assoziation: subjektivität - objektivität, erste nachträge

momentan habe ich weniger ruhe und zeit zum schreiben, als ich mir wünsche - und das wird vermutlich leider auch noch eine zeit so bleiben. ärgerlich, wenn der kopf eigentlich voll ist mit gedanken, der körper dazu mit teils entsprechenden gefühlen, aber eben auch gefühlen, die ganz anderes verlangen. die übliche zersplitterung eben, die ich trotzdem keinesfalls als normal bezeichnen will.

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weitere fragmente also zu einem unübersichtlichen thema. beginnen wir mit einer - für mich - recht neuen entdeckung: einer regelrechten ideologie des objektivismus, begründet von der - na, das passt schon - kapitalistischen ikone namens ayn rand, zu deren biographie auch hier mehr zu lesen ist. ihre heutigen apologeten versammeln sich im netz unter namen wie objektivismus.de bzw. objektivisten.de und präsentieren da ganze sammlungen tragikomischer psychophysischer verwirrungen. so wird bspw. in der "epistemologie des objektivismus" zum zusammenhang zwischen "vernunft" und emotionen folgendes postuliert:

"Emotionen sind ein Produkt der Gedanken

Eine Emotion ist eine Reaktion auf ein Objekt das man wahrnimmt (oder das man sich vorstellt), wie etwa einen Menschen, ein Tier, ein Ereignis. Das Objekt an sich hat jedoch keine Macht, ein Gefühl im Beobachter hervorzurufen. Das kann es nur tun, wenn der Beobachter zwei intellektuelle Elemente hinzufügt, die die notwendigen Bedingungen für Emotionen sind: Identifikation und Bewertung. Emotionen sind Bewusstseinszustände mit körperlichen Begleiterscheinungen und intellektuellen Ursachen. Die vier Schritte in der Erzeugung einer Emotion sind Wahrnehmung (oder Phantasie), Identifikation, Bewertung und Reaktion. Weil der menschliche Verstand mit der Zeit seine Bewertungen zu automatisieren lernt, fehlt es den Menschen häufig an einem expliziten Gewahrsein der Zwischenschritte „Identifikation“ und „Bewertung.“

Die Vernunft ist für den Menschen das einzige Mittel zum Wissen

Emotionen sind automatische Konsequenzen der vorausgegangenen Schlussfolgerungen eines Verstandes, ungeachtet dessen, wie dieser Verstand in dem Prozess zu ihnen zu gelangen, ge- oder missbraucht wurde. Jedes Erscheinen eines Konflikts zwischen Verstand und Emotion ist in der Tat eine Kollision zwischen bewussten und unterbewussten Gedanken.(...)"


mal davon abgesehen, dass hier ohne einen hauch von bedenken lebendiges (menschen, tiere) und unlebendiges/abstraktes (ereignisse und objekte im eigentlichen sinne) undiffrenziert insgesamt als objekte bezeichnet werden, ähnelt die dahinterstehende vorstellung von psychologie sehr pawlow´s reiz- und reaktionsschema, welches hier modifiziert wird durch ein paar - ausschließlich! - intellektuelle aktionen des wahrnehmenden. das ist, die heutigen erkenntnisse der neurowissenschaften berücksichtigend, schlicht unsinn. das verhältnis dürfte - wenn überhaupt eine hierarchie gesetzt werden kann - potenziell eher umgedreht sein: emotionen bilden die basis für jegliche tätigkeit des objektivistischen bewußtseins. dazu negieren die objektivisten komplett die körperlichen wahrnehmungsmodi, ohne die das objektivistische bewußtsein keinerlei input besitzen würde. um es klipp und klar zu sagen: das dahinter stehende menschenbild ist ein absolutes veraltetes, stammt aus den geisterbahnen der mechanistischen philosophie und ist tendenziell aufgrund seiner falschen gewichtungen lebensfeindlich. warum? weil hier eine komplett verdrehte gewichtung zwischen emotionen und vernunft als absolutes gesetzt wird. das wegdefinieren der die objektivisten augenscheinlich störenden gefühle gelingt nicht total - falls sie nicht völlige autisten sind, kommen sie immerhin nicht drumrum, die existenz von emotionen anzuerkennen. aber sie werden ausschließlich als sekundäre anhängsel des verstandes gewertet, die keinerlei echte relevanz hinsichtlich ihrer aussagekraft oder der informationen besitzen, die sie transportieren. mühsam wird eine art fragiler waffenstillstand zwischen beiden konstruiert, so wie es die objektivisten vorführen:

"Richtig ist, dass der Objektivismus davon ausgeht, dass Gefühle keine Quelle von Erkenntnis sind und keine Handlungsanleitungen sein dürfen. Aber Vernunft und Emotionen schließen sich nicht gegenseitig aus, sie stehen nicht in einem feindlichen Verhältnis zueinander. Gefühle sind ebenso wichtig wie die Vernunft, aber sie dienen unterschiedlichen Zwecken, über die wir uns im klaren sein müssen, wenn wir ein glückliches Leben führen wollen. Nathaniel Branden schreibt in einem Beitrag für die Zeitschrift The Objectivist Newsletter aus dem Jahre 1962, dass die Frage: "Aber was ist mit der emotionalen Seite der menschlichen Natur?" tatsächlich bedeutet: "Aber was ist mit meinen irrationalen Wünschen?"

aber natürlich nicht. empathische gefühle dürfen keine handlungsanleitung sein; liebevolle - und auch destruktive - gefühle sind keine quelle der erkenntnis - wie weit ist die westliche kultur eigentlich heruntergekommen, damit ein derartiger mist hier offiziell als angesehene philosophische richtung, der bis heute bspw. in den usa relevante teile der dortigen ökonomischen und administrativen "eliten" beeinflusst, durchgehen kann? woher der wind weht, macht die frage im letzten satz deutlich: "irrationale wünsche" - erstmal muss definiert werden, ob es hier um negative oder positive irrationalität geht, zweitens aber fehlt der hinweis auf die jeweilige kulturelle bedingtheit dessen, was so als irrational bezeichnet wird. drittens aber werden "irrationale wünsche" häufig gerade dann als "irrational" (im verbreiteten sinne = "irgendwie schädlich, verrückt") wahrgenommen, wenn der wahrnehmende mensch das in seiner oder ihrer sozialisation gelernt bzw. vermittelt bekommen hat - meistens von bezugspersonen, die ihren eigenen emotionen bereits ordentlich entfremdet sind. und viertens ist die wahrnehmung (im eben definierten sinne) "irrationaler wünsche" keinesfalls zwangsläufig, sondern stellt in vielen fällen bereits einen ausdruck für das ins trudeln geratene psychophysische gleichgewicht innerhalb eines menschen dar - das "innere" wird dann als diffus bedrohlich, seltsam, verunsichernd und un-logisch - eben "irrational" - erlebt. alles in allem scheint diese art von philosophie hauptsächlich eine reaktion auf nichtverarbeitete traumatische prozesse darzustellen. zu offensichtlich ist die ständige abwehr und zwanghafte niederhaltung all dessen, was von den objektivisten als "emotional" und "irrational" bezeichnet wird. und die "unterschiedlichen zwecke"? aus der täglich zu bewundernden objektivistischen praxis dürfen wir schließen, dass gefühle im "privaten" bereich zu bleiben haben, der "verstand" aber ganz emotionslos die gesellschaftlichen belange zu regeln habe. die frage, warum gefühle offensichtlich auch destruktiv sein können / werden können, was darin für informationen über die aktuellen menschlichen verhältnisse stecken - die frage kommt offensichtlich niemandem der objektivisten in die ach so klaren köpfe. stattdessen gibt´s pure ideologie :

"Kapitalismus ist das System der Objektivität

Objektivität ist realitätsorientiertes Denken, während Tugend realitätsorientiertes Handeln basierend auf diesem Denken ist. Der Kapitalismus, das System des freien Handels, erlaubt es jedem Produkt oder jeder Dienstleistung, einen auf dem ökonomischen Gesetz von Angebot und Nachfrage beruhenden objektiven Marktwert zugewiesen zu bekommen. Alle Bestrebungen zu Monopolisierung oder Preisabsprachen können nicht lange anhalten, weil der freie Wettbewerb die Preise wieder auf eine vernünftiges Niveau zurückdrängen wird. Darum sind sowohl ökonomische Werte als auch die mit ihnen verbundenen Gewinne im Kapitalismus objektiv. Da eine freie Gesellschaft mit der Zeit immer sachkundiger wird, bewegen sich die ihren Produkten zugewiesenen Marktpreise von lediglich gesellschaftlich objektiv, in Richtung philosophisch objektiv. In anderen Worten, der Appeal eines Produkts muss letztlich dem individuellen Menschenleben dienen oder der Bedarf des Markts daran wird schließlich austrocknen. Wirtschaftliche Macht sollte nicht mit politischer Macht verwechselt werden, da erstere nur freiwilligen Handel beinhaltet, während letztere mit der Initiierung physischer Gewalt oder der Drohung damit verbunden ist."


das "realitätsorientierte denken" lässt sich aktuell z.b. in der diskussion über die folter beobachten - siehe den letzten beitrag. und zu einer reinen märchenstunde wird´s dann zum ende: was für einen "produktappeal" haben denn die tausenden von überflüssigen bis offen schädlichen produkte, die ein völlig durchgeballerter kapitalismus heute per massenmedialer manipulation durch werbung als "notwendigkeiten" auf den markt schmeisst? das objektivistische raster, welches hier einen anscheinend objektiv-vernünftigen konsumenten postuliert, kennt offensichtlich keinerlei synthetisch produzierten pseudobedürfnisse, mit denen oft genug psychophysische defekt- und mangelzustände kompensiert werden sollen. und das die wirtschaftliche macht nur "den freien handel" beinhalten sollte und natürlich niemals mit physischer gewalt arbeitet (nein, direkt selbst machen sie sich ihre sauberen hände natürlich meistens nicht schmutzig...) - eine derartige behauptung lässt sich schon als gesteigerte realitätsflucht bezeichnen.

so. wer zeit und muße hat, sich durch den objektivistischen wahn durchzuarbeiten, kann die eigenen gedanken gerne an dieser stelle kommentierend veröffentlichen. mir reicht´s für den moment ersteinmal.


*

ich hatte im letzten beitrag ziemlich weit unten hinsichtlich der folter vom typus der sadistischen psychopathen geschrieben, die von denen, die ihre methoden überlebt haben, als primär am perversen lustgewinn (durch das leiden anderer) interessierte gekennzeichnet werden. wie gesagt, gibt es solche leute (theweleit hat ihrem möglichen funktionsmodus in Das Land, das Ausland heißt ein ganzes kapitel gewidmet), und wie ebenfalls gesagt, sind sie es, bei denen heutige psychiatrische diagnosen bezgl antisozialer persönlichkeiten noch am ehesten passen würden. es war allerdings nicht meine absicht, sie von den normalen folterern so zu unterscheiden, wie´s den anschein haben könnte. ich bin bei meinen worten selbst ein ganzes stück weit dem gleichen ewigen irrtum verfallen, dem wir alle hier mehr oder weniger unterliegen: das objektivität grundsätzlich etwas mit vernunft, sachlichkeit, ruhigem überlegen zu tun hätte. diese definition suggeriert einen gegenpol zu den wild schäumenden emotionen und leidenschaften, wie wir sie - mehr oder weniger unbewußt und unberechtigt - mit dem begriff der sadistischen psychopathie assoziieren.

der irrtum liegt kurz gesagt darin, dass der objektivistische modus durchaus auch in einer verpackung ankommen kann, die unseren vorstellungen von objektivität nicht nur nicht entspricht, sondern sie sogar ad absurdum führt. und das hängt mit der als-ob-qualität zusammen, die der objektivistische modus - wie es seiner funktionsweise entspricht - unter bestimmten bedingungen perfekt produzieren kann: pseudoemotionale simulationen. das im letzten beitrag skizzierte modell von mertz berücksichtigend, müssen wir davon ausgehen, dass so ziemlich jede uns bekannte emotion auch in form einer simulation auftreten kann. ein beispiel dafür, welches unter den heutigen gesellschaftlichen bedingungen leider sehr relevant ist, wäre der hass. hass als echter affekt kann durchaus rationalen emotionalen motivationen entspringen: hass als enttäuschte/gewendete liebe, hass als spontane reaktion auf unmögliches zwischenmenschliches verhalten, als reaktion auf extreme unterdrückung usw. dieser hass wird sehr wohl in aller regel als etwas wahrgenommen, was eine primäre körperliche grundlage besitzt - ein gefühl, was sich an ganz verschiedenen stellen des körpers in verschiedenen arten manifestieren kann. er bezieht sich auf etwas reales, womit hier gemeint ist, dass er sich auf in weitestem sinne soziale und interpersonale beziehungssituationen bezieht. er besitzt sekundär eine objektive qualität in dem sinne, dass er zeitweise für eine wahrnehmungsreduktion sorgt (bzw. gleichzeitig einer solchen entspringt), und damit die wahrnehmung anderer aspekte des gehassten menschen bzw. der auslösenden situation sehr erschwert bis unmöglich machen kann. trotz allem lässt sich dieser hass keineswegs als gleichgültigkeit interpretieren, sondern als ausdruck eines - wenn auch ins negative gewendeten - realistischen interesses an einem konkreten anderen.

und gerade letzteres lässt sich vom abstrakten, offen objektiv daherkommenden hass nicht sagen. hier tritt der objektivistische modus in seiner mehr oder weniger gewohnten form auf: mit vernunft und sachlichkeit begründen gerade mit vorliebe ideologien jeglicher coleur, warum diese oder jene menschen - in ihrer unterstellten funktion als träger von "schädlichen" ideen - allgemein hassenswert zu sein haben. und in der folge, wie ein blick in die historie zeigt, auch der leider verdienten vernichtung zugeführt werden müssen. das ist einer der wichtigsten punkte, in denen sich faschistische (als prinzip, nicht als ideologie begriffen) systeme weltweit ähneln - egal, ob sie "politisch", religiös oder sonstwie begründet werden. immer wird ein objektivistisches raster zugrundegelegt - falsche "rasse", klasse, religion, falsches geschlecht -, welches den realen - und meistens bedeutet das auch: widersprüchlichen menschen - als abstraktion aufgepfropft wird in dem sinne, dass sich die objektive wahrnehmung der so "hassenden" alleine auf die proklamierten "objektiven" eigenschaften der jeweiligen opfer focussiert - und diese derart zu verabscheuungswürdigen nicht-mehr-menschen werden lässt, zu "parasiten", "insekten", "schädlingen", "verrätern", "ungläubigen". was aber mit solchen zu geschehen hat, wissen wir spätestens bei betrachtung des letzten jahrhunderts ganz genau. an diesem punkt trifft sich der nazi-bürokrat eichmann mit dem tscheka- gründer dscherschinski, an diesem punkt treffen sich aber bspw. auch ein george w. bush und ein bin laden - sie hassen sich als abstraktes, genauso wie sie untereinander beliebig zeitweise koalieren können, wenn es denn der sache dient - eine sache, die im übrigen inhaltlich ebenso beliebig austauschbar erscheint. für machtmenschen ist die struktur wichtig, die ihnen das ausagieren ermöglicht - inhalte sind prinzipiell zweitrangig (auch, wenn das ein widerspruch zu der immer behaupteten aufopferung für die jeweilige sache zu sein scheint - die diese machtsysteme tragenden menschen sind meiner meinung nach grundsätzlich auch in anderen systemen denkbar, solange diese auf hierarchien und unterordnung beruhen.)

dieser hass (sollen wir das wirklich hass nennen?) kommt sozusagen entkörpert daher, bezieht sich letztlich nicht auf konkretes tun oder nichttun (auch, wenn hier die aufhänger gesucht werden), sondern auf fiktive, imaginierte eigenschaften der gehassten (das diese fiktionen - außer bei totalem realitätsverlust vielleicht - immer auch einige körnchen realität enthalten, hängt mit der im letzten beitrag skizzierten arbeitsweise des objektivistischen modus zusammen, der als werkzeug der subjektivität immer nur den wahrnehmungsmässigen input verarbeiten kann, der wiederum primär körperlich erzeugt wird. wenn diese wahrnehmungsfunktionen nun funktionell oder strukturell begrenzt und / oder geschädigt sind, werden sie dementsprechend mehr oder weniger verzerrte und seltsame realitäten produzieren - vielleicht immer noch das nachdrücklichste beispiel dafür sind "die juden" in der wahrnehmung der nazis).
diese abstrakte - hm, qualität plaziert diesen hass außerhalb jeder menschlichen beziehung - was gerade durch die abstraktion geschieht. auch kriege machen das sehr schön deutlich:

"Ganz eigenartig war Silvester hier. Es kam ein englischer Offizier mit weißer Fahne herüber und bat um Waffenruhe von 11 bis 3 Uhr zur Beerdigung ihrer Toten. (...) Sie wurde gewährt. (...) Die Waffenruhe aber wurde ausgedehnt. Die Engländer kamen aus ihrem Graben heraus in die Mitte, tauschten Zigaretten und Fleischkonserven, auch Photographien aus mit den Unsern, sagten, sie wollten nicht mehr schießen. So herrscht vollständige Ruhe, die einem seltsam vorkommt. Wir und sie gehen und stehen auf der Deckung, über dem Graben. - (...)
Silvester riefen wir uns die Zeit zu und verabredeten, um 12 Uhr Salven zu schießen. Der Abend war kalt. Wir sangen Lieder, sie klatschten Beifall (wir liegen 60 - 70 Meter gegenüber), wir spielten Mundharmonika, dazu sangen sie, und wir klatschten. Dann fragte ich, ob sie nicht auch ein Musikinstrument da hätten, und dann kriegten sie einen Dudelsack vor (...) sie spielten ihre schönen elegischen schottischen Lieder darauf, sangen auch. Um 12 Uhr dann knatterten Salven von beiden Seiten in die Luft! Dazu ein paar Schüsse unserer Artillerie, ich weiß nicht, wohin die schossen, die sonst so gefährlichen Leuchtkugeln prasselten auf wie ein Feuerwerk, mit Fackeln wurde geschwenkt und Hurra geschrien.(...)"

(aus einem deutschen feldpostbrief vom 3. januar 1915 an der westfront, zitiert nach "innenansicht eines krieges. deutsche dokumente 1914 - 1918"; dtv; münchen 1973; s. 91/92; isbn 3-423-00893-8)


zur emotionalen vernunft gekommen...als reale menschen hatten sie keinen grund, sich zu hassen und zu töten - in dieser realität konnten sie sich persönlich sympathisch oder unsympathisch, liebenswert oder bescheuert oder auch alles gleichzeitig finden - als abstraktes hingegen nahmen sie sich gegenseitig als "franzosen", "deutscher" usw. wahr - und konnten sich im namen einer "höheren sache" (reine fiktionen - nationen, kaiser, könige, götter, staaten) mehr oder weniger unbelastet (das ist sehr relativ, ich weiß) gegenseitig ermorden - "wir führen hier nur unsere befehle aus" - und müssen dazu ganz objektiv an die sache herangehen. mittlerweile lassen sich auch wahrscheinliche ursachen dafür benennen, die derlei psychophysische funktionswechsel zumindest zu begünstigen scheinen - aber dazu ein anderes mal.

der eher selten auftretende typ des psychopathen (im "klassischen" sinne begriffen) scheint mit seiner offen egozentrischen maxime des eigenen lustgewinns am leiden anderer dieser abstraktion zu widersprechen. dieser eindruck jedoch täuscht imo: er funktioniert genauso objektiv, genauso fern jeder sphäre authentischer beziehungen - aber seine objektivität funktioniert anders; er arbeitet in einem ständigen psychotischen zustand, mit einem außer rand und band geratenen objektivistischen modus, der - aus gründen, die ich hier nicht weiter ausführen kann -, zur erlangung eines - wenn auch krankheitswertigen - psychophysischen gleichgewichts zur produktion von anscheinend ganz und gar subjektiven, ganz und gar emotionalen (und oft auch sehr überzeugenden) simulationen tendiert. im gegensatz bspw. zum im letzten beitrag beschriebenen selbstverständnis des folterers aus der türkei, der an seine ideologie geglaubt hat, dürften einem psychopathen derartige pseudoinhalte völlig egal sein. er benutzt sie und das jeweilige system eher offen für seine ganz persönlichen zwecke, die wiederum von seiner objektivität diktiert werden. ich hoffe, der unterschied - der für die jeweiligen opfer allerdings belanglos ist, aber zum verständnis der phänomene trotzdem wichtig erscheint - ist klar?

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beim anblick der überschrift des letzten beitrags musste ich irgendwann grinsen - über unsere sprache, die - offen und verdeckt gleichzeitig - doch letztlich zwangsweise immer auch viel reales über uns aussagt: "bleiben Sie doch mal sachlich" - das können wir wortwörtlich nehmen, als aufforderung, uns selbst zu einer sache, zum objekt zu machen - den objektivistischen modus einzuschalten und mittels der daraufhin einsetzenden wahrnehmungsreduktion alles störende (und / oder bedrohliche, meistens gefühle) für den fordernden und für uns selbst auszuschalten. vielleicht denken Sie dran, wenn Sie das nächstemal dazu aufgefordert werden.

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eigentlich wollte ich jetzt noch mehr zu den möglichen ursachen für das ungleichgewicht zwischen subjektivität und objektivistischem modus schreiben, dazu auch noch mehr beispiele für situationen, in denen der letztere dominiert - z.b. ist es eine interessante erkenntnis, dass sowohl unter der folter als auch bspw. in den nazi-kz und auch im gulag diejenigen menschen am wenigsten psychische schäden (in diesem fall müssen wir von den körperlichen trennen) aufwiesen bzw. -weisen, die sich einen starken glauben - entweder ideologisch oder religiös - bewahren konnten. mit anderen worten: unter realen und extremen gewaltbedingungen eine eigene starke fiktion gegen die objektivierenden fiktionen ihrer peiniger setzen konnten. und damit die realen schmerzen relativieren und überleben konnten. ein beispiel dafür wären in den nazi-kz die zeugen jehovas, die nichtsdestotrotz den charakter einer sehr hierarchischen und dogmatischen sekte bis heute nicht verloren haben. das ganze thema weist deutlich in den bereich psychotraumata und zur frage, was eigentlich psychophysisch durch gewalt in menschen ausgelöst wird.das erwähnte phänomen jedenfalls ist imo ein hinweis darauf, dass der objektivistische modus in existenziell bedrohlichen situationen in verschiedenen formen auf den plan treten kann - als überlebenshilfe. die frage ist allerdings, welcher preis dafür gezahlt werden muss, wenn diese gewalt nicht als vereinzeltes erlebnis, sondern strukturell permanent über jahrhunderte und durch generationen hindurch vorhanden ist. es besteht ein an anderen stellen hier schon erwähnter starker verdacht darauf, dass in einer solchen situation in vielen menschen dieser modus ständig hyperpräsent ist und schließlich sogar dominant wird - was sich dann insgesamt auch im jeweiligen selbstverständnis und den welt- und menschenbildern ganzer kulturen ausdrücken kann. sie werden ver-rückt. (und wenn heutzutage politikerInnen, manager, soldaten, aber auch bankangestellte, arbeiter in waffenbetrieben und ökologisch schädlichen produktionsbereichen ihr tun jeweils als vernünftig und von sachzwängen diktiert darstellen, dann sollten wir das wörtlich nehmen und endlich begreifen, dass der wahnsinn in seinen übelsten und destruktivsten formen schon lange unter dem label der vernunft angetreten ist. das ist zwar ungemütlich, weil er uns damit direkt auf die pelle rückt - aber es wird uns nichts anderes übrigbleiben, wenn wir denn tatsächlich belegen wollen, eine intelligente, lernfähige und fühlende spezies zu sein).

ebenso sind die möglichen beziehungen zwischen diesem modus und dem phänomen, was heute als dissoziation bezeichnet wird, einer näheren betrachtung wert. aber gerade zum letzteren thema fehlt mir so einiges an wissen - ein wissen, was aktuell übrigens immer mehr wird und inhaltlich darauf hinausläuft, dass dissoziative zustände erstens bis heute bei uns allen wesentlich verbreiteter und normaler sind als bisher angenommen; und zweitens die sog. multiplen oder dissoziativen persönlichkeiten historisch keine neue erscheinung sind, sondern unter anderen beschreibungen und namen tatsächlich schon sehr, sehr lange in der geschichte bekannt sind (was, nebenbei gesagt, auch ein weiteres indiz für die stimmigkeit der psychohistorische betrachtungsweise der menschlichen geschichte darstellen würde). mir drängen sich dazu viele fragen auf, auf die mir aber antworten fehlen: stellen dissoziative zustände nur eine weitere erscheinungsform des objektivistischen modus dar? (dagegen spricht allerdings aus meiner sicht einiges); fördern dissoziationen den objektivistischen modus? stellen sie zwei getrennte wege der "traumabewältigung" dar? da dissoziationen psychotraumatologisch mit extremformen von gewalt assoziiert sind: stellen sie den letzten "rettungsanker" dar, nachdem der objektivistische versuch der gefahrenbewältigung gescheitert ist? wie aber sind in diesem verhältnis alltägliche trancephänomene zu sehen, die ebenfalls dissoziative zustände darstellen? ist der objektivistische modus nicht doch auch als trancezustand (= wahrnehmungsreduktion) zu begreifen? fragen über fragen. falls Sie dazu ideen haben - nur raus damit!

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