn´s auch nur durch die miterlebten erfahrungen anderer kinder entstanden sein mag).

und das alles lässt sich inzwischen ganz gut verifizieren für postnatale traumata. ob das in dieser form aber auch für pränatale gilt? gerade bei jemandem wie himmler stellt sich diese frage:

Sie haben zur Persönlichkeit Himmlers Diskussionsrunden mit Psychotherapeuten und Psychoanalytikern durchgeführt. Was waren die Ergebnisse dieser nicht gerade alltäglichen Forschungsmethode?

Historiker machen ständig Anleihen bei anderen Disziplinen, denken Sie etwa an das Verfassungsrecht oder die Volkswirtschaft. Ich wollte in diesem Falle natürlich keine Ferndiagnose, sondern Aufklärung über die Persönlichkeit, soweit das Material sie hergab. Wir machten je eine Runde mit Familienanalytikern in Hamburg und eine in Köln mit Therapeuten, die normalerweise unter anderem Naziopfer mit psychischen Spätfolgen therapieren. Die Hamburger Analytiker legten den Befund Bindungsschwäche nahe, in der Kölner Runde war von Affekt- und Emotionsvermeidung als Strategie Himmlers die Rede. Mir waren es Hinweise, die ich dann, als ich mich in die betreffende Literatur vertiefte, bestätigt fand."(...)


das nenne ich mal erfreuliche gelebte wissenschaftliche interdisziplinität - eine art der forschung, die gerade bei historikern immer noch sehr wenig verbreitet ist. aber lassen sich die genannten befunde nicht auch anders interpretieren?

bindungsschwäche = beziehungsunfähigkeit
affekt- und emotionsvermeidung = grundsätzlicher defekt an affekt- und gefühlswahrnehmung bzw. den psychophysischen grundlagen dieser wahrnehmungsfähigkeit

das wären dann interpretationen, die über die klassischen psychotraumatologischen implikationen hinausweisen würden, und zwar in jene richtung von exterm destruktiven störungen, die hier im blog unter soziopathie bzw- als-ob-persönlichkeiten diskutiertweren und die nach heutigem stand eher dem pränatalen spektrum zugerechnet werden müssen. und auch weitere hinweise aus der forschungsarbeit von longerich liefern indizien in diese richtung:

(...)"Vor allem nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs nimmt die Drohung vor der "asiatischen Barbarei", vor den Horden aus dem Osten, einen immer größeren Raum in Himmlers Denken ein. Wie vereinbart sich dieser "Antiasiatismus" mit dem nazistischen Judenhass?

Der weltanschauliche Gehalt von Texten Himmlers entzieht sich einer anspruchsvollen Exegese. Seine Ideologie ist eher robust zu nennen. Seine Äußerungen sind oft situationsgebunden, haben eine taktische Funktion. Himmlers Grundmodell lautet: Die guten, germanischen kämpfen gegen die bösen, asiatischen Kräfte. Himmler entscheidet jeweils, wer wo steht. Die Juden sind natürlich asiatisch/vorderasiatisch. Aber auch Jesus Christus ist Vorderasiat, und damit gerät das gesamte Christentum in Verdacht. Aber als es an der Ostfront nicht mehr so gut lief, dachte Himmler sich - und sagte es auch vor SS-Führern: Vielleicht sind Lenin und Stalin im Grunde ja Germanen, Nachkömmlinge von übrig gebliebenen germanischen Splittern im asiatischen Erbbrei. Sie sehen: Der Germanenbegriff ist bei Himmler sehr auslegungsfähig.

Wie kommt es, dass Himmler nicht in Händel mit dem Chefideologen der Partei, Alfred Rosenberg, geriet?

Rosenberg hat sich mit seinem "Mythos des 20. Jahrhunderts" in schriftlicher Form festgelegt, ein Werk übrigens, mit dem Himmler sich nie gründlich auseinandergesetzt hat. Selbst Hitler hat ja bekannt, es nie gelesen zu haben. Himmler kam es vielmehr darauf an, durch Rituale, heilige Orte, durch einen streng überwachten Verhaltenskodex etwa Ideologie zu praktizieren.(...)

Himmler kann Niederlagen gegenüber Rivalen erstaunlich gut wegstecken. Nicht aufgeben, weiter an sich arbeiten, also das Resultat väterlicher Erziehungsarbeit.(...)

Mit der Zeit entwickelt er, der sich in der NSDAP zunächst reichlich tollpatschig verhielt, zudem ein beachtlich politisches Geschick, wusste, wie man verhandelt, wie und mit welchen Mitteln man Leute überredet. Nach außen gelang es ihm, die SS wie einen Block erscheinen zu lassen. Nach innen wirkte er stark integrierend, verhinderte, dass ihm irgendeine Entwicklung aus dem Ruder lief.

Also doch mehr als der bloße Vollstrecker?

Zunächst sind wir versucht, bei Himmler an die gängigen Klischees zu denken - der Bürokrat, der Hühnerzüchter, der lächerlich wirkende Schwächling, der wild gewordene deutsche Oberlehrertyp. Was dabei vor allem unterschätzt wird, war seine Fähigkeit, die gesamten repressiven Organisationen, über die er gebot, auf die sich verändernde Lage und auf die jeweils neuen Aufgaben einzurichten.

Mag sein, dass ihn Intellektuelle wie Best dabei unterstützten. Aber diese Fähigkeit, jeweils angepasste Organsationsmodelle zu entwerfen, innerhalb deren die einzelnen Funktionen aufeinander abgestimmt waren - das war seine Stärke. Dabei beachtete er stets den politischen Zusammenhang, entwickelte politische Stichworte und Parolen gemäß den jeweiligen Erfordernissen."


longerich entwickelt das bild eines krassen oppurtunisten, und das ist ein begriff, dessen eigentliche und mögliche bedeutung ich schon im beitrag zu den
als-ob-persönlichkeiten versucht hatte zu definieren: es ist keine "falschheit" im authentischen sinne gemeint, sondern die strategien und taktiken einer sich ständig im objektivistischen (überlebens-)modus befindlichen person beim versuch, macht und kontrolle zu behalten. und bei diesem vorhaben gibt es keine authentischen überzeugen, sondern nur das psychophysische diktat einer grundsätzlich gestörten inneren struktur, die deshalb qualitativ ganz anders organisiert ist bzw. sein muss.

auf den punkt bringt das longerich in dieser aussage:

"Natürlich stimmt es, dass er seinen privaten Spinnereien nachhing, aber er war umsichtig genug, das, was vielleicht der Führung nicht genehm war, aus seiner Arbeit in der Öffentlichkeit herauszuhalten. Mit einem Wort: Er war in erster Linie Politiker, er strebte nach Macht und achtete darauf, dass seine Ideologie und sein Machtverlangen nicht in Widerspruch gerieten."(...)

*also, ein antisozialer auf jeden fall - aber einer mit einer authentischen, traumatisch verzerrten und beschädigten biographie? oder doch einer mit grundsätzlich simulativer und deshalb soziopathischer "qualität"? die beantwortung dieser fragen ist beileibe kein rein intellektuelles spielchen, sondern impliziert grundsätzlich verschiedene handlungsgebote im umgang mit destruktiven menschen dieses kalibers. ich vermute übrigens, dass auch soziopathen dem gesetz der re-inszenierung unterworfen sind - aber mit anderen ausdrucksformen und einem anderen funktionsprinzip dahinter.

Donnerstag, 6. November 2008

assoziation: obama? sieben spontane anmerkungen [update]

1. don´t believe the hype - und das beste fazit, welches mir bisher unter die augen gekommen ist, hat heute die taz in ihrer "verboten"-kolumne auf seite 1:

"Guten Tag, meine Damen und Herren!

verboten war zu müde, um in der US-Wahlnacht noch das Ergebnis abzuwarten. Als verboten am Mittwochmorgen dann aber die Vorhänge zu einer neuen Welt beiseiteschob, da bot sich ein bezauberndes Bild: Die Sonne strahlte, die Luft duftete nach Rosenöl, wildfremde Menschen lagen sich lachend in den Armen, die Bullen halfen den Pennern über die Straße, Roland Koch war endgültig weg vom Fenster, Kampfhunde leckten schwanzwedelnd Kleinkindern die Gesichter ab, die Dealer verteilten Gratis-Joints, das Ozonloch hatte sich geschlossen, Busfahrer warteten lächelnd auf ihre Fahrgäste, alle Stinke-Autos hatten sich über Nacht in Öko-Kühlschränke verwandelt, die Bäume trieben frische Knospen aus.

Dann klingelte der Wecker."


2. auch nicht verkehrt ist es, sich immer wieder über den grundsätzlichen charakter der
simulation namens wahlen klar zu werden:

"Das `Sakrament´ der Mehrheitswahl ist Teil des demokratischen Mythos. Alle paar Jahre `pilgern´ die Wähler zur Wahlurne und wählen sich mit Stimmenmehrheit eine politische Führung. Der geheime Wahlvorgang ist das heiligste Ritual der Demokraten. Anarchisten waren schon immer der Ansicht, daß dies kein echtes Anzeichen für Freiheit ist. Die Wahl von Regierenden durch Stimmenmehrheit ist eher (...) ein Trick, durch den der einzelne Wähler glauben gemacht wird, er hätte die Situation unter Kontrolle. Tatsächlich kann sich der Wähler jedoch nur für die Kandidaten einer vorher schon selektierten Gruppe entscheiden, und es gibt niemals eine Wahl zwischen Vertretern wirklich gegensätzlicher Ideologien. Der Unterschied zwischen den großen Parteien, die eine Chance haben, Wahlsieger zu werden, ist in einem westlichen Land nicht größer als der Unterschied zwischen den rivalisierenden Fraktionen innerhalb der kommunistischen Partei der Sowjetunion oder der Volksrepublik China. Niemand kann ernsthaft behaupten, daß irgendein ideologisch-philosophischer oder anderer dauerhaft traditioneller Unterschied beispielsweise zwischen den großen Parteien in den Vereinigten Staaten oder in Kanada besteht. Außerdem sollten sich die Wähler daran erinnern, daß sie Personen wählen, die für sie eine Aufgabe übernehmen sollen, daß es aber keine Garantie dafür gibt, daß diese Delegierten ihr Anliegen auch tatsächlich vertreten. Die Aufgabe der Gewählten besteht vor allem darin, Gehorsam mit Gewalt zu erzwingen. Repräsentanten in öffentliche Ämter wählen zu können heißt, eine begrenzte Wahlmöglichkeit darüber zu haben, wer uns unterdrückt.(...)

Wir bekommen oft zu hören: Wenn du nicht wählst, hast du auch kein Recht, dich zu beschweren. Ein solches Argument geht von der falschen Annahme aus, daß eine Wahl wirkliche Alternativen bietet. Und es unterstellt diesem Vorgang fälschlicherweise auch eine Rechtmäßigkeit, die ihm nicht zukommt: ein Mensch wird aufgefordert, Autorität an eine willkürlich ausgewählte kleine Gruppe abzutreten, d.h. er wird aufgefordert, sich seine eigenen Aufseher zu wählen."

(harold barclay, "völker ohne regierung. eine anthropologie der anarchie". edition schwarze kirschen, libertad verlag, berlin 1985, s. 243 - 245; isbn 3-922226-10-8)


3. die realität, mit der sich obama in seiner position konfrontiert sieht, ist eine desaströse in der weise, dass sich in ihr erstens ein selten gesehener klassenkampf von oben bspw. in gestalt der finanz- und weltwirtschaftskrise manifestiert; zweitens die spezifischen us-probleme eigentlich nur eine art konkursverwaltung - und zwar zu lasten der breiten masse - zulassen, und drittens der spagat zwischen den erwartungen der diversen ethnischen communities, dem big business und den immer noch mächtigen verschiedenen fundamentalistischen religiösen strömungen einer ist, der früher oder später nur misslingen kann. gewählt wurde er meiner meinung nach übrigens genau deswegen, weil er bisher sehr gut damit ausgekommen ist, eine strategie der eigenen person als projektionsfläche zu fahren, in der seitens der verschiedenen fraktionen der us-gesellschaft von genügend menschen ihre eigenen wünsche wiedergespiegelt wurden - aus der perspektive ist die eigenartige inhaltliche schwammigkeit bis zur wahl sehr sinnvoll gewesen, die aber mit der ersten tatsächlichen entscheidung im amt zwangsweise aufgehoben sein wird. dazu kam noch die steilvorlage durch den abgehenden george w. bush, der einen so großen haufen ver- und überdruß erzeugte, das obama diesen treibstoff gar nicht nicht für sich nutzen konnte.

4. die versöhnende attitüde, die bei obama meist lobend konstatiert wird, berücksichtigt nicht die tiefen sozialen spaltungen und auch vielfältigen traumatisch induzierten hasspotenziale, die sich durch die innere struktur des us-systems nicht nur dort, sondern auch weltweit ständig neu bilden. will sagen: jemand, der wirklich etwas qualitativ verändern will, muss neben vielen anderen eigenschaften auch zumindest phasenweise deutlich parteiisch sein auf der seite all derjenigen, deren existenz durch die antisoziale dynamik der herrschenden strukturen tief bedroht ist. das heisst aber auch, dass zwangsläufig gegen mächtige instanzen in front gegangen werden muss - und die innere selektion der herrschenden institutionen sortiert früh genug alle aus, die tatsächlich derartiges im sinn haben mögen.

5. ich sehe allerdings tatsächlich zwei reale und eventuell weitreichende effekte dieser wahl, und die beziehen sich konkret auf die usa: die schwarze mittelklasse hat es in gestalt von obama geschafft, dem strukturell verlogenen "american dream" neues leben einzuhauchen und das gerade in einer ordentlichen krisenphase des kapitalismus, zu dessen mythen das märchen des aufstiegs vom tellerwäscher zum millionär untrennbar gehört, welches gerade in den usa für viele sichtbar de-konstruiert wurde bzw. wird. die delegierung der eigenen potenziellen macht an obama blockiert zu diesem zeitpunkt nötige radikalisierungsprozesse und verschafft speziell den us-amerikanischen "eliten" eine atempause.

6. der zweite effekt ist dann ein - möglicherweise notwendiger - formaler: nämlich die wirkung auf die immer noch auch entlang rassistischer kriterien gespaltene us-gesellschaft. hier liegt vielleicht der einzige positive aspekt der wahl, auch wenn diese wirkung hauptsächlich symbolisch ist. aber selbst das wird ausreichen, um die reaktion - und zwar weltweit - zu produzieren, die ein
user bei heise drastisch so ausmalte:

"Meine Meinung: Ob Obama oder McCain, der Unterschied wird nicht so gewaltig sein. Was ich aber an der Wahl von Obama gut finde: Die
ganzen Rassistenschweine, White Power, KuKluxClan etc., für die ist es der Albtraum schlechthin, ein Schwarzer im weißen Haus. Fast so schlimm, als wenn ihre Tochter einen Schwarzen geheiratet hätte. Die werden vor Wut schäumen, der Sabber wird ihnen aus den Mundwinkeln laufen."(...)


und möglicherweise werden in diesen fraktionen bereits die knarren geputzt - es dürfte kaum jemals zuvor so leicht gewesen sein wie in der kommenden zeit, mittels eines einzigen mordes eine bürgerkriegsartige situation in den usa zu provozieren.

andererseits wird das beispiel obama vielleicht in der schwarzen community, aber nicht nur dort, bei vielen menschen einen schub an selbstbewußtsein bringen, der sich an ganz unerwarteten stellen bahn verschaffen könnte und eine art modernisierungsschub der us-gesellschaft in gang bringt. interessant wird jedenfalls sein zu sehen, wie sich obama zu den überproportional hohen raten schwarzer gefangener in den us-knästen verhält; ebenso wie seine postionierung gegenüber der trostlosen entwicklung in den afro-amerikanischen ghettos der us-städte ausfallen wird. sich darauf zu verlassen, dass er als ehemaliger sozialarbeiter in chicago mögliches entsprechendes bewusstsein in handlungen umsetzen will - ob er´s denn könnte, ist eine andere frage - , oder sich tatsächlich primär seiner biographischen prägung in einer nach formaler gleichstellung strebenden schwarzen mittelklasse verhalten wird, und die verelendete schwarze unterklasse als nicht relevant betrachtet, ist zu diesem zeitpunkt nocht nicht abschließend zu beantworten.

7. für den immer pop-artigeren charakter der westlichen demokratiesimulationen bringt er allerdings tatsächlich eine wertvolle persönliche eigenschaft mit, die erstens in so einer form bei einem politiker noch nicht gesehen worden ist, und zweitens in der deutschen sprache nicht zufällig keine adäquate entsprechung besitzt:
groove.

was sich in diesem wort ausdrückt, ist schwer zu beschreiben - darum jetzt ein hörbeispiel eines weiteren heroen der schon erwähnten schwarzen mittelklasse, nämlich von marvin gaye:



die eingeblendeten filmschnipsel machen meiner meinung nach auch einiges über das milieu deutlich, in dem obama gearbeitet hat und von dem er geprägt sein dürfte - die schwarzen viertel von chicago, hier einblicke in das leben anfang der 1970er jahre, mit nicht zufälliger betonung auf gottvertrauen und religiösität. was aber nichts daran schmälert, dass marvin gaye ein ganz großer der black music gewesen ist, um keine mißverständnisse aufkommen zu lassen.

jedenfalls dürfte obamas groove eine wesentliche rolle auch für all die jungwählerInnen gespielt haben, die ihn mit ins weiße haus gehoben haben - aber groove ist andererseits auch etwas sehr fragiles und situationsbedingtes, nicht ständig zu haltendes. und das wird wichtig für zukünftige ent-täuschungen werden.

*

edit am 07.11.: wie auch immer man zur künftigen politik obamas steht - und meine skepsis wird beim anblick seiner bisher durchgesickerten personellen auswahl für die neue regierung keineswegs geringer -, die wahnhaften absonderungen rassistischer art hinsichtlich obama sind ohne wenn und aber als das zu begreifen, was sie sind: keinerlei art von kritik, sondern zeugnisse gestörter persönlichkeiten - ob es sich nun um einen
quasi-mafiosio handelt...

(...)"Sagt Silvio Berlusconi zu Dmitri Medwedjew: "Barack Obama ist schön, jung und braun gebrannt" und hat deswegen "alles, um sich mit dir zu verstehen". Was wie ein recht rassistischer Witz klingt, war genau das: ein recht rassistischer Witz, gerissen vom italienischen Ministerpräsidenten beim Besuch in Moskau. Als älterer und erfahrener Politiker würde Berlusconi den jungen und unerfahrenen Neger gern beraten. Seine Anspielung auf die Hautfarbe, ergänzte er, sei "eine absolute Nettigkeit, ein großes Kompliment".

Wer solche Scherze nicht ganz so angebracht fand, beispielsweise die Opposition zu Hause in Rom, den beschied der mehrfach geliftete Medien-Multimillionär: "Wenn die Idioten sich zu Wort melden, dann sind wir verloren. Gott möge uns vor ihnen behüten. Wie kann man ein großes Kompliment so negativ auslegen?", überlieferte der Corriere della Sera - und fügte hinzu: "Wer sich das Zeugnis einer dummen Sau abholen will, für den ist jede Gelegenheit recht. Ich habe es satt, und ich sage, was ich will."


...,der sich derart (nicht das erste mal) um kopf und kragen redet und nebenbei mit seinen worten auch noch einen ordentlichen größenwahn erkennen lässt; oder um einen
abgehalferten journalisten in österreich...

(...)"Aber trotzdem, das weiße Amerika, vielleicht ist das ein Rückzug. Vielleicht erleben wir jetzt einen Umbruch. Die alte Gesellschaftsordnung hat basiert auf weiße Gesellschaft mit Sklaven, also Leute hereinholen, wenn sie es haben wollen, auch aus Europa bis hin zur jüdischen Emigration im 2. Weltkrieg. Jetzt sind die Amerikaner vielleicht sich selbst überlassen. Ich möchte mich nicht von einem Schwarzen in der westlichen Welt dirigieren lassen. Wenn sie sagen, des ist eine rassistische Bemerkung: richtig, ist gar keine Frage."(...)

...der derlei zeug in der sendung eines öffentlich-rechtlichen senders ablassen darf, dessen institutionelle nicht-reaktion das ganze erste so richtig widerlich werden lässt (andererseits sind solche seiten österreichs auch wieder kein wunder); oder auch beliebige leute wie jener
zeit-leser, der mittels esoterisch verbrämter le(e)hre seine offensichtlichen minderwertigkeitskomplexe damit kompensiert, dass er obama quasi eingemeinden möchte:

"In meinem Buch "Neue Seelenlehre - Sinn des Lebens" habe ich dargestellt, wie Seelenwanderung funktioniert. Obama hat die Seele eines "weißen" Europäers, er stammt aus der Familie seiner "weißen" Mutter, ist also mit seiner Mutter seelisch verwandt."(...)

- es bereitet einfach innere qualen, derartige zurschaustellungen und selbstentblößungen entsetzlicher dummheit und wirrnis, ja eines desolaten inneren zustands wahrnehmen zu müssen. aber vielleicht ist es auch ganz gut, wenn obama jetzt wie wie ein katalysator wirkt, der die ganzen hassenden ressentiments des "weißen" westens ans licht bringt - schöngeredet wurde auch in dieser hinsicht viel zu lange.

und beim stichwort hass auch noch ein nachtrag zu den gestern bereits erwähnten
us-rassisten:

(...)"Rund 30.000 Menschen werden in einem Jahr erschossen, in 232 Jahren vier Präsidenten. Einrichtungen, die Anhänger extremistischer Gruppen beobachten, sehen in ihnen eine zunehmende Bedrohung für den künftigen Präsidenten. Allerdings sprechen sie eher von einer Gefahr durch Einzeltäter. Die Dialektik der rechtsextremen Gruppierungen hält sich da nicht zurück: "Freunde, Nachbarn, Brüder und alle Weißen, die Schlacht hat gerade begonnen", schreibt ein Nutzer des Portals stormfront.org, eines Treffpunkts vor allem für US-amerikanische Rassisten. Und Thomas Robb, Direktor der extremistischen "Knights", sprach in der Erwartung eines Sieges Obamas von einem "Krieg zwischen unseren und den anderen Menschen".(...)

bei solchen leuten wäre ich für strikte soziale isolation.

Freitag, 31. Oktober 2008

basis: wie das system auf einem soziopathischen menschenbild beruht (2)

(zum ersten teil)

*

der eine oder die andere mag sich ja über die thesen am ende des ersten teils gewundert haben, darum dazu ebenso noch ein nachtrag wie auch zu einer frage, die mich außerhalb des blogs zum text erreicht hat.

"privateigentum" ist eine halluzination, die sich nur mittels gewalt materialisieren lässt.

was angemerkt werden sollte: es handelt sich dabei um eine kollektive halluzination, die strukturell meiner meinung nach ähnlich funktioniert wie die beiden anderen großen virtuellen gebilde. die bis heute in der westlichen welt eine systemtragende rolle spielen. gemeint ist "gott" (als synonym für die hier verbreiteten monotheistischen religionen), und zum anderen die "nation". eine ausführlichere diskussion bezgl. der halluzinatorischen aspekte der letzteren ist
hier nachzulesen; ebenfalls sind in den arbeiten von klaus theweleit ein paar aufschlußreiche hinweise verstreut (wie zb. die anthropologische beobachtung, dass die mitglieder bestimmter stämme in tropischen regionen die verletzung ihrer (virtuellen) "territorialen" gebietsgrenzen umstandslos als verletzung ihrer realen körpergrenzen wahrnehmen und entsprechend reagieren. ich kann das gerade nicht weiter ausführen, ebensowenig wie eine genauere betrachtung der halluzination "gott". interessierte seien dazu bspw. auf die arbeiten von lloyd deMause verwiesen.

zum begriff der pathologischen ich-struktur kam dann eine frage, die sinngemäß die befürchtung enthielt, ob ich irgendwann einmal das "ich" generell pathologisieren würde.

generell auf absehbare zeit jedenfalls nicht ;-)

aber im ernst, die heute dominierenden ich-strukturen (nicht nur) in den westlichen gesellschaften haben sich aus meiner sicht in einem wechselseitigen prozeß von anpassung (nach innen) und beeinflussung (nach außen) mindestens zu einem großen teil per selektion entwickelt, und wenn dieser prozeß in einem strukturell destruktiven gesellschaftlichen umfeld stattfindet, dann ist die antwort auf die frage nicht schwer zu geben, wie diese ich-struktur(-en) dann aussehen werden. und für diese art der (anscheinend) stinknormalen, weil gewöhnten "ichs" bevorzuge ich schon das attribut pathologisch, weil ich sie als (zwangsläufiges) produkt pathologischer sozialstrukturen ansehe. andere historische epochen kannten auch zumindest teilweise ihre eigenen und qualitativ anderen ich-strukturen, womit noch nichts über die jeweils eigene pathologie derselben gesagt wäre.

und ja, zumindest fiktiv kann ich mir auch eine psychophysische menschliche struktur vorstellen, in der eine ich-struktur nach heutigem verständnis nur noch eine sehr begrenzte und nachrangige rolle spielen würde. aber das ist ein anderes thema.

*

weiter im freitagstext (den link dazu gibt´s im ersten teil):

(...)"Der Mensch ist für den Kapitalismus also wie geschaffen. All seine Bestrebungen sind "ökonomischer" Natur, wenn auch mit biologischem Endziel. So ließe sich letztlich alles, was der Mensch tut, irgendwie in die Sprache der Biologie oder der Wirtschaftswissenschaft übersetzen. Wie Menschen auch immer handeln: ob sie sich lieben, Gedichte schreiben oder ein Kind adoptieren; - immer verfolgen sie das Ziel einer eigensüchtigen Nutzensmaximierung. Eine Mutter "investiert" ihre Mutterliebe als "Anlagekapital" in einen Sohn, um dadurch eine "Dividende" in Form ihres Reproduktionserfolgs und vielleicht ihrer Altersversorgung einzufahren."(...)

ist es wirklich nötig zu erwähnen, dass die erste reaktion auf leute, die derartiges ernsthaft vertreten, nur darin bestehen kann, ihre wahrnehmungsfähigkeiten genau unter die lupe zu nehmen? denn da liegt die eigentliche quelle eines solchen menschenbildes, welches die in dieser reduzierten wahrnehmung befindlichen für bare münze nehmen müssen, weshalb auch eine argumentative wiederlegung faktisch unmöglich ist. denn hier geht es um eine art von wissen, die nur mit voll vorhandener subjektivität (incl. den entsprechenden wahrnehmungsfähigkeiten) als realität vorhanden sein kann. liebe ist - in der vollen subjektiven bedeutung - etwas zweckfreies, d.h. eben nicht objektivierbar. und genau diese zweckfreiheit ist etwas, für dessen wahrnehmung der objektivistische modus weder geeignet noch vorgesehen ist - er hat eine recht gut eingrenzbare sonderfunktion in der menschlichen struktur, ist dafür auch bestens ausgerüstet und hat deswegen den im ersten teil erwähnten werkzeugcharakter. aber in einer pathologisch bedingten monopolfunktion bezgl. der wahrnehmung eines menschen produziert er unabwendbar diverse arten von teils krass realitätswidrigen konstrukten und als-ob-zuständen, zu denen dann auch solche ansichten wie im obigen zitat zu rechnen sind - objektivistische logik. und da diese logik eben bis heute den wichtigsten baustein für die westlichen (natur-)wissenschaften darstellt, überrascht die bereitwillige unterstützung solcher konstrukte aus dieser ecke kein stück. die gleiche reduktion ist am werk. aber es gibt erfreulicherweise anzeichen, dass eben diese objektivistische logik sich selbst mittels ihrer eigenen, objektivistisch ermittelten ergebnisse zu widerlegen beginnt:

(...)"Neuerdings ist dieses Menschenbild jedoch ausgerechnet in die naturwissenschaftliche Kritik geraten. Alles schien so schön zusammenzupassen: die Evolutionsbiologie mit den Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften und diese wiederum mit den realen Anforderungen der neoliberal interpretierten Ökonomie. Neuere Erkenntnisse der Genetik und Neurobiologie weisen nun darauf hin, dass auch das Gegenteil der dort aufgestellten Behauptungen richtig sein könnte. Es handelt sich um die Rolle der so genannten "reward systems", der Motivations- oder Belohnungssysteme im menschlichen Gehirn.

Bei Menschen wie bei allen Säugetieren wird nämlich, wenn sie angenehme Erfahrungen machen, der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet, der ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit erzeugt und den Organismus in einen Zustand von Konzentration und Handlungsbereitschaft versetzt."(...)


das sich hier durch die hintertür dann doch wieder per "belohnungssysteme" eine objektivistisch und ökonomisch verseuchte begrifflichkeit einschleicht, ist zwar ärgerlich, mag aber für den moment als symptom der vorhandenen wissenschaftlichen selbst- und fremdwahrnehmung stehenbleiben. eine tatsächlich subjektorientierte und -bezogene wissenschaft wird ihre eigenen begrifflichkeiten entwickeln, die inhaltlich meiner vermutung nach in vielen fällen sogar treffender sein wird.

"Wann aber erfolgt eine solche körpereigene Belohnung? Geschieht es, wenn wir im "struggle for life" unsere egoistischen Ziele gegen andere durchsetzen konnten?(...)

Das mag gelegentlich der Fall sein. Doch zu einer Aussage über die Natur des Menschen reicht es aufgrund dieser neueren Forschungsergebnisse nicht aus. Regelhaft und mit großer Sicherheit sind wir dagegen glücklich, wenn wir eine gute und befriedigende Beziehung zu anderen Menschen aufbauen konnten, wenn wir erfolgreich eine soziale Bindung eingegangen sind. Der Freiburger Mediziner und Genetiker Joachim Bauer sieht den Kern aller Motivation darauf gerichtet, "zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung, Zuwendung und Zuneigung zu finden und zu geben. Wir sind - aus neurobiologischer Sicht - auf soziale Resonanz und Kooperation angelegte Wesen."(...)


und mit dem letzten satz sollte man unsere straßen, häuser, schulen, unis, behörden u.a. vollplakatieren. ich finde es immer sehr bedauerlich, dass sich gerade die linke in all ihren variationen den in diesem satz komprimierten und geradezu revolutionären erkenntnissen der neuroforschung (und auch der genforschung, die erst kürzlich die interaktionen von genen mit den sozialen bedingungen entdeckt hat) bis heute komplett verweigert, obwohl sich darin nichts weniger als die tatsache ausdrückt, dass den herrschenden strukturen & ideologischen grundlagen des systems damit ihre bisherige wissenschaftliche bemäntelung entrissen wird. für marxisten bedeutet das zb., dass sich hier eine materiell-körperlich begründete und wissenschaftlich fundierte basis für einen freiheitlichen kommunismus entwickeln und begründen lässt. und für eher anarchistisch angehauchte (wie mich) wird damit das bisherige völlig pervertierte menschenbild hierarchischer gesellschaften vom kopf auf die füße gestellt, mit den gleichen optionen wie gerade geschrieben.

"Neben Dopamin und gewissen körpereigenen Opioiden ist dafür ein bedeutsamer "Wohlfühlbotenstoff" verantwortlich, das Oxytozin."(...)


mehr zum oxytocin auch
hier. es ist vor dem hintergrund der aktuellen forschung ebenfalls ganz beruhigend zu wissen, dass sich erste ansätze, solches wissen in irgendeiner form zur stabilisierung des kapitalismus einzusetzen, vorläufig zerschlagen haben:

(...)"Investoren mit einer Oxytocin-Zufuhr gaben ihren Partnern deutlich mehr Geld. Wie es scheint, steuert das Hormon, ob wir einem Menschen vertrauen oder nicht.

Die Eine-Million-Euro-Frage: Würde es nun die Wirtschaft ankurbeln, wenn alle Deutschen täglich Oxytocin schnüffelten? So weit wollen sich die Forscher noch nicht aus dem Fenster lehnen. »Wir wissen nicht mal, wie lange das Hormon wirkt. Ein paar Minuten? Eine halbe Stunde?«, bremst der Kalifornier Paul Zak. Unklar sei auch, wie stark das Hormon die Entscheidung des Gehirns beeinflusse. »Sprechen triftige Gründe dagegen, einem Menschen zu vertrauen, wird uns das Oxytocin jedenfalls kaum umstimmen«, vermutet Zak."(...)


was einem produkt wie
liquid trust hoffentlich auch weiterhin ein nischendasein bescheren wird.

weiter im artikel:

(...)"Damit geraten einige Grundannahmen des soziobiologischen und neoliberalen Menschenbildes ins Straucheln. "Definitiv falsch", so Bauer, sei die Annahme, dass Gene gegeneinander konkurrieren. Die bedeutende amerikanische Biologin Lynn Margulis ist der Meinung, Begriffe wie "Konkurrenz" und "Überlebenskampf" seien menschliche Konstruktionen, die aus dem Wirtschaftsleben von außen in die Biologie hineingetragen werden. Die Biologie kenne kein Erfolgsdenken wie es die Wirtschaft beherrscht. Und während die Soziobiologen den Altruismus als eine raffinierte Variante des Egoismus ansehen, behauptet dieser neuere Ansatz umgekehrt, der Egoismus sei, recht verstanden, eine Form des Altruismus, stehe jedenfalls nicht im Gegensatz dazu. Was zunächst egoistisch zu sein scheint, so auch Aggressivität, sei in der Regel darauf gerichtet, auf Umwegen zum eigentlichen Ziel unseres Strebens zu gelangen: die Ausschüttung der ersehnten Botenstoffe - eine Belohnung, die dann eintritt, wenn Beziehungen gelingen und Menschen kooperativ sind."(...)

ich teile die aussagen über den egoismus, wobei das wort inzwischen einen solch negativen klang hat, das ich eher "individualität" bevorzuge, in die ein gesunder egoismus eingebettet ist. davon zu trennen wäre deutlich der egozentrismus, den ich als bezeichnung besser für all das geeignet halte, was normalerweise unter egoismus an destruktivität gesammelt wird. ansonsten finde ich es erfreulich, dass auch der konstruktivistische charakter vieler ideologischer systemstützender aussagen offensichtlich zum thema wird.

*

und dem fazit des ganzen kann ich nur freudig zustimmen:

(...)"Von Hayeks Vorschlag, die Idee der sozialen Gerechtigkeit als Atavismus anzusehen, könnte unter Berücksichtigung der neueren biologischen Forschung sogar umgedreht werden: Sofern die "spontane Ordnung" einer neoliberal interpretierten Marktwirtschaft den Menschen Schwierigkeiten macht, liegt das nicht daran, dass die Menschen an überholten Vorstellungen festhalten. Umgekehrt ließe sich eine Wirtschaftsordnung als "atavistisch" deuten, die auf Prinzipien baut, die noch nie mit der menschlichen Natur harmonierten."(...)

yo!

*

ich habe mich jetzt kürzer gefasst, als ich ursprünglich vorhatte und kann mir vorstellen, dass es einigen leserInnen immer noch unklar sein wird, warum ich diese überschrift für die beiträge gewählt habe. betrachten Sie´s als eine art eigenständige einleitung für den text, an dem ich jetzt schon lange sitze - ein beitrag, der sich speziell mit dem wesen und der rolle der soziopathie in und für die heutige westliche gesellschaft befassen wird. spätestens dann wird die these der überschrift voll verständlich sein.

Donnerstag, 30. Oktober 2008

assoziation: 9,1%

"alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen"

wie zur bestätigung dieser treffenden weisheit tauchten gestern auszüge aus einem bericht auf, der eigentlich erst mitte nächsten monats - und vielleicht nicht ganz zufällig erst nach der us-präsidentenwahl - öffentlich gemacht werden sollte. worum es geht? der jahresbericht der "internationalen energieagentur" (IEA) steht an, und die iea hatte es gestern sehr eilig, kurz nach dem ersten durchsickern der wesentlichen aussagen eine stellungnahme herauszugeben, in der sinnngemäß etwa zu lesen ist, dass ja die zahlen noch vor dem offenen ausbruch der finanzkrise erhoben worden seien und der bericht bis zur offiziellen veröffentlichung darum nochmals "überarbeitet" werden würde. sei´s drum, der geist ist aus der flasche, und bringt etwas zum vorschein, was erstens wie eine bestätigung der von mir neulich zitierten prophezeiung eines jeremy rifkin wirkt, zweitens aber möglicherweise zum endgültigen
sargnagel der westlich-industriellen zivilisation in der art, wie wir sie (leider) kennen, werden wird:

(...)" Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt in ihrem Jahresbericht, das Angebot an Öl könnte in den nächsten Jahren knapper werden als bislang gedacht. Derzeit gehe die Produktion auf den Ölfeldern stark zurück, es bestehe Gefahr, dass zu wenig investiert werde, um neue Vorkommen zu erschließen. (...)

Fallende Ölpreise verschärften das Problem, da sie Investitionen unattraktiver machten. Die IEA prognostiziert, dass die Nachfrage in China, Indien und anderen Entwicklungsländern bis 2030 jedes Jahr Investitionen von 360 Mrd. $ erfordern wird. Die Ölfelder der Welt, zum Beispiel in der Nordsee, in Russland oder in Alaska, schrumpfen schneller als bislang angenommen, heißt es in dem Bericht. Ohne Investitionen in die Erschließung neuer Ölquellen betrage der Rückgang 9,1 Prozent jährlich, mit Investitionen nur 6,4 Prozent. Der Rückgang werde aufgrund der nachlassenden Nachfrage vielleicht noch nicht in den nächsten Jahren spürbar werden, aber langfristig seien die Auswirkungen umso größer, wenn wie erwartet weniger investiert wird, sagen Branchenmanager."(...)


was auf den punkt gebracht nichts anderes bedeutet als:

das hochoffizielle eingeständnis der tatsache, dass wir
peak oil entweder schon erreicht haben oder gerade am peak angekommen sind.

lassen Sie sich dabei nicht von der focussierung auf "investitionen" in dem bericht täuschen: die können den fakt der erschöpfung der ressource nicht negieren, sondern die konsequenzen höchsten etwas hinauszögern, und werden dabei auch keinesfalls die ständige verteuerung des immer schwieriger zu fördernden öls aufhalten, ganz im gegenteil. das entscheidende ist in diesen sätzen enthalten:

"Die Ölfelder der Welt, zum Beispiel in der Nordsee, in Russland oder in Alaska, schrumpfen schneller als bislang angenommen, heißt es in dem Bericht. Ohne Investitionen in die Erschließung neuer Ölquellen betrage der Rückgang 9,1 Prozent jährlich, mit Investitionen nur 6,4 Prozent."

ich hatte ja in meinen bisherigen beiträgen zu peak oil immer wieder versucht deutlich zu machen, dass damit noch nicht die totale erschöpfung aller ölvorräte gemeint ist, sondern das allmähliche abflachen der förderung einhergehend mit immer höheren preisen. peak oil, das ende des billigen erdöls.

die zahlen des rückgangs aus dem iea-bericht übertreffen nun selbst die schlimmsten erwartungen derjenigen, die hinsichtlich peak oil eh schon
schwarzgesehen haben. und sie machen gleichfalls nachdrücklich deutlich, dass der aktuell fallende ölpreis tatsächlich nur ein indiz für die beginnende weltwirtschaftskrise darstellt, aber keinesfalls eine grundsätzliche veränderung der situation hinsichtlich des peaks bedeutet.

*

es wird mir ja selbst schon unangenehm, wieder als kassandra auftreten zu müssen - aber wie es aussieht, lässt die realität
keine wahl :

(...)aber zum thema: in späteren historischen rückblicken könnten die derzeitigen tage des mai 2008 vielleicht als wendepunkt erscheinen, an dem zum ersten mal für größere teile der bevölkerungen der westlichen gesellschaften das wetterleuchten am horizont sichtbar geworden ist, welches den finalen akt ihrer - bzw. unserer - bisherigen "lebens"weise ankündigt. aus der perspektive dieses blogs sind nun (...) fragen in der richtung interessant, was eigentlich passiert, wenn die konsequenzen von peak oil auf eine gesellschaft treffen, die erstens in ihren strukturen weitverbreitete psychophysische zustände ihrer mitglieder abbildet, und von der zweitens viele dieser strukturen und zustände mit einiger plausibilität als pathologisch auch in einem klinischen sinn betrachtet werden müssen. wie werden menschen reagieren, die aufgrund ihrer pathologien bspw. den eigenen konsum - oder auch maß- und wahllosen verbrauch von dingen - zum lebenssinn erhoben haben? was werden diejenigen tun, denen bspw. autos als eine art krücke für das beschädigte ego dienen? wie werden alle jene reagieren, die ein problem mit eigenen und fremden grenzen haben, wenn ihnen durch die endlichkeit einer ressource deutlich und unabwendbar eine existenzielle grenze aufgezeigt wird? nicht umsonst wird der umgang besonders mit erdöl auch als suchtartig begriffen, und nicht umsonst häufen sich gerade in vielen öffentlichen stellungnahmen zu peak oil die metaphern aus der drogentherapie .

und ganz zentral: wie kann eine situation, die eigentlich eine solidarische und kollektive zusammenarbeit in breitestem rahmen verlangt, bewältigt werden, wenn eine mehr oder weniger große zahl von menschen in gesellschaften wie dieser aufgrund vielfältigster (post-)traumatischer und maligner antisozialer einflüsse nicht (mehr) über die psychophysischen voraussetzungen verfügt, um solidarität und kollektivität in einer gesunden form leben zu können?(...)


wie Sie sehen, stellen sich genau die gleichen fragen, die ich die letzten tage auch schon hinsichtlich der globalen wirtschaftskrise formuliert habe - aber nachdem ich heute morgen die einleitenden informationen gelesen hatte, kam mir der gedanke, dass wir jetzt aufgrund der schlichten und kaum mehr zu begreifenden überkomplexität der sich beeinflussenden und eskalierenden krisen auch einfach einen zusammenbruch durch überforderung einbeziehen müssen. anders: das gestern in den letzten krisennews entwickelte bild vom auf den abgrund zurasenden bus wurde verdrängt durch das bild einer fieberhaft herumhuschenden ratte in einer lebendfalle ohne ausweg, die irgendwann letztlich erschöpfungsbedingt aufgibt und umfällt.

*

und vor dem hintergrund erhalten aktuelle schlagzeilen wie
Autobauer können auf Milliardenhilfe hoffen einen fast schon tragikomischen beigeschmack (im verlinkten beitrag ganz unten ist übrigens auch zu lesen, dass die autoindustrie die gunst der stunde nutzen will, um klimaschützende maßnahmen zu kippen - das ist aus deren sicht zwar verständlich, passt aber bestens zum bild der ratte.)

die hektischen aktivitäten der politriege machen jedenfalls für mich deutlich, dass von irgendwelchen globalen planungen (im sinne von verschwörungstheoretischen ansätzen einer "geplanten" (finanz-)krise) keine rede sein kann - selbst wenn sich irgendwelche elitären gruppen diesbezgl. verschworen hätten, so werden sie doch unabwendbar die kontrolle verlieren, da die prozesse, die jetzt laufen bzw. beginnen, viel zu überdimensioniert sind. es geht zusehends mehr nur noch um das aufschieben des zerfalls, um des eigenen machterhalts willens. die leute halbwegs (per lohnarbeit) von den straßen zu halten, das system des sedierenden konsums halbwegs aufrechtzuerhalten - das dürften mehr und mehr die alleinigen ziele der politischen "eliten" werden, um zumindest den eigenen arsch bis zu irgendwelchen wahlen zu retten und ins trockene zu hieven. zum schluß wird denen aus ihrer sicht nur noch die nackte gewalt anscheinend helfen. und genau diese systemimmanente wahrnehmungsreduktion ("kurzsichtigkeit") zusammen mit einflüssen wie der ebenfalls immanenten korruption und dem obligatorischen lobbyismus kann uns am ende allen das genick brechen.

ich weiß, dass personalisierte vergleiche wie der folgende als irgendwie unschicklich gelten, aber trotzdem: mich erinnert das verhalten der "eliten" immer mehr an eine soziopathische person, die es über lange zeit geschafft hat, mittels diversen als-ob-konstrukten, illusionen und erzeugen von virtuellen welten mehr oder weniger ihre gesamte umwelt zu manipulieren, zu kontrollieren und in die irre zu führen. und der jetzt aber aufgrund der unvermeidlichen grundlegenden wahrnehmungsdefekte und -einbußen die restlichen fragmentierenden bezüge zur realität flöten gehen und deren (fiktiv) grenzenloser und prassender lebensstil an die real vorhandenen grenzen aller art stößt, bei parallel zunehmender unfähigkeit, selbst objektivistisch ermittelte grenzen als solche zu erkennen. zwangsläufig beginnen die ganzen schönen konstrukte und virtuellen realitäten mehr und mehr zu kollabieren bei gleichzeitigem wilden bemühen, mittels mehr materiellem aufwand eben diese zusammenbrechenden pseudorealitäten noch irgendwie aufrechtzuerhalten.

das kann natürlich unmöglich funktionieren, wird aber zu einem in die länge gezogenen niedergang mit phasen schmerzhaftester agonie führen.

und das ist am heutigen morgen das szenario, welches ich am meisten fürchte. ich halte es (noch) nicht für unabwendbar, denke aber, dass es diesbezgl. eine art zeitfenster gibt, welches mit zunehmendem fortgang der aktuellen entwicklungen immer kleiner werden wird.

*

nachtrag: auch
wirtschaftsquerschuss hat das thema aufgegriffen.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

notiz: krisennews und -gedanken (5)

schwer tue ich mich heute damit, den neuesten teil meiner keinesfalls eingeplanten reihe zu schreiben - je mehr ich mich mit den aktuellen ereignissen befasse, desto mehr steigt tag für tag meine fassungslosigkeit. es ist so, wie in einem vollbesetzten bus zu sitzen, dessen fahrer - halluzinierend im delirium vor sich hin brabbelnd ("es iiiissst alllles in ooordnung", so schallt´s von zeit zu zeit aus dem bordlautsprecher) - mit vollgas kurs auf einen abgrund genommen hat. und sich die meisten passagiere strikt weigern, auch nur einen hauch der realen situation wahrzunehmen und stattdessen ihre galgenfrist wahlweise damit verbringen, angeregt über ihre neuen klamotten, den jüngsten vip-skandal oder das wetter zu plaudern. andere liegen tief schlafend mit kopfhörern in ihren sesseln, während der große rest gebannt auf das bord-tv starrt, auf dem die daily-soap gerade einem neuerlichen höhepunkt entgegenstrebt. das bedenkliche schlingern des fahrzeugs durchaus ignorierend, stopfen sie sich dabei mit cola und chips voll.

"ich raff es nicht. sind die alle unter hypnose...?" stellte gestern ein user bei telepolis hinsichtlich der bisher fehlenden massenreaktionen bezgl. der krise eine frage, auf die ich am ende des beitrags noch einmal zurückkommen werde.

*

zunächst aber eine reihe von links, bei denen ich trotz ihrer durchweg unerfreulichen bis bedrohlichen inhalte zu intensiver lektüre rate.

der im letzten teil erwähnte "baltic dry index" bezieht sich nicht auf fertigprodukte und containertransporte, sondern auf rohstoffe in form von massengut - das können sowohl bspw. metalle, kohle, aber auch getreide sein. das zum beginn als klarstellung, weil ich mich neulich mißverständlich ausgedrückt hatte. meine folgerung jedoch betreff möglicher versorgungsengpässe innerhalb absehbarer zeit wird davon nicht tangiert, da die fraglichen rohstoffe eine wichtige basis der ökonomischen prozesse darstellen. und es ist weiter
keine entspannung der situation erkennbar:

(...)"Der Baltic Dry Index fiel heute zum ersten Mal seit 6 Jahren unter die 1000 Punkte Marke.(...)

Gewaltige 90% des Welthandels werden über dem Seeweg abgewickelt und auch hier funkt die Kreditkrise ordentlich dazwischen, denn Ursache für die wegbrechenden Frachtraten sind neben der wegbrechenden Nachfrage, die mangelnden Akkreditive, eine Art Zahlungsversprechen der Bank eines Importeurs, für die Ware eines Exporteur Zahlung zu leisten! Für die Zahlung muss der Importeur eine entsprechende Kreditlinie bei seiner Bank haben und diese werden gerade massiv gestrichen! In Folge stürzen nicht nur die Frachtpreise, sondern auch die Frachtraten, Teile des Welthandels kollabieren.(...)

Wenn sich die negativen Auswirkungen der Kreditkrise auf den internationalen Welthandel per Seeweg sich nicht zügig auflösen, wird es in ein paar Monaten zu Versorgungsengpässen kommen, denn die wegbrechende Nachfrage ist nur für einen Teil des Einbruchs beim BDI auf den tiefsten Stand seit 2002 verantwortlich!"


(nochmals dank für die erläuterung der situation an wirtschaftsquerschuss.)

real bedeutet das dann folgendes - ein
beispiel:

(...)"Geradezu erschreckend sind Berichte über Brasilien, wo das Eisenerz in den Häfen liegt, und nicht zu den Abnehmern in China verschifft werden kann, weil Kreditbürgschaften von Banken für die Reedereien nicht mehr verfügbar sind. Die Gewinne der Hafenbetreiber in Brasilien, aber auch in China und an anderen wichtigen Umschlagplätzen der Welt sind um 30 bis 40 Prozent gefallen."(...)

wobei die gewinne der hafenbetreiber das kleinste problem darstellen, wenn diese entwicklung in der form weitergeht. was auch an entsprechenden
nachrichten aus den usa deutlich wird:

(...)"Große Unterbrechungen sind im Verteilungssystem zu beobachten. Aktivkredite werden routinemäßig von jenen Exportnationen nicht mehr gewährt, die den US-Quellen misstrauen. Es wird von einem Einbruch des Lieferverkehrs zu westlichen US-Häfen von 10% - 20% berichtet. Schiffe liegen in asiatischen Häfen leer, einige sind sogar beladen, werden aber abgehalten von ihren Reisen zu US-amerikanischen und europäischen Häfen. Selbst einige Hersteller von Frachtcontainern sind schwer davon betroffen, da die Kredite auch ihre Produktionsprojekte unterbrechen. Indische Produzenten fordern oft 100% Vorkasse gegenüber den Einzelhändlern an der Ostküste - was wiederum zeigt, wie stark das Misstrauen ist. Fast die gesamte Aufmerksamkeit galt den Banken, Kreditmärkten und Aktienmärkten. Die US-Wirtschaft bewegt sich von einer Rezession hin zu etwas anderem, als es das Wort Depression beschreiben würde. Die aktuellen Unterbrechungen sollten in Wirklichkeit eher als Auflösungsprozesse betrachtet werden. Kurzfristige Kreditvergabe müsste schon bald die Verteilungskanäle Straße und Schiene im Innenland stark in Mitleidenschaft ziehen - sehr ähnlich dem Chaos, das dem Überseehandel durch die Aktivkredite entstanden ist."(...)

lesen Sie im übrigen ruhig den ganzen beitrag durch, um einen eindruck davon zu erhalten, in was für einem stadium des verfalls sich die us-amerikanische ökonomie und gesellschaft inzwischen befindet. es geht dort drüben definitv zu ende.

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und zwar zu einem ende mit wahrscheinlich großem
schrecken:

(...)"Wie die „Washington Post“ in ihrer Montagsausgabe berichtet, hat die Nachfrage nach Schusswaffen in den USA seit dem Jahresbeginn um acht bis zehn Prozent zugenommen.

„Sehen Sie sich die politische und die Finanzlage an. Das ist der gesunde Menschenverstand. Die Menschen sind erschrocken“, sagte der Inhaber der Waffenhandlung Russell's Gun Emporium in Hagerstown (Maryland).

„Jetzt bereiten sich die Menschen auf eine Katastrophe vor. Das ist eine Art Versicherung. Wenn der Markt zusammenbricht, die Menschen ihre Arbeit verlieren und es dazu noch illegale Einwanderer gibt, ist die Wahrscheinlichkeit von Ausschreitungen sehr hoch“, so ein Kunde eines Waffenladens in Manassas (Virginia)."(...)


(mehr zum gleichen thema auch bei
tp.)

und wer gestern abend zufällig auf arte die dokumentation über den schusswaffengebrauch in großen us-amerikanischen städten gesehen hat, kann sich ungefähr ausmalen, welches szenario sich da anbahnt. da macht die bereithaltung aktiver armee-einheiten für den einsatz im inneren aus sicht der "eliten" schon sinn.

*

hinsichtlich der finanzmärkte (und auch vieler staatlicher währungen) bahnt sich eine weiterer crash in
osteuropa an:

(...)"Aber es ist insbesondere die Entwicklung in den Ländern des sogenannten Neuen Europa, welche die reale Gefahr eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs heraufbeschwört. Die droht, sich als zweite Welle mit noch verheerenderen Folgen auf den bereits stark angeschlagenen Finanzsektor der westeuropäischen Kernländer der EU auszuwirken. Denn die osteuropäischen Länder (ohne Rußland), die insgesamt die gigantische Summe von 1,6 Billionen Dollar geliehen haben, haben zunehmende Probleme, die Zinsen und die Tilgung zu bewältigen, zumal es wegen der eingefrorenen Kreditmärkte nicht länger möglich ist, die alten Kredite mit neuen zu bezahlen.

Da die neue Bourgeoisie in Osteuropa ihren westlichen Vorbildern in nichts nachstehen wollte, hatte sie sowohl ihre Investitionen als auch ihren aufwendigen Lebensstil weitgehend auf Pump errichtet, wobei das nötige Geld vorwiegend aus Westeuropa kam. Damit wurden glitzernde Prestigeprojekte und Shoppingcenter mit Luxusläden errichtet, in denen die neue Oberschicht ihren Reichtum ungeniert zur Schau stellte. Nun aber ist auch diese Blase geplatzt, und Finanzexperten befürchten, daß das Chaos an der EU-Peripherie schon bald zu einer Kettenreaktion innerhalb der Eurozone führen könnte."(...)


zur abwendung des staatsbankrotts musste sich ungarn bereits einen kredit vom internationalen währungsfond beschaffen; weitere staaten - und zwar nicht nur in osteuropa - werden folgen. wer sich ein wenig mit der geschichte des iwf und seinem durchweg unheilvollen wirken auskennt, wird über die
folgen der kreditaufnahme in ungarn nicht erstaunt sein:

(...)"Im Gegenzug für ein Hilfspaket des Internationalen Währungsfonds (IWF) muss die ungarische Regierung ihnen Sparkurs weiter verschärfen.Ein Teil der 13. Monatsrenten werden gekürzt, und das 13. Monatsgehalt wird für einen Großteil der öffentlich Bediensteten gestrichen."(...)

denn diese verschärfungen (im haushaltsplan) der hilfesuchenden staaten sind regelmässig die pferdefüße der iwf-kredite, bei denen es in der folge dann zu einer breiten und massenwirksamen allgemeinen verarmung der bevölkerung kommt - besonders krass zu besichtigen in der vergangenheit vieler südamerikanischer staaten. der iwf ist kein altruistischer club, sondern eine organisation, die ebenso wie die weltbank primär den imperialen interessen vornehmlich der westlichen "eliten" dient.

*

aber warum in die ferne schweifen, wenn im zuge der krise fast wöchentlich dinge sichtbar werden, die bei näherer betrachtung aufgrund ihrer immanenten frechheit sprachlos machen? wenn Sie gestern die grotesken entwicklungen rund um die vw-aktie verfolgt haben, wird Sie vielleicht ein beitrag bei weissgarnix interessieren: zur
skizzierung eines bösen verdachtes.

*

vor diesem hintergrund wünscht man sich glatt mehr aktionen wie vorgestern von attac - egal, wie man im einzelnen zu ihren durchaus nicht weit genug gehenden forderungen steht. für alle, die´s noch nicht gesehen haben:



*

zwei neue warnungen, die aus der finanz-/banken-/investoren-szene kommen:
warnung vor einer weltweiten krise sowie die warnung vor einem mega-domino-day des weltfinanzsystems.

ich kann nur nochmal meine meinung von neulich zum besten geben: wenn diese strukturen zusammenbrechen sollten, ist das eigentlich aufgrund ihrer immanenten destruktivität ein grund zur freude, die jedoch stark dadurch getrübt wird, dass es bisher keine sichtbaren zeichen einer alternativen und qualitativ sozialeren ordnung gibt, die kurzfristig und von vielen menschen getragen einspringen könnte. "revolutionäre situation ohne revolutionäre", so wurde das neulich in einer privaten mail auf den punkt gebracht. und das deutet auf verdammt unerfreuliche zustände hin.

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zustände (zunächst noch primär ökonomische), die im nächsten link spezifisch für d-land ohne dramatisierung versucht werden zu beschreiben:
wie schlimm kann es kommen?

*

ein problem bei den sich primär auf die sich entfaltende weltwirtschaftskrise beziehenden ausblicken und analysen liegt meiner meinung allerdings darin, dass sie den möglichen symptomcharakter der krise nicht berücksichtigen - symptom in dem sinne, dass sich hier eine grundsätzliche und möglicherweise finale krise der gesamten industrialisierten und westlich verfassten / orientierten welt anbahnt - wir stoßen in jeder hinsicht auf unsere
grenzen:

(...)"Hat man gestern erst erfahren, dass der Credit Crunch laut Bank of England geschätzte Verluste im Wert von 2,8 Billionen Dollar mit sich bringt, so beziffert der aktuell veröffentlichte Living-Planet-Bericht die ökologischen Kosten, die durch die Ausbeutung der Erde entstehen, auf 4 bis 4,5 Billionen US-Dollar pro Jahr. Die Umrechnung basiert wiederum auf einem UN-Bericht, der die wirtschaftlichen Kosten berechnet, die durch den Ausfall bestimmter Teile des Ökosystems entstehen.

In Prozentzahlen sieht das Ergebnis des Berichts allerdings nicht weniger beindruckend aus: Um 30 Prozent übersteigt unser Ressourcenverbrauch die Menge dessen, was die Erde jährlich wieder regenerieren kann. Die Folgen der Ausbeutung kennt man in diesen Stichpunkten seit Jahrzehnten: Entwaldung, erschöpfte Böden, verschmutzte Luft, verschmutztes Wasser, Überfischung, Schwund der Arten."(...)


ich will mich jetzt nicht schon wieder über die grundsätzlich pervertierte wahrnehmungsweise auslassen, die da die gesamte natur nur noch in ökonomischen (was nichts anderes heisst als: objektivistischen bzw. objektivierbaren) kategorien erfassen kann. wenn allerdings auch innerhalb dieser kategorien alle lampen auf grellrot springen, so ist das als weiteres menetekel an der wand zu betrachten. es geht letztlich darum, das und
wie unser wirtschaftssystem die erde tötet.

der westen (als repräsentant des kapitalismus) hat im wahrsten sinne des wortes abgewirtschaftet.

*

und damit zurück zum beginn des beitrags - es ist vor dem eben umrissenen eigentlich kein wunder, dass bei der aussicht auf derart gewaltige um- und zusammenbrüche eine mehrheit der hiesigen bevölkerung nichts mitbekommen will - ja, will. denn auch wenn die materie gerade bezgl. der ökonomie komplex ist, so sind doch für alle interessierten die nötigen informationen (noch) vorhanden, um sich ein wie rudimentär auch immer ausfallendes bild der situation machen zu können. bezgl. dieses punktes gibt es keine entschuldigung. es muss also etwas mit der eigenen motivation, den verbreiteten inneren strukturen und auch mit der eigenen wahrnehmung zu tun haben, wenn hier bisher weiter "alltag" gespielt wird. ein wichtiger punkt ist dabei sicherlich die schon neulich aufgegriffene
soziale trance, zu der die propagierung von "privatheit" (in der form als synonym von vereinzelung) sicher viel beiträgt. will sagen: uns fällt jetzt die allgemeine schädigung der beziehungsfähigkeiten (und damit auch schädigung der fähigkeiten zum kollektiven handeln) voll auf die füße. und als eine folge davon werden wir im zuge der weiteren eskalation der krise mit zunehmend destruktiver werdenden ängsten und aggressionen rechnen müssen - hatte ich zwar neulich ebenfalls schon mal ausgeführt, aber ich halte es für sehr wichtig, sich über diese aspekte ganz klar zu werden. und speziell über diese punkte muss dringend mehr geredet werden.

notiz: zur professionellen fake-industrie namens "public relations"...

...hatte ich in der vergangenheit u.a. schon den beitrag mit dem titel fiktionale glaubwürdigkeit geschrieben und dort bereits die wichtigsten züge dieser mitproduzenten des als-ob-lebens skizziert. als nachtrag empfehle ich nun die lektüre dieses artikels, der nicht nur wegen der beschriebenen inneren auseinandersetzungen dieser branche bande von konstrukteuren virtueller und verkaufsfördernder (wahn-)welten interessant ist, sondern auch eine aufschlußreiche information zu ihrer entstehungsgeschichte (zumindest in d-land) enthält:

(...)"Mit meiner Arbeit diene ich der Öffentlichkeit", beginnt Regel eins der brancheninternen Selbstverpflichtungen. "Wahrhaftig" solle der junge PR-Berater sein - das steht ebenfalls im ersten Branchengebot. Doch schon beim Blick auf die eigenen Vorbilder kommen an der Wahrhaftigkeit der Zunft leichte Zweifel auf: Der Nachwuchspreis trägt den Namen Albert Oeckls. Oeckl hat den Beruf des Imagekonstrukteurs von der Pike auf gelernt - in der Münchner Landesstelle des NS-Propagandaministeriums. Später war er in einer Wehrmachtseinheit für psychologische Kriegsführung. Sicher, nach dem Krieg bekam Oeckl auch das Bundesverdienstkreuz - er habe geholfen, das negative Image von PR zu beseitigen und sie zu einer "unentbehrlichen Mittlerfunktion" gemacht, würdigte Helmut Kohl."(...)

und das ist offensichtlich nur die
spitze des eisbergs:

(...)"Einer größeren Öffentlichkeit dürfte es immer noch weitgehend unbekannt sein, daß PR bereits während des NS-Faschismus ein wichtiges Diskussionsthema unter deutschen Werbefachleuten war. Spätere bundesdeutsche "PR-Päpste", wie etwa Carl Hundhausen, arbeiteten bereits damals an der gesellschaftlichen Etablierung unternehmerischer Public Relations und interpretierten diese für die deutschen Verhältnisse."(...)

im gerade verlinkten text wird sehr deutlich herausgearbeitet, wer die interessenten bzw. profiteure an "pr" und was ihre interessen von beginn an waren. diese sog. berufsgruppe gehört (neben anderen) wegen erwiesener gemeingefährlichkeit schlicht und einfach auf den müllhaufen der geschichte (das wird mächtig voll werden dort.)

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