Quirinus (Gast) - 2. Jun, 17:22

@Sansculotte, @Demon Driver:

Während ich meinen Kommentar schrieb, habe ich schon damit gerechnet, von einigen anderen Kommentatoren mißverstanden zu werden. Denn gerade über die offensichtlichsten Dinge zu sprechen ist das Schwierigste; so etwa über das Phänomen der Liebe oder dessen, was wir alle ganz unmittelbar als 'männlich' oder 'weiblich' empfinden, und zwar jenseits aller Theorien und aller Geschlechterrollenklischees. In diesen Bereichen zeigt sich, daß sich auch mittels der ausgefeiltesten Sprache nicht alles erfassen läßt - und zwar von niemandem. Manches muß man 'einfach' fühlen und ungefiltert wahrnehmen können.

Das sage ich auf die Gefahr hin, daß ihr mich nun erst recht für einen Eso halten könntet. Doch ich bin nur rational genug, um zu wissen, daß es nicht bloß in der Mathematik Axiome gibt - und daß das ständige Dekonstruieren und Diskutieren über die simpelsten nun schon seit 40 Jahren immer fatalere Folgen hat. Daß gesunde Kinder (anders als die neunmalklugen Sexualpädagogen der 70er meinten) keine Lust auf Sex mit erwachsenen haben, hat sich inzwischen herumgesprochen. Daß gesunde Mädchen und Jungen an sich und ihrer Wahrnehmung irre werden, wenn die inzwischen selbst zu (psychisch gestörten) Eltern und Lehrern gewordenen Objekte der Siebziegerjahrepädagogik ihnen der Mode gemäß einreden, alle Geschlechtsunterschiede seien nur gesellschaftliche Konstrukte, beginnt sich ganz allmählich herumzusprechen.

Ich indes werde wohl auch weiterhin damit leben müssen, immer mal wieder für mehr oder weniger plemplem und dementsprechend (je nach Standpunkt des Betrachters:) hyperkritisch oder gefühlsduselig gehalten zu werden, weil ich nicht mit den jeweiligen gesellschaftlichen Moden gehe. Deshalb werde ich von Akademikern oft nicht verstanden; und wenn, dann meist erst 10, 20 oder 30 Jahre später. Das jedoch habe ich bis jetzt ohne psychologische oder sonstige theraoeutische Hilfe verkraften können. Dies wünsche ich auch meinen intellektuellen Kontrahenten hier und anderswo.

W-Day (Gast) - 3. Jun, 12:00

Quirinus, ich bedauere, daß Du Dich angegriffen fühlst und dann auch noch überheblich wirst.

Ich gehe mal auf einen oder zwei Punkte ein.

d.d. sagt, Liebe ohne Verstand wäre allein tierisches Paarungsverhalten. Hier kann man einwenden, daß gerade die Liebe den Verstand ausschaltet. Wenn sie das nicht täte, gäbe es wohl weit weniger Liebesbeziehungen, ha ha. ;-) Man kann zudem einwenden, daß es Liebe ohne Paarung gibt, in der das Gefühl der Liebe bestehen bleibt, ohne daß man sich 'tierisch' paart. Man liebt vielleicht auch mit dem Verstand, aber anfangs sicher gänzlich ohne, sonst könnte man sich wohl kaum gänzlich einander hingeben.

Du sagst, daß es schwierig ist, über Liebe zu sprechen, und daß man für vieles keine Worte hat, da kann ich nicht widersprechen. Man kann über Liebe tatsächlich in vielen 'Sprachen' sprechen, aber ich weiß nicht, ob dabei 'Vollkommenheit', ein Allumfassen des Gefühls, erforderlich ist, denn die Liebe, das Liebesgefühl wandelt sich andauernd - und Ausdruck findet man mittels der der Poesie, der Malerei (Skulptur, Zeichnung usf.), der Musik, des Tanzes; in Blicken, Berührung, in einfachen Worten und in Schweigen; mittels Nahrung - und mittels Gewalt. Wer keine der genannten Ausdrucksmöglichkeiten hat, spricht mit Hilfe der Gewalt von Liebe, bzw. von der Abwesenheit der Liebe.

Ist 'Liebe' ein Instinkt, oder erlernt man 'Liebe'? Was, wenn dieser Instinkt oder dieses Bedürfnis allmählich ausstirbt? Werden vielleicht eines Tages nur diejenigen überdauern, die keine Form von Liebe kennen, weil Liebe als überflüssig gelten wird?

Ciao
W-Day
sansculotte - 3. Jun, 16:35

@Quirinus

Lieber Quirinus,

mir sind die Fakten bekannt. Männer und Frauen haben unterschiedliche Gehirne, die sich aufgrund des hormonellen Einflusses der Mutter bereits auf Embryonalebene unterschiedlich entwickeln. Keine pädagogische Theorie der Welt kann diese schon bei der Geburt bestehenden Unterschiede nivellieren und das ist auch nicht wünschenswert.

Meine Kritik dürfte also falsch verstanden worden sein.

Ich wende mich keineswegs gegen das biologische Faktum Mann und Frau, sondern gegen seine ideologische Überhöhung in einem nebulösen Gerede von "dem Männlichen" und "dem Weiblichen", welches von einer rigiden Identifikationsforderung ausgeht und im ungünstigen Fall noch in der Forderung nach "Balance", "Ausgleich" oder "Aussöhnung" gipfelt. Ich meinerseits verspüre kein Bedürfnis danach, "meine weiblichen Anteile zu integrieren", weil ich es eher für den Ausdruck von Dissoziation und Spaltung halte, sich selbst nicht integriert wahrzunehmen. Ich nehme mich auch nicht als ausdrücklich "männlich" wahr, sondern einfach als "in Ordnung" - in eine reflektiertere Sprache übertragen würde das wohl heißen, dass ich keinen Widerspruch zwischen meinem biologischen und sozialen Geschlecht empfinde oder höchstens dann, wenn die soziale Geschlechterrolle unangemessene Anforderungen an mich stellt.

Zu den unangemessenen Anforderungen gehört auch, dass ich mich auf einen monadischen Nominalismus namens "das Männliche" beziehen soll. Ich weiß nicht, was das sein soll: das Männliche. Ich weiß, dass Buben mehr herumlaufen, "wildere" Spiele spielen, den Körper mehr einsetzen und immer schlauer sein wollen als Mädchen, denen sie später mit diesen Vorzügen auch noch ;) imponieren wollen, und wir haben heute sehr gute, entwicklungsbiologisch abgesicherte Erklärungen dafür, warum das so ist (siehe z.B. G. Hüther - Männer, das schwache Geschlecht und sein Gehirn). Aber ich habe keine Ahnung, was "das Männliche" sein soll. Und deswegen kann ich nichts damit anfangen, wenn gefordert wird, dass es mit "dem Weiblichen" zusammenspielen soll. Das tut "es" ohnehin. Männer und Frauen kooperieren und konkurrieren aus evolutionsbiologischen Gründen so, wie sie's eben tun, jedes Geschlecht sucht in einem Prozess, den man "sexuelle Selektion" nennt, seinen eigenen Fortpflanzungserfolg zu optimieren als auch den Strategien des anderen Geschlechts zu begegnen. So wird geprahlt, getäuscht, gemogelt, taktiert, erpresst, geheuchelt, aber auch kooperiert, produziert, aufgebaut, gepflegt und behütet.

Meine Kritik bezog sich also darauf, dass ich die wiederholte Forderung danach, "das Männliche" und "das Weibliche" sollten zusammenspielen, andernfalls wir verloren seien, als insgesamt nervig und entbehrlich empfinde. Vielleicht hat uns sogar das überoptimierte Ineinandergreifen von männlichen und weiblichen Fortpflanzungsstrategien erst in so manche Zwickmühle gebracht, vor der wir als menschliche Gattung jetzt stehen.

Gruß, s
Wednesday - 3. Jun, 18:04

> ideologische Überhöhung in einem nebulösen Gerede von "dem Männlichen"
> und "dem Weiblichen"

Als wär's zuviel, nur "Mensch" zu sein, ein wohlwollendes Wesen.

Ciao
Wednesday

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