notiz: ein gesetzentwurf, ein urteil, und eine analyse

manchmal benutze ich das blog für mich auch als eine art notizzettel, um interessante infos bzw. artikel vorläufig festzuhalten - weitere kommentierung meinerseits vorbehalten.

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Psychisch Kranke werden ausgeforscht , so die überschrift eines artikels der aktuellen taz. eines von derzeit vielen bereits verabschiedeten oder in der diskussion befindlichen gesetzen in vielen verschiedenen bereichen, die nichts gutes ahnen lassen.

"Der Bundesrat will den Behörden Ermittlungen im persönlichen Umfeld von Alten und psychisch Kranken ohne Zustimmung der Betroffenen erlauben. Bundesregierung begrüßt entsprechenden Gesetzentwurf der Länder, Verbände und FDP protestieren

Die Behörden sollen künftig das persönliche Umfeld von Alten und psychisch Kranken ohne deren Wissen und Zustimmung ausforschen können, um eine Betreuung vorzubereiten. Dies sieht ein Gesetzentwurf des Bundesrats vor, den die Bundesregierung unterstützt. "Das erinnert an Methoden einer Geheimpolizei in totalitären Staaten", kritisiert René Talbot von der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrieerfahrener das Vorhaben."(...)


"Im persönlichen Umfeld des Betroffenen, also bei Verwandten, Nachbarn oder an der Arbeitsstelle, darf die Behörde bisher aber nur Erkundigungen einholen, wenn der vermeintlich Kranke zustimmt. Hier setzt die geplante Änderung des Betreuungsbehörden-Gesetzes an. Wenn der zu Überprüfende (nach ärztlicher Feststellung) schon so verwirrt oder krank ist, dass er gar keinen rechtlich bindenden Willen mehr bilden kann, soll die Behörde auch ohne seine Zustimmung mit Menschen aus seinem Umfeld sprechen können. Die Länder wollen so "Verfahrensverzögerungen" verhindern. Die neuen Befugnisse der Behörden seien im Interesse des Betroffenen.

Das sehen Psychiatriekritiker aber ganz anders. "Auch als psychisch Kranker hat man ein Recht darauf, dass nicht alle Nachbarn und Arbeitskollegen von der Krankheit erfahren", kritisiert Matthias Seibt vom Landesverband Psychiatrieerfahrener NRW. "Die Betreuungsbehörde kann, ohne dass der Betroffene irgendetwas davon erfährt, dessen Ruf zerstören."(...)


wie bereits heute die bestehende gesetzeslage teils von behörden ausgelegt wird, war vor einiger zeit schon hier - "von alten damen und ministern" - zu lesen. ich hatte damals u.a. geschrieben:

(...)"die ganz geschichte macht sehr deutlich das grundsätzliche dilemma sichtbar, das ich weiter unten schon mal genauer umschrieben hatte: psychiatrische diagnosen können reale, für einen menschen bzw. das jeweilige umfeld tatsächlich gefährliche und bedrohliche krankhafte prozesse erfassen - aber in ihrem jetzigen status quo, der meist sehr interpretierbar ist, können sie genausogut zu allerlei schweinereien übelster art benutzt werden. und zwar ganz nach "recht und gesetz". die obige richterliche begründung jedenfalls folgt ziemlich genau dem muster, mit dem bspw. auch in totalitären systemen unliebsame kritikerInnen der verhältnisse kalt gestellt werden."(...)

und das letztere thema wird spätestens mit der jetzt geplanten gesetzesänderung ganz aktuell - einmal werden die aktuellen psychiatrischen diagnosemodelle (deren blinde flecken und faktische ignoranz, was real vorhandene verrückheiten bspw. von sog. führungspersonen betrifft, hier schon öfter beschrieben worden sind) damit tatsächlich zu einer art von waffe, deren destruktives potenzial in skrupellosen händen ungeheure ausmaße annehmen kann - siehe auch hier - und zum anderen ist dabei auch diese entwicklung zu berücksichtigen:

(...)"Ihre Sorge über die Zunahme psychischer Leiden hat die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen in einer Resolution „Gesundheit und soziale Lage“ ausgedrückt. „Zukunftsängste, Arbeitslosigkeit, Armut, wachsende Vereinzelung und das Auseinanderbrechen von Familien lösen immer häufiger Suchtprobleme und psychische Erkrankungen aus, die in vielen Fällen zu Berufs- und Erwerbsunfähigkeit führen“, erklärten die Delegierten am 25. März in Bad Nauheim.

Auch für Arztbesuche und Krankschreibungen seien zunehmend psychische und soziale Leiden verantwortlich, erklärten die hessischen Delegierten. Sie führen dies auf die gesellschaftliche Entwicklung zurück, in der „Solidarität und die Würde des Einzelnen der ökonomischen Ausrichtung nachgeordnet werde“.(...)


das eröffnet den strategen der sog. "inneren sicherheit" natürlich große möglichkeiten - die sog. psychiatrisierung von politischer opposition ist nicht nur in ländern wie weißrussland ein fast schon traditionelles mittel , sondern bis heute auch bspw. in china. und immer wieder auch in der brd zu beobachten gewesen, zb. in vielen verfahren gegen totale kriegsdienstverweigerer (also diejenigen, die auch den sog. zivildienst wg. seiner ersatzdienstfunktion und einbindung in die militärische planung abgelehnt haben) besonders in den 1980er jahren.

wie viele andere sehr bedenkliche entwicklungen auch, erfordert ebenfalls dieses geplante gesetz eigentlich größte öffentliche beachtung. eigentlich.

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dieses gesetz wird zudem in einem staat geplant, der ganz frisch vom europäischen gerichtshof verurteilt worden ist - ja, manchmal geschehen noch zeichen und wunder:

"Der Einsatz von Brechmitteln gegen Kleindealer verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Deutschland wurde deshalb gestern vom Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt. Der Brechmitteleinsatz sei eine "inhumane und erniedrigende Behandlung", entschieden die Richter mit 10 zu 6 Stimmen. Wenn der Staat auf diese Weise gewonnene Beweismittel im Strafprozess verwendet, verstoße dies gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Die Bundesrepublik muss dem Kläger Abu Bakah Jalloh jetzt 10.000 Euro Schmerzensgeld bezahlen."(...)

"inhumane und erniedrigende Behandlung" ist übrigens im allgemeinen sprachgebrauch nichts weiter als ein synonym für folter (und diesen älteren artikel verlinke ich deshalb nochmal, damit deutlich wird, dass die von gewissen personen und institutionen immer wieder angestrebte faktische aufweichung des folterverbotes in der brd - auch, wenn´s um tatsächlichen oder eingebildeten terrorismus geht - keinesfalls ein für sich alleine stehender skandal ist. wie spätestens dieses jetzige urteil deutlich machen sollte. ich bin mal gespannt auf die öffentlichen reaktionen. und nein, auch wenn ich dieses urteil mal ausnahmsweise bemerkenswert positiv finde, so sehe ich deshalb doch keinen grund dafür, mein grundsätzliches mißtrauen in die heutigen formen der justiz zu revidieren. und nochmals nein, mit dem problem der illegalisierung psychoaktiver stoffe mitsamt allen damit zusammenhängenden konsequenzen hat dieses urteil auch nur am rande zu tun - hier geht es darum, was ein staat an grenzen überschreiten darf.

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wenn ein emeritierter professor für philosophie sich mittels der orthodoxen freudschen psychoanalyse an der Psychopathologie der Abzockerei versucht, dann kann dabei so etwas herauskommen:

(...)"Die Moral der Geschichte von dieser politischen Psychopathologie der Abzockerei in einem wild gewordenen Kapitalismus lautet für einen kritischen, mit der Geschichte der Kapitalismustheorie vertrauten Geist: Das Es hat Adam Smiths angeblich so segensreicher, für eine gerechte Verteilung der Güter sorgenden «unsichtbaren Hand» das Steuer aus den Händen gerissen, es triumphiert frohlockend über das Über-Ich und verjagt aus dem Ich die letzten Ahnungen einer Aufklärung, der es, nach Kant, um den «Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit» ging."(...)

das es als alter amokfahrer sitzt jetzt am steuer, lacht hämisch das über-ich auf dem beifahrersitz aus und treibt das ich auf dem bürgersteig in eine tiefe verzweiflung. so sehen also die analytischen versuche der alten europäischen intelligenz aus. *seufz*

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