kontext 31: "fiktionale glaubwürdigkeit"
nicht vergessen möchte ich den hinweis auf ein interview mit einem angehörigen der branche, deren tätigkeit als professionelle fake-industrie vermutlich schwer unterschätzt wird. einige gleichzeitig erschütternd und erfreulich deutliche auzüge:
(...)"Sie behaupten auch, Ehrlichkeit sei für die Politik kein relevantes Kriterium.
Kocks: Richtig. Und das ist kein Zynismus, das ist der Zustand des Aufgeklärtseins. Die Wahrheitskategorie hat mit Geschäften nichts zu tun. Ein Autohändler möchte Geschäfte machen, und ein Politiker möchte das auf einer anderen Ebene auch. In Demokratien müssen Sie Machtausübung - zynisch könnte man sagen: leider - legitimieren. Deshalb müssen Sie die Leute von Ihren politischen Maßnahmen überzeugen. Dass es dabei nicht um die reine Wahrheit geht, ist mittlerweile Allgemeingut. Auf die Frage: 'Glauben Sie Politikern?', antworten nur 15 Prozent uneingeschränkt mit ja. Und die müssen Sie im Grunde genommen zum Arzt schicken."(...)
so wird auch noch ganz nebenbei die bedeutung des wortes "aufklärung" manipuliert: in der denkwelt dieses konstruktivisten ist das offensichtlich die rein kognitive wahrnehmung eines zustands der sozialen zerstörung, die lediglich objektivistisch registriert und unter dem eigenen nutzkalkül bewertet wird. zynisch bleibt das allerdings weiterhin, und die konstatierte - angebliche - nichtbeziehung von wahrheit und geschäften klingt haargenau wie die hier dokumentierte behauptung, das gefühle und "geschäfte" nichts miteinander zu tun hätten. haben sie auf einer ebene auch nicht, aber ganz anders, als es die zitierten meinen. es ist eigentlich unglaublich, dass diese selbstdemaskierungen von protagonisten der herrschenden a-sozialen zustände ohne sichtbare konsequenzen bleiben.
und dann wird es noch deutlicher - was für einen begriff von authentizität hat so jemand?
(...)"Also geht es in der politischen Auseinandersetzung darum, wer der bessere Schauspieler ist?
Kocks: Es geht um fiktionale Glaubwürdigkeit. Wir können einen Politiker nicht als Person beurteilen, weil wir ihn nicht wirklich kennen, sondern nur in seiner Rolle. Die kann er authentischer oder weniger authentisch spielen. Authentizität ist eine bestimmte Art der Inszenierung, auf die wir mit der Zubilligung von Vertrauen reagieren. Authentizität ist aber nicht Wahrheit: Leute, die im Stadttheater sitzen und den Hamlet sehen, glauben doch nicht, sie wären jetzt wirklich in Dänemark und es wären Geister da"(...)
"authentizität ist eine bestimmte art der inszenierung" - so klingt das gerede der völlig flexibilisierten, globalisierten und konstruktivistischen ich-manager, die den waren-fetischismus, die verdinglichende logik und ihren letztlich funktional autistischen wahrnehmungsstatus in totalität als ersatzoption und identitätskrücke für verlorengegangene (selbst-)wahrnehmungsfähigkeiten - und in letzter konsequenz für ihren fehlenden persönlichkeitskern (durchaus materiell gemeint) - akzeptiert haben (früher waren dafür bevorzugt götter und nationen beliebt - aber auch die haben ja bekanntlich eine art revival).
natürlich kann authentizität auch simuliert werden, aber hier geht es um jemanden, der ganz offensichtlich nichts anderes als simulationen wahrnimmt (bzw. wahrnehmen kann). und seine beschriebenen schwierigkeiten mit seiner branche dürften eher daher rühren, dass er seinen wahrnehmungsstatus bis in die letzte konsequenz hinein deutlich werden lässt - und dabei womöglich berufsspezifische strukturen zu sehr kenntlich macht.
(...)"Mit welchem Rollenbild möchten Sie denn gerne wahrgenommen werden?
Kocks: Ich? Der käufliche Intellektuelle. Klar. Brain to hire."
sich selbst zur nutte machen und stolz drauf sein. sie wissen irgendwo, was sie tun. andererseits wissen sie´s auch wieder nicht - sonst würden sie vor sich selbst schreiend davonrennen.
(...)"Sie behaupten auch, Ehrlichkeit sei für die Politik kein relevantes Kriterium.
Kocks: Richtig. Und das ist kein Zynismus, das ist der Zustand des Aufgeklärtseins. Die Wahrheitskategorie hat mit Geschäften nichts zu tun. Ein Autohändler möchte Geschäfte machen, und ein Politiker möchte das auf einer anderen Ebene auch. In Demokratien müssen Sie Machtausübung - zynisch könnte man sagen: leider - legitimieren. Deshalb müssen Sie die Leute von Ihren politischen Maßnahmen überzeugen. Dass es dabei nicht um die reine Wahrheit geht, ist mittlerweile Allgemeingut. Auf die Frage: 'Glauben Sie Politikern?', antworten nur 15 Prozent uneingeschränkt mit ja. Und die müssen Sie im Grunde genommen zum Arzt schicken."(...)
so wird auch noch ganz nebenbei die bedeutung des wortes "aufklärung" manipuliert: in der denkwelt dieses konstruktivisten ist das offensichtlich die rein kognitive wahrnehmung eines zustands der sozialen zerstörung, die lediglich objektivistisch registriert und unter dem eigenen nutzkalkül bewertet wird. zynisch bleibt das allerdings weiterhin, und die konstatierte - angebliche - nichtbeziehung von wahrheit und geschäften klingt haargenau wie die hier dokumentierte behauptung, das gefühle und "geschäfte" nichts miteinander zu tun hätten. haben sie auf einer ebene auch nicht, aber ganz anders, als es die zitierten meinen. es ist eigentlich unglaublich, dass diese selbstdemaskierungen von protagonisten der herrschenden a-sozialen zustände ohne sichtbare konsequenzen bleiben.
und dann wird es noch deutlicher - was für einen begriff von authentizität hat so jemand?
(...)"Also geht es in der politischen Auseinandersetzung darum, wer der bessere Schauspieler ist?
Kocks: Es geht um fiktionale Glaubwürdigkeit. Wir können einen Politiker nicht als Person beurteilen, weil wir ihn nicht wirklich kennen, sondern nur in seiner Rolle. Die kann er authentischer oder weniger authentisch spielen. Authentizität ist eine bestimmte Art der Inszenierung, auf die wir mit der Zubilligung von Vertrauen reagieren. Authentizität ist aber nicht Wahrheit: Leute, die im Stadttheater sitzen und den Hamlet sehen, glauben doch nicht, sie wären jetzt wirklich in Dänemark und es wären Geister da"(...)
"authentizität ist eine bestimmte art der inszenierung" - so klingt das gerede der völlig flexibilisierten, globalisierten und konstruktivistischen ich-manager, die den waren-fetischismus, die verdinglichende logik und ihren letztlich funktional autistischen wahrnehmungsstatus in totalität als ersatzoption und identitätskrücke für verlorengegangene (selbst-)wahrnehmungsfähigkeiten - und in letzter konsequenz für ihren fehlenden persönlichkeitskern (durchaus materiell gemeint) - akzeptiert haben (früher waren dafür bevorzugt götter und nationen beliebt - aber auch die haben ja bekanntlich eine art revival).
natürlich kann authentizität auch simuliert werden, aber hier geht es um jemanden, der ganz offensichtlich nichts anderes als simulationen wahrnimmt (bzw. wahrnehmen kann). und seine beschriebenen schwierigkeiten mit seiner branche dürften eher daher rühren, dass er seinen wahrnehmungsstatus bis in die letzte konsequenz hinein deutlich werden lässt - und dabei womöglich berufsspezifische strukturen zu sehr kenntlich macht.
(...)"Mit welchem Rollenbild möchten Sie denn gerne wahrgenommen werden?
Kocks: Ich? Der käufliche Intellektuelle. Klar. Brain to hire."
sich selbst zur nutte machen und stolz drauf sein. sie wissen irgendwo, was sie tun. andererseits wissen sie´s auch wieder nicht - sonst würden sie vor sich selbst schreiend davonrennen.
monoma - 19. Jan, 15:30
Authentizität
Meine eigene Definition von Authentizität ist "schlicht" folgende: Dass sich eine Person - ein Mensch gibt - wie er wirklich ist. Also zielt meine Betrachtungsweise vorwiegend auf die Echtheit einer Person ab. Die anderen Übersetzungungsmöglichkeiten mit Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit können zutreffen müssen aber nicht. Kurz eine authentische Person muss für mich keine "gute" Person sein - es erleichtert lediglich die Einschätzung - es kann sich dabei allerdings auch um ein "zuverlässsiges menschliches A*rschloch" handeln.
Allerdings erschreckt mich an dem von Dir zitierten Auszug weniger die Aussagen des Interviewten selbst, sondern die Tatsache - dass sich meinem Eindruck nach - die von ihm beschriebenen "Zustände" - lange nicht mehr nur auf die Wirtschaft, Manager und ähnliches zutreffen.
In meinem Blog habe ich mich die Tage u.a. darüber ausgelassen, dass es hier in Deutschland es vielen Menschen oft nicht mehr möglich ist - jemanden zu kritisieren bzw. auf Fehler aufmerksam zu machen ohne das dabei gleichzeitig die gesamte Person "abgewertet" wird.
In diesem Zusammenhang muss ich auch eines der Diagnosekriterium von Borderline-Störungen denken - nähmlich die "fehlende Objektkonstanz" (Die Fähigkeit, andere als komplexe Menschen wahrzunehmen, die sich dennoch widerspruchsfrei verhalten können). In der entsprechenden Literatur liest man dann ja auch, dass sich diese Menschen sich selbst bei Kritik von Außen komplett als Person abgewertet (bewertet) fühlen und entsprechend reagieren.
Eine Frage, die für mich daraus resultiert ist (ob ich selbst an das Borderline-Konstrukt wirklich glaube - weiß ich nicht genau - ich weiß nur, dass mir - wie auch bei anderen Erkrankung vieles einfach nicht vollständig erfasst oder sich einfach für mich Unstimmig anfühlt oder ich das Gefühl nicht loswerde, dass es mehr Diagnosen als Erkrankungen gibt):
Was wenn dieser Eindruck stimmt? Wenn einige Menschen die Gesellschaft einfach diese stärker (und echter) spiegeln?
Wie oft hört man nach einer Kritik: Da sind Sie nicht persönlich mit gemeint. Falls Sie das Annehmen irren Sie sich! Was wenn sich die kritisierende Person über ihr eigenes Verhalten irrt? Zynisch könnte man sagen. Praktisch - man hat dann man jemanden abwerten (merkt es selbst vielleicht nicht mal - jedenfalls nicht bewußt) und kann dann die andere Person sogar für "verrückt" erklären.
Erinnert mich stark an (sozial vererbte?) Manipulationstechiken.
Das waren jetzt einfach mal ein paar unsortierte Gedanken zu diesem Thema.
Lg, Saranya
@saranya
ja. er redet von deutlich von fakes und als-ob-konstrukten - die ja, wie ich hier an verschiedenen stellen schon versucht habe deutlich zu machen, nicht generell ein problem darstellen (die fähigkeit zu fiktionen aller art gehört untrennbar zum menschlichen leben und kann auch gute dienste leisten). aber in einer position der dominanz, v.a. im bereich sozialer beziehungen, sind sie eindeutig ein problem.
was sich u.a. immer daran erkennen lässt, dass die betroffenen behaupten, es gäbe zwischen authentizität und simulation "eigentlich" keinen unterschied - nicht umsonst haben sich postmoderne philosophien wie der konstruktivismus im letzten jahrzehnt so derart in allen möglichen sozialen bereichen verbreitet.
"Meine eigene Definition von Authentizität ist "schlicht" folgende: Dass sich eine Person - ein Mensch gibt - wie er wirklich ist. Also zielt meine Betrachtungsweise vorwiegend auf die Echtheit einer Person ab. Die anderen Übersetzungungsmöglichkeiten mit Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit können zutreffen müssen aber nicht. Kurz eine authentische Person muss für mich keine "gute" Person sein - es erleichtert lediglich die Einschätzung - es kann sich dabei allerdings auch um ein "zuverlässsiges menschliches A*rschloch" handeln."
ich glaube, deine definition lässt sich auch kürzer fassen: ein mensch ist - punkt. sich authentisch zu "geben" - im sinne von darstellen - stellt für mich einen widerspruch in sich dar.
den letzten punkt von dir oben finde ich gerade am spannendsten: ein authentisches arschloch? auch ich übersetze authentizität nicht per se mit "gut", allerdings glaube ich
nicht, dass in der gerade genannten wortkombination das attribut "authentisch" eher eine bedeutung hat, die einer metapher gleichkommt. wenn ich mal das zugebenermaßen extreme beispiel eines neurophysiologisch als solchen tickenden soziopathen nehme, dann lässt sich so jemand in seiner art und weise des lebens ebenfalls als "authentisch" betrachten - allerdings nur hinsichtlich seiner ständigen simulativen funktionsweise. und trotzdem würde ich daran festhalten, dass hier das wort authentisch letztlich fehl am platz ist - also von einer rein beschreibenen ebene hin zu einer inhaltlich gefüllten, die deutlich werden lässt, dass es sich sowohl beim soziopathen als auch bei solchen zeitgenossen wie dem pr-mann eben nicht um menschen handelt, die ihr leben - aus welchen gründen auch immer - in der hauptsache in einem authentischen modus leben.hm. ich weiß grad schon mal wieder nicht, ob ich den punkt wirklich getroffen habe, um den es mir geht. aber ich lass es erstmal stehen ;-)
Hmmm ...
Also an Soziopathen hatte ich bei meiner Überlegung nicht gedacht. Nur die kommen für mich erst gar nicht authentisch rüber, weil ich bei ihnen kaum bis gar keine Emotionen fühle/spüre. Aber nach dieser Definition ist natürlich auch ein Soziopath.
Für meine persönliche Definition heißt das: Authentizität - also die Echtheit - eines Menschen ist, wenn eine Handlung (z.B. auch Sprechen) mit seinen nonverbalen und emotionalen Signalen übereinstimmt.
Auch hier ist der Soziopath mit inbegriffen, ob mir das nun jetzt passt (tut es nicht *lach*) oder nicht. Nichts desto trotz fühlt sich ein Soziopath für mich nicht echt an, weil mir die Emotionen fehlen. Insofern stimme ich da voll mir Dir überein. Die Ratio stößt mal wieder an die Grenzen des Fühlens .... ;o))
Was das "authentische" Arschloch angeht: das ist dann eben Eines, welches sich dennoch "menschlich" zeigt - also auch seine Gefühle ;o))) Mit der Metapher das könnte hin kommen - ich denke und rede viel in Bildern.
Lg,
Saranya