notiz: objektwahrnehmung, weitere beispiele

beispiel 1: deutschland, ende der 1980er jahre.

"Als die Firma `Hot Pants´ beim Finanzamt Hachenburg im Westerland angemeldet wurde (Steuernummer 18/079/0175/7), trugen die Beamten in der Rubrik `Beruf/Gewerbe´ ohne erkennbare Bedenken ein: <Mädchen- und Frauenhandel>."

ich vermute stark, dass die psychophysische verfassung dieser beamten im kern jener geglichen hat, die ihr hier im "panorama"-interview dargestellter kollege aufweist. man(n) möchte hoffen, zufälle und ausnahmen?

"Auch andere rheinland-pfälzische Behörden nahmen an dem Gewerbe keinen Anstoß, die Industrie- und Handelskammer Koblenz gratulierte zur Existenzgründung und bot ihre Beratung an, die Gemeindeverwaltung Hachenburg änderte die Gewerbebezeichnung lediglich um in `Vermittlung von Frauen aus verschiedenen Ländern´."

sprachspiele, magie des schönen klangs - "entsorgungspark", "humankapital", "finaler rettungsschuß" usw. usw. die obige phrase fällt dagegen etwas an kurzer und prägnanter eleganz ab. aber der zweck heiligt die mittel.

um was es ging? "hot pants"...

"...war eine Scheinfirma, gegründet von dem Schriftsteller Klaus-Peter Wolf, der sich bei den Recherchen für seinen Roman "Traumfrau" in der Branche umsah.
(...)
"Hot Pants"-Gründer Klaus-Peter Wolf wurde von den Behörden übrigens noch 1990 als "Frauenhändler" geführt. Als der Schriftsteller seinen Roman aus dem Männer-Milieu veröffentlichte und dabei die problemlose Anmeldung des Gewerbes offenbarte, stritt die Industrie- und Handelskammer Koblenz zunächst empört ab, daß sie Menschenhändler in ihren Reihen dulde. Ende Juni 1990 erhielt Wolf von ihr aber wieder eine Rechnung - über den Jahresbeitrag 1990, mit einer Mahnung für den noch ausstehenden von 1989."

(alle zitate aus: ekkehard launer (hg.), "frauenhandel", lamuv, göttingen 1991; s. 107, 113; isbn 3-88977-254-4)


*

beispiel 2 - eher aber können Sie sich, wie oben auch, unzählige beispiele
vorstellen - eine auswahl:

08.07.2005:
"Wien (APA) - Im südlichen Afrika, vor allem in Mocambique, werden Kinder getötet, um ihnen Organe zu entnehmen: Diesen Alarmruf formulierte laut Kathpress der irische Servitenpater Patrick Carroll bei der Internationalen Missions-Studientagung in Wien. Laut Carroll verschwinden in Mocambique immer wieder Kinder; später würden ihre verstümmelte Leichen aufgefunden, denen offenbar Organe entnommen wurden. (...)"

16.10.2004:
"(...)Neben dem Drogengeschäft hat sich Augenzeugen zufolge offensichtlich die Entführung von Kindern zu einem blühenden Geschäft entwickelt. Sie werden von der Straße und manchmal sogar aus ihrem Haus entführt. Wenn sie Glück haben, kommen sie mit dem Leben davon, wie in dem Fall, von dem die pakistanische Nachrichtenagentur (PNS) jüngst berichtete. Ein Vater wurde aufgefordert, 4 500 US-Dollar für seinen entführten Sohn zu zahlen. Der schriftlichen Aufforderung lag ein abgeschnittener Finger des Kindes und der Hinweis bei, daß das nächste Paket, das der Vater erhalten würde, den Kopf des Entführten enthielte – es sei denn, der Vater reagierte umgehend positiv. Was er tat, so daß er seinen Sohn nackt und unter Drogen gesetzt tatsächlich zurückbekam.

In vielen anderen Fällen dagegen werden die Entführten ermordet und sogleich systematisch ausgeschlachtet. Der von Jane Stillwater zitierte Augenzeuge sagte aus: »Es passiert dauernd, daß die Leichen junger Menschen gefunden werden, denen die Herzen, die Nieren, die Lebern und selbst die Augen fachmännisch herausgeschnitten wurden. Kein Organ wird verschwendet.« Die Autorin fragte schlußfolgernd daraus im Baltimore Chronicle: »Wie würden Sie das nennen? Recycling, Ökologie, Organic Farming? (...)"«


Sie dürfen gerne selbst weiter rercherchieren - es ist eine sprachlos machende, deprimierende angelegenheit. wobei - nach der sprachlosigkeit kommt hoffentlich irgendwann die wut.

"systematische ausschlachtung"... - wieder ein kleines experiment: stellen Sie sich´s vor, versuchen Sie es. in was für einen mentalen zustand geraten Sie dabei? was fühlen Sie?

*

beispiel 3: bei näherer betrachtung sind auch die oben skizzierten beispiele genauso wie das folgende letztlich variationen ein und des gleichen themas. ein thema, das auch an so einem wunderschönen herbsttag wie heute real und aktuell ist.

was fällt Ihnen ein, wenn Sie das wort "sklaverei" hören? afrika? die us-amerikanischen südstaaten? onkel toms hütte? fragen Sie einmal in Ihrem umfeld nach den bezgl. assoziationen. ich vermute, sehr selten bis nie werden Sie dabei das zu hören bekommen:

"...ist die Sklaverei auch heute noch weit verbreitet. Die Liste ist quälend lang und enthält traditionelle Sklaverei, Leibeigenschaft, unfreie Arbeit und Zwangsarbeit, auch von Kindern, Frauen und Migranten, oft verbunden mit sexueller Ausbeutung oder häuslicher Sklavenarbeit.

Die häufigste Form der heutigen Sklaverei ist mit weitem Abstand die Schuldknechtschaft. Laut dem Zusatzübereinkommen der Vereinten Nationen über die Abschaffung von Sklaverei, Sklavenhandel und sklavereiähnlichen Einrichtungen und Praktiken aus dem Jahr 1956 wird Schuldknechtschaft so definiert: Schuldknechtschaft ist eine rechtliche Stellung oder Lage, die entsteht, wenn ein Schuldner als Sicherheit für eine Schuld seine Dienstleistungen oder die einer Person unter seiner Kontrolle (etwa eines Kindes) verpfändet, der tatsächliche (in angemessener Weise festgesetzte) Wert dieser Dienstleistung aber nicht zur Tilgung der Schuld dient, oder wenn diese Dienstleistungen nicht nach Dauer und Art begrenzt und bestimmt sind. Durch das Zusatzübereinkommen gilt auch die Schuldknechtschaft als verbotene Sklaverei.

Der Mechanismus der Schuldknechtschaft sieht in der Praxis so aus: Zur Rückzahlung eines Darlehens werden Schuldknechte zur Arbeit gezwungen - oft sieben Tage in der Woche. Sie erhalten einen sehr geringen Lohn, wovon noch Kosten für Unterkunft und Verpflegung abgezogen werden. Angeblich schlechte Arbeit wird mit weiterem Lohnabzug bestraft. Durch Wucherzinsen wächst der Schuldenberg, der nicht selten von den Eltern auf die Kinder übertragen wird. Auf diese Weise werden oft mehrere Generationen in die Schuldknechtschaft gezwängt.

Diese Praxis ist zum Beispiel in der Landwirtschaft Südasiens verbreitet. Um ein kleines Stück Land zu erwerben, verkaufen arme Familien ihre Arbeitskraft und geraten so in Schuldknechtschaft des Großgrundbesitzers.

Die moderne Variante der Schuldknechtschaft gründet auf betrügerischen Arbeitsverträgen. Sie ist in Südindien, Brasilien und einigen anderen lateinamerikanischen Staaten zu finden. Skrupellose Mittelsmänner bieten illegalen Wanderarbeitern einen Arbeitsplatz in einer weit entfernten Stadt oder in einem anderen Land an. In der Not unterschreiben sie den Vertrag. Zur Begleichung der Reisekosten nehmen sie ein Darlehen auf, das ihnen dieselben Mittelsmänner großzügig anbieten....

Weltweit geraten 700.000 Menschen pro Jahr in die Schuldknechtschaft, schätzt das VN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Auch die Zahlen der ILO, von Anti-Slavery International und anderen Menschenrechtsorganisationen belegen, dass solche sklavereiähnlichen Praktiken alles andere als eine Seltenheit sind. Oft sind Kinder besonders betroffen. Aus einigen Ländern Afrikas sind Praktiken wie Kinderverkauf, Zwangsarbeit oder Zwangsrekrutierung von Kindern für bewaffnete Konflikte bekannt. Weltweit organisiert ist der Handel mit Mädchen und Frauen, die in die Prostitution gezwungen werden. Er gehört zu den lukrativsten Aktivitäten der organisierten Kriminalität.

Mit mindestens 27 Millionen ist die Gesamtzahl heutiger Sklaven bald so groß wie die Einwohnerzahl Kanadas und viermal größer als die der Schweiz."


bilden Sie sich ruhig weiter ein, all das hätte mit uns hier und unserem leben nichts zu tun - schließlich leben wir ja in einer aufgeklärten hochzivilisation. nicht wahr?

aber objektwahrnehmung schert sich nicht um die selbsttäuschungen, illusionen und verdrängungen, mit deren hilfe wir uns mehr oder weniger jeden tag selbst in die tasche lügen. sie ist eine neurophysiologisch basierte wahrnehmungsoption - eine option, die spätestens im sozialen bereich kein stück mehr wünschenswert erscheint.

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