assoziation: von der gier (und von der "ehre" - update)

da dieses kleine wörtchen aktuell beim jüngsten skandal (das sind bekanntlich immer nur einzelfälle) aus der welt der selbsterklärten "eliten" in vielen schlagzeilen und kommentaren als eine art anthropologischer konstante auftaucht (ein beispiel hier ganz unten:

(...)"Was verbindet den Fall Zumwinkel, die Bankenkrise und Nokia in Bochum? Genau: Gier. Die Entfesselung dieser tief menschlichen Untugend hat dramatische Folgen,"(...)

und damit in gewisser weise bspw. das geklaute brot eines alg2-empfängers, der sich aus blanker not dem ladendiebstahl zuwendet, in der motivation mit den beiseite geschafften millionen von millionären gleichgesetzt wird, ist es an der zeit, eine solche derartige nichterklärung seitens der medien des kapitalistischen mainstreams näher zu betrachten. neben dem begründeten verdacht, dass sich die so schreibenden autorInnen und redaktionen aus ihrer eigenen psychophysischen verfassung heraus kein anderes motiv vorstellen können, d.h. wie so oft nur projizieren, ist dabei zunächst die frage zu stellen, was sich hinter dem wort "gier" womöglich verbirgt. ein ansatz:

(...)"Nun hat bereits der griechische Philosoph Aristoteles (...) genial beobachtet, dass die Grenzenlosigkeit des Begehrens nicht allein am Konsum hängen kann. Denn irgendwann ist auch der verrückteste Luxuskonsum nicht mehr zu steigern. So kommt er zu dem Schluss, dass das Kernproblem der grenzenlosen Vermehrung mit dem Geld zu tun haben muss. Konsumgüter sind begrenzt nutzbar und haltbar, Geld verdirbt nicht und lässt sich grenzenlos horten. Darum bewirkt es im Menschen die Begierde (epithymia), grenzenlos Geld anzuhäufen. Der Grund dafür ist die Illusion (dokei, es scheint so als ob), man könne sich grenzenlos Lebensmittel kaufen und damit ewiges Leben. Hinter der Gier nach immer mehr steht also das Nichtfertigwerden mit dem eigenen Tod, der eigenen Begrenztheit als körperlichem, bedürftigem Wesen.

Da aber - so fährt Aristoteles fort - der nach grenzenloser Geldvermehrung strebende Mensch genau durch die dazu benutzten Praktiken (Zinsnahme, Monopolbildung etc.) die Gemeinschaft zerstört, zerstört er sein eigenes Leben, das als bedürftiges auf die Gemeinschaft angewiesen ist. (...) Hier ist also bereits erkannt, dass ein Wirtschaftssystem, das auf Akkumulation von Reichtum der wenigen zielt, nicht nur die anderen, sondern sich selbst zerstört - ein Vorschein der Einsicht, dass in der globalisierten Welt systemischer Mord Selbstmord ist. (...)

Die gleiche Einsicht in die lebenszerstörende Geldvermehrung kommt übrigens auch schon in dem griechischen Mythos vom König Midas zum Ausdruck. Er hatte eine solche Sucht nach Gold, dass er sich wünschte, dass alles, was er berühre, zu Gold werden möge. So wandelte sich auch seine Nahrung in Gold und er musste Hungers sterben. Sein eigenes konkretes Leben als körperlich bedürftiger Mensch zerstörte er selbst durch die Illusion der unendlichen Geldvermehrung. Hegel nannte dies später die `schlechte Unendlichkeit´"(...)

(quelle dieses zitates ist das
hier näher vorgestellte buch "solidarisch mensch werden"; s. 139/140)

den ansatz, geld (bzw. gold) als synonym zu betrachten, finde ich erstmal schlüssig - mit bedruckten papierlappen sowie metallstückchen "an sich" lässt sich ja nun real nicht so wahnsinnig viel sinnvolles anstellen, und schon gar nicht im konkreten lebensalltag. die macht des geldes beruht auf einem symbolischen akt, einer - übrigens letztlich mit gewalt - erzwungenen übereinkunft, papier und metall als abstraktes symbol für reale werte anzusehen. und unter der prämisse sind die gedanken des aristoteles durchaus nachvollziehbar. auch unter dem aspekt, dass die todesangst und ihre möglichen kompensationen vermutlich als grundlegende handlungsmotivation in allen möglichen gesellschaftlichen bereichen in aller regel schwer unterschätzt bzw. verdrängt wird.

geld ist aber heute v.a. ein synonym für macht geworden, und an dem punkt finde ich, dass sich die obigen gedanken erweitern lassen: die erwähnte grenzenlosigkeit - des menschlichen seins und handelns - ist bekanntlich eine fiktion und in der realen - und in jeder hinsicht endlichen - welt nicht vorhanden. grenzenlosigkeit im handeln weist daher immer auch auf die aktivität des objektivistischen modus´hin, der als einziges im menschen imstande ist, derlei fiktionen zu produzieren. und wenn grenzenlosigkeit in den v.a. negativen, d.h. grenzverletzenden, formen vorliegt, wie sie hier im blog immer wieder thema sind, v.a. in form von verschiedenen arten der gewalt, so ist das ein sehr starkes indiz für das ebenfalls lang und schlapp thematisierte ungleichgewicht, welches entsteht, wenn sich der objektivistische modus innerhalb einer geschädigten subjektivität zum dominanten wahrnehmungsmodus aufschwingt. das sich die eigene machtposition dann noch bevorzugt anhand von abstrakten zahlenreihen, die sekundär emotionale zustände von als-ob-sicherheit und triumpfgefühle (anscheinende "überlegenheit") erzeugen können, ablesen lässt, passt dabei bestens ins bild.

und so fahren dann die objektivitätskranken "eliten" weiterhin zwanghaft den karren erbarmungslos gegen die wand. und was ich hier schon früher einmal schrieb, ist weiterhin gültig:
die grenzen werden von außen gesetzt werden müssen. und das bleibt nach wie vor die vielleicht dringendste aufgabe überhaupt.

*

edit am 17.02.: und noch so ein
wörtchen ,welches momentan öfter im zusammenhang mit der affäre auftaucht:

(...)„Wir werden uns nur vor diejenigen stellen, die nach Recht und Gesetz, Ehre und Gewissen arbeiten. Wer das nicht akzeptiert, gehört nicht mehr dazu", sagte Thumann.(...)

naja, von "recht und gesetz" zu fabulieren, ist den "eliten" nur recht und billig - wer sich etwas mit der tätigkeit diverser lobbyisten bei allen möglichen gesetzgebungen beschäftigt, wird gleichfalls zu dem schluß gelangen, dass sie mehr oder weniger ihre gesetze selbst machen - und nicht nur an der stelle fällt wiedermal die strukturelle gemeinsamkeit mit der illegalisierten
verwandtschaft auf, die dann beim appell an die "ehre" noch deutlicher wird:

(...)"Sich auf mafiose Weise zu verhalten bedeutet, sich ehrenhaft [ onorevole] zu verhalten, und zwar in einer Weise, die den Regeln von Mut, Schlauheit, Grausamkeit und der Anwendung von Raub und Betrug entspricht" (...)

(arlacchi, pino: mafiose ethik und der geist des kapitalismus. frankfurt a. m.; 1989; s. 29.)


brüder im geiste.

*

die undurchsichtige rolle des bnd sowie rolle und position(en) der staatsorgane in dieser konfrontation überhaupt sind ein weiteres thema - aber nicht heute.

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