monoma - 3. Okt, 13:20

erste nachträge

weil ich oben ansonsten mit der zeichenbegrenzung kollidieren würde, jetzt also in kürze:

- ist unsere ökonomie - psychotisch?

klingt bizarr, die frage - aber seit gestern spukt sie mir dauernd im kopf herum, und zwar vor allem wg. der viel diskutierten konstellation "virtuelle finanzwelt vs. realwirtschaft". und wer hier öfter liest, wird genau diese strukturelle konstellation aus einem anderen zusammenhang kennen:

(...)"zunächst aber noch dieses: mertz begreift psychotische prozesse - die er in zwei strukturell unerschiedliche formen teilt: eine grundsätzlich autistische form, die unter bestimmten bedingungen durchaus kompatibel mit den jeweiligen, gesellschaftlich produzierten normen der sog. objektiven realität ist, sowie eine schizophrene form, die von der heutigen zuständigen psychiatrie meist alleine als psychotisch gewertet wird, und zwar hauptsächlich deshalb, weil sie ganz offensichtlich bspw. durch halluzinationen nicht kompatibel mit der herrschenden aktuellen realitätsnorm ist (mit dieser postulierung von zwei qualitativ unterschiedlichen psychotischen wegen ähnelt sein modell übrigens auch ähnlichen gedanken bei arno gruen und theweleit) - grundsätzlich als ausdruck einer aus dem gleichgewicht geratenen und sich verselbstständigen objektiven position innerhalb des "menschlichen funktionsganzen". in seinen worten:

"Die Psychose beginnt in der Regel nicht erst mit dem offensichtlichen Wahnsinn, der auffällig störenden Verrücktheit, sondern lange, lange vorher, die Psychose beginnt haargenau als beliebig rationales, im objektiven Sinne beliebig realitätstüchtiges Kontrollbewußtsein, das allerdings in einer funktionalen Monopolposition operiert. Kurzum, der psychotische Prozeß wäre weitgehend identisch mit dem an sich gesunden Prozeß des objektiven Kontrollbewußtseins, das jedoch im Falle einer Psychose aus dem Funktionsganzen ausbricht, sich verselbstständigt und auf das vollständige Subjekt, dem es entstammt und von dem es sich funktional quasi emanzipiert hat, wie auf ein Fremdes, Nichtichhaftes zurückblickt. Das, was den Psychotiker hauptsächlich plagt, quält und verfolgt, ist das vollständige Subjekt, das er (fiktiv) hinter sich gelassen hat."(...)


an den haaren herbeigezogen? ich bin mir nicht sicher, wie hoch bei den derzeitigen ereignissen der anteil des treibens von soziopathen ist, aber ich bin mir sicher, dass es einen anteil gibt. und das, was wir gerade in der weltökonomie erleben, könnte - multidimensional betrachtet - auch eine gigantische inszenierung der sozusagen klassisch soziopathischen inneren persönlichkeitsstruktur im außen sein. spontane assoziation, die auch in die irre führen kann, ich weiß - aber trotzdem will der gedanke nicht weichen.

- bank run

oh, da haben aber welche angst:

(...)"Die Bank sah sich genötigt, im Online-Banking ihrer Direktbanktocher "1822direkt" einen Hinweis anzubringen, der immer erscheint, wenn man das Überweisungsformular öffnet. Dort schreibt die Bank, dass die Einlagen der Kunden "ohne betragsmäßige Begrenzung" geschützt seien. Durch die verstärkten Umschichtungen fließe derzeit viel Geld ab, "als Sparkasse fließt uns aber auch viel zu", so Matthiesen. Von einem "Bank-Run", also verstärkten Bargeldabhebungen, könne derzeit keine Rede sein.

beteuerungen, das ja alles "in ordnung" sei, gibt´s derzeit im zehnerpack im grabbeltisch am ausgang. meistens ist ein paar tage später dann die überraschung groß. die zeichen mehren sich jedenfalls:

(...)"Das merkt auch Dirk Schiereck, BWL-Professor an der Technischen Universität Darmstadt. Im Radio beantwortet er oft Fragen von Zuhörern - und ist erschrocken. "Gerade ältere Leute haben ihr Konto schon leer geräumt."(...)

ob man das alleine als frage "der psychologie" betrachten sollte? allerdings sind bank runs tatsächlich ein 1a-studienobjekt für massenpsychologie.

- naomi klein

die autorin der "schock-strategie" kommentiert das aktuelle geschehen aus ihrer (interessanten) perspektive, leider nur in englisch:

http://www.naomiklein.org/main

- schluß mit dem schönreden

der mainstream schlägt inzwischen auch solche töne an - vorbereitung für die dinge, die da harren?

Tamara (Gast) - 3. Okt, 13:38

Vielleicht bin ich wieder mal zu "vereinfachend" in meinen Gedanken ...

... aber ich gehe davon aus, dass sog. Soziopathen bzw. (scheinbar) soziopathisches Handeln in vielen Fallen auf einer Zeit einer langanhaltenden Not (Disstress - aus dem Englischen lässt sich dieser Begriff auch mit Not übersetzten) basiert, also darauf oft zurückgeführt werden kann.

Bei "echten" Soziopathen hat der Zustand und die Umgebung wohl so lange angehalten, dass aus Psychologie Biologie geworden ist (siehe auch Joachim Bauer) und ggf. nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Die Frage ist, wie lange dauert so ein Prozess? Wie lange muss eine Not in dieser Größenordnung in etwa dauern? Dann ist noch die jeweilige Individualität eines Menschen zu berücksichtigen.

an den haaren herbeigezogen? ich bin mir nicht sicher, wie hoch bei den derzeitigen ereignissen der anteil des treibens von soziopathen ist, aber ich bin mir sicher, dass es einen anteil gibt. und das, was wir gerade in der weltökonomie erleben, könnte - multidimensional betrachtet - auch eine gigantische inszenierung der sozusagen klassisch soziopathischen inneren persönlichkeitsstruktur im außen sein. spontane assoziation, die auch in die irre führen kann, ich weiß - aber trotzdem will der gedanke nicht weichen.

Daher denke ich, dass auch ganz "normale" Menschen in Notzeiten ein Verhalten - ausgelöst durch hohe Not - sich "soziopathisch" verhalten kann. Gerade dann, wenn diese Formen des Verhaltens in seinem Umfeld sehr stark ausgeprägt ist. Denn wer dann versucht kooperativ zu sein und keinen findet der mitmacht, was bleibt dann noch?

Daher denke ich, dass Deine Gedanken nicht in die Irre führt. Zumal ich den Eindruck habe, dass Du Dich auch oft fragst: "Woran könnte es noch liegen?" Mediziner nennen die Differnzialdiagnose.
Tamara (Gast) - 3. Okt, 13:40

Natürlich gilt das nicht für sog. "erworbene" Soziopathien und Ähnliches. Aber diese lassen sich ja immer auf Unfälle, etc. zurückführen.
monoma - 3. Okt, 13:48

@tamara

zum disstress: ja, ich bevorzuge dabei die pränatale spur.

und finde es gerade wieder mal verdammt ärgerlich, dass der neue beitrag zur soziopathie immer noch in der warteschleife hängt - meiner erfahrung nach gibt es kaum menschen, die sich der teils unfassbaren implikationen bewusst sind, die sich aus dem phänomen soziopathie ergeben.

und die "normalen" verhalten sich in krisenzeiten duchaus auch antisozial, ja - aber das möchte ich aus guten gründen von der soziopathie trennen. auch, wenn´s teils verdammt ähnlich aussieht.
Tamara (Gast) - 4. Okt, 10:39

Diese Spur halte ich auch für sehr wichtig ...

... nur meiner Ansicht nach sind es immer mehrere (wichtige) Faktoren. Dieser hier wird mit Sicherheit viel, viel zu stark aus der öffentlichen Wahrnehmung (u.a. weil nicht viel darüber berichtet wird) "verdrängt". Danke für die Verlinkung zu Deinem Artikel.

Wenn ein Mensch, der auf seine Tiefenwahrnehmung nicht oder nun mehr wenig zugreifen kann, dies in einer Therapie wieder versucht (oft zu "schnell", weil nicht viel Geld zur Behandlung da ist und die Planerfüllung u.a. in dem Punkt "Wiederherstellung der Körperwahrnehmung" besteht) "beizubringen", bei "Erfolg" mit seinen Körpererinnerungen alleine lässt, macht ein ggf. ein Pulverfass auf. Denn es hat ja seinen Grund warum einstmals diese Wahrnehmung "heruntergefahren" wurde. Irgendwie drängt sich mir der Begriff eines "kalten Entzugs" auf.

Auch ohne dieses "Öffnen des Pulverfasses" kommen ja nach der Geburt und beim Aufwachsen mind. drei Möglichkeiten der Bewertung seiner Umwelt in Betracht. Entweder wird ihm das weniger Fühlen als "Schwäche" ausgelegt oder es wird vom Umfeld als "Stärke" betrachtet oder die Einschätzung von Außen schwankt selbst zwischen "Stärke" und "Schwäche".

Eine Welt, die ihre Not nur verdrängt und nicht aufarbeitet, würde dann tatsächlich das "ungewollt" produzieren, was sich je nach Mensch - für eine große "Stärke" und/oder eine große "Schwäche" hält.

Mir gehen noch so viele andere Assoziationen durch den Kopf, aber diese alle in Worte zu fassen würde wohl den Umfang eines Kommentares bei Weitem sprengen. Daher jetzt nur dieser eine Gedandensprung.

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