KL (Gast) - 14. Apr, 09:38

Versuche mich seit nun schon zehn Jahren an dem schönen Satz aus Hegels Phänomenologie des Geistes aufzurichten:

"... der Leichtsinn wie die Langeweile, die im Bestehenden einreißen, die unbestimmte Ahnung eines Unbekannten sind Vorboten, daß etwas anderes im Anzuge ist ..."

Also, folgere ich nämlich, müssen wir die Depressionsschübe noch eine Weile ertragen und uns bereithalten.

Für die Zukunft.

Grüße,
KL

quirinus - 15. Apr, 10:26

Der Rückzug ...

... so vieler Leute um dich herum ist, soweit sie um die 40 sind, gewiß zunächst ein Altersphänomen; Stichwort: Midlife Crisis - eine Lebensphase, die mit der Pubertät vergleichbar ist. Das sage ich inzwischen aus eigener Erfahrung. Als meine bisherigen Freunde und Bekannten um die 40 waren, habe ich (ein wenig älter) an ihnen das gleiche beobachten können wie du an deinen: sie zogen sich zurück in ihr vermeintliches kleines Glück; oder auch: sie wurden im Prinzip (selbstverständlich ohne das zu merken) genauso denkfaul wie ihre mehr oder minder verhaßten Eltern und haben ihren bisherigen Freundeskreis fast komplett ausgetauscht. Auf der Strecke blieben alle, die ihnen erst eine Art Vorbild und jetzt 'plötzlich' zu unbequem waren; also auch ich. Standardvorwurf: "Du siehst immer alles so negativ."Inzwischen, 10 oder 15 Jahre später, scheinen manche gemerkt zu haben, daß sie die Welt durch eine rosa Brille betrachtet haben, und versuchen sich mir wieder sachte anzunähern.

Stichwort: Welt. Dem Muster nach verläuft die Midlife Crisis immer gleich (das war schon vor 200 Jahren so; ich habe diverse Briefwechsel aus jener Zeit komplett durchsehen müssen und diverse Biographien gelesen); doch grundsätzlich scheint sie um so heftiger zu sein, je mehr sich die jeweiligen Menschen vorgemacht und je weniger gründlich sie im Laufe ihres Lebens nachgedacht haben, und zwar völlig unabhängig von materiellen Faktoren. Im Gegenteil. Auch unter meinen Freunden und Bekannten waren (und sind z.T. immer noch) gerade diejenigen am stärksten betroffen, die materiell das meiste erreicht haben.

Des weiteren ist der Verlauf dieser Lebensphase selbstverständlich stark davon abhängig, welcher Generation man angehört und wie stark und kritiklos der jeweils Betroffene sich jeweils mit der Besonderheit seiner Generation identifiziert hat. Beispiele: der glühende Anhänger der Französischen Revolution, der 20 Jahre später zum Katholizismus konvertierte; der glühende Nazi, der nach 1945 ein lupenreiner Demokrat wurde; der rund um die Uhr politisch aktive 68er, der sich um 1980 in einen Ashram zurückzog und fortan von Politik & Gesellschaft nichts mehr wissen wollte; eine meiner Freundinnen, die während ihrer zweiten Pubertät von einer linken Grünen zu einer Frau mutierte, die nichts als Männer im Kopf zu haben scheint (wenn auch politisch korrekt: sie läßt sich ausschließlich mit sog. Losern ein); meine Nachbarin, einst chaotische Punk-, seit ihrer Midlife Crisis eher eine Putzfrau. Und so weiter. Genug, daß diesem Muster gemäß viele derjenigen, die während der 80er Jahre in der Pubertät und politisch ganz besonders aktiv waren, auf der richt'chen Seite natürlich, inzwischen wie ihre einstigen Gegner zu den sog. LOHAS zählen, sofern sie über das nötige Geld verfügen, sich und ihre Brut politisch korrekt zu ernähren und zu kleiden, also täglich mit gutem Gewissen ihr Konsumentenleben zu genießen. Und genau diese LOHAS sind, bei Lichte besehen, die spießigsten Vierziger, die es gibt, seit es die Häuslebauer nach dem Zweiten Weltkrieg gab. Ich empfinde sie sogar als noch sehr viel spießiger. Denn sie sind genau diejenigen, die am lautesten danach schreien, alles zu verbieten, was nicht in ihr Weltbild paßt. Und weil sie den heutigen Zeitgeist so ganz besonders prägen, geht es heute noch verlogener zu als während der Kohl-Ära, und der Stillstand ist noch unerträglicher, weil er eben kein ausschließlich 'rechtes' Phänomen mehr ist, sondern nicht zuletzt auf das Konto von Leuten geht, die der sog. Linken angehören. Deshalb auch ist es für viele so schwer als Spießertum zu erkennen; und deshalb erinnert das heutige BRD-Spießertum so stark wie nie zuvor an dasjenige in der DDR, ja übertrifft es sogar in mancherlei Bereichen. Aber es ist eben alles so schön bunt hier ...

Und meine Hoffnung? Von denen, die jetzt über 40 sind, erwarte ich nichts Gutes mehr; von Einzelfällen abgesehen. Also kommt es auch heute, wie stets, auf diejenigen an, die jetzt zwischen 20 und 30 sind. Die aber sind, so wie ich es sehe, so indoktriniert wie vor ihnen hier in Westdeutschland zuletzt die Hitlerjugend. Der fiel es nach 1945 wie Schuppen von den Augen. Doch was wird mit den um 1990 Geborenen sein, die jetzt an all das glauben, was ihnen speziell seit dem 11. September 2001 erzählt wurde? In meinen Augen zeichnet sich schon länger ab, daß sie den in der Schule antrainierten Glauben an die Demokratie sowie den Glauben an die sog. Linken gründlich verlieren bzw. bereits verloren haben. Von den Nazis bzw. Neonazis wollen die meisten zum Glück auch nichts wissen, ebensowenig von der Antifa. Also wird wohl siegreich sein, was irgendwo dazwischen liegt und jetzt noch so nebulös erscheint, daß man es kaum erkennen kann. Ich befürchte, daß es nichts Gutes ist. Alles läuft auf eine Diktatur hinaus, die weder eine 'rechte' oder 'linke', aber mit Sicherheit eine (vermeintlich) ökologische sein wird. Genau deshalb auch regt sich kaum irgendwo Widerstand. Öko? Finden alle gut! Vor allem diejenigen, die jetzt so um die 40 sind und fit & gesund bleiben wollen, auch wenn viele von ihnen das nie offen zugeben würden. Aber insgeheim würden wohl die meisten gern über 100 werden. Und genau darauf spekuliert die überall präsente Pharmaindustrie mitsamt so vielen derer, die jetzt so gern das Wort Humanismus im Munde führen und mit Sicherheit schon fleißig darauf spekulieren, bald (sie könn'n es kaum erwarten!) zur E.L.I.T.E. zu gehören. Das jedoch ist ein anderes Thema.

Mögest du mit denen um dich herum nicht erleben, was ich seit Mitte der 90er Jahre mit denen um mich herum erlebt habe!

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