@ Monoma: einen interessanten Gedanken habe ich gerade noch. Wir lesen doch bei Mertz z.B. immer wieder über das Verfolgungsgefühl bei Borderlinern, und wie dieses Gefühl immer mehr hypermäßig sich ausbreitet und Raum einnimmt.
Es führt im Grunde immer zu Vernichtungsprojekten, Ausmerzungs-Feldzügen, etwas muß vernichtet und zerstört werden. Ich glaube, hier wird mir auch Pete zustimmen. Borderline hat immer diesen Vernichtungsantrieb.
Darin steckt natürlich auch ein paranoider Kern, ein GEGEN, das irgendwie gefüllt werden muß.
Es scheint eigentlich zuerst dieses VernichtungsGEFÜHL da zu sein. Dieses Gefühl ist zuerst da, dann braucht es irgendeine art Füllmaterial. Ob das nun eine bestimmte Rasse ist wie im Dritten Reich, oder anderes "unwertes Leben", oder ein "Klassenfeind", oder etwas anderes Verachtenswertes, immer scheint dieses Vernichtungsbesetzte zentral zu sein.
Das kann aus der Position des Klerikers bzw. Moraltheologen dann auch das Moralisch Verderbliche und Abgefallene sein. Aus der Position des Überlegenen ist es immer das Abgewertete, bei der Schwarzen Pädagogik das Unerzogene und Wilde, Nichtangepaßte, aus der Position des Nationalen das Fremde, nicht dazugehörige.
Es kann auch irgendein Tier sein, daß man töten mußte (vgl. den weißen Wal in dem berühmten Roman), oder ein Moor, das man trocken legen, ein Sumpf, den man befreien mußte, Parasiten, Schmeißfliegen, Zecken, Ratten, irgend etwas als schädlich Vorgestelltes.
Ungeziefer, Blattläuse, rankende Pflanzen im minimierten Vorgarten. Der Löwenzahn oder das Gänseblümchen, denen es mit Umkrauttod an die Wurzel zu gehen hat. Die vor dem Zaun parkenden Fahrräder. Verfolgungsobjekte im Kleinen und im Großen.
Das Gefühl zuerst da, dann der Inhalt, eigentlich austauschbar, irgendwelche minderwertigen Rassen, Untermenschen, Fremdkulturen. Oder Sozialschmarotzer, Volksparasiten.
Letztlich braucht es für dieses Verfolgungsgefühl einfach ein auskleidendes Feindbild, einen latenten Gegenstand, den man dann ausmerzen und verfolgen kann. Umso besser, wenn dies auch gesellschaftlich anerkannt wird.
Das ist wie mi einem Radar, mit dem man den feindlichen Himmel absucht.
ich halte die paranoide komponente eher für eine art zwangsläufige zugabe, die aus den ständig scheiternden versuchen der objektivistischen wahrnehmung entsteht, sowohl sinn zu konstruieren als auch gleichzeitig - als folge der fehlschlagenen sinnstiftung - "die welt" zu kontrollieren. was - glücklicherweise - nicht geht. leider aber auch massiv destruktive energie mobilisieren kann.
*
noch was anderes, und zwar für alle, die sich näher mit mertz beschäftigt haben: als ergänzende andere perspektive kann ich das digitale nirvana von bernd guggenberger empfehlen. aus einer ausdrücklich soziologischen perspektive heraus kommt er hinsichtlich der explodierenden dominanz toter bzw. maschineller strukturen zu einer sehr ähnlichen wahrnehmung der verhältnisse wie mertz.
PerpetuumMobile - 4. Sep, 22:06
"Verfolgungsgefühl" - gutes Stichwort
@ monoma und alle anderen Interssierten
Hallo!
Als Neuling (der bisher schon einiges still mitgelesen hat) möchte ich zunächst meinen Dank dafür äußern, dass es dieses Blog gibt - denn es scheint tatsächlich der einzige Ort im riesigen Monstrum Internet zu sein, in dem überhaupt ausführlich auf das Buch "Borderline - weder tot noch lebendig" von J. Erik Mertz eingegangen wird. Dabei ist das Buch ja schon 12 Jahre alt - was eigentlich genug Zeit für seine (still gebliebenen) Gegner gewesen sein müsste, eine Widerlegung zu versuchen. Dass diese ausblieb, ist leider ein gewichtiges Indiz für die Richtigkeit von Mertz' Thesen.
Schon vor meiner ersten Berührung mit dem Buch hatte ich das unbehagliche Gefühl, dass zwischenmenschliche Beziehungen, die früher einmal auf expressiver (!) Emotion, auf spontaner Leidenschaft basierten, zu bloßen durchkalkulierten Zweckgemeinschaften umfunktioniert werden, innerhalb derer die Beteiligten kaum noch eine Miene verziehen. Auch an meiner eigenen Gefühlsfähigkeit kamen mir immer wieder Zweifel. Das leise Erahnte wurde dann plötzlich von diesem Herrn Mertz bestechend logisch ausformuliert - so dass das Buch, auf das ich durch puren Zufall stieß, wie ein Erweckungserlebnis (allerdings ein ungeheuer schmerzhaftes) für mich war - wenngleich es m.M.n. auch gravierende Schwächen hat.
Das Verfolgungsgefühl, die Paranoia, die hier auf dieser Seite von ubue angesprochen wurde, ist ein Phänomen, das sich nach meinem Eindruck im Zwischenmenschlichen vor allem auch in der immer weiter abnehmenden Kritikfähigkeit der Menschen in der postmodernen Gesellschaft zeigt. Um ehrlich zu sein: An mir selber beobachte ich es auch hin und wieder. Laut Mertz betrachtet der Borderlineautist, der zum authentischen Gefühl unfähige Mensch, das Leben als Kontrollprojekt (während der gefühlsfähige, gesunde Mensch in einem "massiven Nichtkontroll-Paradigma" lebt). Dieser Zwang, andere zu kontrollieren, äußert sich immer häufiger im Versuch von Menschen, Kritik von außen von vornherein abzuwürgen und gerade dadurch Kontrolle über Andere auszuüben. Immer mehr Menschen sind so paranoid, dass sie jede noch so sachliche und berechtigte Kritik an ihrer Person oder an ihren Thesen als Generalangriff auf ihre ganze Person verstehen. Von dieser Paranoia (obiges Stichwort) befallen ist offenbar auch das riesige Heer der professionellen Ärzte und Psychologen, das sich entschlossen hat, Mertz' Beiträge zur Psychologie systematisch totzuschweigen. Diese Ärzte und Psychologen sehen die Welt möglicherweise auch als Kontrollprojekt, in dem nur ihre Thesen zur Schau gestellt werden dürfen (und nicht die von Abweichlern und Querdenkern wie Herrn Mertz), damit das Selbstwertgefühl der Profis im Psychologie-Establishment nur ja nicht angekratzt wird.
Noch ein Gedanke für Monoma
Es führt im Grunde immer zu Vernichtungsprojekten, Ausmerzungs-Feldzügen, etwas muß vernichtet und zerstört werden. Ich glaube, hier wird mir auch Pete zustimmen. Borderline hat immer diesen Vernichtungsantrieb.
Darin steckt natürlich auch ein paranoider Kern, ein GEGEN, das irgendwie gefüllt werden muß.
Es scheint eigentlich zuerst dieses VernichtungsGEFÜHL da zu sein. Dieses Gefühl ist zuerst da, dann braucht es irgendeine art Füllmaterial. Ob das nun eine bestimmte Rasse ist wie im Dritten Reich, oder anderes "unwertes Leben", oder ein "Klassenfeind", oder etwas anderes Verachtenswertes, immer scheint dieses Vernichtungsbesetzte zentral zu sein.
Das kann aus der Position des Klerikers bzw. Moraltheologen dann auch das Moralisch Verderbliche und Abgefallene sein. Aus der Position des Überlegenen ist es immer das Abgewertete, bei der Schwarzen Pädagogik das Unerzogene und Wilde, Nichtangepaßte, aus der Position des Nationalen das Fremde, nicht dazugehörige.
Es kann auch irgendein Tier sein, daß man töten mußte (vgl. den weißen Wal in dem berühmten Roman), oder ein Moor, das man trocken legen, ein Sumpf, den man befreien mußte, Parasiten, Schmeißfliegen, Zecken, Ratten, irgend etwas als schädlich Vorgestelltes.
Ungeziefer, Blattläuse, rankende Pflanzen im minimierten Vorgarten. Der Löwenzahn oder das Gänseblümchen, denen es mit Umkrauttod an die Wurzel zu gehen hat. Die vor dem Zaun parkenden Fahrräder. Verfolgungsobjekte im Kleinen und im Großen.
Das Gefühl zuerst da, dann der Inhalt, eigentlich austauschbar, irgendwelche minderwertigen Rassen, Untermenschen, Fremdkulturen. Oder Sozialschmarotzer, Volksparasiten.
Letztlich braucht es für dieses Verfolgungsgefühl einfach ein auskleidendes Feindbild, einen latenten Gegenstand, den man dann ausmerzen und verfolgen kann. Umso besser, wenn dies auch gesellschaftlich anerkannt wird.
Das ist wie mi einem Radar, mit dem man den feindlichen Himmel absucht.
nur kurz dazu:
*
noch was anderes, und zwar für alle, die sich näher mit mertz beschäftigt haben: als ergänzende andere perspektive kann ich das digitale nirvana von bernd guggenberger empfehlen. aus einer ausdrücklich soziologischen perspektive heraus kommt er hinsichtlich der explodierenden dominanz toter bzw. maschineller strukturen zu einer sehr ähnlichen wahrnehmung der verhältnisse wie mertz.
"Verfolgungsgefühl" - gutes Stichwort
Hallo!
Als Neuling (der bisher schon einiges still mitgelesen hat) möchte ich zunächst meinen Dank dafür äußern, dass es dieses Blog gibt - denn es scheint tatsächlich der einzige Ort im riesigen Monstrum Internet zu sein, in dem überhaupt ausführlich auf das Buch "Borderline - weder tot noch lebendig" von J. Erik Mertz eingegangen wird. Dabei ist das Buch ja schon 12 Jahre alt - was eigentlich genug Zeit für seine (still gebliebenen) Gegner gewesen sein müsste, eine Widerlegung zu versuchen. Dass diese ausblieb, ist leider ein gewichtiges Indiz für die Richtigkeit von Mertz' Thesen.
Schon vor meiner ersten Berührung mit dem Buch hatte ich das unbehagliche Gefühl, dass zwischenmenschliche Beziehungen, die früher einmal auf expressiver (!) Emotion, auf spontaner Leidenschaft basierten, zu bloßen durchkalkulierten Zweckgemeinschaften umfunktioniert werden, innerhalb derer die Beteiligten kaum noch eine Miene verziehen. Auch an meiner eigenen Gefühlsfähigkeit kamen mir immer wieder Zweifel. Das leise Erahnte wurde dann plötzlich von diesem Herrn Mertz bestechend logisch ausformuliert - so dass das Buch, auf das ich durch puren Zufall stieß, wie ein Erweckungserlebnis (allerdings ein ungeheuer schmerzhaftes) für mich war - wenngleich es m.M.n. auch gravierende Schwächen hat.
Das Verfolgungsgefühl, die Paranoia, die hier auf dieser Seite von ubue angesprochen wurde, ist ein Phänomen, das sich nach meinem Eindruck im Zwischenmenschlichen vor allem auch in der immer weiter abnehmenden Kritikfähigkeit der Menschen in der postmodernen Gesellschaft zeigt. Um ehrlich zu sein: An mir selber beobachte ich es auch hin und wieder. Laut Mertz betrachtet der Borderlineautist, der zum authentischen Gefühl unfähige Mensch, das Leben als Kontrollprojekt (während der gefühlsfähige, gesunde Mensch in einem "massiven Nichtkontroll-Paradigma" lebt). Dieser Zwang, andere zu kontrollieren, äußert sich immer häufiger im Versuch von Menschen, Kritik von außen von vornherein abzuwürgen und gerade dadurch Kontrolle über Andere auszuüben. Immer mehr Menschen sind so paranoid, dass sie jede noch so sachliche und berechtigte Kritik an ihrer Person oder an ihren Thesen als Generalangriff auf ihre ganze Person verstehen. Von dieser Paranoia (obiges Stichwort) befallen ist offenbar auch das riesige Heer der professionellen Ärzte und Psychologen, das sich entschlossen hat, Mertz' Beiträge zur Psychologie systematisch totzuschweigen. Diese Ärzte und Psychologen sehen die Welt möglicherweise auch als Kontrollprojekt, in dem nur ihre Thesen zur Schau gestellt werden dürfen (und nicht die von Abweichlern und Querdenkern wie Herrn Mertz), damit das Selbstwertgefühl der Profis im Psychologie-Establishment nur ja nicht angekratzt wird.