monoma - 5. Jun, 18:27

ehec-update 3, 05.06.

in diesen minuten soll in niedersachsen eine offizielle behördliche pressekonferenz stattfinden, auf der es um eine "heiße spur" geht - was damit genau gemeint, pfeifen schon seit einer stunde die medialen spatzen von den dächern: sprossen, genauer sprossen aus soya- und mungobohnen. es gibt sogar schon details zum verdächtigten betrieb:

(...) "Betroffen vom Verdacht ist (...) der Gärtnerhof Bienenbüttel im Kreis Uelzen.

Der Geschäftsführer des Gärtnerhofs, Klaus Verbeck, sagte unserer Zeitung, er könne sich keinen Reim auf die Vorgänge und Vorwürfe machen. Die Salatsprossen wüchsen nur aus Saatgut und Wasser. Sie würden überhaupt nicht gedüngt. Auch in anderen Geschäftsbereichen des Hofes werde kein tierischer Dünger verwendet. „Nicht einmal Hornmehl“, wie Verbeck (...) sagte." (...)


ich werde beim schreiben immer mal einen blick auf aktuelle infos aus der pk werfen.

sprossen? noch dazu aus einem expliziten bio-hof? da kommen mir doch eine menge neuer fragen:

stimmt, gerade sprossen dieser arten finden sich sowohl in salaten (wo ich beide sorten manchmal auch ganz gerne esse, mungobohnen aus dem glas gerne auch mal so) als auch kurz mit angebraten/drüber gestreut in asiatischen gemüsepfannen.

die "zielgruppe gesundheitsbewusste jüngere frauen" dürfte duchaus eine größere schnittmenge zum sprossenverzehr aufweisen, von daher also plausibel. dann aber...

erste frage: muss ich mein bild von älteren bis sehr alten damen in norddeutschen kleinstädten und auf dem land revidieren? werden in dem kreis mittlerweile auch sprossen regelmässig gegessen?

zweite frage: das wären dann höchstens (höchstens ! - hallo pressefritzen) die träger der kontamination, aber eben nicht die ursache. wenn die aussagen des geschäftsführers oben stimmen (und aus gründen gehe ich bei einem solchen betrieb in dieser branche erst mal davon aus), dann kommt nur das saatgut in frage - oder das wasser.

beides verursacht bei mir heftiges kopfkratzen.

dritte frage: was ist das eigentlich für ein argument mit dem "nachweis für den vertrieb an allen aktuellen großen ausbruchspunkten"? ich gehe jede wette ein, dass ich das für jede menge anderer produkte ebenso sagen könnte.

das wird garantiert später noch aktualisiert hier, soweit erste anmerkungen für den moment.

*

und weiter: jetzt gibt´s immerhin schon mal genauere einzelheiten:

(...) "Unter anderem gebe es Verbindungen zu den jüngst bekannt gewordenen Fällen in Lübeck und über Umwege auch zu den EHEC-Fällen in einer Betriebskantine in Frankfurt. (...)

"Sprossen werden nicht auf einem Substrat gezogen sondern in Trommeln, in 38 Grad Wärme - das sind auch die optimalen Bedingungen für das Keimen anderer Keime", sagte Lindemann. Auch zwei Mitarbeiterinnen des Sprossenzüchters aus Bienenbüttel seien an Durchfall erkrankt - eine von ihnen nachweislich an EHEC." (...)


letzteres dürfte das bisher stärkste argument für diese variante darstellen. das würde aber immer noch nicht die herkunft eines normalerweise im darm von wiederkäuern befindlichen erregers in einer solchen umgebung erklären.

in diesem fall lassen sich aber schon enge eingrenzungen vornehmen:

- saatgut (woher?)
- wasser (wäre die mieseste variante)
- keimträgerIn unter den beschäftigten (wobei die person nicht zwangsläufig erkrankt sein muss)

die bakterien bilden keine sporen, können aber - das als ergänzung zum entsprechenden teil im beitrag, wo ich zunächst nur fragen konnte - bspw. in sog. "biofilmen", nicht unbedingt sichtbaren ansammlungen von algen, pilzen und bakterien in feuchten milieus - als teil eines solchen mikrobiotops inaktiv auch längere zeit in einer ihnen ansonsten fremden bis feindlichen umwelt überstehen. das könnte auch eine kontamination selbst in einer sprossenzucht durchaus möglich machen.

die wichtigste frage aber bleibt: woher kommt dieser erreger?

*

und weitere einzelheiten:

(...) "Die Sprossen aus dem Kreis Uelzen, die als ein EHEC-Auslöser im Verdacht sind, wurden unter anderem an einen Gasthof in Klein Meckelsen im Kreis Rotenburg (Niedersachsen), nach Lübeck, an ein Hotel im Kreis Lüneburg und an eine Kantine in Bochum geliefert." (..)

erklärt einerseits schon mal ein paar der norddeutschen cluster, erfüllt andererseits die notwendigkeit der involviertheit auch von gastronomischen betrieben verschiedener art.

(...) "Auf die „heiße Spur“ ist man gekommen, da Sprossen schon öfter Überträger von Krankmachern wie Salmonellen, Noroviren und eben auch EHEC waren. In Japan waren Sprossen vor Jahren Grund für einen EHEC-Ausbruch: Nach dem Verzehr von Rettich-Sprossen erkrankten dort nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit mehr als 10.000 Menschen. Die Sprossen wurden demnach durch Rinder-Dung auf dem Feld verschmutzt." (...)

yo, eben überträger (und nicht "ursache", wie es gerade in so ziemlich der gesamten deutschen presselandschaft schlicht sachlich falsch herumgetrötet wird). denn bei dem, was sich inzwischen an infos über den fraglichen betrieb ergibt, stellt sich für mich die frage nach eben dieser nochmals stärker.

das "robert koch institut" ist auffällig zurückhaltend bei der bewertung der neuesten entwicklung. ach ja, und zur unterstreichung eigener überlegungen sei das hier noch vermerkt:

(...) "Zuvor waren auch Biogasanlagen ins Visier der Wissenschaftler gerückt, nachdem einige Veterinär- und Labormediziner dort den Erregerherd vermuteten." (...)

*

der betrieb in bienenbüttel hat eine eigene und sehr ausführliche website, auf der auch ausführlich zur sprossenproduktion, - verarbeitung, - haltbarkeit und lagerung geschrieben wird. und wie ich es mir aufgrund des ersten presseberichts oben schon dachte: das ist sozusagen ein "bio-ur-betrieb, in den späten 1970ern gegründet.

alles ziemlich bitter, natürlich für alle infizierten, aber auch für alle vermutlich(!) zu unrecht bezichtigten gemüsebauern. und letztlich auch für diesen betrieb, laut eigener aussagen eine "vegetarische hofgemeinschaft". also eigentlich ein prototyp jener art von landwirtschaft, die aus gründen unbedingt bevorzugt gehört. bitter deshalb, weil der erreger eben mit aller wahrscheinlichkeit nicht ursächlich von dort stammen kann, sondern aus einem ganz anderen milieu entspringt.

*

und weiter: im gegensatz zum umgang mit den ja ebenfalls ehec-kontaminierten gurken aus spanien ist auffällig, wie relativ zurückhaltend sich die involvierten behörden gerade äussern. immerhin eine gewisse lernfähigkeit?

ich habe gerade noch mal überlegt, ob das so vertretbar ist, direkt auf den betroffenen betrieb hinzuweisen - auch, wenn der name bereits medial vorhanden ist und der geschäftsführer mindestens schon einmal interviewt worden ist. ich sehe aber auch in diesem fall keinen anlaß, bei einer derartigen indizienlage nicht roß und reiter zu nennen - es ist völlig egal, ob bioanbau oder agrarindustrie. im gegenteil dürfte es meiner meinung nach so sein, dass auch der betrieb selbst größtes interesse an möglichst weitgehender transparenz hat. das hat etwas mit grundlagen und selbstverständnis der biobranche zu tun, zumindest des "originären" teils, dem ich diesen hof erstmal zurechnen würde. und nicht nur als vegetarischer verbraucher, der selbst nach möglichkeit auf "bio" zurückgreift (und auch gerne sprossen isst), verlange ich in einem solchen fall schlicht weitgehende transparenz.

*

so, zum späten abend kommen noch mehr informationen, die die indizienkette weiter stärken - das wichtigste scheint mir, dass bereits einmal bei einer kontrolle in der letzten zeit auf den sprossen ehec-bakterien (auch wenn der stamm nocht nicht klar ist) gefunden wurden. desweiteren sind auch die lieferketten recht eindeutig.

nach meinem eindruck scheiden wasser - das müsste inzwischen eindeutig aufgefallen sein, ist wohl auch schon untersucht worden - und ein menschlicher infektionsherd wahrscheinlich aus (meine gründe für letztere annahme liegen u.a. im umfang der kontamination). bleibt also das saatgut, welches erstens nicht komplett aus biologischem anbau stammt (das betrifft allerdings laut den angaben auf der website des betriebs nur zwei sorten) und dazu zweitens aus verschiedenen ländern bezogen wird (die bisher nicht genannt werden, da werden wohl wieder diplomatische verstimmungen befürchtet...)

der gärtnerhof selbst verwendet nach eigenen - und glaubhaften - angaben überhaupt keine tierischen produkte in der gesamten bodenbearbeitung. das sie sich offensichtlich wirklich einen derartigen keim eingefangen haben, spottet jedem vorstellungsvermögen.

dazu gibt es noch einiges zu sagen, aber nicht mehr hier und heute.

che2001 (Gast) - 6. Jun, 00:01

Mal ganz verschwörologisch gedacht: Ist ein E.Coli-Bakterium, das sozusagen im Nachgang Shigellenruhr erzeugt nicht ein idealer biologischer Kampfstoff? Könnte das aus einem Labor entsprungen sein? Abgesehen davon sind Biogasanlagen momentan die beste denkbare Brutstätte für spontane Mutationen.
monoma - 6. Jun, 00:20

du bist da nicht der erste mit der idee, aber es ist keine angenehme gesellschaft - ich sag nur ulfkotte... (wobei dieses mal seine these einerseits verifizierbar sein sollte, andererseits die geschichte mit dem bundeswehrlabor bei munster nicht ganz so an den haaren herbeigezogen klingt wie sonst. allerdings ist er auch der garant dafür, dass selbst eventuelle körnchen von wahrheit nicht ernstgenommen werden).

im übrigen sind die indizien aktuell dann doch schon beachtlich, wie ich finde. und wie sollte so ein hof infiziert werden, wenn das ding tatsächlich aus dem labor entfleucht ist? das müsste direkt in die produktionskette gebracht worden sein, wäre also ein aktiver akt. neenee, ich bleibe mal beim saatgut - das hat momentan einfach die meisten wahrscheinlichkeiten für sich.

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