assoziation: taliban, maras, piraten etc. - der asymmetrische krieg des westens gegen die "untere milliarde" (1)

während um den luftangriff in afghanistan inzwischen ein internationales (des-)informationsspektakel entbrannt ist, welches so nebenbei nochmals deutlich macht, dass es durchaus immer noch etwas gibt, was sich als innerimperialistisches machtgerangel bezeichnen ließe, gibt es heute auch von einem anderen abschnitt der front - und das ist nicht als metapher zu verstehen, wie später deutlich werden sollte - aktivitäten deutscher truppen zu vermelden:

"Die Fregatte "Brandenburg" vor Somalia hat ein verdächtiges Skiff mit fünf bewaffneten Insassen gestoppt. Bei dem Manöver kam einer der mutmaßlichen Piraten ums Leben

Nach Angaben der Bundeswehr vom Montag wollte die Fregatte Brandenburg ein verdächtiges Boot im Golf von Aden überprüfen. Nachdem die Verdächtigen auf wiederholte Warnhinweise und Warnschüsse nicht reagiert hätten, sei die Erlaubnis zum Anwenden von "manövrierunfähig machendem Beschuss" erteilt worden. Durch Schüsse wurde demnach ein Insasse des Skiffs tödlich verletzt." (...)


nein, ebensowenig wie in der trockenen gebirgslandschaft von afghanistan kann in den gewässern vor der afrikanischen ostküste von krieg gesprochen werden - einerseits, wenn man nämlich immer noch ein bild von kriegen im kopf hat, welches von sog. regulären armeen mit hundertausenden von soldaten ausgeht, die in formal erklärten kriegszuständen und großen schlachten gegen das militär anderer staaten kämpfen. andererseits spricht eigentlich alles dafür, dass diese art des krieges eine historische darstellt, zukünftig nur noch in ausnahmefällen stattfinden und abgelöst wird von einer situation, für die sich inzwischen der begriff
asymmetrischer krieg eingebürgert hat:

(...) "Anders als bei den üblichen Kämpfen außerhalb eng besiedelter Bevölkerungsgebiete sind asymmetrische Kriege aber sehr häufig mit hohen Opferzahlen unter einer eigentlich nicht direkt am Kampf beteiligten Zivilbevölkerung verbunden. Diese bietet zwar bei vorhandener Sympathie des Anliegens gegenüber asymmetrisch Kriegführenden und eigener Leidensfähigkeit eine ausgezeichnete Versteckmöglichkeit für die waffentechnisch schwächere Kriegspartei, bei denen auch technisch immer ausgeklügeltere Systeme moderner hochtechnisierter Armeen zwar kurzfristig erfolgversprechend sind, aber in ihrer Wirkung rasch abstumpfen (vgl. ständige blutige Zwischenfälle in Afghanistan und Irak).

Dieses Verstecken und unerwartete Zuschlagen von asymmetrisch Kriegführenden (Nadelstiche) führt aber bei konsequenter Durchführung innerhalb moderner Armeen rasch zu Frustrationen auf unterer Kommandoebene mit der Gefahr einer Eskalation, die sich dann in plötzlichen Massakern an der Zivilbevölkerung (wie My Lai im Vietnamkrieg) oder zur Nichteinhaltung eines Mindestmaßes an Humanität äußern kann, da der Freischärler ja jederzeit in ihr untertauchen kann und sie gerne als Schutzschild missbraucht. Diese Generäle oder ihre zivilen Vorgesetzten setzen sich bei lange nicht einstellenden Durchbrüchen in ihrer eigenen Bevölkerung harter Kritik aus, die ihre fachliche Reputation beeinträchtigen kann. Aus humanitärer Sicht ist damit auch bei kriegführenden Demokratien rasch eine Minderbewertung des menschlichen Lebens zu erwarten, so wie es von der Gegenseite ohnehin regelmäßig praktiziert wird. Auch demokratische Staaten laufen dann Gefahr ihre eigenen moralischen Ideale zu verraten, indem sie sich der gleichen Verbrechen schuldig machen, wie ihr Guerilla-Gegner (foltern und wahllos töten)." (...)


zu den unterstellten "moralischen idealen" der sog. demokratischen staaten ebenfalls später mehr. ein (konservativer) politologe spricht einen weiteren
wichtigen punkt an:

(...) "...aber im Verlauf asymmetrischer Kriege kommt es immer wieder zu Massakern von beiden Seiten. Das können die Angriffe auf das World Trade Center sein, das können aber auch etwa der US-Luftangriff auf den "Highway of Death" sein. Also Massaker ist eine Begleiterscheinung asymmetrischer Kriege und sie können nicht beendet werden durch einen Friedensvertrag. Symmetrische Kriege wurden eröffnet mit der Kriegserklärung und beendet mit dem Friedensvertrag. Was wir stattdessen erfunden haben, ist der Begriff "Friedensprozess", also ein langer Vorgang der psychischen Umgestaltung dieser Akteure, der Gewinnung von Vertrauen und so weiter, Vorgänge, die sich meistens über ein Jahrzehnt hinziehen, in denen der Krieg dann auf niedriger Flamme weiterköchelt und man nicht sicher ist, ob er wieder ausbricht. Der Blick in solche Konflikte zeigt eigentlich, dass er immer wieder dann hochkocht und es sind wenige Konflikte, bei denen es dann gelungen ist, sie dauerhaft zu beenden."

den begriff der "psychischen umgestaltung" - bei denen er mit akteuren in diesem kontext offensichtlich immer das "terroristische" gegenüber meint - finde ich sehr bemerkenswert. auch dazu noch später etwas.

*

nun ist es keinesfalls so, dass die innerhalb der westlichen "eliten" für repression und "sicherheit" beauftragten erst seit gestern von diesen kriegen neuen typs wissen, die bei näherer betrachtung gar nicht so neu sind - der partisanenkampf des zweiten weltkriegs oder auch die vielen guerillakriege in der zweiten hälfte des letzten jahrhunderts waren ein vorgeschmack auf das, mit dem nicht nur die westlichen strategen nun zusehends mehr in aller welt konfrontiert sind. und ihre gedanken schweifen schon in die nähere zukunft wie bspw. ins jahr 2020, wie ein gerade im netz verbreitetes
papier des "eu instituts for security studies" (euiss) deutlich macht - ein sog. think tank (ähnlich "leap2020" auf ökonomischen gebiet) der eu:

(...) "Wie das "Institute for Security Studies" der EU (EUISS) in einer aktuellen Studie schreibt, würden die Kriege der Zukunft nicht mehr zwischen Staaten geführt, sondern zwischen "ungleichen sozioökonomischen Klassen der Weltgesellschaft" ("unequal global socioeconomic classes of society"). Auf der einen Seite dieser "hierarchischen Klassengesellschaft" ("hierarchical class society") stehe dabei eine metropolitane "Elite", die sich aus transnational operierenden Konzernen, den Staaten der OECD und den aufstrebenden Wirtschaftsmächten Indien, China und Brasilien zusammensetze. Diese werde von Seiten der weltweiten Armutsbevölkerung mit "zunehmend explosiven Spannungen" ("increasingly explosive tensions") konfrontiert, heißt es. Um einen Zusammenbruch des globalen Wirtschaftssystems ("global systemic collapse") zu vermeiden, fordert das Institut, gegen die "untere Milliarde" der Menschheit ("bottom billion") das "gesamte Spektrum hoch intensiver Kampfmaßnahmen" ("full spectrum of high intensity combat") in Anschlag zu bringen.

Als "zentrale militärische Aufgabe" ("major military task") beschreibt das EUISS die Abwehr von Elendsflüchtlingen aus den Ländern des Südens. Groß angelegte "Sperroperationen" ("barrier operations") müssten den reichen Teil der Welt vor den "Spannungen und Problemen der Armen schützen", heißt es ("shielding the global rich from the tensions and problems of the poor"). Laut EUISS ist davon auszugehen, dass der Anteil der von Armut und Perspektivlosigkeit betroffenen Menschen an der Weltbevölkerung weiter zunehmen wird. Daher sei es unumgänglich, das bereits außerordentlich rigide Regime an den Außengrenzen der EU drastisch zu verschärfen ("strengthen our barriers").

Das EUISS setzt die Abwehr von Armutsflüchtlingen in direkte Beziehung zum globalen ökologischen Krisenmanagement. So könnten durch den Klimawandel verursachte Naturkatastrophen zu plötzlichen Migrationsströmen in die EU führen ("sudden refugee or migration flows within the EU"), die mit Hilfe des Militärs gesteuert werden müssten. Darüber hinaus sollten die reichen Länder des Nordens natürliche Ressourcen wie tropische Regenwälder oder Fischgründe in den südlichen Armutszonen militärisch gegen unerwünschten Zugriff absichern, fordert das Institut: Es handele sich dabei um "universelle Schätze" ("universal treasures"), die der Verfügungsgewalt einzelner Staaten zu entziehen seien ("overriding sovereign considerations")." (...)


diese zusammenfassung bei german-foreign-policy wird in kurzer zeit kostenpflichtig sein, darum habe ich die mir am wichtigsten erscheinenden strategischen ziele zitiert (die gesamte studie kann in english bei
wikileaks eingesehen werden.)

die us-südgrenze in der nähe von san diego (quelle: wikipedia)

die gesamte studie liest sich wie kaltblütiger plan zum bedingungs- und rücksichtslosen schutz des herrschenden status quo der völlig richtig benannten "internationalen hierarchischen klassengesellschaft". das tödliche regime von
frontex an den europäischen südgrenzen, aber auch der high-tech-zaun an der grenze zwischen den usa und mexico (das obige bild zeigt einen grenzausschnitt in der nähe von san diego)sowie jene "gated communities in den usa (aber auch anderen reichen enklaven auf dem planeten) sind dabei nur die eine seite der medaille des neu-alten klassenkampfes. die andere ist aktuell in den schlagzeilen zu studieren - der asymmetrische krieg.

*

nun ist es in der realität so, dass sich - im gegensatz zu früheren zeiten, wo es bspw. befreiungsbewegungen mit sozialistischen und/oder auch nationalistischen forderungen, programmen, formalen organisationen und mehr oder weniger bekannten sprecherInnen gab, die sich mehr oder weniger im rahmen einer auch von ihren gegnern empfundenen politischen rationalität bewegten (und die man in diesem rahmen unterstützen oder ablehnen konnte) - , die heutigen formen der organisationen der verdammten dieser erde zusehends mehr dem phänomen der bande / gang angleichen, die sich primär um das eigene (materielle) überleben kümmert. das halte ich erstens
nicht für verwunderlich, zweitens aber wirft das fragen und probleme für alle an menschlicher emanzipation interessierten auf, die spätestens jetzt anlässlich der aktuellen ereignisse akut geworden sind. mehr dazu im zweiten teil.
henteaser (Gast) - 7. Sep, 22:32

Ich frage mich, welche Beschreibung der derzeitigen Machtspiele es denn am ehesten trifft:

- Wir sichern Unsere Außengrenzen vor Denen: sperren Sie also aus.

- Wir sichern Unsere Errungenschaften und Lebensqualität, indem Wir Sie in Ihre Entwicklungsländer einsperren.

- Wir werden von Denen belagert. (Kann eigentlich nicht sein, da Sie doch Unsere Nahrung produzieren, Rohstoffe fördern und unseren Atommüll endlagern.)

- Wir sind Sklavenhalter mit verdammt weitreichenden Peitschen.

monoma - 7. Sep, 22:48

tja...

...sieht aus wie ein mix aus allem. und die offensichtlich typische einwohnerschaft der westlichen welt argumentiert dann auf entsprechende hinweise bspw. so. (externe diskussion von neulich, aber das statement ist sooo typisch. die werden vielleicht selbst dann nicht begreifen wollen, wenn ihnen von der realität ihre tür eingetreten wird...)
Wednesday - 10. Sep, 11:29

Zu den wenigen, die über echte Alternativen nachgedacht haben und auch heute noch nachdenken, gehören seit jeher die Anarchisten.

Ciao
W-Day

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