W-Day (Gast) - 25. Jul, 10:05

Keine Panik usf.

Inzwischen geht man allgemein vom "Versagen der Veranstalter" aus und kritisiert zB, daß der Tunnel der einzige Zugang war; wieso setzt Du bei solchen vergleichsweise Kleinigkeiten (es geht hier weder um einen Krieg noch um eine Umweltkatastrophe) Vertuschungsabsichten geradezu voraus? Reine Energieverschwendung...

Ciao
W.

quirinus - 25. Jul, 14:32

@w-day:

Dein Kommentar entspricht genau dem Denken, das zu Desastern wie (nicht nur) in Duisburg führt.

1. Der Tod von mittlerweile 19 Menschen und das damit verbundene Leid für deren Angehörige sowie die schweren Verletzungen einer noch unbekannten zweistelligen Zahl von Menschen unter 1,4 Millionen mögen statstisch betrachtet eine vergleichsweise Kleinigkeit sein, sind jedoch für die Betroffenen ein Weltuntergang.

2. Alles Mögliche in Betracht zu ziehen soll reine Energieverschwendung sein? Ja, so denken auch die Technokraten, die nicht bedacht haben, daß sich Menschen genauso verhalten könnten, wie sie es in Duisburg getan haben. Und noch jedesmal, wo Verantwortliche versagt oder um des Profits willen einen Kollateralschaden in Kauf genommen haben, wurde etwas vertuscht. Das in jedem Fall vorauszusetzen ist keine reine Energieverschwendung, sondern unabdingbar.

3. Hätten die Planer der Loveparade alles Mögliche in Betracht gezogen, wäre es nicht zu dem Desaster gekommen. Das werden nun auch Leute zugeben müssen, die alles nur unter dem Marketingaspekt betrachten. Daß (bis jetzt:) 19 Menschen gestorben und unzählige andere für ihr gesamtes Leben gezeichnet sind, mag ihnen insgeheim gleichgültig sein. Doch die Loveparade als Werbeplattform ist nun dahin, das Image des Hauptsponsors wie der Stadt Duisburg und der Veranstaltungsreihe Ruhr 2010 ist schwer beschädigt und diverse Karrieren in Politik & Verwaltung nicht minder. Auch der gute Ruf des (nomen est omen:) Panikforschers Schreckenberg ist erheblich lädiert.

4. Reine Energieverschwendung... Das werden manche gesagt haben, als sie die Warnungen hörten, die es vor dem MEGA-EVENT auch seitens der Polizei gegeben hat; siehe hier. Und genau diese Leute werden nun alles tun, um ihre Pöstchen zu behalten. Dazu gehört, daß schon manche jetzt sagen, das Sicherungssystem habe perfekt funktioniert, nur hätten sich eben einige Menschen nicht an die Spielregeln gehalten. Vgl. hierzu auch dies.

5. Ist Empathie für dich auch reine Energieverschwendung? Es scheint so.
Wednesday - 25. Jul, 16:57

Ey, hättest Profiler werden sollen, Q., aus ein paar müden Zeilen so einen Quark zu quirlen, alle Achtung. Bist Pädagoge, stimmt's? Oder Streetworker...
monoma - 25. Jul, 16:57

zum warum...

...das kann ich dir sagen: weil nach recht kurzer recherche so ziemlich alles danach aussieht, als wäre das desaster ein ergebnis aus a) profilierungssüchtigen lokalpolitikern, denen in ihrer insolventen stadt das wasser bis zum hals steht und b) veranstaltern, die das ganze event inzwischen unverblümt als reine melkkuh begriffen haben und demgemäß auch den entsprechenden umgang mit ihrer klientel an den tag legen. und beides zusammen scheint mir durchaus typisch zu sein für diverse entwicklungen diser zeit.

klar, von einer bestimmten perspektive aus kann ich sagen: "peanuts", und dazu auch noch völlig idiotische, im vergleich mit den globalen desastern. aber für mich scheint hier eine bestimmte mentalität im hintergrund durch, die ich durchaus repräsentativ finde - bis hin zum umstand, dass nicht nur die offizielle, sondern auch viele private partys in duisburg gestern noch stunden später weitergingen, als wäre nichts gewesen. die begründung am ort selbst, nicht sofort und plötzlich schluß zu machen und den hunderttausenden zu erzählen "so, das war´s, wir haben eine massenpanik mit mehreren toten und ihr geht jetzt bitte nach hause", kann ich sogar noch nachvollziehen. aber warum es zeitlich weit später
immer noch hieß "the show must go on" - ?

*

was ich weiter oben meine, wird vielleicht durch das folgende besser deutlich:

der veranstalter der parade im interview. schon aufschlussreich.

hier eine aussage zum "panikforscher" schreckenberg (der inzwischen sagte, er habe das gelände selbst nie gesehen...):

"Ich hatte beruflich schon mit Schreckenberg (auf dem Gebiet der Verkehrssteuerung) zu tun. Ein arroganter, praxisferner Mensch, der seine offensichtlich absurden, schlichtweg falschen und nicht funktionierenden Modelle (er bildet mikroskopische Situationen makroskopisch ab) auf schärfste verteidigt und aufgrund des richtigen Parteibuchs auch durchsetzt. Seine jetzigen Aussagen kenne ich genau:

1) nicht das Modell hat versagt, nur die Variable Mensch hat nicht reagiert wie vom Modell gefordert.
2) Die Ursache war daher nicht sein unfehlbares Konzept, sondern das Nichtmodellgemäße Verhalten der dummen Raver.
3) Das Modell ist ungeeignet? Was wollen sie überhaupt? Das Modell liefert doch die geforderten Größen! (O-Ton!)"


DAS sind angehörige der funktionseliten! und so kennen wir sie auch - die mentalität derer in duisburg ist für mich von derjenigen zb. im golf von mexico nicht allzusehr verschieden.

zum wesen und verhalten vieler besucherInnen sowie zur rolle der polizei wäre nochmal gesondert was zu schreiben, auch dort gibt es imo anteile, die mit beigetragen haben. aber primär lassen sich meiner meinung nach z.zt. wirklich nur die oben genannten als verantwortlich begreifen.
Wednesday - 25. Jul, 17:09

Ja, und? Inzwischen, wie anfangs geschrieben, gibt es zahlreiche Stimmen, ua die der Polizei, die die Veranstalter kritisieren usf. Nix mit "die Raver sind schuld" usf.
Daß im Kapitalismus "Vergnügen" und "Lebensfreude" durchkapitalisiert sind, wissen wir.
sansculotte - 25. Jul, 17:21

Nobody expects the Spanish Inquisition

Und doch ist sie zur Stelle, wenn man sie gerade nicht braucht, nicht wahr Quirinus? Ich denke, ich werde dich fortan In-Quirinus nennen.

Habe mich jedenfalls köstlich amüsiert, als die Projektionswand, die du errichtet hast, immer höher gegen den Himmel gewachsen ist. Der Beweis ist jedenfalls gelungen.

Zu W-day: verbrennt sie als Hexe.

@monoma: und ich dachte, ich sei hier der Verschwörungstheoretiker. Aber ich lege noch eins drauf: wer könnte denn von den Ereignissen profitieren? Wer wird das instrumentalisieren? Was wird in den nächsten Wochen als Konsequenz aus dem Vorfall behauptet, verkündet und beschlossen werden? Abschaffung der Parade und sämtlicher ähnlicher Veranstaltungen? Wem kommt das zupass? Leuten, die froh sind, wenn das Volk zuhause sitzt und die Füße stillhält?
monoma - 25. Jul, 17:46

@sansculotte

wo habe ich denn eine verschwörungstheorie gezeichnet? so mysteriös finde ich die sache dann doch nicht:

1. städtische politiker und ihr beamteter anhang einer u.a. im zuge der wirtschaftskrise pleite gegangenen stadt werden von einem veranstalter mit €-zeichen in den augen davon überzeugt, dass dieses event für sie nur positiv sein kann. v.a. in sachen imagepolierung - und für den örtlichen einzelhandel bleiben auch noch ein paar krümel hängen. dazu hat die parade - imo seit langer zeit unberechtigterweise - offensichtlich noch den ruf, ein wirklich hippes ding zu sein, frisch und jugendlich.

2. die tatsache, dass eine nachbarstadt ähnlicher größe (bochum) die geschichte im letzten jahr aus, wie inzwischen sichtbar ist, sehr guten gründen abgelehnt hat, heizt das seltsame lokalpatriotische konkurrenzdenken an.

3. mit der zeit wird das alles zu einem selbstläufer, bei dem sich die beteiligten in einem gestrüpp aus den forderungen des veranstalters und dem druck, die eigene reputation erhalten und die eigenen großmäuligen versprechungen aufrechterhalten zu müssen, verstricken.

4. bis auf ein paar (!) leute bei polizei und feuerwehr hat offensichtlich niemand eine ahnung, was so eine parade bedeutet, wie sie real aussieht und auf was man sich da als verantwortliche instanzen vorbereiten muss.

5. aus obigen grund kommt es zu klassischen fehleinschätzungen der lage im vorfeld, die dann zu falschen einschätzungen führen. kombiniert mit der gier des veranstalters (die u.a. für die umzäunung verantwortlich ist), führt das fast schon zwangsläufig zu fehlplanungen aller art - die dickste dabei überhaupt ist diejenige, zu glauben, dass die stadt und das avisierte gelände überhaupt ernsthaft geeignet sein könnten.

6. nun ist das kind in den brunnen gefallen, und die versammelte inkompetenz (heute bei der gemeinsamen pressekonferenz zu bewundern) schwitzt bei der vorstellung, all ihre kleinen und großen fehler könnten für sie persönlich irgendwelche ernsthafte konsequenzen nach sich ziehen. darum wird schöngeredet, ausgewichen, und nach meinem eindruck teils auch einfach schlicht gelogen.

wo bitte ist da die verschwörung? es ist eher die banalität der dummheit von leuten, wie sie heute allüberall in institutionellen und privatwirtschaftlichen strukturen hocken. das peter-prinzip bei der arbeit, gefördert von allseits passenden rahmenbedingungen.

mörderische dummheit.
sansculotte - 25. Jul, 18:07

One Step Beyond

Der Vorwurf der Verschwörungstheorie war ironisch gemeint. Ich gehe aber in der Tat noch einen Schritt weiter und behaupte: man will die Parade nicht.

Betrachten wir doch die Entwicklung: zuerst wird die Veranstaltung aus Berlin hinausgeekelt, dann wird die Veranstaltungsfrequenz immer schütterer (in den letzten sechs Jahren drei Mal nicht stattgefunden) und die alternativen Veranstaltungsorte im Ruhrgebiet brechen auch weg.

Was kann man mit dieser Parade wohl anstellen? Für irgendwelche Polizeiübungen lässt sich das Ding nicht nutzen, weil es nirgendwo weit und breit einen schwarzen Block oder ähnliche Betätigungsfelder für Sondereinsatzkommandos gibt. Die Sache ist eigentlich unnötig wie ein Kropf.

Hinzu kommen eine systemische Jugend- und Lebensfeindlichkeit, die auch dazu führt, dass die Organisation der Masse aus der Perpsektive des Viehtreibens erfolgt, und Umfeldrahmenbedingungen, wie du sie geschildert hast, nämlich Finanznöte und Gewinndenke.

Zum Glück findet sich eine inkompetente Stadtverwaltung, die ein Gelände für 500.000 Menschen zur Verfügung stellt. Ein schierer Wahnsinn, bedenkt man, dass die Parade in den letzten Jahren nie unter 1 Mio. Teilnehmer gehabt hat. Diese Fehlkalkulation, die Logistik der Veranstaltung, die Organisation der An- und Abzugswege (oder soll man sagen: des einzigen An- und Abzugweges), all das kann man fast schon als boshaft bezeichnen, nach dem Motto: "wenn was passiert, soll's uns auch recht sein."

Da ist mehr Sabotage dahinter als wir wahrhaben wollen.
W.Day (Gast) - 25. Jul, 18:27

Requiem für Wednesday

sansculotte - 25. Jul, 18:40

Danke,

liebe W-day, sehr expressives Video. Nur um die Missverständnisse zu vergrößern: im Prinzip geb ich dir ja recht, was deine erste Reaktion auf Mos Beitrag betrifft.

Aber wenn wir schon nach den Schuldigen suchen, dann sollten wir uns nicht mit halben Sachen zufrieden geben, weshalb mE der Beitrag auch zu kurz greift.

Wenn ich die Urheber der Katastrophe benennen soll, dann verweise ich darauf, dass der ganze Rave ohne die entsprechenden behördlichen Bewilligungen nicht stattfinden würde.

Über allem thront also das Bundesinnenministerium und das Innenministerium des Landes ...

... das es wahrscheinlich wieder so hindeichseln wird, dass der Fokus der Aufmerksamkeit auf die Veranstalter, die Raver, die Stadtverwaltung, die Polizisten vor Ort gelenkt wird. Nicht aber auf die Schreibtischtäter im eigenen Haus, die es gekonnt verstanden haben, die verschiedenen Interessenslagen gegeneinander auszuspielen bzw. für ihre Zwecke zu nutzen und zu einem explosiven Mix zu verrühren.
Wednesday - 25. Jul, 19:03

Jeder Tag ein Lebewohl...

> Video
Das kurze Stück ist aus Lens' "Flamma Flamma", ein Requiem, aus dem soweit ich mitbekommen habe nur "Deliciae meae" einige Bekanntheit erlangte. Ein zauberhaft zartes Lied, hier kann man es hören:
http://www.filestube.com/0b128f72441edd2a03e9/details.html

Kennst Du das Requiem von Cherubini? Mich ärgert manchmal, wieviel wunderbarste Musik aus Religiösität entstand; kann man sie als Atheist denn wirklich geniessen? :-D

> Aber wenn wir schon nach den Schuldigen suchen
Die Schuldfrage bringt mich immer zur Systemfrage.

Ciao
W.
sansculotte - 25. Jul, 20:21

>Kennst Du das Requiem von Cherubini?

Nein, hab ich bislang noch nicht für mich entdeckt. Vielenvielen Dank für den Hinweis (sry, dass ich dzt mit leeren Händen da stehe)!

>Mich ärgert manchmal, wieviel wunderbarste Musik aus Religiösität entstand

Bei Requien kann ich noch am ehesten darüber hinwegsehen, weil da mE die Konfrontation mit dem Tod im Vordergrund steht und die kann man ehrlich, innig und erschüttert auch ohne Rückbindung zu Glaubensgemeinschaften erfahren (woraus auch gute Musik entstehen kann ;-). Wobei ich nicht weiß, wie "religiös" zb. Nicolas Lens ist.

>Die Schuldfrage bringt mich immer zur Systemfrage

Ja, früher hab ich auch zur Ansicht geneigt, dass der überwiegende Teil der Menschen im Grunde Opfer systemischer Zwänge und Umstände ist. Aber heute weiß ich mehr als mir lieb ist, dass da draussen ein paar wirklich ausgemachte Psychopathen herumlaufen und da wird die Schuldfrage wieder seeehr persönlich. ;-)

lg, s

Nachtrag: wobei mir schon klar ist, dass es (aus den hier im blog sehr schön herausgearbeiteten Gründen) keine Veranlassung (keinen hinreichenden Grund) gibt, Psychopathen freien Willen - eine Voraussetzung für Schuld - zuzuschreiben. Nennen wir es daher eine aus der Faktizität ihres Handelns enstehende Verursacherveranwortung - mit dem Wissen, dass wir mit einem Konstrukt arbeiten.

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