demon driver - 27. Feb, 15:56

Falsche Schlüsse

Wenn Du die öffentliche Kritik an Guttenberg auf das "geistige Eigentum" reduzierst, hast Du, fürchte ich, die öffentliche Kritik weder umfassend mitbekommen, noch wirklich verstanden – und kommst deswegen zu der falschen Schlussfolgerung, es handele sich um eine "wertkonservative" Kritik. Das ist sie aber nicht.

In erster Linie – und das sogar in unserer regionalen bürgerlichen Tageszeitung hier – geht es bei der Kritik an Guttenberg um persönliche Integrität, um Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit.

Wer eine Doktorarbeit abschreibt oder durch seine Lakaien in irgendwelchen Amtsstuben abschreiben lässt (höchstwahrscheinlich ist ja sogar letzteres der Fall), dann ist für die Kritik nicht das Problem, dass er fremde Leistung für sich verwertet hätte, sondern das Problem ist, dass er fremde Leistung als die eigene ausgibt. Das ethisch-moralische Problem ist nicht der Diebstahl geistigen Eigentums, sondern die Lüge und die Täuschung, die dahinter steht, fremde Leistung als die eigene auszugeben, und daraus dann elementare Vorteile für die bürgerliche Karriere zu ziehen, wie W-Day ja auch schon angemerkt hat.

Deswegen wird ihm neben dem Plagiat ja vor allem auch zu Recht angekreidet, dass er bis zuletzt behauptet, das nicht absichtlich getan zu haben. Ein Plagiat ist eine bewusste Täuschung, und seine Universität hat ihm die bereits zweifelsfrei bescheinigt, und Guttenberg lügt einfach weiter drauflos. Das ist der wesentliche Kritikinhalt, und darum geht es nach meinem Überblick überwiegend in der öffentlichen Diskussion.

Integrität, Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit mögen Eigenschaften sein, von denen anzunehmen, sie gehörten zu einem bürgerlichen Politiker, naiv ist – nun sind es aber diejenigen Eigenschaften, auf deren Anschein sich ein guter Teil der Popularität Guttenbergs gründet. Wenn man zudem davon ausgeht, was man ja muss, dass die auch in jeder besseren Weltordnung von Menschen erwartet würden, besonders dann, wenn die darin wichtige Funktionen wahrnehmen, dann müsste eigentlich klar werden, dass die aktuelle Kritik an Guttenberg notwendig und richtig ist, selbst dann, wenn sie aus bürgerlichem Lager kommt.

monoma - 27. Feb, 16:32

platzen einer blase von illusionen?

"In erster Linie – und das sogar in unserer regionalen bürgerlichen Tageszeitung hier – geht es bei der Kritik an Guttenberg um persönliche Integrität, um Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit."

ja, und wenn ich mich recht erinnere, tragen aufrechte konservative doch genau solche werte immer wie einen popanz vor sich her?

aber: wer auch nur einen schimmer von echter aufmerksamkeit hat und sich die strukturen der politischen, aber auch wirtschaftlichen "eliten" betrachtet, kann nur zu dem schluß kommen, dass dort leute mit "persönlicher integrität, glaubwürdigkeit etc." (btw: ich betrachte das übrigens keinesfalls als negative eigenschaften, um das klarzustellen; ganz im gegenteil) auf dem weg nach oben herausselektiert werden, weil solche eigenschaften bspw. für einen manager, der in seinem betrieb fit machen soll, schlicht dysfunktional sind. da sind dann eher die gleichen eigenschaften gefordert, wie sie auch bei führungspersonen der mafia en vogue sind: skrupel- und rücksichtslosigkeit, empathieunfähigkeit etc.

aus der sicht ist der "freiherr" ein durchaus passender repräsentant unserer "eliten" - nur erwischen lassen darf man(n) sich nicht (und falls er von seinen kumpanen gekickt werden sollte, dann alleine aus diesem grund).

in der "legalen" mafia müssen dann normalerweiose pr-leute und -maßnahmen helfen, die gewünschten und nachgefragten eigenschaften bspw. für politikerInnen zu simulieren. dieses projekt hat guttenberg aktuell aber wirklich prachtvoll vermasselt

das treudoofe staatsbürgertum im land ist nun aus meiner sicht eher über das platzen der eigenen illusionen betrübt, weil sie sich doch so dringend eine ehrliche regierung wünschen. was gleich in mehreren hinsichten schizophren erscheint - merken sie nicht, dass sie seit jahrzehnten regelmässig und bewusst belogen werden? jedes wahlergebnis ist geschönt (nichtwähler!), die arbeitslosenzahlen sind gefaked, ein skandal reiht sich an den anderen - und dann eine plagiierte arbeit von einem, der wegen ganz anderer sachen schon längst auf der strasse sitzen müsste?

nee, ich weiß echt nicht, wen ich in diesem fall schlimmer finden soll: seine "fans", die das offen antisoziale treiben auf elitärer ebene offensichtlich nacheifernswert finden und die "stars" haben wollen, "menschen der tat". oder aber seine (nicht nur, aber auch konservativ motivierten) kritikerInnen, die offensichtlich nicht begreifen, dass der auch von ihnen unterstellt mehrheitlich gewollte kapitalismus zwangsläufig solche leute, ihr handeln und die passenden strukturen hervorbringen und präferieren muss. wenn da jetzt bei einigen die illusionären blasen platzen sollten, um so besser.
existenzmaximum (Gast) - 27. Feb, 20:08

bewusstseinsinhalte und der apell an früheste verhaltensmuster

das es so etwas wie geistiges eigentum per se nicht geben kann, liegt auf der hand: wem gehört das bewusstesein des einzelnen, als dessen bestandteil das denken - aufbauend auf bewusstsein und denken anderer einzelner - vermeintlich neues hervorbringt? warum gibt es vom begriff "bewusstsein" keine mehrzahl?

das die von der u.a. von enzensberger 1962 skizzierten bewusstseinsindustrie derzeit bis zur redundanz ausgewalzten nicht-erkenntnisse einen blick auf die immergleichen mechanismen erlauben: geschenkt.

interessant finde ich, den fokus auf das "wie" zu richten: mit welchen mitteln, welchem verhalten, welchen interaktionsritualen gelingt es den so genannten eliten, verhalten bewusst zu simulieren, welches geeignet ist, beim publikum die gewünschten (unbewussten) verhaltensmuster zu aktivieren, bis hin zu loyalitätsadressen an eine macht-gruppe, die das interesse der so bekennenden überhaupt nicht vertritt.

etwa hier.

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