notiz: krisennews und -gedanken (8)

zunächst ein hinweis in eigener sache auf ein update des inzwischen schon älteren hinweises zum dokumentarfilm "der große ausverkauf" - den film gibt es im obigen beitrag jetzt zu sehen, und er ist meiner meinung nach eine hervorragende untermauerung und ergänzung der informationen zum aktuellen krisengeschehen.

*

und für den neuen beitrag dieser reihe fange ich am besten damit an, die tendenz, die sich bereits in den letzten artikeln abgezeichnet hat, zu unterstreichen - stichwort krisenkaskade. nicht nur eine weltwirtschafts- , hunger- und energiekrise sind derzeitig zu bestaunen, sondern vor ein paar wochen hat sich über ein, zwei tage eine
meldung in den schlagzeilen gehalten, deren brisanz in der sog. öffentlichkeit weitestgehend unbemerkt geblieben zu sein scheint:

(...)"Auf gerade einmal 2,40 Meter über dem Meeresspiegel kommt die höchste Erhebung des Inselstaats im Indischen Ozean. Die Erderwärmung und der steigende Meeresspiegel sind für die insgesamt 1192 Malediven-Inseln daher hochgefährlich.(...)

Mohammed Nasheed hat nun eine kühne Idee. Der erste demokratisch gewählte Präsident der Malediven plant nichts weniger als den Exodus seiner kompletten Republik - die Umsiedlung von rund 300.000 Insulanern aufs Festland. Die Milliardeneinnahmen aus dem Tourismus, so Nasheeds Vision, sollen künftig zumindest teilweise in den Kauf von Land fließen; flutsicheres Terrain, auf das die Malediver eines Tages flüchten können. "Wir können selber nichts machen, um den Klimawandel aufzuhalten", sagte der 41-Jährige, der am Dienstag sein Amt antreten soll, der Zeitung "Guardian". "Wir müssen daher woanders Land kaufen. Wir sichern uns so für den Notfall ab."(...)

Die Zukunftsängste der Malediver werfen ein Schlaglicht auf ein ungelöstes Problem: Welche Rechte haben Bürger, die durch den Klimawandel Grund und Boden verlieren? Was, wenn ganze Staaten verschwinden? Experten der United Nations University schätzen, dass bis 2050 mindestens 200 Millionen Menschen wegen zerstörter Umwelt ihre Heimat verlieren.

"Wir wollen die Malediven nicht verlassen, aber wir wollen auch nicht als Umweltflüchtlinge jahrzehntelang in Zelten leben müssen", so der frühere Menschenrechtsaktivist Nasheed"(...)


ich möchte hier nun keine debatte über die existenz des klimawandels führen, dazu gibt es an anderen stellen im netz genügend raum. ich persönlich finde mögliche destruktive auswirkungen der industriellen "zivilisation" sowohl auf das klima wie auch auf andere systeme der planetaren ökologie nicht nur nicht erstaunlich, sondern sowohl zu erwarten als auch sehr wahrscheinlich. und die sog. "skepsis" gegenüber wissenschaftlichen und institutionellen voraussagen bezgl. des klimas rührt für mich zumindest z.t. daher, dass so ziemlich alle "offiziellen" institutionen incl. "der politik" seit jahrzehnten in mehr oder weniger großem maße jeden tag ihre glaubwürdigkeit und legitimation in den augen immer mehr menschen verlieren, die dann dazu neigen, jede aussage aus dieser ecke mit grundsätzlichem misstrauen zu betrachten. was zwar verständlich ist, aber andererseits auch die eigene wahrnehmung in die irre führen kann.

jedenfalls halte ich klimaveränderungen in großem maßstab trotz aller kenntnis über die komplexität des weltklimas durchaus für etwas reales, und die obige meldung hat für mich gleichfalls den charakter eines menetekels. und die parole "kopf in den sand!" wird kein stück dabei helfen, mit den zukünftigen folgen u.a. in gestalt gewaltiger umweltbedingter flucht- und migrationsströme weltweit umzugehen. oder wollen wir warten, bis sich in gigantischen lagern und zeltstädten weltweit die betroffenen der diversen krisen in ihrer hoffnungs- und perspektivlosigkeit gegenseitig an den hals gehen? soziopathische "lösungen" geben sich zwar gerne als endlösungen aus, sind aber natürlich keine lösungen in egal welchem sinne.

*

das obige sollte selbstverständlich auch beim aktuellen gejammer diverser autoindustrien im hinterkopf bleiben, ebenso beim täglich heruntergerasselten mantra "konsumiert gefälligst!", welches jetzt in d-land durch den vor ein paar wochen schon als gerücht herumgeisternden vorschlag, bevölkerungsweit einkaufsgutscheine zwecks päppelung der heiligen konsumkuh seitens der regierung auszugeben, einen höchst bizarren unterton erhalten hat. wenn jetzt ernsthaft solche aktionen erwogen werden, so war bereits damals mein spontaner erster gedanke, dann muss die scheiße ja inzwischen nicht nur am dampfen sein, sondern schon kurz vor explosion stehen. heute würde ich im zynismusmodus ja sagen, dass die einzig sinnvolle verwendung solcher gutscheine im kauf von überlebensrationen und waffen besteht... aber soweit bin ich persönlich dann doch (noch) nicht.

jedenfalls verzichte ich schon mal ohne dank präventiv auf derartigen unsinn, dessen eigentliche (und desaströse) aussage ein
user im tagesschauforum in wenigen sätzen auf den punkt gebracht hat:

"Was ich an diesem "Konsumgutschein" interessant finde, ist wie offen auf diese Weise unser Wirtschaftssystem als das entlarvt wird, was es ist...nämlich ein auf (möglichst) immer weiter ansteigendem Konsum basierendes System.

Ein System, in dem der Idealbürger offensichtlich jemand ist, der , wenn er nicht gerade fleissig arbeitet ( egal was er dabei macht..die Sinnfrage stellt sich gar nicht) , das erworbene Geld sofort wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückspült.

Ich frage mich, wie es in einem solchen System möglich sein soll "nachhaltig" zu wirtschaften. Wie soll ein System, das auf dem grenzenlosen Konsum basiert mit "weniger" auskommen? Weniger Müll? Weniger Umweltverschmutzung? Weniger Energieverbrauch? Unmöglich, wenn gleichzeitig "immer mehr" konsumiert werden muss."


und ich ergänze das mit dem auszug aus einem alten
kommentar meinerseits zum beitrag über die toten der hiesigen "sozialpolitik":

"egal, aus welcher perspektive ich mir die zustände auch betrachte: die "party" namens westlicher lebensstil ist zu ende. definitiv. jedes weitere aufschieben dieser einsicht und v.a. der daraus folgenden konsequenzen ist untrennbar verbunden mit einer täglich größer werdenden existenziellen gefährdung all dessen, was sich als unsere menschliche substanz begreifen ließe, ja inzwischen sogar der biologischen und ökologischen grundlagen unserer existenz.

und darum: totale aufkündigung der loyalität."


*

als letzteres dürften u.a. die chinesischen "eliten" die ereignisse empfinden, von denen hier nur bruchstückhaft etwas bekannt wird - hatte ich die folgende
meldung vor ein paar tagen noch mit einiger skepsis betrachtet...

(...)"10 000e wütende Chinesen zogen, mit Äxten, Eisenketten oder Holzknüppeln bewaffnet durch das Zentrum von Longnan in Chinas nordwestlicher Provinz Gansu. Sie schlugen auf Polizeibeamte ein, setzten öffentliche Gebäude in Brand, plünderten Supermärkte und zertrümmerten Autos...

Ursache hierfür: Laut chinesischen Staats-Medien sind rund 67.000 klein- und mittelständische Unternehmen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres Pleite gegangen."(...)


...so wird heute auch an
anderer stelle ausführlich über die derzeitige lage der millionen chinesischer wanderarbeiterInnen in der eskalierenden krise berichtet:

"Eine Straße in einem trostlosen Fabrikviertel ist für Chinas Regierung zum Symbol einer neuen Bedrohung geworden. Die Wirtschaft leidet unter einer Exportflaute, die viele Arbeitsplätze kostet. Das Heer der Wanderarbeiter steht auf - deren Mut zum Protest stiftet andere Unzufriedene an.(...)

Nach 30 Jahren Aufschwung muss die Führung in Peking um die soziale Stabilität im Land bangen. Steigende Preise, Korruption und Willkür, leere Versprechungen der Partei - überall in diesem Land mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern gehen nun die Menschen auf die Straße. Mal formieren sich Taxifahrer in Chongqing zu einem Protestzug, mal stürmen von Umsiedlung bedrohte Bürger wie in der Stadt Longnan die Behörden.

Diese Meldungen gehen längst auch in China um. Und so tritt im fernen Peking zwei Tage nach der Randale in der Spielzeugfabrik Kader Zhang Ping vor die Presse, stellvertretend für Chinas Regierung. Ein bulliger Mann mit kantigem Scheitel, in dunklem Anzug, weißem Hemd, also ganz im alten Stil der Partei sitzt der Chef der mächtigen Entwicklungs- und Reformkommission auf einem Podest. Interessant an seinem Auftritt ist, was er außer den bekannten Wir-haben-alles-im-Griff-Parolen sagt. Zhang warnt. Man fürchte um den sozialen Frieden im Land. "Eine überhöhte Zahl von Pleiten und Produktionskürzungen wird zu massiver Arbeitslosigkeit führen und Unruhen schüren." Seine Sätze sind amtliche Beglaubigungen. Die Wut von Dongguan ist kein vereinzelter Protest irgendwo in der Provinz."(...)


es ist wirklich keine allzu gewagte prognose mehr zu sagen, dass wir in den nächsten monaten und jahren dinge miterleben werden müssen - und zwar mit einiger wahrscheinlichkeit auch am eigenen leib - , die uns wie ein alptraum vorkommen werden. ja, die manische party namens "kapitalismus" endet mit einem monströsen globalen kater, und nun geht´s ans aufräumen und an die frage, wer die rechnung bezahlen wird. an den zugrundliegenden soziopathischen leitbildern dieses systems jedoch wird noch kaum gekratzt.

*

einen nachtrag zur letzten krisennews noch der vollständigkeit halber: telepolis mit einem
artikel zum eigenwilligen lettischen verständnis von redefreiheit in der krise.

*

und von lettland ist es assoziationsmäßig nur ein klitzekleiner sprung zum baltic dry index, der inzwischen immer neue
rekorde des niedergangs aufstellt:

"Der Baltic Dry Index (BDI) zeigt mit seinem unglaublichen Absturz auf ein 22-Jahrestief, dass sich die Weltwirtschaft in Richtung auf eine schwere Depression zu bewegt oder sich bereits sogar schon in einer befindet!(...)

Die Brisanz welche in dem Absturz des BDIs liegt wird kaum erkannt. Hier entsteht ein nachhaltiger Schaden für den Welthandel und es deutet sich bei einem so akuten Schrumpfungsprozess als Folge auch eine nachhaltige Zerstörung von Produktionskapazitäten an!"


ich empfehle auch die dortigen kommentare, die teils infos enthalten, die die realen folgen dieser entwicklung illustrieren und deutlich machen.

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