monoma - 27. Feb, 21:54

@ubu

leider scheint Dein versuch, hier zu kommentieren, nicht recht zu klappen - wenn´s gar nicht anders geht, machen wir das weiter über das gästebuch.

*

der link zum manuskript mit den aussagen über oskar schindler sollte übrigens jetzt funktionieren.

Ubue - 27. Feb, 22:07

Interessante Gedanken

Hallo Monoma, mal sehen, ob es diesmal funktioniert. Hier ein erster Kommentar zu dem obigen Text. Damit verbinde ich auch einen Gruß an alle anderen Mitleser/innen, die schon öfter in dem Blog hier gestöbert haben - oder später einmal durch eine Suchmaschine o.ä. darauf stoßen.

Selbst bin ich, wie im Gästebuch schon erwähnt, über eine Recherche zur Rezeption des (mittlerweile vergriffenen) Buches von J. Erik Mertz in dem Blog hier gelandet. Dieses Buch ist schon ein "Hammer", und es bietet eine unkonventionelle Möglichkeit, in die Diskussion zum Thema Autismus und Borderline einzusteigen. Man braucht nur eine gute Portion Toleranz dazu, so wie Monoma schon gesagt hat, um sich von der äußeren Form des Buches und manchen etwas steilen Thesen sowie Eigenarten des Verfassers nicht gleich abschrecken zu lassen.

Den Gewinn nach sorgfältigem Lesen sehe ich für mich in dem sehr eigenständigen, kritischen und überblicksreichen Ansatz von Mertz. Es tut aber auch gut, sich von dem Buch sozusagen wieder ein bißchen zu "emanzipieren" - z.B. durch eine Diskussion der Schwächen und der noch vorhandenen Lücken bei Mertz.

Die Gedanken, die Monoma oben entwickelt, führen ja bereits zu einem solchen Diskussionsansatz. Selber habe ich ziemlich spontan drauflosgeschrieben, was man den Zitaten oben sicher anmerkt, dafür steigt die Lebendigkeit der ganzen Geschichte etwas.

Ich möchte im Moment noch einen Hauptgedanken vertiefen, der mich beschäftigt: Es gibt nach der Lektüre des Mertz-Buches bei mir zwei "subliminale Mißempfindungen", um in der eigenwilligen und manchmal durchaus betörenden Terminologie des Autors zu bleiben.

- Die erste solche störende Anwandlung habe ich, weil ich vergeblich in dem Buch nach Anzeichen von tiefer Traurigkeit beim Autor gesucht habe angesichts der von ihm oft so katastrophal geschilderten Borderline- und Autismus-Welt. Den "Vogel abschießen" tut Mertz hier noch mit seinem kleinen Nachwort, in dem er sich mit einer "artigen Verbeugung" (wörtliches Zitat) wieder aus dem Feld begeben möchte. Auf der vorherigen Expedition der über 300 Seiten habe ich ebenfalls keine wirkliche Traurigkeit bei Mertz herauslesen können, eher ein hartnäckiges, fast aggressives Aufdeckenwollen der Symptomatik, manchmal auch eine gewisse Freude an den "gegen den Strich" gewonnenen, oft sehr ketzerischen Erkenntnissen.

- Die zweite Mißempfindung habe ich angesichts der vielen Kritik von Mertz - in mancher Hinsicht ist das Buch ja schon wie ein Rundumschlag geraten. An der Grundverfaßtheit der Psychopathologie rüttelt Mertz erheblich; weder die Psychoanalyse gefällt ihm wirklich, noch die Verhaltenstherapie mit ihren Auswüchsen wie NLP; auch die konstruktivistischen Ansätze kommen schlecht weg, und selbst die humanistischen und systemischen Ansätze kommentiert Mertz sozusagen nur "grummelnd".
Solch ein general-kritischer Zugang ist in seinem Kern ja eigentlich "invalidierend" in der Begrifflichkeit von Linehan - man könnte sich durchaus einen Ansatz vorstellen, der ganz umgekehrt vorgeht und jeweils die bedeutsamen und hilfreichen Teile der psychologischen Richtungen berücksichtigt - das berühmte jeweilige "Körnchen Wahrheit". Insgesamt hinterläßt einen die Lektüre des Mertz-Werkes dann auch etwas ratlos, so als ob überhaupt alles mißlungen oder verdorben ist, was im psychologischen, therapeutischen und sozialen Bereich an Theorien wie Praktiken bisher hervorgebracht wurde.

Übrigens erwähnt Mertz selber an einer Stelle Linehan und ihren Ansatz und stellt ihn als den vielleicht wichtigsten Entwurf der zukünftigen Borderline-Literatur heraus - allerdings hat Mertz bei der Abfassung seines Buches die Linehan-Hauptwerke zur DBT ganz offensichtlich noch nicht genauer mit einbezogen. Ich selber finde die ganzen Linehan'schen Gedanken mindestens so hochpotent wie das ganze Gedankengut von Mertz. Man muß beides ja auch nicht gegeneinander ausspielen, mich hat jedenfalls beides bereichert.

Ein letzter Gedanke noch zu der "Invalidierungstheorie" von Linehan: das ist sicherlich ein Schlüssel bei ihr zur ganzen Borderline-Entstehung. Während ein validierender Umgang mehr Wert legt auf Erkundung und auf ein gutes Hören und Wahrnehmen des anderen, ohne zu viel Wertung, beschreibt Linehan den invalidierenden Kontakt genau umgekehrt: über ein stetes Infragestellen des Gegenübers, egal ob es um Überlegungen geht, um Gefühle, um Wünsche oder um Verhaltensweisen. Alles wird bei einer invalidierenden Reaktion immer kritisch und dementierend beantwortet, z.B.mit einem "aber" eingeleitet, mit Häme, Spott und dem bekannten herablassenden "ach!", oder sogar ganz ignoriert.

Man könnte sicher herausarbeiten, wie sich die kalte Welt des "Nichtkontaktes" bei Mertz mit der Invalidierungswelt deckt, wie sie Linehan beschreibt. Die tiefste Form der Invalidierung ist wahrscheinlich die dauernde Unterdrückung von Trauer. In der Gleichung von Linehan: "unterdrückte Trauer ist andauernder Krisenzustand". Dabei ist das Ausmaß der traurigen und frustrierenden Erfahrungen, die Borderliner mit sich schleppen, m.E. oft ungeheuer groß. Vielleicht zu groß, um diese Menge, die sich schon in Generationen gehäuft angesammelt hat, noch selber abzuarbeiten, ohne dabei in ein großes schwarzes Loch zu fallen. Ohne solche Ab- und Aufarbeitung bleibt man aber vernutlich in der kalten und oft fast leblos-starren Welt gefangen, die Mertz in seinem ganzen Buch beschreibt.

Für diesmal einen herzlichen Gruß!
Ubue (habe mich hier auch angemeldet - da der Name "Ubu" schon vergeben war, habe ich noch ein "e" angehängt).
monoma - 2. Mär, 14:24

hallo ubu (ich bleibe mal dabei),

zwei anmerkungen wiederum auf deine zwei punkte:

"Die erste solche störende Anwandlung habe ich, weil ich vergeblich in dem Buch nach Anzeichen von tiefer Traurigkeit beim Autor gesucht habe angesichts der von ihm oft so katastrophal geschilderten Borderline- und Autismus-Welt."(...)

das ist in meinen augen eine interpretationsgeschichte - er hat nun mal einen betont analytisch-abstrakt-objektivistischen stil gewählt, und ist damit bezgl. sehr belastender themen durchaus kein einzelfall - ich wende ein ähnliches verfahren ja selbst hier im blog an, und das durchaus auch zum selbstschutz - die bedrohlichkeit der hier thematisierten entwicklungen macht das für mich notwendig. dazu kommt noch die virtuelle ebene, auf der sich authentische zustände eben nur simulieren lassen. bei den meisten der von mir aufgegriffenen themen ist eine primär emotionale reaktion der auslöser für eine weitergehende und eher abstraktere beschäftigung.

bei mertz mag ich mir einfach kein urteil darüber erlauben, was er zu seinen eigenen erkenntnissen tatsächlich fühlt - dazu wäre imo ein gespräch mit ihm nötig.

zum zweiten:

"Die zweite Mißempfindung habe ich angesichts der vielen Kritik von Mertz - in mancher Hinsicht ist das Buch ja schon wie ein Rundumschlag geraten. An der Grundverfaßtheit der Psychopathologie rüttelt Mertz erheblich; weder die Psychoanalyse gefällt ihm wirklich, noch die Verhaltenstherapie mit ihren Auswüchsen wie NLP; auch die konstruktivistischen Ansätze kommen schlecht weg, und selbst die humanistischen und systemischen Ansätze kommentiert Mertz sozusagen nur "grummelnd".

Solch ein general-kritischer Zugang ist in seinem Kern ja eigentlich "invalidierend" in der Begrifflichkeit von Linehan - man könnte sich durchaus einen Ansatz vorstellen, der ganz umgekehrt vorgeht und jeweils die bedeutsamen und hilfreichen Teile der psychologischen Richtungen berücksichtigt - das berühmte jeweilige "Körnchen Wahrheit". Insgesamt hinterläßt einen die Lektüre des Mertz-Werkes dann auch etwas ratlos, so als ob überhaupt alles mißlungen oder verdorben ist, was im psychologischen, therapeutischen und sozialen Bereich an Theorien wie Praktiken bisher hervorgebracht wurde.(...)"


ist letzteres ein wunder? bei seiner argumentation werden fragmente einer totalitären realität sichtbar, die in allen herrschenden theoriegebäude aufgrund ihrer herkunft aus den menschen- und weltbildern des mainstreams sozusagen die nichthinterfragte basis bildet. dazu nimmt er ja primär körpertherapeutisch fundierte ansätze durchaus von seiner generalkritik aus.

ich würde mit einer kritik da von einer anderen seite kommen: viele psychiatrie- und psychologiekritische ansätze hat er überhaupt nicht berücksichtigt, obwohl sie thematisch durchaus passen würden - am ende meines beitrags oben habe ich davon einen kleinen teil erwähnt. und das die genannten bereiche eben in ihrer mehrheit das ziel verfolgen, die von ihnen behandelten menschen wieder funktionsfähig für äußerst destruktive verhältnisse zu machen, kann gar nicht oft kritisiert werden.

und kurz: ich würde nlp durchaus bereits zu den konstruktivistischen ansätzen zählen, siehe dazu auch den entsprechenden beitrag hier im blog.

"Man könnte sicher herausarbeiten, wie sich die kalte Welt des "Nichtkontaktes" bei Mertz mit der Invalidierungswelt deckt, wie sie Linehan beschreibt. Die tiefste Form der Invalidierung ist wahrscheinlich die dauernde Unterdrückung von Trauer. In der Gleichung von Linehan: "unterdrückte Trauer ist andauernder Krisenzustand". Dabei ist das Ausmaß der traurigen und frustrierenden Erfahrungen, die Borderliner mit sich schleppen, m.E. oft ungeheuer groß. Vielleicht zu groß, um diese Menge, die sich schon in Generationen gehäuft angesammelt hat, noch selber abzuarbeiten, ohne dabei in ein großes schwarzes Loch zu fallen. Ohne solche Ab- und Aufarbeitung bleibt man aber vernutlich in der kalten und oft fast leblos-starren Welt gefangen, die Mertz in seinem ganzen Buch beschreibt."

das, was Du da beschreibst, gilt aber meiner meinung nach eher für traumatisierte menschen - die als-ob-personen, die er beschreibt, können ja überhaupt nicht in einem authentischen sinne trauern, sondern auch in diesem bereich nur simulieren. von daher finde ich nicht, dass linehan hier die passende referenz ist.

gruß zurück,
mo

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