notiz: "Das System ist bis ins Mark faul" (C. Peymann) - kleine medienumschau
wiedermal ist gerade so eine zeit, in der ich nicht nur in der virtuellen ebene mehr verschnaufpausen brauche als üblich - und das führt dann eben hier zu längeren pausen und mittlerweile einigen halbfertigen beiträgen auf halde - unter anderem wartet in der neulich mit dem essay von franz schandl begonnenen kleinen reihe ein interview mit der "promi-autistin" donna williams, während ich in der trauma-reihe als nächstes das thema "pränatales leben und seine möglichen traumatisierungen" vorstellen möchte. und alleine diese beiden beiträge fordern einiges an ruhe und konzentration, da ich die jeweiligen inhalte für sehr wichtig halte. von daher möchte ich mich dabei auch bewußt von allem zeitdruck freihalten - nicht nur in diesem bereich übrigens, aber das ist eine andere baustelle.
*
einiges von der notwendigkeit für pausen und verlangsamung wird allerdings auch schlicht von der herrschenden realität erzwungen, die sich bei näherer betrachtung z.b. als eine art immer bösartiger werdendes kreischen beschreiben lässt - schier atemberaubend und ohrenbetäubend werden die aktionen und reaktionen der protagonistInnen des herrschenden objektivierenden und verdinglichen wahns auf das mittlerweile allüberall wahrnehmbare stottern der systeminternen mechanismen im angesicht der selbstproduzierten destruktivität, so das alleine schon zum selbstschutz auszeiten unverzichtbar sind. aus der perspektive dieses blogs heraus im folgenden einige beispiele, für die der ausspruch in der überschrift die passende begleitmusik bildet.
*
zuerst zu einem sehr aktuellen und medial ziemlich vernachlässigten urteil des bundesgerichtshofes, welches erstens die etwas abgelutschte vorsilbe "skandal" eigentlich absolut verdient, zweitens die generelle fragwürdigkeit der heutigen justiz einmal mehr untermauert und drittens ebenso einmal mehr deutlich macht, das die sog. "aufarbeitung" des nationalsozialismus in diesem land völlig zu recht als gescheitert angesehen werden muss. was dieses gericht entschieden hat? halten Sie sich fest:
"Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch »entschieden, dass in der Beschäftigung von Zwangsarbeitern sowie von Kriegs- und Strafgefangenen während des Zweiten Weltkriegs bei anständiger Behandlung noch kein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit liegt«, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Mit dieser Begründung wurden Erben von Wirtschaftsführern zweier Rüstungsbetriebe des Nazi-Regimes in Dresden und Berlin sogenannte Ausgleichsleistungen für auf Veranlassung der sowjetischen Besatzungsmacht entschädigungslos enteignete Grundstücke zugesprochen."(...)
also, ganz langsam: den nachfahren bzw. juristischen vertretern derselben zweier in der ehemaligen ddr enteigneten rüstungsbetriebe, die für die nazis im zweiten weltkrieg die kriegsfähigkeit mit aufrechterhielten und zu diesem zweck auch zwangsarbeiterInnen beschäftigten - ich setze die allgemeinen bedingungen von zwangsarbeit unter der nazidiktatur als bekannt voraus - wurde also mit der begründung entschädigung für die enteignung zugesprochen, dass nicht alleine bereits das fakt der benutzung von menschen zu zwangsarbeit gegen "grundsätze der menschlichkeit oder rechtsstaatlichkeit" verstößt, sondern die "anständige behandlung" entscheidend sei.
denken Sie ein paar minuten darüber nach. vor allem vielleicht auch über die bedeutung des wortes "anständig" - so, wie es z.b. vom innenminister schäuble vor kurzem oder auch vom reichsführer-ss himmler vor langer zeit benutzt worden ist (falls Sie nicht wissen, was damit gemeint ist - eine kurze recherche sollte klarheit schaffen).
"anständige behandlung": angemessener lohn, unterkunft, gesundheitliche versorgung? könnten selbst diese hypothetischen bedingungen - die im ns übrigens durch die bank nicht für zwangsarbeiterInnen vorhanden waren - die reine tatsache aus der welt schaffen, dass hier eines der schlimmsten terrorregimes aller zeiten schlicht menschen aus vielen ländern wie irgendwelche objekte zwecks vernutzung bzw. vernichtung durch arbeit zusammengeraubt und unter klarer gewaltandrohung zur arbeit für systemerhaltende zwecke erpresst hat?
in der logik dieses gerichts spielt das alles keine rolle, was in der weiteren begründung überdeutlich wird:
(...)"All dies sahen die Bundesrichter auch bei einem 1946 hingerichteten NS-Wirtschaftsführer nicht gegeben. Die von ihm »betriebene Rüstungsproduktion unter Ausnutzung von Zwangsarbeit« sei »kein erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems«, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. »Eine Unterstützung nicht spezifisch von der nationalsozialistischen Ideologie geprägter Bestrebungen, wie etwa des Ziels, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen, genügt hierfür nicht.«
"kein erhebliches vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen systems" - ahja, soso. die nazis haben ihre rüstungsindustrie ja auch nur zur abhaltung spektakulärer feuerwerke zur erbauung der volksgenossen aufgebaut. oder nicht? und den zweiten weltkrieg - wer hat den nochmal angefangen? und warum? - gewinnen zu wollen, ist natürlich eine "nicht spezifisch von der nationalsozialistischen ideologie geprägte bestrebung" - sicher, in der ex-udssr, england, frankreich und den usa war das nicht der fall.
ich muss meinen zynismus an dieser stelle bremsen - dieses urteil ist eine unglaubliche frechheit, eine provokation und ein tritt für alle überlebenden des naziterrors - nicht nur für zwangsarbeiterInnen. und zunächst ist überhaupt erstmal weitere öffentliche information darüber nötig, denn das schweigen im medienwalde - mit ein paar wenigen ausnahmen, die aber den eigentlichen unglaublichen inhalt dieses urteils verfehlen - ist ein durchaus unheilvolles zeichen von ignoranz und gleichgültigkeit (und ja, ich weiß, dass diese zeichen mittlerweile schon fast nicht mehr zu zählen sind).
ich hatte früher in anderen zusammenhängen schon öfter die these vertreten, dass die heutige sog. justiz aus diversen gründen keine legitimation mehr in anspruch nehmen kann und darf. mit diesem urteil wird das nochmals in ganz anderer qualität unterstrichen: eine solche justiz kann und darf nicht mehr respektiert werden!
*
aber vielleicht weht der wind auch aus ganz anderer richtung, und die furchtbaren juristen des bgh stellen sozusagen nur eine art avantgarde dar - wenn man sich einige entwicklungen des totalitären kapitalismus anschaut:
"Die USA wollen den Strom von Migranten aus Mexiko mit dem Bau von weiteren Sicherheitszäunen, elektronischer Überwachung, Drohnen, der Nationalgarde und mehr Grenzschutzpersonal reduzieren. Umstritten ist noch, wie mit den bis zu 15 Millionen illegalen Migranten verfahren werden soll, die bereit ins Land gekommen sind."(...)
eine grenze nebenbei gesagt, die den ehemaligen ddr- verantwortlichen tränen des neides ins gesicht getrieben hätte. aber das thema ist ein anderes: die "illegalen" stellen natürlich für viele wirtschaftsbereiche billig und profitabel ausbeutbares menschenmaterial dar. wenn dieses jetzt zu einem großen teil wegfallen sollte - wer und was bietet sich da als ersatz an?
(...)"Vor allem in der Landwirtschaft fehlen jetzt zu Frühlingsbeginn die billigen Arbeitskräfte. Noch in diesem Monat will man daher den Arbeitskräftemangel mit dem Start eines bislang in den USA einmaligen Programms entgegenwirken, das von der Gefängnisbehörde Colorados ausgeht. Anstatt der illegalen Einwanderer sollen Strafgefangene unter Bewachung auf die Felder geschickt werden. In Pueblo soll der Beginn mit mehreren Farmen gemacht werden. Die demokratische Abgeordnete Dorothy Butcher, Initiatorin des Programms, erklärte, die Maßnahme habe das Ziel, die durch den Arbeitskräftemangel gefährdete Landwirtschaft zu unterstützen. Farmer sagen, sie würden weniger anbauen oder die Landwirtschaft gar ganz einstellen. Die Strafgefangenen, so die Begründung der Politiker, könnten durch das Programm an harte Arbeit gewöhnt werden und Dinge lernen, die sie nach ihrer Haft zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft brauchen."(...)
zu den erwähnten dingen dürfte u.a. auch die lektion gehören, dass in einer durchdrehenden kapitalistischen ökonomie niemand mehr glauben soll, vom arbeitslohn existieren zu können:
(...)"Gefangene, die nicht als gefährlich eingestuft sind, können sich für die Arbeit bewerben und erhalten 60 Cents am Tag dafür, Melonen, Zwiebeln oder andere Früchte zu ernten oder anzupflanzen."(...)
vielleicht wissen Sie, welche bevölkerungsgruppen bevorzugt in den knästen von "god´s own country" verkommen dürfen? geschichte scheint sich manchmal im kreis zu bewegen: von sklaverei zu sklaverei.
*
aber mit dem finger alleine in richtung der usa zu zeigen, ist ein allzu billiges manöver - schließlich ist auch in europa die rasante umwandlung vieler staaten zu totalitären systemen neuen typs eine realität - noch dazu an vielen stellen unter der geradezu höhnischen begründung, antisoziales verhalten bekämpfen zu wollen; und damit ist die herrschende antisozialität der selbsterklärten "eliten" natürlich nicht gemeint, sondern wer? eine auswahl der letzten tage bzw. wochen:
Landesweit sprechende Überwachungskameras: "Die britische Regierung plant nach einem offenbar gelungenen Testversuch, in vielen Städten Kameras mit Lautsprechern zur verbalen Disziplinierung von Missetätern zu installieren" / Britische Regierung will Kindern ab 11 Jahren Fingerabdrücke abnehmen: "Das britische Innenministerium plant, ab 2010 auch Fingerabdrücke von Kindern im Alter zwischen 11 und 16 Jahren abzunehmen und zu speichern." / BKA-Chef legt nach: Polizei braucht Online-Durchsuchungen dringend - hier empfehle ich die sehr informative und inwischen reichlich gewachsene sammlung von heise zu themen wie online-durchsuchung und biometrischen passdaten - öffentlich vielleicht auch aufgrund der schwierigen materie kaum beachtet, sind in diesem land bzw. der europäischen union viele anscheinend nicht zusammenhängende projekte entweder bereits am laufen oder aber konzipiert, die im zusammenspiel etwas ergeben, das einen george orwell erblassen lassen würde. einem einzelnen menschen, der eine derartige kontroll-, überwachungs- und datensammelwut zutage treten lassen würde, müsste eine schwere paranoia attestiert werden.
*
aber vielleicht ist den herrschenden antisozialen fraktionen ja bereits mehr bezgl. unserer aller zukunft klar als ihren immer noch mehrheitlich treudoof vor sich hindämmernden schäfchen? vielleicht sind es perspektiven wie diese, die ihnen deutlich machen, dass auch ihre macht grenzen hat und finden wird?
(...)""Dass die Erd-Bilanzen nach Eintritt Indiens und Chinas in den Club der Global Player gegenwärtig so dramatisiert werden, kann nicht heißen, dass diese Länder zu den Sündenböcken der Naturkatastrophen des 21. Jahrhunderts gemacht werden. Diese Länder orientieren sich an den Standards des Westens. Vielmehr wird nun bewusst, dass der Westen, naturökonomisch gesehen, von der äußerst negativen Bilanz seiner Zivilisation nur so lange glaubte absehen zu können, wie der Rest der Welt auf einem niedrigen bis elenden Niveau verblieb. Der universalisierte Westen: Das wäre das Ende der Erde. Darum wird es zur ersten Bürgerpflicht, sich bewusst zu machen, dass der naturpolitische und ökonomische Weg des Westens ein historisches Auslaufmodell ist, wenn die Erhöhung der zivilisatorischen und ökonomischen Standards in nichtwestlichen Ländern real wird. Dies aber kann nicht verweigert werden."(...)
yo. ein historisches auslaufmodell. die frage bloß: wird es mit einem großen knall oder doch eher einem wimmern enden? der ganze artikel ist sehr lesenswert.
*
dieses auslaufmodell produziert bisher gewalt ohne ende sowie mit einiger wahrscheinlichkeit die zwecks versuchter anpassung an unerträgliche zustände folgenden psychophysischen mutationen - für dieses (ober-)thema empfehle ich einmal mehr das herumstöbern im index aller blogbeiträge hier, um davon einen kleinen eindruck zu bekommen. und das eine kultur, die wissen und informationen ohne unterlaß produziert und dabei auch auf wissen stößt, welches ihre eigenen praktiken und grundlagen als verdammungswürdige verirrung bloßstellt, offensichtlich nicht (mehr) in der lage ist, daraus die nötigen konsequenzen zu ziehen, lässt sehr tief blicken - beispiel gewaltfolgen:
"Drohungen, Einschüchterungen und der Entzug von Zuwendung haben einer Studie zufolge ähnliche psychische Folgen wie körperliche Folter. Experten warnen vor den dramatischen Folgen - nicht nur für erwachsene Opfer in Krisengebieten, sondern auch für Kinder in friedlichen Ländern.(...)"
die "friedlichen länder" sollten eigentlich in dicken anführungsstrichen stehen. abgesehen von dieser obligatorischen fehlinformation ist der inhalt des artikels zwar lesenswert, beschreibt aber letztlich nichts wirklich neues. und nichts wirklich neues wird auch am ende sichtbar, wo es dann heißt:
(...)"Neben den Entwicklungsstörungen der Kinder verursachen psychischer und emotionaler Druck je nach Stärke immense sozioökonomische Folgekosten. Psychiatrie oder Jugendknast - alles scheint möglich, wenn Kinder als Opfer psychischer Folter ins Leben starten müssen. Und das, weiß Pfeiffer zu berichten, "kostet die Gesellschaft ungeheure Summen".
sie plappern sich um kopf und kragen - der gleiche wahn von verdinglichung und totaler ökonomisierung, der inzwischen millionen in psychopyhsische extremzustände treibt, wird zur begründung dafür herangezogen, warum das dann doch irgendwie nicht so toll sei - es "kostet". Sie können das mittlerweile als eine art indikator benutzen: halten Sie sich von allen leuten möglichst fern, denen zu den vielfältigen arten menschlichen elends nur immer einfällt: "was das wieder kostet!" diese "argumentation" gilt es gründlichst zu stigmatisieren und als das zu kennzeichnen, was sie in ihrem kern ist: menschenverachtend.
*
apropos psychophysische extremzustände:
(...)«18 Prozent aller Kinder im Vorschulalter weisen diagnostizierbare Verhaltensauffälligkeiten auf», berichtete Prof. Klaus Fröhlich-Gildhoff auf einer Tagung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten (bkj), die am 4. März in Frankfurt zu Ende ging. Zu den häufigsten Störungen gehörten Aggressivität, Konzentrationsschwächen, Unruhe, Ess- oder Schlafstörungen, aber auch oft Ängste und Depressionen."(...)
auch leider keine wirkliche neuigkeit, aber es scheint mir angebracht, immer mal wieder dran zu erinnern.
kinder bzw. kindheit ist dann ein gutes stichwort, um auf eines der vielen sehr lobenswerten projekte von "utopie 1" hinzuweisen: dort ist nämlich inzwischen die hier schon mehrfach erwähnte und kommentierte arbeit des psychohistorikers lloyd deMause, "das emotionale leben der nationen", online zu lesen - wer sich also näher mit einem unkonventionellen ansatz zum verständnis vieler vergangener und heutiger destruktiver phänomene bekanntmachen möchte, hat dort die möglichkeit dazu. vielen dank nochmal an die utopie dafür!
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einiges von der notwendigkeit für pausen und verlangsamung wird allerdings auch schlicht von der herrschenden realität erzwungen, die sich bei näherer betrachtung z.b. als eine art immer bösartiger werdendes kreischen beschreiben lässt - schier atemberaubend und ohrenbetäubend werden die aktionen und reaktionen der protagonistInnen des herrschenden objektivierenden und verdinglichen wahns auf das mittlerweile allüberall wahrnehmbare stottern der systeminternen mechanismen im angesicht der selbstproduzierten destruktivität, so das alleine schon zum selbstschutz auszeiten unverzichtbar sind. aus der perspektive dieses blogs heraus im folgenden einige beispiele, für die der ausspruch in der überschrift die passende begleitmusik bildet.
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zuerst zu einem sehr aktuellen und medial ziemlich vernachlässigten urteil des bundesgerichtshofes, welches erstens die etwas abgelutschte vorsilbe "skandal" eigentlich absolut verdient, zweitens die generelle fragwürdigkeit der heutigen justiz einmal mehr untermauert und drittens ebenso einmal mehr deutlich macht, das die sog. "aufarbeitung" des nationalsozialismus in diesem land völlig zu recht als gescheitert angesehen werden muss. was dieses gericht entschieden hat? halten Sie sich fest:
"Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch »entschieden, dass in der Beschäftigung von Zwangsarbeitern sowie von Kriegs- und Strafgefangenen während des Zweiten Weltkriegs bei anständiger Behandlung noch kein Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit liegt«, heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. Mit dieser Begründung wurden Erben von Wirtschaftsführern zweier Rüstungsbetriebe des Nazi-Regimes in Dresden und Berlin sogenannte Ausgleichsleistungen für auf Veranlassung der sowjetischen Besatzungsmacht entschädigungslos enteignete Grundstücke zugesprochen."(...)
also, ganz langsam: den nachfahren bzw. juristischen vertretern derselben zweier in der ehemaligen ddr enteigneten rüstungsbetriebe, die für die nazis im zweiten weltkrieg die kriegsfähigkeit mit aufrechterhielten und zu diesem zweck auch zwangsarbeiterInnen beschäftigten - ich setze die allgemeinen bedingungen von zwangsarbeit unter der nazidiktatur als bekannt voraus - wurde also mit der begründung entschädigung für die enteignung zugesprochen, dass nicht alleine bereits das fakt der benutzung von menschen zu zwangsarbeit gegen "grundsätze der menschlichkeit oder rechtsstaatlichkeit" verstößt, sondern die "anständige behandlung" entscheidend sei.
denken Sie ein paar minuten darüber nach. vor allem vielleicht auch über die bedeutung des wortes "anständig" - so, wie es z.b. vom innenminister schäuble vor kurzem oder auch vom reichsführer-ss himmler vor langer zeit benutzt worden ist (falls Sie nicht wissen, was damit gemeint ist - eine kurze recherche sollte klarheit schaffen).
"anständige behandlung": angemessener lohn, unterkunft, gesundheitliche versorgung? könnten selbst diese hypothetischen bedingungen - die im ns übrigens durch die bank nicht für zwangsarbeiterInnen vorhanden waren - die reine tatsache aus der welt schaffen, dass hier eines der schlimmsten terrorregimes aller zeiten schlicht menschen aus vielen ländern wie irgendwelche objekte zwecks vernutzung bzw. vernichtung durch arbeit zusammengeraubt und unter klarer gewaltandrohung zur arbeit für systemerhaltende zwecke erpresst hat?
in der logik dieses gerichts spielt das alles keine rolle, was in der weiteren begründung überdeutlich wird:
(...)"All dies sahen die Bundesrichter auch bei einem 1946 hingerichteten NS-Wirtschaftsführer nicht gegeben. Die von ihm »betriebene Rüstungsproduktion unter Ausnutzung von Zwangsarbeit« sei »kein erhebliches Vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen Systems«, heißt es in der Mitteilung des Gerichts. »Eine Unterstützung nicht spezifisch von der nationalsozialistischen Ideologie geprägter Bestrebungen, wie etwa des Ziels, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen, genügt hierfür nicht.«
"kein erhebliches vorschubleisten zugunsten des nationalsozialistischen systems" - ahja, soso. die nazis haben ihre rüstungsindustrie ja auch nur zur abhaltung spektakulärer feuerwerke zur erbauung der volksgenossen aufgebaut. oder nicht? und den zweiten weltkrieg - wer hat den nochmal angefangen? und warum? - gewinnen zu wollen, ist natürlich eine "nicht spezifisch von der nationalsozialistischen ideologie geprägte bestrebung" - sicher, in der ex-udssr, england, frankreich und den usa war das nicht der fall.
ich muss meinen zynismus an dieser stelle bremsen - dieses urteil ist eine unglaubliche frechheit, eine provokation und ein tritt für alle überlebenden des naziterrors - nicht nur für zwangsarbeiterInnen. und zunächst ist überhaupt erstmal weitere öffentliche information darüber nötig, denn das schweigen im medienwalde - mit ein paar wenigen ausnahmen, die aber den eigentlichen unglaublichen inhalt dieses urteils verfehlen - ist ein durchaus unheilvolles zeichen von ignoranz und gleichgültigkeit (und ja, ich weiß, dass diese zeichen mittlerweile schon fast nicht mehr zu zählen sind).
ich hatte früher in anderen zusammenhängen schon öfter die these vertreten, dass die heutige sog. justiz aus diversen gründen keine legitimation mehr in anspruch nehmen kann und darf. mit diesem urteil wird das nochmals in ganz anderer qualität unterstrichen: eine solche justiz kann und darf nicht mehr respektiert werden!
*
aber vielleicht weht der wind auch aus ganz anderer richtung, und die furchtbaren juristen des bgh stellen sozusagen nur eine art avantgarde dar - wenn man sich einige entwicklungen des totalitären kapitalismus anschaut:
"Die USA wollen den Strom von Migranten aus Mexiko mit dem Bau von weiteren Sicherheitszäunen, elektronischer Überwachung, Drohnen, der Nationalgarde und mehr Grenzschutzpersonal reduzieren. Umstritten ist noch, wie mit den bis zu 15 Millionen illegalen Migranten verfahren werden soll, die bereit ins Land gekommen sind."(...)
eine grenze nebenbei gesagt, die den ehemaligen ddr- verantwortlichen tränen des neides ins gesicht getrieben hätte. aber das thema ist ein anderes: die "illegalen" stellen natürlich für viele wirtschaftsbereiche billig und profitabel ausbeutbares menschenmaterial dar. wenn dieses jetzt zu einem großen teil wegfallen sollte - wer und was bietet sich da als ersatz an?
(...)"Vor allem in der Landwirtschaft fehlen jetzt zu Frühlingsbeginn die billigen Arbeitskräfte. Noch in diesem Monat will man daher den Arbeitskräftemangel mit dem Start eines bislang in den USA einmaligen Programms entgegenwirken, das von der Gefängnisbehörde Colorados ausgeht. Anstatt der illegalen Einwanderer sollen Strafgefangene unter Bewachung auf die Felder geschickt werden. In Pueblo soll der Beginn mit mehreren Farmen gemacht werden. Die demokratische Abgeordnete Dorothy Butcher, Initiatorin des Programms, erklärte, die Maßnahme habe das Ziel, die durch den Arbeitskräftemangel gefährdete Landwirtschaft zu unterstützen. Farmer sagen, sie würden weniger anbauen oder die Landwirtschaft gar ganz einstellen. Die Strafgefangenen, so die Begründung der Politiker, könnten durch das Programm an harte Arbeit gewöhnt werden und Dinge lernen, die sie nach ihrer Haft zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft brauchen."(...)
zu den erwähnten dingen dürfte u.a. auch die lektion gehören, dass in einer durchdrehenden kapitalistischen ökonomie niemand mehr glauben soll, vom arbeitslohn existieren zu können:
(...)"Gefangene, die nicht als gefährlich eingestuft sind, können sich für die Arbeit bewerben und erhalten 60 Cents am Tag dafür, Melonen, Zwiebeln oder andere Früchte zu ernten oder anzupflanzen."(...)
vielleicht wissen Sie, welche bevölkerungsgruppen bevorzugt in den knästen von "god´s own country" verkommen dürfen? geschichte scheint sich manchmal im kreis zu bewegen: von sklaverei zu sklaverei.
*
aber mit dem finger alleine in richtung der usa zu zeigen, ist ein allzu billiges manöver - schließlich ist auch in europa die rasante umwandlung vieler staaten zu totalitären systemen neuen typs eine realität - noch dazu an vielen stellen unter der geradezu höhnischen begründung, antisoziales verhalten bekämpfen zu wollen; und damit ist die herrschende antisozialität der selbsterklärten "eliten" natürlich nicht gemeint, sondern wer? eine auswahl der letzten tage bzw. wochen:
Landesweit sprechende Überwachungskameras: "Die britische Regierung plant nach einem offenbar gelungenen Testversuch, in vielen Städten Kameras mit Lautsprechern zur verbalen Disziplinierung von Missetätern zu installieren" / Britische Regierung will Kindern ab 11 Jahren Fingerabdrücke abnehmen: "Das britische Innenministerium plant, ab 2010 auch Fingerabdrücke von Kindern im Alter zwischen 11 und 16 Jahren abzunehmen und zu speichern." / BKA-Chef legt nach: Polizei braucht Online-Durchsuchungen dringend - hier empfehle ich die sehr informative und inwischen reichlich gewachsene sammlung von heise zu themen wie online-durchsuchung und biometrischen passdaten - öffentlich vielleicht auch aufgrund der schwierigen materie kaum beachtet, sind in diesem land bzw. der europäischen union viele anscheinend nicht zusammenhängende projekte entweder bereits am laufen oder aber konzipiert, die im zusammenspiel etwas ergeben, das einen george orwell erblassen lassen würde. einem einzelnen menschen, der eine derartige kontroll-, überwachungs- und datensammelwut zutage treten lassen würde, müsste eine schwere paranoia attestiert werden.
*
aber vielleicht ist den herrschenden antisozialen fraktionen ja bereits mehr bezgl. unserer aller zukunft klar als ihren immer noch mehrheitlich treudoof vor sich hindämmernden schäfchen? vielleicht sind es perspektiven wie diese, die ihnen deutlich machen, dass auch ihre macht grenzen hat und finden wird?
(...)""Dass die Erd-Bilanzen nach Eintritt Indiens und Chinas in den Club der Global Player gegenwärtig so dramatisiert werden, kann nicht heißen, dass diese Länder zu den Sündenböcken der Naturkatastrophen des 21. Jahrhunderts gemacht werden. Diese Länder orientieren sich an den Standards des Westens. Vielmehr wird nun bewusst, dass der Westen, naturökonomisch gesehen, von der äußerst negativen Bilanz seiner Zivilisation nur so lange glaubte absehen zu können, wie der Rest der Welt auf einem niedrigen bis elenden Niveau verblieb. Der universalisierte Westen: Das wäre das Ende der Erde. Darum wird es zur ersten Bürgerpflicht, sich bewusst zu machen, dass der naturpolitische und ökonomische Weg des Westens ein historisches Auslaufmodell ist, wenn die Erhöhung der zivilisatorischen und ökonomischen Standards in nichtwestlichen Ländern real wird. Dies aber kann nicht verweigert werden."(...)
yo. ein historisches auslaufmodell. die frage bloß: wird es mit einem großen knall oder doch eher einem wimmern enden? der ganze artikel ist sehr lesenswert.
*
dieses auslaufmodell produziert bisher gewalt ohne ende sowie mit einiger wahrscheinlichkeit die zwecks versuchter anpassung an unerträgliche zustände folgenden psychophysischen mutationen - für dieses (ober-)thema empfehle ich einmal mehr das herumstöbern im index aller blogbeiträge hier, um davon einen kleinen eindruck zu bekommen. und das eine kultur, die wissen und informationen ohne unterlaß produziert und dabei auch auf wissen stößt, welches ihre eigenen praktiken und grundlagen als verdammungswürdige verirrung bloßstellt, offensichtlich nicht (mehr) in der lage ist, daraus die nötigen konsequenzen zu ziehen, lässt sehr tief blicken - beispiel gewaltfolgen:
"Drohungen, Einschüchterungen und der Entzug von Zuwendung haben einer Studie zufolge ähnliche psychische Folgen wie körperliche Folter. Experten warnen vor den dramatischen Folgen - nicht nur für erwachsene Opfer in Krisengebieten, sondern auch für Kinder in friedlichen Ländern.(...)"
die "friedlichen länder" sollten eigentlich in dicken anführungsstrichen stehen. abgesehen von dieser obligatorischen fehlinformation ist der inhalt des artikels zwar lesenswert, beschreibt aber letztlich nichts wirklich neues. und nichts wirklich neues wird auch am ende sichtbar, wo es dann heißt:
(...)"Neben den Entwicklungsstörungen der Kinder verursachen psychischer und emotionaler Druck je nach Stärke immense sozioökonomische Folgekosten. Psychiatrie oder Jugendknast - alles scheint möglich, wenn Kinder als Opfer psychischer Folter ins Leben starten müssen. Und das, weiß Pfeiffer zu berichten, "kostet die Gesellschaft ungeheure Summen".
sie plappern sich um kopf und kragen - der gleiche wahn von verdinglichung und totaler ökonomisierung, der inzwischen millionen in psychopyhsische extremzustände treibt, wird zur begründung dafür herangezogen, warum das dann doch irgendwie nicht so toll sei - es "kostet". Sie können das mittlerweile als eine art indikator benutzen: halten Sie sich von allen leuten möglichst fern, denen zu den vielfältigen arten menschlichen elends nur immer einfällt: "was das wieder kostet!" diese "argumentation" gilt es gründlichst zu stigmatisieren und als das zu kennzeichnen, was sie in ihrem kern ist: menschenverachtend.
*
apropos psychophysische extremzustände:
(...)«18 Prozent aller Kinder im Vorschulalter weisen diagnostizierbare Verhaltensauffälligkeiten auf», berichtete Prof. Klaus Fröhlich-Gildhoff auf einer Tagung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten (bkj), die am 4. März in Frankfurt zu Ende ging. Zu den häufigsten Störungen gehörten Aggressivität, Konzentrationsschwächen, Unruhe, Ess- oder Schlafstörungen, aber auch oft Ängste und Depressionen."(...)
auch leider keine wirkliche neuigkeit, aber es scheint mir angebracht, immer mal wieder dran zu erinnern.
kinder bzw. kindheit ist dann ein gutes stichwort, um auf eines der vielen sehr lobenswerten projekte von "utopie 1" hinzuweisen: dort ist nämlich inzwischen die hier schon mehrfach erwähnte und kommentierte arbeit des psychohistorikers lloyd deMause, "das emotionale leben der nationen", online zu lesen - wer sich also näher mit einem unkonventionellen ansatz zum verständnis vieler vergangener und heutiger destruktiver phänomene bekanntmachen möchte, hat dort die möglichkeit dazu. vielen dank nochmal an die utopie dafür!
monoma - 6. Mär, 21:49