Ein Gruß an Monoma und alle anderen, die sich für das Thema authentisches versus mechanistisches oder simuliertes Leben interessieren.
Ich glaube nach dem sorgfältigen Lesen der letzten Beiträge, daß eigentlich nur noch ein paar Verbindungsglieder in der Gedankenkette fehlen, die in dem gegenseitigen Austausch hier schon entsteht.
Es ist wieder ähnlich wie schon letztens, alle Einzelteile Deiner Antworten finde ich gut nachvollziehbar, auch wenn ich es mehrfach lese. Das geht mir keinesfalls mit anderen auch immer so, sonst ist es schon häufig, daß ich einen ganz anderen Eindruck habe.
Was noch etwas im Verständnis zwischen uns fehlt, scheinen Bezugspunkte zu sein, die mit einigen Kernmechanismen des "nichtauthentischen Lebens" zusammen hängen. Dazu einige Stichworte, die sich auch noch weiter ausbauen lassen. Sozusagen Psychologie pur.
Da, wo nichtauthentisches Leben (bzw. "Nichtleben") geschieht, würde ich annehmen, daß es jeweils Personen sind, die einen nicht gut aufgebauten Ichkern haben. Nichts anderes steht ja auch in den meisten Borderline-Büchern (vgl. "Locj im Ich" bis "Wackelpudding"). Das ganze Problem führt doch letztlich auf das Selbst, auf die Person, auf eine integrierte oder unintegrierte, mit der Umwelt und dem eigenen Körper in einem stabilen und wechselseitigen Austausch befindliche oder abgetrennte Person.
Diese guten Voraussetzungen für ein integriertes Leben haben Autisten, Borderliner und manche andere Menschen nicht, und zwar sicherlich durch zwei "Ungünstigkeiten":
- einmal durch Ungünstigkeiten, die schon in der eigenen Veranlagung liegen - hier überzeugt mich immer noch am meisten der Ansatz, daß eine Neigung zu starken und hochschießenden Emotionen dabei hinderlich ist. Das ließe sich im Einzelnen auch leicht illustrieren und an Beispielen belegen.
- Zweitens dann eine Neigung der Umwelt, sozusagen "ich-ungünstig" auf solch einen Menschen zu reagieren.
Das vielleicht maximal "Ich-Ungünstige" scheint für den Betroffenen Mißbrauch zu sein, denn er wird dann als Ich und eigenbedürftige Person völlig negiert und zerstört.
Bei einem nur oberflächlichen "Versorgungskontakt" à la Mertz kommt es ebenso zu einer Nichtung der eigentlichen Person. Auf der dinglichen Ebene, so Mertz, kann die Versorgung perfekt sein, seelisch kann trotzdem total genichtet werden.
Jetzt konkret zu den Mechanismen, die im Einzelnen "ich-schädlich" sind und die auch als Verstärker wirken und sich dann einzementieren. Du hast ja völlig recht, der Ansatz von Linehan wirkt nicht nur mechanistisch, er ist es auch, denn sie dröselt genau solche ungünstigen Verhaltensverstärker auf.
Wenn Du ein "Ich" des anderen nichten willst, gibt es ja durchaus verschiedene Möglichkeiten, ein ganzes Arsenal. Du solltest den anderen schon mal nicht so ernst nehmen. Günstig wäre sogesehen auch, möglichst bald in eine Art "Kampfhandlung" oder "Kampfansage" einzutreten und dem anderen latent feindlich zu begegnen. Dazu gehört dann auch, den anderen durch gehöriges Einschüchtern und Widersprechen in die Schranken zu weisen.
Dann wäre es sinnvoll, zur Ich-Schwächung des anderen so zu reagieren, als ob er immer unrecht hat. Dabei gibt es nun viele verschiedene Optionen, das dürften mehrere hundert sein: bewährt wäre es, alle Sätze mit "aber" zu beginnen, wenn der andere was sagen will. Wenn man nur immer genug dementiert, wird der andere irgendwann so an sich zweifeln, daß sein Ich ganz infragegestellt sein wird.
Am gravierendsten ist das bei allen Gefühlsprozessen. Man melde also zurück: Dein Gefühl ist übertrieben. Oder: das Gefühl, das Du zeigst, hat gar kein Existenzrecht, es ist sozusagen unzulässig abgeleitet von Dir. Derjenige, dem man so begegnet, wird dann auch gefühlshaft überhaupt keine Sicherheit erwerben.
Was kann man noch tun, um ein anderes Ich zu schwächen? Man kann es lächerlich machen. Sowas tut besonders weh. Man kann also über die Verhaltensweisen des anderen lästern oder höhnen. Auch das ein gutes Mittel, um ein anderes Selbst zu stören und zu schwächen.
Ganz probat dürfte auch immer das Ignorieren des anderen sein. Also genau die Art von Pseudokontakt, die Mertz so schön beschreibt.
Was dann auffällt, ist, daß solches Verhalten einen ungeheuren Funktionsgewinn hat: man hält sich den anderen nämlich vom Leibe, es funktioniert tatsächlich so, wie Pollmann es auch ins einem Aufsatz beschreibt, nämlich via "Abstandshaltung".
Man blendet den anderen auf Dauer als Individuum aus und geht gar nicht persönlich auf ihn ein. Wo ist das besonders wirkungskräftig? Klar, auf der Ebene der Gefühle und der Wünsche des anderen. Hier nur genügend ignoriert und abgeblockt, dann wird dieses andere Ich schon klein und häßlich bleiben, ungehört und unerhört, wie es dann ist.
Eine weitere probate Methode ist es auch, sich unberechenbar zu verhalten. Übrigens beschreibt Mertz durchaus alles, was ich hier aufzähle. Bei unberechenbarem Verhalten hat das andere Ich sehr wenig Anker, wie es sich "richtig" verhalten soll. Es wird immer unsicherer werden, und den eigenen Gefühlen garantiert nicht mehr so richtig trauen.
Dann hat man also, ohne zu viel Hirnakrobatik, schnell den klassichen Borderline-Typen, nämlich jemanden, der nicht genau weiß, wer er ist, was er will, was er fühlt, und was wirklich richtig und falsch ist, wenn er aucgh noch so maßlos versucht, Ordnung da hinein zu bekommen. Man hat dann genau die Art Wackelpudding der Persönlichkeit, die Mertz charakterisiert, man hat Menschen, die unentwegt Gefühle heranbilden, Wünsche heranbilden, und in der Sekunde, wo sie aktualisiert werden würden bei einem gesunden Menschen, werden sie bei diesem ichschwachen Menschen wieder weggeblockt, abgezogen, verunklart, sich selbst verboten. Spüren ist hier ja schon abgewöhnt. Alice Miller sagte es ja auch mal so schön, "Du sollst nicht merken", das ist genau dieser Prozeß. Dazu gehört übrigens tatsächlich auch eine gewisse Begabung dazu.
Das ist nichts anderes als ein Lernvorgang.
Dann braucht man nicht allzu geheimnissvolle gesellschaftstheoretische Denkfiguren zur Erklärung, Mertz schießt darin ja schon etwas über das Ziel hinaus. Es reicht, einfach in eine Familie rein zu gehen, einen Abend zuzuhören, wie sie "kommunizieren", und das Ausmaß ichschädlicher Kommunikation festzustellen.
Man findet das auch immer und immer wieder. All' die Borderliner, die Mertz beschreibt, funktionieren auch genau nach diesen authentizitäts-feindlichen Prinzipien.
Du kannst es übrigens noch an einer anderen Stelle merken: Mertz bietet ja schließlich und endlich, auch wenn man das Buch mit der Lupe liest, nur relativ wenig Futter für eine wirkliche Therapie an. Das, was mir am ehesten noch in Erinnerung ist, ist sein: "es ist am besten, zu sagen: dies bedeutet bei mir das und das, dies bedeutet jenes", usw.
Das ist eigentlich mehr Autisten-Unterricht im Kindergarten. Das ist - mechanistisch, ja, ok - bei Linehan schon gewaltig anders. Sie hat praktisch fast nur solche Module gesammelt, wo konkretes Verhalten auf eine beschreibbare Weise auf die Wirkungen hin untersucht werden soll. Dann hat sie auch noch den unschätzbaren Vorteil, daß sie den Veränderungsnotstand so gut sieht, in dem der Borderliner schon lebenslang sich befindet: nie war es ja gut genug, richtig, angemessen, was er fühlte und wie er handelte.
Einen Bordi unter Veränderungsdruck zu setzen, funktioniert deshalb nicht, weil er auf dieser Seite schon völlig waidwund und abgewetzt ist, das hat er sozusagen schon bis zum Erbrechen durch.
Trotzdem geht es ihm so, wie er jetzt ist, auch nicht gut. Also muß man vorsichtig die ganzen konkreten Module etwas anders angehen, achtsamer, sich selbst ernster nehmend. WIE OFT habe ich von Borderliner ohne Therapieerfahrung schon in irgendeinem Forum gelesen, wenn jemand anders seine Gefühle äußerte: "spar Dir dieses bescheuerte Selbstmitleid". Natürlich ist diese Aversion gegen Gefühle zutiefst verankert beim untherapiertebn Borderliner.
Im Grunde ist der Linehan-Ansatz dann ein einziger Anreiz, einen ichschwachen Menschen wieder etwas in die Ich-Spur zurückzuschieben. Dies wird natürlich auch dankbar aufgenommen. Ich habe in Foren schon mehrfach gehört, daß jemand sagte, ohne diese Linehan-Ansätze wäre er schon längst tot. Vielleicht gilt das auch für mich, auch wenn man es mit letzter Sicherheit nicht weiß. Doch, ich muß mich dem anschließen, wenn ich nur ehrlich bin.
Du siehst, man kann diese Lektionen auch praktisch wenden, man muß nicht in den gesellschaftlichen Wandelhöhen der Mertz-Panoramen bleiben. Ich glaube, Borderline wird mechanistisch verfertigt, und man kann es auch mechanistisch wieder wegkriegen oder zumindest spürbar in eine bisher völlig unerfahrene und unbekannte angenehme Richtung leiten. Alles funktioniert tatsächlich nach erschreckend mechanistischen Regeln, ob man es will oder nicht.
Hier bin ich auch wieder dicht bei Mertz, denn er sagt ja dasselbe: Körperwahrnehmung und interpersonaler Beziehungsaustausch sind die Schlüssel. Man kann z.B. nicht ohne genügend modulierten Blickkontakt wirklich in einer Familie auf Dauer gut miteinander umgehen. Es ist auch schwierig, unter den obig dargestellten "ich-feindlichen" Bedingungen ein gesundes, frei schwingendes Ich zu entwickeln.
So endet dieser Kommentar ganz praktisch, mechanisch und doch lebendig. Man sieht auch, daß gerade der Umgang mit den Gefühlen udn Gedanken des anderen ein Schlüssel ist.
All die hier im Blog aufgezählten unangenehmen Wahrheiten machen unter anderem auch deutlich, wieso es kaum wo zu solidarischer Revolte gegen die Unterdrücker kommt, und warum auch in vielen linken und feministischen Kreisen Intrigen, Rassismus und (selektive) Frauenfeindlichkeit gedeihen. Wir sind total verstört.
Praktisch und mechanisch
Ich glaube nach dem sorgfältigen Lesen der letzten Beiträge, daß eigentlich nur noch ein paar Verbindungsglieder in der Gedankenkette fehlen, die in dem gegenseitigen Austausch hier schon entsteht.
Es ist wieder ähnlich wie schon letztens, alle Einzelteile Deiner Antworten finde ich gut nachvollziehbar, auch wenn ich es mehrfach lese. Das geht mir keinesfalls mit anderen auch immer so, sonst ist es schon häufig, daß ich einen ganz anderen Eindruck habe.
Was noch etwas im Verständnis zwischen uns fehlt, scheinen Bezugspunkte zu sein, die mit einigen Kernmechanismen des "nichtauthentischen Lebens" zusammen hängen. Dazu einige Stichworte, die sich auch noch weiter ausbauen lassen. Sozusagen Psychologie pur.
Da, wo nichtauthentisches Leben (bzw. "Nichtleben") geschieht, würde ich annehmen, daß es jeweils Personen sind, die einen nicht gut aufgebauten Ichkern haben. Nichts anderes steht ja auch in den meisten Borderline-Büchern (vgl. "Locj im Ich" bis "Wackelpudding"). Das ganze Problem führt doch letztlich auf das Selbst, auf die Person, auf eine integrierte oder unintegrierte, mit der Umwelt und dem eigenen Körper in einem stabilen und wechselseitigen Austausch befindliche oder abgetrennte Person.
Diese guten Voraussetzungen für ein integriertes Leben haben Autisten, Borderliner und manche andere Menschen nicht, und zwar sicherlich durch zwei "Ungünstigkeiten":
- einmal durch Ungünstigkeiten, die schon in der eigenen Veranlagung liegen - hier überzeugt mich immer noch am meisten der Ansatz, daß eine Neigung zu starken und hochschießenden Emotionen dabei hinderlich ist. Das ließe sich im Einzelnen auch leicht illustrieren und an Beispielen belegen.
- Zweitens dann eine Neigung der Umwelt, sozusagen "ich-ungünstig" auf solch einen Menschen zu reagieren.
Das vielleicht maximal "Ich-Ungünstige" scheint für den Betroffenen Mißbrauch zu sein, denn er wird dann als Ich und eigenbedürftige Person völlig negiert und zerstört.
Bei einem nur oberflächlichen "Versorgungskontakt" à la Mertz kommt es ebenso zu einer Nichtung der eigentlichen Person. Auf der dinglichen Ebene, so Mertz, kann die Versorgung perfekt sein, seelisch kann trotzdem total genichtet werden.
Jetzt konkret zu den Mechanismen, die im Einzelnen "ich-schädlich" sind und die auch als Verstärker wirken und sich dann einzementieren. Du hast ja völlig recht, der Ansatz von Linehan wirkt nicht nur mechanistisch, er ist es auch, denn sie dröselt genau solche ungünstigen Verhaltensverstärker auf.
Wenn Du ein "Ich" des anderen nichten willst, gibt es ja durchaus verschiedene Möglichkeiten, ein ganzes Arsenal. Du solltest den anderen schon mal nicht so ernst nehmen. Günstig wäre sogesehen auch, möglichst bald in eine Art "Kampfhandlung" oder "Kampfansage" einzutreten und dem anderen latent feindlich zu begegnen. Dazu gehört dann auch, den anderen durch gehöriges Einschüchtern und Widersprechen in die Schranken zu weisen.
Dann wäre es sinnvoll, zur Ich-Schwächung des anderen so zu reagieren, als ob er immer unrecht hat. Dabei gibt es nun viele verschiedene Optionen, das dürften mehrere hundert sein: bewährt wäre es, alle Sätze mit "aber" zu beginnen, wenn der andere was sagen will. Wenn man nur immer genug dementiert, wird der andere irgendwann so an sich zweifeln, daß sein Ich ganz infragegestellt sein wird.
Am gravierendsten ist das bei allen Gefühlsprozessen. Man melde also zurück: Dein Gefühl ist übertrieben. Oder: das Gefühl, das Du zeigst, hat gar kein Existenzrecht, es ist sozusagen unzulässig abgeleitet von Dir. Derjenige, dem man so begegnet, wird dann auch gefühlshaft überhaupt keine Sicherheit erwerben.
Was kann man noch tun, um ein anderes Ich zu schwächen? Man kann es lächerlich machen. Sowas tut besonders weh. Man kann also über die Verhaltensweisen des anderen lästern oder höhnen. Auch das ein gutes Mittel, um ein anderes Selbst zu stören und zu schwächen.
Ganz probat dürfte auch immer das Ignorieren des anderen sein. Also genau die Art von Pseudokontakt, die Mertz so schön beschreibt.
Was dann auffällt, ist, daß solches Verhalten einen ungeheuren Funktionsgewinn hat: man hält sich den anderen nämlich vom Leibe, es funktioniert tatsächlich so, wie Pollmann es auch ins einem Aufsatz beschreibt, nämlich via "Abstandshaltung".
Man blendet den anderen auf Dauer als Individuum aus und geht gar nicht persönlich auf ihn ein. Wo ist das besonders wirkungskräftig? Klar, auf der Ebene der Gefühle und der Wünsche des anderen. Hier nur genügend ignoriert und abgeblockt, dann wird dieses andere Ich schon klein und häßlich bleiben, ungehört und unerhört, wie es dann ist.
Eine weitere probate Methode ist es auch, sich unberechenbar zu verhalten. Übrigens beschreibt Mertz durchaus alles, was ich hier aufzähle. Bei unberechenbarem Verhalten hat das andere Ich sehr wenig Anker, wie es sich "richtig" verhalten soll. Es wird immer unsicherer werden, und den eigenen Gefühlen garantiert nicht mehr so richtig trauen.
Dann hat man also, ohne zu viel Hirnakrobatik, schnell den klassichen Borderline-Typen, nämlich jemanden, der nicht genau weiß, wer er ist, was er will, was er fühlt, und was wirklich richtig und falsch ist, wenn er aucgh noch so maßlos versucht, Ordnung da hinein zu bekommen. Man hat dann genau die Art Wackelpudding der Persönlichkeit, die Mertz charakterisiert, man hat Menschen, die unentwegt Gefühle heranbilden, Wünsche heranbilden, und in der Sekunde, wo sie aktualisiert werden würden bei einem gesunden Menschen, werden sie bei diesem ichschwachen Menschen wieder weggeblockt, abgezogen, verunklart, sich selbst verboten. Spüren ist hier ja schon abgewöhnt. Alice Miller sagte es ja auch mal so schön, "Du sollst nicht merken", das ist genau dieser Prozeß. Dazu gehört übrigens tatsächlich auch eine gewisse Begabung dazu.
Das ist nichts anderes als ein Lernvorgang.
Dann braucht man nicht allzu geheimnissvolle gesellschaftstheoretische Denkfiguren zur Erklärung, Mertz schießt darin ja schon etwas über das Ziel hinaus. Es reicht, einfach in eine Familie rein zu gehen, einen Abend zuzuhören, wie sie "kommunizieren", und das Ausmaß ichschädlicher Kommunikation festzustellen.
Man findet das auch immer und immer wieder. All' die Borderliner, die Mertz beschreibt, funktionieren auch genau nach diesen authentizitäts-feindlichen Prinzipien.
Du kannst es übrigens noch an einer anderen Stelle merken: Mertz bietet ja schließlich und endlich, auch wenn man das Buch mit der Lupe liest, nur relativ wenig Futter für eine wirkliche Therapie an. Das, was mir am ehesten noch in Erinnerung ist, ist sein: "es ist am besten, zu sagen: dies bedeutet bei mir das und das, dies bedeutet jenes", usw.
Das ist eigentlich mehr Autisten-Unterricht im Kindergarten. Das ist - mechanistisch, ja, ok - bei Linehan schon gewaltig anders. Sie hat praktisch fast nur solche Module gesammelt, wo konkretes Verhalten auf eine beschreibbare Weise auf die Wirkungen hin untersucht werden soll. Dann hat sie auch noch den unschätzbaren Vorteil, daß sie den Veränderungsnotstand so gut sieht, in dem der Borderliner schon lebenslang sich befindet: nie war es ja gut genug, richtig, angemessen, was er fühlte und wie er handelte.
Einen Bordi unter Veränderungsdruck zu setzen, funktioniert deshalb nicht, weil er auf dieser Seite schon völlig waidwund und abgewetzt ist, das hat er sozusagen schon bis zum Erbrechen durch.
Trotzdem geht es ihm so, wie er jetzt ist, auch nicht gut. Also muß man vorsichtig die ganzen konkreten Module etwas anders angehen, achtsamer, sich selbst ernster nehmend. WIE OFT habe ich von Borderliner ohne Therapieerfahrung schon in irgendeinem Forum gelesen, wenn jemand anders seine Gefühle äußerte: "spar Dir dieses bescheuerte Selbstmitleid". Natürlich ist diese Aversion gegen Gefühle zutiefst verankert beim untherapiertebn Borderliner.
Im Grunde ist der Linehan-Ansatz dann ein einziger Anreiz, einen ichschwachen Menschen wieder etwas in die Ich-Spur zurückzuschieben. Dies wird natürlich auch dankbar aufgenommen. Ich habe in Foren schon mehrfach gehört, daß jemand sagte, ohne diese Linehan-Ansätze wäre er schon längst tot. Vielleicht gilt das auch für mich, auch wenn man es mit letzter Sicherheit nicht weiß. Doch, ich muß mich dem anschließen, wenn ich nur ehrlich bin.
Du siehst, man kann diese Lektionen auch praktisch wenden, man muß nicht in den gesellschaftlichen Wandelhöhen der Mertz-Panoramen bleiben. Ich glaube, Borderline wird mechanistisch verfertigt, und man kann es auch mechanistisch wieder wegkriegen oder zumindest spürbar in eine bisher völlig unerfahrene und unbekannte angenehme Richtung leiten. Alles funktioniert tatsächlich nach erschreckend mechanistischen Regeln, ob man es will oder nicht.
Hier bin ich auch wieder dicht bei Mertz, denn er sagt ja dasselbe: Körperwahrnehmung und interpersonaler Beziehungsaustausch sind die Schlüssel. Man kann z.B. nicht ohne genügend modulierten Blickkontakt wirklich in einer Familie auf Dauer gut miteinander umgehen. Es ist auch schwierig, unter den obig dargestellten "ich-feindlichen" Bedingungen ein gesundes, frei schwingendes Ich zu entwickeln.
So endet dieser Kommentar ganz praktisch, mechanisch und doch lebendig. Man sieht auch, daß gerade der Umgang mit den Gefühlen udn Gedanken des anderen ein Schlüssel ist.
Beste Grüße! Ubu(e)
"wir sind total verstört"
jedenfalls ein - hm, interessanter satz, über den ich jetzt schon lange und oft nachgedacht habe.