guru - 27. Jun, 02:06

Der ewige Autist

Ob Isaak Newton Autist war oder ein verschrobener Zeitgenosse, ist eigentlich völlig egal. Dass die Selbsthilfebewegung Vorbilder wie Einstein oder - eher fragwürdig - Gates haben will, ist klar. „Jesus war ein Aspie!“ sagen die einen, die anderen sagen, er sei schwul gewesen und die dritten behaupten, er sei schwarz oder Gott sei eine Frau. Man beansprucht eben Leitfiguren und Vorbilder. Peinlich für Autisten, die nicht gerade berühmt dafür sind, sich Poster von Idolen an die Wand zu hängen, aber wer weiß, wer sich den Schwachsinn ausgedacht hat. Eine gewisse Autismusromantik vom genialen verkannten Gutmenschen ist auch unter Autisten selbst sicher vorhanden. Schließlich sind sie es, die dauernd reingelegt und verarscht werden. Und natürlich geht es um den „gewöhnlichen Autismus der gesunden Person“, ich würde meinen Autismus ohne zu zögern so bezeichnen. Mein Autismus ist gewöhnlich und ich bin gesund.

Doppelbedeutungen und Meta- Ebenen erschließen sich mir genauso wie der pragmatische Hintersinn, wenn ich genügend Zeit habe, einen Text zu analysieren oder ein Gesicht. Wenn ich eine Marienhof- Folge etwa zwanzigmal anschaue, finde ich heraus, warum diese Menschen sich so irrational verhalten. Damit kann man auch seine Zeit verschwenden.
Es ist ein Vorurteil, zu glauben, dass Autisten nicht ironisch sein könnten. Autismus ist in allererster Linie Monotropismus. Eine nonverbale Ironiekennzeichnung entgeht einem Autisten leicht. Das ist aber eine Trainingsfrage und auch Nichtautisten müssen Ironie lernen.
Und ja – die Sache mit den Bürgersteigen ist mir auch passiert, die ist einigen passiert. Man schaut eben zuerst mal etwas ungläubig, überlegt, wo die Scharniere sein könnten und entdeckt dann, dass es sich um einen Witz, eine Lüge oder eine Redewendung, die man noch nicht kennt, handeln muss. Wenn man zu lange braucht, um das herauszufinden, wird man ausgelacht und für dumm gehalten, nur weil die Nichtautisten Späße machen, die jeglicher Komik entbehren. Tolle Welt.

Autistische Wahrnehmung darf man nicht mit Objektivismus und Verdinglichung verwechseln. Die Gesichtererkennung läuft über den Bereich im Gehirn, der bei Nichtautisten für die Objekterkennung zuständig ist, das ist wahr, aber das liefert ähnliche Ergebnisse. Es wird anders wahrgenommen, das überhaupt in einen philosophischen oder soziologischen Kontext zu stellen ist falsch. Das ist ein neurologisches Phänomen.
Es breitet sich auch nicht aus, es wird nur immer öfter erkannt. Asperger verfasste seine Weisheiten zwar in den Vierzigern, aber sie wurden ja lange ignoriert. Natürlich ist es auch eine Modediagnose, weil es einige Jammertanten gibt, die gern ein krankes statt ein schräges Kind hätten, weil sie irgendwie ein Problem mit gesellschaftlicher Anerkennung von Möchtegernmärtyrerinnen haben, aber das steht auf einem anderen Blatt.
Es ist sonst erfreulich, dass immer mehr Fachkräfte sich mit Asperger Autismus auskennen, in Deutschland sind es etwa 12 und die Betreffenden reisen bis zu 500 Kilometer für eine Diagnose durch die Republik.

Die Evolution, die da angesprochen wird, begünstigt uns leider nicht. Autismus geht häufig einher mit einer gewissen Paarungsunwilligkeit. Autisten haben empfindsame Ohren und Nasen, kein Verständnis für soziale Rollenerwartungen oder keine Lust, autistischen Kindern so eine Welt zuzumuten. Es ist nicht so, dass Autisten sich übermäßig fortpflanzen. Diese Überbevölkerung geht definitiv nicht auf unsere Kappe, wir erhalten uns gerade so selbst. Für alles sind wir auch nicht verantwortlich und die Dinosaurier sind auch ohne uns ausgestorben und es gehen auch nicht mehr Amokläufe, Milchdiebstähle und Steuerbetrügereien auf unsere Kappe als unter anderen Bevölkerungsgruppen auch.
Eventuell doch eine leicht erhöhte Anzahl von Amokläufen, aber wegen der krassen Mobbing- Erfahrungen vieler Autisten in der Schule ist das nicht verwunderlich. Es gibt immer ein gewisses Ausmaß an Demütigung, das ein Mensch erträgt, bevor es ihm die Hirnsicherungen rausknallt und Autisten sind da sogar noch eher duldsame Zeitgenossen.

In Bezug auf die virtuellen Beziehungen hinkt der Vergleich. Gerade die fakes verunsichern Asperger Autisten, machen ihnen die Geschäfts- wie auch die Privatkontakte zur Hölle. Man ist gezwungen, mit Menschen befreundet zu sein, mit denen man Geschäfte macht. Man weiß nicht, ob sie Freunde sind oder Feinde. Sie tun alle wie Freunde und natürlich wäre es toll, aus Geschäftspartnern Freunde zu machen. Aber wie das geht, wie man das erkennt, wo eine Freundschaft beginnt und ob es eigentlich unbedingt sein muss, sich dauernd um den Hals zu fallen, das sind so Fragen, die Autisten ziemlich überfordern.
Man kann diese eine Art der „Virtualität“, der „Simulation“ nicht mit dem Cyberspace gleichsetzen, jedenfalls absolut nicht aus der Sicht eines Autisten.
Der Autist bleibt er selbst. Auch in einem Chat wird niemand mit ihm reden, weil er dauernd komische Sachen sagt und bei Sätzen wie „ *knuffelz chickie und reicht ziggie* he was macht an? *lach* “ sehr lange nachdenken muss, um eine Sinnhaftigkeit auszumachen.

Hier herrscht wieder ein völlig falsches Verständnis von Autismus. Menschen als profitable Objekte zu betrachten ist nicht jedermanns Sache und hat mit Autismus nichts zu tun. Nicht im Geringsten. Autisten sind schlechte Schauspieler. Sie kriegen es gerade so hin, so zu tun, als seien sie keine Autisten. Manipulation liegt ihnen nicht und das Vortäuschen von Freundschaften erst recht nicht. Ein antrainiertes als-ob-Sozialverhalten wie bei Grandin geht über die Rolle des leicht reserviert wirkenden Nichtautisten selten hinaus und ist ein speziell weibliches Talent. Und eine schauspielerische Leistung, die pro Stunde vier Oscars verdient. Für Manipulationen und Freundschaftsvortäuschungen bleibt da keine Kapazität übrig, man ist mit sich und seiner möglichst „normalen“ Außenwirkung beschäftigt. Man kann sich ja schließlich nicht in die Ecke setzen und schaukeln, weil das Licht zu hell ist.
Kein Mensch macht sich einen Begriff davon, wie anstrengend es für einen Autisten ist, den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen.

Das Internet bedeutet für Autisten vor allem barrierefreien Zugang zu Kommunikation und Bildung. Nur wenige sind so gesegnet, beruflich und finanziell unabhängig ihr eigenes selbst bestimmtes Leben leben zu können. Autismus hat auch viel mit Sprachlosigkeit zu tun und mit Ausgeschlossenheit aus der Gesellschaft.
Ich könnte meine Gedanken hier nicht so präzise äußern, wenn ich mich in einer real life Konversation befände. Ich würde entweder schweigen oder alle unter den Tisch monologisieren und dann verwirrt nach Hause gehen. Falls ich nicht in die falsche Bahn steige, weil ein Hund so laut bellt, dass meine Synapsen in Ohnmacht fallen.
Natürlich ist es ein Glücksfall für die autistische Emanzipation und es ist ein Fortschritt, dass uns Computer liegen. Vor fünfhundert Jahren wären Autisten vermutlich Klavierbauer oder Pfarrer geworden oder Dorfdepp. Ist das Internet schlecht oder gut oder kommt es darauf an, was man daraus macht?
Wollen wir uns nicht mal zusammen betrinken und ein paar Webstühle anzünden?

„die gewissenhaftigkeit und sorgfalt - böswillig ließe sich auch pedanterie sagen - hat bspw. im bereich der edv-programmierung tatsächlich ihre vorteile, die allerdings nicht unabhängig von der verwendung der dadurch erzeugten produkte zu sehen sind. ein sorgfältig ausgetüfteltes überwachungs- oder waffensystem mag dem mehr oder weniger autistischen programmierer persönlich freude bereiten (und seinen auftraggebern ebenso) - die späteren opfer jedoch müssen dann den mit den oben genannten fähigkeiten assozierten mehr oder weniger starken verlust der empathiefähigkeit regelmäßig mit einbußen ihrer freiheit, gesundheit oder gar ihres lebens bezahlen.“

Hier wird nun das Feindbild des Autisten vollendet.

Gewissen- und hirnlose Rechenmaschinen sind wir, die sich von der Waffenindustrie instrumentalisieren lassen. Und wir fressen auch kleine Kinder.

„permanente aufrichtigkeit kann massiv und bösartig grenzverletzend sein, und ist eigentlich nicht vorstellbar bei gleichzeitiger anwesenheit von empathie, die in heiklen sozialen situationen korrigierend wirkt.“

Doch, das ist vorstellbar. Ich mag meine Mutter sehr, aber als sie mich einmal fragte, wie sie in dem Kleid aussehe, sagte ich ihr, dass sie fett wirke und ich merkte auch an ihrer Reaktion, dass das die falsche Antwort war.
Solche Dinge lernt man zu verschweigen, wenn man erwachsen wird.
Mit ist nicht klar, was „authentisch empathisch“ ist. Ich würde mich so bezeichnen.
„Gewohnheitsmäßige Simulationen von Soziopathen“ machen nicht wirklich Sinn, denn Soziopathen leben sehr zurückgezogen und haben kein Interesse an Menschen oder an der Vortäuschung von irgendwas.
Autistische Ehrlichkeit mit der „Ehrlichkeit“ der Nazis zu vergleichen, ist rhetorische Manipulation, um das Feindbild Autist auch noch in die Nähe der völligen Gewissenlosigkeit zu rücken.
Auch der Vergleich mit der Justiz hinkt. Autisten haben ein Problem mit sozialen Regeln, gesellschaftlichen Normen und völlig unlogischen Gesetzen. Es gibt autistische Juristen, wie es Autisten in jedem Berufszweig außer dem des Gogo- Tänzers gibt, aber Autisten sind skeptische Menschen. Das Auswendiglernen von Lexikonseiten funktioniert nur, wenn das, was dort steht, auch logisch ist und seit wann ist die deutsche Justiz logisch?

Das bedeutet nicht, dass wir das Justizwesen umgestalten wollen, ob wohl ein paar Verbesserungen nötig wären. Es bedeutet auch keinen Faschismus und keine Ideologie.
Autisten sind Menschen wie andere auch. Destruktive Phänomene habt Ihr Euch selbst zuzuschreiben mit Eurer Konsumwut, Eurer Machtgier, Eurem Alphatiergehabe. Bitte lasst uns da raus und sucht Euch einen anderen Sündenbock.
Es ist ja schon paradox, "Antisoziale" für soziale Phänomene verantwortlich zu machen. Menschen, die anders sind als Psychopathen zu bezeichnen – kenn ich vom Schulhof. Und Autisten nicht entpathologisierenswert zu finden – schön, da wird sich der Apotheker freuen.
Jedem seine Meinung, das ist meine:
Autismus hat mit den psychologisch- soziologisch- anthropologischen Zuständen und Strukturen, die zu Konflikten und Kämpfen führen, nichts zu tun. Wir wollen nur unsere Ruhe. Wir nehmen Euch Eure Weibchen bestimmt nicht weg, keine Angst, wir haben ja unsere Computer und sehen sowieso Scheiße aus.

Gruß. Guru

name (Gast) - 31. Mai, 19:18

dass wednesday autisten und nazis und antisemiten vergleicht foinde ich ziemlich peinlich. da kommt wieder godwins law raus-und der nazi gilt als totschlagargument.
-und wenns nur heisst:ja, ich hab dich beleidigt,aber du heulst ja rum wie n nazi,den man nazi nennt,

wie abgefuckt dreist und vermessen sich hier so aufzuspielen obwohl man kein ahnung hat.
aber nunut,wenn wednesday so toll ist und glaubt ssie hätte ahnung,austismu zu bewerten-bzw wabzuwerten..das ist nazihaft,den immerhin unterstellt man ja dem volk einen schaden durch die bösen,brutalen kranken aspies.

oh wie mich das an diese plakate erinnert "6000rm kostst dieser geisteskranke das volk im laufe seines lebens"...

schlimm wenn der vermeidtlich geisteskranke willens und in der lage ist für sich selbst zu sprechen und stolz auf sich zu sein.
aber er ist ja ein nazi,so scheint wednesday zu glauben. oder,nein, kein nazi-nur so wertlos wie ein nazi?

ja, wednesday, was glauben sie überhaupt? Nicht dass hier nachher so geflennt wird, es werde nur vorgeworfen..

was denken sie von aspergern,was halten sie denn von ihnen?
monoma - 1. Jun, 01:09

ich bin zwar nicht w-day, antworte aber mal trotzdem drauf - dass sich hier vermeintliche oder auch tatsächliche als "asperger" diagnostizierte immer mal wieder verhalten wie pavlovsche hunde im sinne von herstellung unzulässiger kausalketten, muss ich mir wahrscheinlich zumindest teilweise selbst ankreiden - anscheinend war ich in entsprechenden beiträgen/diskussionen früher noch zu unpräzise.

aber um das kurz zu machen: lesen Sie sich einfach mal die ersten beiden punkte hier durch, und denken Sie ausgiebig drüber nach, was da eigentlich steht.

wenn hier jemand tatsächlich die von Ihnen oder anderen unterstellten gleichsetzungen ziehen würde, wäre ich der erste, der solche personen erst auf ihren fehlschluss hinweisen und im wiederholungsfall aus dem blog schmeissen würde. aber genau um diese gleichsetzungen geht´s hier eben nicht. punkt!

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