notiz: krisennews und -gedanken (40)
die vierzigste folge in dieser reihe, und kein ende ist abzusehen... im angesicht dessen ist der ratschlag, der im folgenden filmausschnitt gegeben wird, durchaus angemessen:
die worte aus dem jahr 1976 klingen verblüffend aktuell, nehmen wir mal die obligatorischen "russen" aus (wobei: auch das könnte zukünftig irgendwann wieder passen). schön auch die demonstration der tatsache, dass der kapitalismus selbst noch aus den verdrossensten äusserungen über seine existenz bzw. deren folgen ein geschäft zu machen versteht - "wir sind auf eine goldgrube gestossen". tja. da möchte man sich dann gleich wieder zum fenster begeben, erst recht beim anblick der news:
*
selten ist´s geworden, dass ich dem "spiegel" bzw. seiner onlineversion gerade bei den redaktionell verantworteten kommentaren zustimme - so ist denn das folgende bis auf weiteres eine ausnahme, die nichtsdestotrotz fast alles wichtige auf den punkt bringt:
"Der Weltklimagipfel in Kopenhagen ist gescheitert. Es wird keine konkreten Ziele für die Senkung des Treibhausgasausstoßes geben. Die Industriestaaten haben den Entwicklungsländern keine konkreten Hilfsangebote gemacht. Schwellenländer wie Indien und China können ihre Wirtschaft ungebremst weiter wachsen lassen." (...)
Der Kollaps von Kopenhagen bestätigt jene, die den Klimawandel für ein Hirngespinst von Wissenschaftlern, linken Politikern und Panik machenden Medien halten. Und all jene, die die Menschheit schlicht für unfähig halten, eine Bedrohung wie den Klimawandel in einer kollektiven Anstrengung zu lösen.
Es rächt sich, dass sich der Mensch die Gefahr nicht vorstellen kann
Diese Haltung ist übrigens keineswegs reiner Zynismus. Sie kann in einer gewissen Einsicht über die menschliche Natur gründen. Der Mensch handelt aus persönlicher Erfahrung. Viele haben Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass eine Seuche ganze Landstriche entvölkern kann - obwohl dergleichen schon oft vorgekommen ist. Ähnliches gilt für Vulkanausbrüche oder Meteoriteneinschläge, die ganze Regionen oder gar Kontinente verwüsten. Der Klimawandel aber ist in dieser Hinsicht noch gefährlicher. Denn er ist gleich in mehrfacher Hinsicht ohne Beispiel:
* Kein Krieg und keine Seuche hat jemals mehr als eine Handvoll Staaten zugleich betroffen, auch die Gefahr eines Atomkriegs nicht. Der
Klimawandel aber betrifft praktisch die gesamte Menschheit.
* Er müsste schnell bekämpft werden, obwohl seine schlimmsten Folgen in der Zukunft liegen und nicht unmittelbar drohen.
* Seine Bekämpfung erfordert revolutionäre Veränderungen der Lebensweise großer Teile der Menschheit.
* Er verlangt nach der Zusammenarbeit von Gesellschaften, deren Interessen unterschiedlicher nicht sein könnten; zum Beispiel von Ölstaaten,
die von fossilen Brennstoffen leben, und Inselstaaten, die um ihre Existenz bangen.
Es läuft der menschlichen Psyche zuwider, eine solche Gefahr wahrzunehmen - geschweige denn, sie entschlossen und unter Opfern zu bekämpfen. Leider stellt der Mensch den kurzfristigen Erfolg allzu oft über die langfristige Planung." (...)
schon fast eine höhnische ironie, dass es derzeit in grossen teilen europas mal wieder ein paar tage richtig kalt ist und eine geschlossene schneedecke liegt - was dann tatsächlich dazu führt, dass dieses aktuelle wetter in einigen forendiskussionen ganz ernsthaft als "beleg" dafür genommen wird, dass "das mit dem klima doch wirklich alles nur panikmache sei" - derart unterirdisch sieht es offenbar in einigen köpfen aus. und das lässt sich meiner meinung auch nur z.t. mit dem oben erwähnten "unvermögen" der menschlichen wahrnehmungsfähigkeiten erklären. aber näheres dazu in den kürzlichen beiträgen direkt zum thema. und zu einigen hintergründen eines hiesigen, gern zitierten "klimaskeptischen" institutes, hat das opablog interessantes zu berichten.
*
dieses "kopf-in-den-sand-augen-zu-und-durch"-harakiriverhalten dürfte im rückblick einmal als typisch für diese zeit und ihre menschen zumindest im westen gelten, die sich ganz im gegensatz zu früheren generationen nicht damit herausreden können, uninformiert gewesen zu sein - wobei ich durchaus berücksichtige, dass auch der informationsoverkill letztlich im selben ergebnis münden kann - "alles wissen, nichts verstehen" mag sogar die gefährlichere variante der dummheit sein als banales nichtwissen. bezgl. der aktuellen wirtschaftskrise jedenfalls ist ähnliches zu beobachten wie im klimadiskurs - zu einem zeitpunkt, an dem höchstens unklar ist, ob sich die krise nun in mehreren phasen entfaltet oder aber übergangslos durch eine neue abgelöst wird, wird weiterhin die rückkehr zur "normalität" aufgeführt, simuliert und propagiert - entgegen allen tatsachen:
(...) "Als größte Gefahrenquelle für einen neuerlichen Crash gilt die gewaltige Spekulationsblase, die sich in den vergangenen acht Monaten an den Börsen gebildet hat. Die wichtigsten Aktienindizes - Dow Jones, Nikkei und Dax - sind seit März um jeweils 50 bis 60 Prozent gestiegen. Auch die Preise für Rohöl, Kupfer und andere Rohstoffe haben sich mehr als verdoppelt. Diesem gewaltigen Anstieg liegt kein entsprechendes Wirtschaftswachstum zugrunde. Im Gegenteil, die Wirtschaftsleistung ist in vielen Ländern um fünf Prozent gesunken und zahlreiche Konzerne schreiben nach wie vor rote Zahlen.
Der Kursanstieg geht ausschließlich auf die gewaltigen Liquiditätsmengen zurück, die Regierungen und Notenbanken in die Wirtschaft gepumpt haben. Die Finanzinstitute können sich praktisch zum Nulltarif unbeschränkte Geldsummen von den Notenbanken leihen und damit hohe Spekulationsgewinne erzielen. Auch die Billionen an Steuergeldern, die zur Ankurbelung der Konjunktur ausgegeben wurden, fließen nicht in Investitionen, sondern in Spekulationsgeschäfte, hohe Gewinnausschüttungen an Aktionäre und exorbitante Bonuszahlungen für Banker.
"Die Kurse steigen, weil das viele Geld irgendwohin muss - nicht, weil Aktien per se attraktiv bewertet wären", schreibt die Wirtschaftswoche in einer Analyse des aktuellen Börsenbooms. Laut Angaben des Magazins hat das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das den Aktienkurs ins Verhältnis zum Jahresgewinn des jeweiligen Unternehmens setzt, mit 133 einen historischen Höchstwert erreicht. Ab 14 gelten Aktien als überteuert. Die 500 größten börsennotierten US- Unternehmen werden damit fast zum Zehnfachen ihres realen Werts gehandelt.
Während als Folge der Krise allein in den USA weiterhin jeden Monat 300.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren, Arbeiter zum Lohnverzicht gezwungen und Sozialleistungen in großem Stil abgebaut werden, übertrifft die Bereicherungsorgie an der Spitze der Gesellschaft bereits wieder das Niveau, das sie vor der Krise erreicht hatte." (...)
und das fazit des artikels gilt natürlich auch für die nicht lohnarbeitende bevölkerung:
"Für die arbeitende Bevölkerung muss dies eine Warnung sein. Die internationale Krise des Kapitalismus hat ein Ausmaß erreicht, das keine Kompromisslösungen mehr zulässt. Sie muss sich auf heftige gesellschaftliche Kämpfe vorbereiten."
*
die auguren des europäischen instituts leap2020 hatten vor monaten in einem ihrer regelmässigen bulletins für das vierte quartal 2009 den "beginnenden zusammenbruch der öffentlichen ordnung" in vielen, auch europäischen, regionen angekündigt - nun lässt sich selbst dann, wenn man das als zunächst eher untergründig verlaufende entwicklung ansieht, konstatieren, dass das szenario bisher so nicht eingetreten ist, was damit auch zeugnis ablegt vom stumpfen beharrungsvermögen des systems und der stützenden menschen. insgesamt sind die prognosen des leap gerade bezgl. der ökonomischen entwicklungen nach meinem eindruck aber so schlecht nicht gewesen, und darum halte ich die weiteren ausblicke aus der ecke durchaus für interessant genug, um hier drauf hinzuweisen:
(...) "Nach unserer Auffassung wird die umfassende weltweite Krise im Frühjahr 2010 einen neuen Krümmungspunkt erreichen. Dann wird offensichtlich werden, dass die bisherigen Konjunkturprogramme ohne Aufschwungswirkung verpufft sind und neue Maßnahmen erforderlich werden. Doch dann werden die finanziellen Finanzen in einem so desolaten Zustand sein, dass dafür die Möglichkeit schlichtweg nicht gegeben ist.
Die Regierungen haben sich jedoch durch eigenes Versagen in diese Lage gebracht. Denn sie brachten nicht den Mut auf, die Banken für ihre Fehler und Geschäftspraktiken den Preis zahlen zu lassen. Jetzt werden die Rechnung an die Mittelklasse und Rentner weitergereicht. Und für die Armen ist auch kein Geld mehr da. 2010 wird das Jahr, in dem sich Rauf und Runter die Waage halten: Rauf die Steuern, runter die Renten und Sozialleistungen." (...)
auch, wenn für eine derartige prognose kein grosser mut gefragt ist (leider) - in sehr verständlichen worten wird hier eine aktuelle und sehr fatale tendenz auf den punkt gebracht. ärgerlich nur einmal mehr das leap-immanente schönfärben der prozesse in der eu.
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wenn man es denn bildlich ausdrücken will, hat es sich die krise in ihrem sichtbaren (!) verlauf zunächst in den unheiligen hallen der internationalen banken und börsen bequem gemacht, um von diesem luxuriösen quartier aus invasiv allerlei abgesandte in die restliche wirtschaft zu schicken. in einem zweiten schritt eroberten dann zahlreiche hoffnungsvolle sprößlinge die flure und büros diverser staatlicher finanzministerien rund um den globus, was sich u.a. in artikeln mit überschriften wie "Investoren wetten auf Pleiten von Industriestaaten" niederschlägt:
(...) "Die wachsende Verschuldung westlicher Industriestaaten lockt zunehmend Investoren an: Marktteilnehmer setzen verstärkt auf Kreditausfallderivate (Credit Default Swaps, CDS) dieser Staaten - während Schwellenländer in den Hintergrund rücken. Damit spekulieren Anleger stärker darauf, dass Industriestaaten in finanzielle Schwierigkeiten geraten als Schwellenländer.
Laut dem Datenregister Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) kletterte das CDS-Volumen für Italien auf Jahressicht von 151 auf 216 Mrd. $ - und damit auf den höchsten Wert für ein einzelnes Land. Italien gehört zu den am stärksten verschuldeten der zur OECD gehörenden Industrieländer: Bis 2010 werden die Schulden Prognosen zufolge auf 127,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen. Kontrakte auf Großbritannien, die USA und Japan - deren Belastung ebenfalls anwächst - verdoppelten sich in etwa zum Vorjahr." (...)
nun sind, analog zu den mechanismen und funktionsweisen der globalen "privaten" ökonomie, auch die finanziellen verhältnisse ganzer staaten bzw. ihre dadurch bedingten abhängigkeiten, vor allem aber auch die teils recht komplizierten währungspolitischen vorgänge, für laien i.d.r. erstmal ein buch mit sieben siegeln, und auch ich maße mir hier kein spezialwissen an. aber selbst für leute wie mich ist deutlich, dass all die bankenretterei und auch die ganzen "konjunkturpakete" faktisch mithilfe ungedeckter schecks finanziert werden. nun kann ein staat zwar notfalls selbst die gelddruckpresse bedienen, aber auch das bleibt nicht ohne fatale folgen. die einfache frage danach, wer für all das wachstumsdoping am ende direkt und indirekt zahlen muss, wird weiter unten am beispiel griechenland noch einmal konkreter werden.
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die globale autoindustrie ist dabei weiterhin als symbol anzusehen - eine tragende säule der heutigen kapitalistischen ökonomie und gleichzeitig ein synonym für deren immanente probleme, die sich in einem knäuel u.a. aus durchgeballerten mobilitätsansprüchen, verheerenden ökologischen folgen und typischer überproduktion zusammenballen:
(...) "Exemplarisch lässt sich das Problem am Schlüsselsektor der Automobilindustrie zeigen. Die qualitative Seite besteht darin, dass die Mobilität einseitig auf den Individualverkehr ausgerichtet wurde, weil die Autoproduktion ein bedeutendes Segment realer Kapitalverwertung bildete. Damit entstand ein Schwerpunkt von Schadstoffemissionen und Klimazerstörung. Die öffentlichen Verkehrsmittel dagegen wurden ausgedünnt, weil sie als Staatskonsum die Kapitalverwertung eher belasteten. Die quantitative Seite besteht darin, dass die Produktivkraftentwicklung in der 3. industriellen Revolution mehrwertschöpfende Arbeitskraft in beispiellosem Umfang wegrationalisiert hat. Um denselben Profit zu erzielen, musste eine immer größere stoffliche Masse von Autos produziert werden. Das gilt auch für die kapitalistische Gesamtproduktion. Schließlich verminderte sich die gesellschaftliche Mehrwertmasse, was sich in fallenden Profiten gerade auch der Autoindustrie ausdrückte. Einerseits wurde das Problem durch Kreditfinanzierung und Leasing sowohl der Produktion wie des Konsums hinausgeschoben. Andererseits wurden die restlichen öffentlichen Verkehrsmittel mit den bekannten Folgen privatisiert bzw. der betriebswirtschaftlichen Profitrationalität unterworfen, um sie auf Biegen und Brechen der realen Kapitalverwertung einzuverleiben und deren Notstand zu mildern.
Der Crash des aufgeblähten Kreditsystems ist noch gar nicht in vollem Umfang realisiert, aber das Finanzbeben hat bereits den mangelnden Mehrwertgehalt der stofflichen Überproduktion manifest gemacht. Wiederum mit besonderer Deutlichkeit in der Autoindustrie, weil sich die mangelnde reale Kaufkraft dort schneller als bei unmittelbar lebensnotwendigen Gebrauchsgütern niederschlägt. Die panikartigen staatlichen Rettungsmaßnahmen bezogen sich daher neben dem Bankensektor vor allem auf die Autokonzerne, die als ebenso „systemrelevant“ gelten. Aber das Problem der stofflichen Überproduktion gemessen an der Verwertungsfähigkeit wird auf diese Weise nicht aus der Welt geschafft. Die Überkapazitäten müssen nach kapitalistischen Kriterien stillgelegt werden. Der Bankrott großer Autokonzerne ist überfällig; GM und die Tochter Opel sind nur Tote auf Urlaub. Eine „Bereinigung“ in diesem Sinne eröffnet aber nicht automatisch einen neuen Wachstumspfad, sondern droht eine Kettenreaktion fallender Profite, damit aber weiter fallender Kaufkraft und fallender Absatzmöglichkeiten auszulösen. Die Autoindustrie wird zum Schlüsselsektor der ökologischen wie der ökonomischen Krise des Kapitalismus."
gerade mit dem hintergrund des letzten satzes wird das jahr 2010 in der autobranche ein höchst interessantes werden. ergänzend dazu sei auch einmal mehr noch der spezifische "blick von unten" seitens wildcat empfohlen, die den focus neben einer strukturellen analyse der industrie v.a. auf die situation der belegschaften legt.
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zurück zum thema der drohenden staatsbankrotte: in griechenland kommen momentan sowohl der jahrestag der sozialen revolte vom letzten dezember als auch die aktuellen versuche der regierung zusammen, den klammen staatshaushalt auf kosten der bevölkerung zu sanieren. ersteres führt weiterhin zu diversen schul- und unibesetzungen wie auch zu teils militanten demonstrationen, wobei die mögliche brisanz nicht nur für griechenland in der frage danach liegt, ob und wann die verschiedenen tendenzen zu protest und rebellion in der bevölkerung zusammenkommen:
"In Griechenland will die Regierung den Staatsbankrott mit einem massiven Sparprogramms abwenden. Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. In Spitälern wurden nur dringende Fälle behandelt. Seit 5 Uhr am Morgen gibt es im Radio und Fernsehen keine Nachrichten mehr. Der Streik der Journalisten soll 24 Stunden später am Freitagmorgen beendet werden. Dagegen wurde ein geplanter Streik der Besatzungen der Fähren abgesagt. Ein Gericht erklärte ihn für illegal. Am Tag zuvor hatten bereits die Lehrer gestreikt. (...)
Die Anstrengungen der Regierung zur Reform der öffentlichen Finanzen dürfte auch weiterhin auf starken Widerstand bei der Bevölkerung treffen. Die Streiks richten sich denn auch gegen die Sparpolitik der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou." (...)
vor dem hintergrund werden auch die teils extremen staatlichen repressionen gegen all diejenigen (nicht nur jugendlichen) verständlich, die sich aus teils grundsätzlicher systemopposition im dezember wieder auf die strassen bewegen. aktuelle (übersetzte) überblicke direkt aus griechenland darüber liefert wie schon im letzten jahr das blog tears and anger.
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in die usa: weitgehend als "positiv" wurde medial in den letzten wochen der umstand vermeldet, dass viele der 2008 ins trudeln geratenen großbanken ihre damals in anspruch genommenen staatlichen unterstützungen nun zurückzahlen. was sich dahinter tatsächlich verbirgt, haben die wirtschaftsquerschüsse analysiert - "US-Banken zahlen Staatshilfen zurück" verlinke ich als ausdrücklichen lesetipp ohne weiteren kommentar.
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usa die zweite: und während die bankster das "ende der krise" verkünden, geraten nach kalifornien immer mehr bundesstaaten dort in eine finanziell gefährliche situation, die sich vor allem in den nächsten beiden jahren in einer kette von insolvenzen und bankrotterklärungen - mit ähnlichen folgen wie in vergangenen news schon ausführlich bezgl. kalifornien skizziert - manifestieren kann. aktuelles beispiel für diese entwicklung bilden staat und stadt new york:
(...) "Die Verkehrsbehörde steht symbolisch für die Lage des ganzen Bundesstaats. New York kämpft gegen den Bankrott. Zwei Wochen bleiben noch, um die totale Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, warnt David A. Paterson. Der Gouverneur steht im Zentrum des Sturms. Er soll die Pleite abwenden, ist aber von einem Parlament abhängig, das bislang die meisten seiner Sparvorschläge ablehnt. Einfach einen weiteren Kredit aufnehmen kann der Politiker nicht. Das sieht die Verfassung nicht vor, dafür müsste zunächst eine Art Finanznotstand erklärt werden.
Die andauernde Wirtschaftskrise und die steigende Arbeitslosigkeit sind die Hauptgründe für die Finanzmisere. Die Steuereinnahmen lagen zuletzt weit unter den Erwartungen. Mit neuen Abgaben, Geld aus dem Konjunkturprogramm der Regierung in Washington sowie einer Kürzung der geplanten Gesundheitsprogramme steuerte Gouverneur Paterson gegen. Es reichte nicht. Allein in diesem Jahr fehlen mindestens drei Milliarden Dollar. Bis 2013 könnte das Defizit auf rund 50 Milliarden Dollar anwachsen. Sparvorschläge sehen nun weitere Kürzungen bei der Bildung, der Krankenversorgung und dem Umweltschutz vor." (...)
Patterson hat inzwischen eine Art Haushaltsstopp verhängt und die Auszahlung von 750 Millionen Dollar an Schulen und Kommunen blockiert. "New York hat kein Geld mehr", sagte Paterson. „Da man kein Geld ausgeben kann, das man nicht hat, werde ich alle Zahlungen zurückhalten bis sich die Lage verbessert." Ein Netzwerk aus Schulen und Lehrerverbänden kündigte daraufhin am gestrigen Donnerstag eine Klage gegen den Gouverneur an. Die Haushaltsperre sei illegal und verstoße gegen die Verfassung. (...)
Patterson hält dagegen. Es gebe keine andere Wahl. "Wenn wir alle Rechnungen bezahlen, haben wir Ende des Monats gar kein Geld mehr", sagt der Gouverneur. Wenn nicht bei den Schulen, müsse woanders gespart werden. Etwa bei den Krankenversicherungen für Bedürftige." (...)
ebenso bezeichnend wie eintönig, wem auch hier am ende die grosse arschkarte zugeschanzt werden soll - das ist in den usa kein stück anders als in griechenland, den baltischen staaten, irland... oder auch hierzulande. auf die idee zu verfallen, die feine gesellschaft in nadelstreifen und kostümchen um ihre milliarden zu erleichtern, gilt schon nahe als an der grenze zu terroristischem gedankengut befindlich. bleibt nicht nur in new york die frage, ob es über das virtuelle toben hinausgehen wird:
(...) "Viele New Yorker toben angesichts des Mangels auf der einen Seite und des Überflusses auf der anderen. Kaum jemand hat vergessen, dass die Banken ohne die Rettungsmilliarden des Steuerzahlers in der Krise untergegangen wären. An Stammtischen, auf der Arbeit, in Internetblogs macht sich Wut breit. Ein guter Gradmesser für die Stimmung in der Stadt ist stets die Leserbriefspalte in der New York Times. Dort fasst Scott Baker die Lage aus seiner Sicht zusammen: "Das ganze Geld floss nicht zu ausschweifenden Schulen, gierigen Krankenhäusern oder Polizisten und Feuerwehrleuten. Die Banken waren es, die uns ausgeraubt haben."
ergänzend dazu: "New Yorker Metro steht vor dem Ruin".
und wenn man sich dazu klarmacht, dass das beispiel detroit hinsichtlich der realen erwerbslosigkeit durchaus repräsentativ für viele andere kommunen in den usa stehen könnte, dann sollte es nicht schwerfallen zu begreifen, dass kalifornien und new york nur die spitze des eisbergs darstellen:
"Die Zahlen klaffen enorm auseinander: Offiziell beträgt die Arbeitslosenquote in der US-Metropole Detroit 27 Prozent. Tatsächlich könnte aber jeder zweite Einwohner im arbeitsfähigen Alter ohne reguläre Beschäftigung sein, berichten die "Detroit News".
Zigtausende Menschen scheinen in der offiziellen Statistik nicht als arbeitslos auf, obwohl sie mit ebenso ernsthaften Problemen wie der "traditionellen" Arbeitslosigkeit zu kämpfen hätten. Die strenge Definition berücksichtigt nämlich all jene Menschen nicht, die unfreiwillig nur geringfügig arbeiten, beziehungsweise, die die Arbeitssuche schon aufgegeben haben.
Werden diese hinzugerechnet, nähere man sich den 50 Prozent, bestätigte auch der Bürgermeister der US-Stadt, Dave Bing. Die offizielle Arbeitslosenzahl sei "so glaubwürdig wie Santa Claus", so Bing gegenüber den "Detroit News". (...)
"...nähere man sich den 50 Prozent" - aber nicht doch, die krise wurde offiziell verboten und ist per amtlicher deklaration beendet. wer den kopf im sand stecken hat, dürfte mit dieser exzentrischen sichtweise auch kein problem haben.
*
hierzulande bilden die gerade herausgekommenen "jahresberichte" der betriebskrankenkassen für 2008 hingegen eine entwicklung ab, die auch etliche fragen nach der fehlenden wut beantwortet - joachim jahnke schreibt und zitiert dazu:
(...) "Von allen Krankheiten kam es 2008 nur bei psychischen Störung zu einem Anstieg der Krankheitstage. Dazu der Gesundheitsreport:
` .. entwickeln sich die seelischen Krankeiten „im Stillen"' weiter. Jeder zehnte Fehltag der beschäftigten Mitglieder - und jeder neunte Krankheitstag aller Erwerbspersonen (einschl. Arbeitslose) - ging 2008 auf das Konto Psychischer und Verhaltensstörungen, bei Frauen waren es sogar über 13 bzw. 14 Prozent der Krankheitstage. Viele Gruppen sind jedoch weit stärker von psychischen Gesundheitsstörungen betroffen. So stehen etwa bei Arbeitslosen die psychischen Krankheitsursachen nach Muskel- und Skelettleiden weit vorne an zweiter Stelle. Fast ein Viertel ihrer Krankheitstage, bei den ALG-I-Empfängerinnen sogar 29 Prozent, werden mit einer psychischen Diagnose gemeldet. Die Verordnungen von Antidepressiva und anderen Psychopharmaka haben erneut in erschreckendem Umfang zugenommen. Im Krankenhaus sind die Behandlungsfälle wegen psychischer Erkrankungen seit 1986 um mehr als das Dreifache gestiegen. Zudem werden hier - im Unterschied zu den ambulanten Behandlungen - für Männer mehr stationäre Fälle als für Frauen gemeldet. In 2008 gehörte wie im Vorjahr die häufigste Einzeldiagnose bei stationärer Behandlung nicht wie zuvor zu den Herzerkrankungen sondern zu den psychischen Krankheitsursachen. Ansteigende Trends des Krankenstands und hierbei gerade auch der psychischen Krankheitsursachen waren in 2008 zudem bei Führungskräften und qualifizierten Fachkräften deutlicher erkennbar als bisher.´
Auch der am 5. November veröffentlichte AOK-Fehlzeitenreport meldete die seit Jahren steigenden Fälle psychischer Erkrankungen. Die Zahl der von ihnen verursachten Arbeitsunfähigkeitsfälle stieg seit 1995 um 80 Prozent. Sie verursachen zugleich die längsten Ausfallzeiten. Fehlt ein Arbeitnehmer aufgrund einer Atemwegserkrankung durchschnittlich 6,4 Tage, sind es bei einer psychischen Erkrankung 22,5 Tage" (...)
man könnte glatt auf den gedanken verfallen, dass "die krise" auch die vielen persönlichen krisen symbolisiert, die mit dem umbau der arbeitswelt nach nur noch neoliberalen kriterien einhergehen. jedenfalls ist eine entwicklung sehr deutlich sichtbar: die zunehmende konkurrenz an den und um die noch vorhandenen lohnarbeitsplätze, die durchaus zu den restlichen bereits stattfindenden und noch kommenden verteilungskämpfen gerechnet werden darf, sorgt bei den betroffenen in aller regel für psychophysische zustände, die durch selbstzweifel, ängste und minderwertigkeitsgefühle alles andere als förderlich für das selbstbewusstsein sind, welches notwendig ist, um überhaupt wütend werden zu können. und fragen Sie einmal traumatisierte menschen, wann diese das letzte mal ein ehrliches "ich lass mir das nicht mehr länger gefallen" geäussert haben...
*
in aller kürze - das krisentelegramm + nochmal in die usa, aus denen die wirtschaftsfacts (zusammen gelesen mit dem wirtschaftsquerschuss die empfehlenswerteste art und weise, sich über die aktuellen ökonomischen prozesse zu informieren) vor ein paar wochen zwei meldungen zitieren, die beide für sich eine durchaus beunruhigende zukunft aufschimmern lassen: „Ich habe gerade eben die erste Referenz für den Besitz einer Schusswaffe erteilt”, sagte ein Freund, der mir erzählte, dass er auf den guten Charakter eines bei Goldman Sachs angestellten Bankers schwöre, der sich an die lokale Polizei wandte, um eine Erlaubnis für den Kauf einer Schusswaffe zu erhalten. Dieser Banker erzählte meinem Freund, dass Personen in der Geschäftsleitung von Goldman sich mit Feuerwaffen eingedeckt hätten und jetzt ausreichend ausgerüstet seien, um sich selbst zu verteidigen im Falle dessen, dass es zu einem Volksaufstand gegen die Bank kommen sollte. Ich rief den Sprecher von Goldman Sachs, Lucas van Praag, an, um ihn zu fragen, ob es tatsächlich wahr sei, dass Partner von Goldman das Gefühl hätten, Feuerwaffen zu benötigen, um sich selbst gegen ein überaus verärgertes Proletariat schützen zu können. Ich erhielt bis heute keinen Rückanruf. Die New Yorker Polizeibehörde (NYPD) hat mich wissen lassen, dass man davon ausgehe, dass einige der Banker, die ich um die Auskunft ersuchte, ob sie die Erlaubnis für den Kauf und das Tragen von Schusswaffen einholten, dies “als eine unter mehreren Vorsichtsmaßnahmen” getan hätten. Das NYPD teilte ebenfalls mit, dass es einige Zeit dauern wird, bevor es Namen nennen könnte." auch die anmerkung des blogs dazu ist lesenswert + beim anblick der zweiten meldung erscheint das verlangen der bankster sogar rational. und hier möchte ich die anmerkung komplett zitieren: "Die Auslöser des Crashs am US-Immobilienmarkt leben sicherlich bereits seit geraumer Zeit gefährlich, ebenso wie vollkommen realitätsferne Banker, die sich trotz allem weiterhin die Taschen voll stopfen, und dies schamlos auf Kosten der Allgemeinheit. Die Politik tut nichts anderes, als diese Personen zu schützen und der Bevölkerung etwas vom großen Aufschwung zu erzählen, während in der Realität ein Stützpfeiler nach dem anderen dieses Systems weg bricht, so dass man sich sicherlich nicht wundern sollte, wenn Opfer der kriminellen Geschäftsgebaren dieser (größtenteils) Herren nun das Gesetz selbst in die Hand nehmen, um abzurechnen. Dies ist ohnehin die amerikanische Tradition, und vielleicht könnte es in den USA in naher Zukunft heißen, dass nur ein toter Banker ein guter Banker ist. Wer will dies schon so genau wissen? Ich bin bei Gott kein Anhänger der Gewalt, wundern tue ich mich jedoch in dieser Gesellschaft schon lange über nichts mehr. Wer mit offenen Augen durch die Welt läuft, wird sicherlich sehen, dass Gewalt ein probates Mittel zu werden scheint, um seinem Frust Luft zu verschaffen. Es will mir erscheinen, dass dies die falschen Ingredienzien sind, um allzu optimistisch in die Zukunft zu blicken. Leider." dem bleibt nichts hinzuzufügen + neuigkeiten aus dem ebenfalls schwer gebeutelten lettland: bewohnerInnen der schwedischen stadt norrköping schicken carepakete nach lettland (wenn lettland finanziell über den deister geht, geht das schwedische bankensystem gleich mit, und es bleibt zu hoffen, dass dann keine carepakete nach norrköping fällig sind.) gleichzeitig läuft in riga vor dem regierungsgebäude ein hungerstreik: "Seit 10 Tagen campieren vor dem Regierungsgebäude in der lettischen Hauptstadt Riga junge Menschen, die keine Arbeit oder Ausbildungsplätze finden. Sie sind in den Hungerstreik getreten, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt." (...) es will mir ja nicht in den kopf, warum in vielen ländern in den letzten jahren ausgerechnet erwerbslose ausgerechnet immer wieder auf hungerstreiks als protestform verfallen. davon sind die herren und damen mafiosi auch immer schwer beeindruckt, ganz bestimmt + österreich? war da was? da war was. und zwar etwas so undurchsichtiges mit hauptrollen in vielen staaten und ländern (u.a. der kroatischen mafia), dass ich nicht ganz durchblicke + und das allerletzte heute von der insel: "Die britische Wirtschaft befindet sich immer noch in der Rezession, der Schatzkanzler muss soviel Geld leihen wie noch nie in Friedenszeiten – Großbritannien steht am Abgrund. Dennoch glauben die Briten, dass bald alles wieder gut wird." realitätsverlust und -leugnung sind durchaus ein europäisches problem geworden +
*
ich werde hier vor dem jahreswechsel mit einem blick auf die "morgenwelt" (kleiner insider für sci fi-freaks ;-) vermutlich nochmal auftauchen, wünsche bis dahin erträgliche feiertage und verbleibe mit der wiederholten feststellung: "optimismus beruht nur auf einem mangel an information"
die worte aus dem jahr 1976 klingen verblüffend aktuell, nehmen wir mal die obligatorischen "russen" aus (wobei: auch das könnte zukünftig irgendwann wieder passen). schön auch die demonstration der tatsache, dass der kapitalismus selbst noch aus den verdrossensten äusserungen über seine existenz bzw. deren folgen ein geschäft zu machen versteht - "wir sind auf eine goldgrube gestossen". tja. da möchte man sich dann gleich wieder zum fenster begeben, erst recht beim anblick der news:
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- globale krisenkaskade I: "die große klimaverschwörung" klappt offensichtlich nicht richtig - gipfel von kopenhagen gescheitert
- globale krisenkaskade II: die angst vor der nächsten finanzkrise
- globale wirtschaftskrise: zum neuesten geab
- wetten auf den staatsbankrott
- einige gedanken zur rolle und position der autoindustrie
- griechenland: massive ausgabenkürzungen auf der agenda, erste ebenso massive proteste finden statt
- usa I: die tatsächliche bedeutung zurückgezahlter staatshilfen seitens einiger banken
- usa II: trouble von der west- bis zur ostküste - nach kalifornien auch new york auf dem weg in den bankrott
- deutschland: zahl "psychischer" krankheiten und folgender "fehlzeiten" 2008 erneut gestiegen
- in aller kürze: usa - goldman-sachs-beschäftigte bewaffnen sich; aus kalifornien werden morde an beteiligten der hypothekenkrise gemeldet / lettland - carepakete aus schweden und hungerstreik vor dem parlament / österreich hat nun seinen eigenen "hypo"-skandal / gr0ßbritannien - "blinder optimismus" als synonym für blanke realitäts(ver)leugnung
selten ist´s geworden, dass ich dem "spiegel" bzw. seiner onlineversion gerade bei den redaktionell verantworteten kommentaren zustimme - so ist denn das folgende bis auf weiteres eine ausnahme, die nichtsdestotrotz fast alles wichtige auf den punkt bringt:
"Der Weltklimagipfel in Kopenhagen ist gescheitert. Es wird keine konkreten Ziele für die Senkung des Treibhausgasausstoßes geben. Die Industriestaaten haben den Entwicklungsländern keine konkreten Hilfsangebote gemacht. Schwellenländer wie Indien und China können ihre Wirtschaft ungebremst weiter wachsen lassen." (...)
Der Kollaps von Kopenhagen bestätigt jene, die den Klimawandel für ein Hirngespinst von Wissenschaftlern, linken Politikern und Panik machenden Medien halten. Und all jene, die die Menschheit schlicht für unfähig halten, eine Bedrohung wie den Klimawandel in einer kollektiven Anstrengung zu lösen.
Es rächt sich, dass sich der Mensch die Gefahr nicht vorstellen kann
Diese Haltung ist übrigens keineswegs reiner Zynismus. Sie kann in einer gewissen Einsicht über die menschliche Natur gründen. Der Mensch handelt aus persönlicher Erfahrung. Viele haben Schwierigkeiten, sich vorzustellen, dass eine Seuche ganze Landstriche entvölkern kann - obwohl dergleichen schon oft vorgekommen ist. Ähnliches gilt für Vulkanausbrüche oder Meteoriteneinschläge, die ganze Regionen oder gar Kontinente verwüsten. Der Klimawandel aber ist in dieser Hinsicht noch gefährlicher. Denn er ist gleich in mehrfacher Hinsicht ohne Beispiel:
* Kein Krieg und keine Seuche hat jemals mehr als eine Handvoll Staaten zugleich betroffen, auch die Gefahr eines Atomkriegs nicht. Der
Klimawandel aber betrifft praktisch die gesamte Menschheit.
* Er müsste schnell bekämpft werden, obwohl seine schlimmsten Folgen in der Zukunft liegen und nicht unmittelbar drohen.
* Seine Bekämpfung erfordert revolutionäre Veränderungen der Lebensweise großer Teile der Menschheit.
* Er verlangt nach der Zusammenarbeit von Gesellschaften, deren Interessen unterschiedlicher nicht sein könnten; zum Beispiel von Ölstaaten,
die von fossilen Brennstoffen leben, und Inselstaaten, die um ihre Existenz bangen.
Es läuft der menschlichen Psyche zuwider, eine solche Gefahr wahrzunehmen - geschweige denn, sie entschlossen und unter Opfern zu bekämpfen. Leider stellt der Mensch den kurzfristigen Erfolg allzu oft über die langfristige Planung." (...)
schon fast eine höhnische ironie, dass es derzeit in grossen teilen europas mal wieder ein paar tage richtig kalt ist und eine geschlossene schneedecke liegt - was dann tatsächlich dazu führt, dass dieses aktuelle wetter in einigen forendiskussionen ganz ernsthaft als "beleg" dafür genommen wird, dass "das mit dem klima doch wirklich alles nur panikmache sei" - derart unterirdisch sieht es offenbar in einigen köpfen aus. und das lässt sich meiner meinung auch nur z.t. mit dem oben erwähnten "unvermögen" der menschlichen wahrnehmungsfähigkeiten erklären. aber näheres dazu in den kürzlichen beiträgen direkt zum thema. und zu einigen hintergründen eines hiesigen, gern zitierten "klimaskeptischen" institutes, hat das opablog interessantes zu berichten.
*
dieses "kopf-in-den-sand-augen-zu-und-durch"-harakiriverhalten dürfte im rückblick einmal als typisch für diese zeit und ihre menschen zumindest im westen gelten, die sich ganz im gegensatz zu früheren generationen nicht damit herausreden können, uninformiert gewesen zu sein - wobei ich durchaus berücksichtige, dass auch der informationsoverkill letztlich im selben ergebnis münden kann - "alles wissen, nichts verstehen" mag sogar die gefährlichere variante der dummheit sein als banales nichtwissen. bezgl. der aktuellen wirtschaftskrise jedenfalls ist ähnliches zu beobachten wie im klimadiskurs - zu einem zeitpunkt, an dem höchstens unklar ist, ob sich die krise nun in mehreren phasen entfaltet oder aber übergangslos durch eine neue abgelöst wird, wird weiterhin die rückkehr zur "normalität" aufgeführt, simuliert und propagiert - entgegen allen tatsachen:
(...) "Als größte Gefahrenquelle für einen neuerlichen Crash gilt die gewaltige Spekulationsblase, die sich in den vergangenen acht Monaten an den Börsen gebildet hat. Die wichtigsten Aktienindizes - Dow Jones, Nikkei und Dax - sind seit März um jeweils 50 bis 60 Prozent gestiegen. Auch die Preise für Rohöl, Kupfer und andere Rohstoffe haben sich mehr als verdoppelt. Diesem gewaltigen Anstieg liegt kein entsprechendes Wirtschaftswachstum zugrunde. Im Gegenteil, die Wirtschaftsleistung ist in vielen Ländern um fünf Prozent gesunken und zahlreiche Konzerne schreiben nach wie vor rote Zahlen.
Der Kursanstieg geht ausschließlich auf die gewaltigen Liquiditätsmengen zurück, die Regierungen und Notenbanken in die Wirtschaft gepumpt haben. Die Finanzinstitute können sich praktisch zum Nulltarif unbeschränkte Geldsummen von den Notenbanken leihen und damit hohe Spekulationsgewinne erzielen. Auch die Billionen an Steuergeldern, die zur Ankurbelung der Konjunktur ausgegeben wurden, fließen nicht in Investitionen, sondern in Spekulationsgeschäfte, hohe Gewinnausschüttungen an Aktionäre und exorbitante Bonuszahlungen für Banker.
"Die Kurse steigen, weil das viele Geld irgendwohin muss - nicht, weil Aktien per se attraktiv bewertet wären", schreibt die Wirtschaftswoche in einer Analyse des aktuellen Börsenbooms. Laut Angaben des Magazins hat das Kurs-Gewinn-Verhältnis, das den Aktienkurs ins Verhältnis zum Jahresgewinn des jeweiligen Unternehmens setzt, mit 133 einen historischen Höchstwert erreicht. Ab 14 gelten Aktien als überteuert. Die 500 größten börsennotierten US- Unternehmen werden damit fast zum Zehnfachen ihres realen Werts gehandelt.
Während als Folge der Krise allein in den USA weiterhin jeden Monat 300.000 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren, Arbeiter zum Lohnverzicht gezwungen und Sozialleistungen in großem Stil abgebaut werden, übertrifft die Bereicherungsorgie an der Spitze der Gesellschaft bereits wieder das Niveau, das sie vor der Krise erreicht hatte." (...)
und das fazit des artikels gilt natürlich auch für die nicht lohnarbeitende bevölkerung:
"Für die arbeitende Bevölkerung muss dies eine Warnung sein. Die internationale Krise des Kapitalismus hat ein Ausmaß erreicht, das keine Kompromisslösungen mehr zulässt. Sie muss sich auf heftige gesellschaftliche Kämpfe vorbereiten."
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die auguren des europäischen instituts leap2020 hatten vor monaten in einem ihrer regelmässigen bulletins für das vierte quartal 2009 den "beginnenden zusammenbruch der öffentlichen ordnung" in vielen, auch europäischen, regionen angekündigt - nun lässt sich selbst dann, wenn man das als zunächst eher untergründig verlaufende entwicklung ansieht, konstatieren, dass das szenario bisher so nicht eingetreten ist, was damit auch zeugnis ablegt vom stumpfen beharrungsvermögen des systems und der stützenden menschen. insgesamt sind die prognosen des leap gerade bezgl. der ökonomischen entwicklungen nach meinem eindruck aber so schlecht nicht gewesen, und darum halte ich die weiteren ausblicke aus der ecke durchaus für interessant genug, um hier drauf hinzuweisen:
(...) "Nach unserer Auffassung wird die umfassende weltweite Krise im Frühjahr 2010 einen neuen Krümmungspunkt erreichen. Dann wird offensichtlich werden, dass die bisherigen Konjunkturprogramme ohne Aufschwungswirkung verpufft sind und neue Maßnahmen erforderlich werden. Doch dann werden die finanziellen Finanzen in einem so desolaten Zustand sein, dass dafür die Möglichkeit schlichtweg nicht gegeben ist.
Die Regierungen haben sich jedoch durch eigenes Versagen in diese Lage gebracht. Denn sie brachten nicht den Mut auf, die Banken für ihre Fehler und Geschäftspraktiken den Preis zahlen zu lassen. Jetzt werden die Rechnung an die Mittelklasse und Rentner weitergereicht. Und für die Armen ist auch kein Geld mehr da. 2010 wird das Jahr, in dem sich Rauf und Runter die Waage halten: Rauf die Steuern, runter die Renten und Sozialleistungen." (...)
auch, wenn für eine derartige prognose kein grosser mut gefragt ist (leider) - in sehr verständlichen worten wird hier eine aktuelle und sehr fatale tendenz auf den punkt gebracht. ärgerlich nur einmal mehr das leap-immanente schönfärben der prozesse in der eu.
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wenn man es denn bildlich ausdrücken will, hat es sich die krise in ihrem sichtbaren (!) verlauf zunächst in den unheiligen hallen der internationalen banken und börsen bequem gemacht, um von diesem luxuriösen quartier aus invasiv allerlei abgesandte in die restliche wirtschaft zu schicken. in einem zweiten schritt eroberten dann zahlreiche hoffnungsvolle sprößlinge die flure und büros diverser staatlicher finanzministerien rund um den globus, was sich u.a. in artikeln mit überschriften wie "Investoren wetten auf Pleiten von Industriestaaten" niederschlägt:
(...) "Die wachsende Verschuldung westlicher Industriestaaten lockt zunehmend Investoren an: Marktteilnehmer setzen verstärkt auf Kreditausfallderivate (Credit Default Swaps, CDS) dieser Staaten - während Schwellenländer in den Hintergrund rücken. Damit spekulieren Anleger stärker darauf, dass Industriestaaten in finanzielle Schwierigkeiten geraten als Schwellenländer.
Laut dem Datenregister Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) kletterte das CDS-Volumen für Italien auf Jahressicht von 151 auf 216 Mrd. $ - und damit auf den höchsten Wert für ein einzelnes Land. Italien gehört zu den am stärksten verschuldeten der zur OECD gehörenden Industrieländer: Bis 2010 werden die Schulden Prognosen zufolge auf 127,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anwachsen. Kontrakte auf Großbritannien, die USA und Japan - deren Belastung ebenfalls anwächst - verdoppelten sich in etwa zum Vorjahr." (...)
nun sind, analog zu den mechanismen und funktionsweisen der globalen "privaten" ökonomie, auch die finanziellen verhältnisse ganzer staaten bzw. ihre dadurch bedingten abhängigkeiten, vor allem aber auch die teils recht komplizierten währungspolitischen vorgänge, für laien i.d.r. erstmal ein buch mit sieben siegeln, und auch ich maße mir hier kein spezialwissen an. aber selbst für leute wie mich ist deutlich, dass all die bankenretterei und auch die ganzen "konjunkturpakete" faktisch mithilfe ungedeckter schecks finanziert werden. nun kann ein staat zwar notfalls selbst die gelddruckpresse bedienen, aber auch das bleibt nicht ohne fatale folgen. die einfache frage danach, wer für all das wachstumsdoping am ende direkt und indirekt zahlen muss, wird weiter unten am beispiel griechenland noch einmal konkreter werden.
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die globale autoindustrie ist dabei weiterhin als symbol anzusehen - eine tragende säule der heutigen kapitalistischen ökonomie und gleichzeitig ein synonym für deren immanente probleme, die sich in einem knäuel u.a. aus durchgeballerten mobilitätsansprüchen, verheerenden ökologischen folgen und typischer überproduktion zusammenballen:
(...) "Exemplarisch lässt sich das Problem am Schlüsselsektor der Automobilindustrie zeigen. Die qualitative Seite besteht darin, dass die Mobilität einseitig auf den Individualverkehr ausgerichtet wurde, weil die Autoproduktion ein bedeutendes Segment realer Kapitalverwertung bildete. Damit entstand ein Schwerpunkt von Schadstoffemissionen und Klimazerstörung. Die öffentlichen Verkehrsmittel dagegen wurden ausgedünnt, weil sie als Staatskonsum die Kapitalverwertung eher belasteten. Die quantitative Seite besteht darin, dass die Produktivkraftentwicklung in der 3. industriellen Revolution mehrwertschöpfende Arbeitskraft in beispiellosem Umfang wegrationalisiert hat. Um denselben Profit zu erzielen, musste eine immer größere stoffliche Masse von Autos produziert werden. Das gilt auch für die kapitalistische Gesamtproduktion. Schließlich verminderte sich die gesellschaftliche Mehrwertmasse, was sich in fallenden Profiten gerade auch der Autoindustrie ausdrückte. Einerseits wurde das Problem durch Kreditfinanzierung und Leasing sowohl der Produktion wie des Konsums hinausgeschoben. Andererseits wurden die restlichen öffentlichen Verkehrsmittel mit den bekannten Folgen privatisiert bzw. der betriebswirtschaftlichen Profitrationalität unterworfen, um sie auf Biegen und Brechen der realen Kapitalverwertung einzuverleiben und deren Notstand zu mildern.
Der Crash des aufgeblähten Kreditsystems ist noch gar nicht in vollem Umfang realisiert, aber das Finanzbeben hat bereits den mangelnden Mehrwertgehalt der stofflichen Überproduktion manifest gemacht. Wiederum mit besonderer Deutlichkeit in der Autoindustrie, weil sich die mangelnde reale Kaufkraft dort schneller als bei unmittelbar lebensnotwendigen Gebrauchsgütern niederschlägt. Die panikartigen staatlichen Rettungsmaßnahmen bezogen sich daher neben dem Bankensektor vor allem auf die Autokonzerne, die als ebenso „systemrelevant“ gelten. Aber das Problem der stofflichen Überproduktion gemessen an der Verwertungsfähigkeit wird auf diese Weise nicht aus der Welt geschafft. Die Überkapazitäten müssen nach kapitalistischen Kriterien stillgelegt werden. Der Bankrott großer Autokonzerne ist überfällig; GM und die Tochter Opel sind nur Tote auf Urlaub. Eine „Bereinigung“ in diesem Sinne eröffnet aber nicht automatisch einen neuen Wachstumspfad, sondern droht eine Kettenreaktion fallender Profite, damit aber weiter fallender Kaufkraft und fallender Absatzmöglichkeiten auszulösen. Die Autoindustrie wird zum Schlüsselsektor der ökologischen wie der ökonomischen Krise des Kapitalismus."
gerade mit dem hintergrund des letzten satzes wird das jahr 2010 in der autobranche ein höchst interessantes werden. ergänzend dazu sei auch einmal mehr noch der spezifische "blick von unten" seitens wildcat empfohlen, die den focus neben einer strukturellen analyse der industrie v.a. auf die situation der belegschaften legt.
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zurück zum thema der drohenden staatsbankrotte: in griechenland kommen momentan sowohl der jahrestag der sozialen revolte vom letzten dezember als auch die aktuellen versuche der regierung zusammen, den klammen staatshaushalt auf kosten der bevölkerung zu sanieren. ersteres führt weiterhin zu diversen schul- und unibesetzungen wie auch zu teils militanten demonstrationen, wobei die mögliche brisanz nicht nur für griechenland in der frage danach liegt, ob und wann die verschiedenen tendenzen zu protest und rebellion in der bevölkerung zusammenkommen:
"In Griechenland will die Regierung den Staatsbankrott mit einem massiven Sparprogramms abwenden. Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. In Spitälern wurden nur dringende Fälle behandelt. Seit 5 Uhr am Morgen gibt es im Radio und Fernsehen keine Nachrichten mehr. Der Streik der Journalisten soll 24 Stunden später am Freitagmorgen beendet werden. Dagegen wurde ein geplanter Streik der Besatzungen der Fähren abgesagt. Ein Gericht erklärte ihn für illegal. Am Tag zuvor hatten bereits die Lehrer gestreikt. (...)
Die Anstrengungen der Regierung zur Reform der öffentlichen Finanzen dürfte auch weiterhin auf starken Widerstand bei der Bevölkerung treffen. Die Streiks richten sich denn auch gegen die Sparpolitik der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou." (...)
vor dem hintergrund werden auch die teils extremen staatlichen repressionen gegen all diejenigen (nicht nur jugendlichen) verständlich, die sich aus teils grundsätzlicher systemopposition im dezember wieder auf die strassen bewegen. aktuelle (übersetzte) überblicke direkt aus griechenland darüber liefert wie schon im letzten jahr das blog tears and anger.
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in die usa: weitgehend als "positiv" wurde medial in den letzten wochen der umstand vermeldet, dass viele der 2008 ins trudeln geratenen großbanken ihre damals in anspruch genommenen staatlichen unterstützungen nun zurückzahlen. was sich dahinter tatsächlich verbirgt, haben die wirtschaftsquerschüsse analysiert - "US-Banken zahlen Staatshilfen zurück" verlinke ich als ausdrücklichen lesetipp ohne weiteren kommentar.
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usa die zweite: und während die bankster das "ende der krise" verkünden, geraten nach kalifornien immer mehr bundesstaaten dort in eine finanziell gefährliche situation, die sich vor allem in den nächsten beiden jahren in einer kette von insolvenzen und bankrotterklärungen - mit ähnlichen folgen wie in vergangenen news schon ausführlich bezgl. kalifornien skizziert - manifestieren kann. aktuelles beispiel für diese entwicklung bilden staat und stadt new york:
(...) "Die Verkehrsbehörde steht symbolisch für die Lage des ganzen Bundesstaats. New York kämpft gegen den Bankrott. Zwei Wochen bleiben noch, um die totale Zahlungsunfähigkeit zu verhindern, warnt David A. Paterson. Der Gouverneur steht im Zentrum des Sturms. Er soll die Pleite abwenden, ist aber von einem Parlament abhängig, das bislang die meisten seiner Sparvorschläge ablehnt. Einfach einen weiteren Kredit aufnehmen kann der Politiker nicht. Das sieht die Verfassung nicht vor, dafür müsste zunächst eine Art Finanznotstand erklärt werden.
Die andauernde Wirtschaftskrise und die steigende Arbeitslosigkeit sind die Hauptgründe für die Finanzmisere. Die Steuereinnahmen lagen zuletzt weit unter den Erwartungen. Mit neuen Abgaben, Geld aus dem Konjunkturprogramm der Regierung in Washington sowie einer Kürzung der geplanten Gesundheitsprogramme steuerte Gouverneur Paterson gegen. Es reichte nicht. Allein in diesem Jahr fehlen mindestens drei Milliarden Dollar. Bis 2013 könnte das Defizit auf rund 50 Milliarden Dollar anwachsen. Sparvorschläge sehen nun weitere Kürzungen bei der Bildung, der Krankenversorgung und dem Umweltschutz vor." (...)
Patterson hat inzwischen eine Art Haushaltsstopp verhängt und die Auszahlung von 750 Millionen Dollar an Schulen und Kommunen blockiert. "New York hat kein Geld mehr", sagte Paterson. „Da man kein Geld ausgeben kann, das man nicht hat, werde ich alle Zahlungen zurückhalten bis sich die Lage verbessert." Ein Netzwerk aus Schulen und Lehrerverbänden kündigte daraufhin am gestrigen Donnerstag eine Klage gegen den Gouverneur an. Die Haushaltsperre sei illegal und verstoße gegen die Verfassung. (...)
Patterson hält dagegen. Es gebe keine andere Wahl. "Wenn wir alle Rechnungen bezahlen, haben wir Ende des Monats gar kein Geld mehr", sagt der Gouverneur. Wenn nicht bei den Schulen, müsse woanders gespart werden. Etwa bei den Krankenversicherungen für Bedürftige." (...)
ebenso bezeichnend wie eintönig, wem auch hier am ende die grosse arschkarte zugeschanzt werden soll - das ist in den usa kein stück anders als in griechenland, den baltischen staaten, irland... oder auch hierzulande. auf die idee zu verfallen, die feine gesellschaft in nadelstreifen und kostümchen um ihre milliarden zu erleichtern, gilt schon nahe als an der grenze zu terroristischem gedankengut befindlich. bleibt nicht nur in new york die frage, ob es über das virtuelle toben hinausgehen wird:
(...) "Viele New Yorker toben angesichts des Mangels auf der einen Seite und des Überflusses auf der anderen. Kaum jemand hat vergessen, dass die Banken ohne die Rettungsmilliarden des Steuerzahlers in der Krise untergegangen wären. An Stammtischen, auf der Arbeit, in Internetblogs macht sich Wut breit. Ein guter Gradmesser für die Stimmung in der Stadt ist stets die Leserbriefspalte in der New York Times. Dort fasst Scott Baker die Lage aus seiner Sicht zusammen: "Das ganze Geld floss nicht zu ausschweifenden Schulen, gierigen Krankenhäusern oder Polizisten und Feuerwehrleuten. Die Banken waren es, die uns ausgeraubt haben."
ergänzend dazu: "New Yorker Metro steht vor dem Ruin".
und wenn man sich dazu klarmacht, dass das beispiel detroit hinsichtlich der realen erwerbslosigkeit durchaus repräsentativ für viele andere kommunen in den usa stehen könnte, dann sollte es nicht schwerfallen zu begreifen, dass kalifornien und new york nur die spitze des eisbergs darstellen:
"Die Zahlen klaffen enorm auseinander: Offiziell beträgt die Arbeitslosenquote in der US-Metropole Detroit 27 Prozent. Tatsächlich könnte aber jeder zweite Einwohner im arbeitsfähigen Alter ohne reguläre Beschäftigung sein, berichten die "Detroit News".
Zigtausende Menschen scheinen in der offiziellen Statistik nicht als arbeitslos auf, obwohl sie mit ebenso ernsthaften Problemen wie der "traditionellen" Arbeitslosigkeit zu kämpfen hätten. Die strenge Definition berücksichtigt nämlich all jene Menschen nicht, die unfreiwillig nur geringfügig arbeiten, beziehungsweise, die die Arbeitssuche schon aufgegeben haben.
Werden diese hinzugerechnet, nähere man sich den 50 Prozent, bestätigte auch der Bürgermeister der US-Stadt, Dave Bing. Die offizielle Arbeitslosenzahl sei "so glaubwürdig wie Santa Claus", so Bing gegenüber den "Detroit News". (...)
"...nähere man sich den 50 Prozent" - aber nicht doch, die krise wurde offiziell verboten und ist per amtlicher deklaration beendet. wer den kopf im sand stecken hat, dürfte mit dieser exzentrischen sichtweise auch kein problem haben.
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hierzulande bilden die gerade herausgekommenen "jahresberichte" der betriebskrankenkassen für 2008 hingegen eine entwicklung ab, die auch etliche fragen nach der fehlenden wut beantwortet - joachim jahnke schreibt und zitiert dazu:
(...) "Von allen Krankheiten kam es 2008 nur bei psychischen Störung zu einem Anstieg der Krankheitstage. Dazu der Gesundheitsreport:
` .. entwickeln sich die seelischen Krankeiten „im Stillen"' weiter. Jeder zehnte Fehltag der beschäftigten Mitglieder - und jeder neunte Krankheitstag aller Erwerbspersonen (einschl. Arbeitslose) - ging 2008 auf das Konto Psychischer und Verhaltensstörungen, bei Frauen waren es sogar über 13 bzw. 14 Prozent der Krankheitstage. Viele Gruppen sind jedoch weit stärker von psychischen Gesundheitsstörungen betroffen. So stehen etwa bei Arbeitslosen die psychischen Krankheitsursachen nach Muskel- und Skelettleiden weit vorne an zweiter Stelle. Fast ein Viertel ihrer Krankheitstage, bei den ALG-I-Empfängerinnen sogar 29 Prozent, werden mit einer psychischen Diagnose gemeldet. Die Verordnungen von Antidepressiva und anderen Psychopharmaka haben erneut in erschreckendem Umfang zugenommen. Im Krankenhaus sind die Behandlungsfälle wegen psychischer Erkrankungen seit 1986 um mehr als das Dreifache gestiegen. Zudem werden hier - im Unterschied zu den ambulanten Behandlungen - für Männer mehr stationäre Fälle als für Frauen gemeldet. In 2008 gehörte wie im Vorjahr die häufigste Einzeldiagnose bei stationärer Behandlung nicht wie zuvor zu den Herzerkrankungen sondern zu den psychischen Krankheitsursachen. Ansteigende Trends des Krankenstands und hierbei gerade auch der psychischen Krankheitsursachen waren in 2008 zudem bei Führungskräften und qualifizierten Fachkräften deutlicher erkennbar als bisher.´
Auch der am 5. November veröffentlichte AOK-Fehlzeitenreport meldete die seit Jahren steigenden Fälle psychischer Erkrankungen. Die Zahl der von ihnen verursachten Arbeitsunfähigkeitsfälle stieg seit 1995 um 80 Prozent. Sie verursachen zugleich die längsten Ausfallzeiten. Fehlt ein Arbeitnehmer aufgrund einer Atemwegserkrankung durchschnittlich 6,4 Tage, sind es bei einer psychischen Erkrankung 22,5 Tage" (...)
man könnte glatt auf den gedanken verfallen, dass "die krise" auch die vielen persönlichen krisen symbolisiert, die mit dem umbau der arbeitswelt nach nur noch neoliberalen kriterien einhergehen. jedenfalls ist eine entwicklung sehr deutlich sichtbar: die zunehmende konkurrenz an den und um die noch vorhandenen lohnarbeitsplätze, die durchaus zu den restlichen bereits stattfindenden und noch kommenden verteilungskämpfen gerechnet werden darf, sorgt bei den betroffenen in aller regel für psychophysische zustände, die durch selbstzweifel, ängste und minderwertigkeitsgefühle alles andere als förderlich für das selbstbewusstsein sind, welches notwendig ist, um überhaupt wütend werden zu können. und fragen Sie einmal traumatisierte menschen, wann diese das letzte mal ein ehrliches "ich lass mir das nicht mehr länger gefallen" geäussert haben...
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in aller kürze - das krisentelegramm + nochmal in die usa, aus denen die wirtschaftsfacts (zusammen gelesen mit dem wirtschaftsquerschuss die empfehlenswerteste art und weise, sich über die aktuellen ökonomischen prozesse zu informieren) vor ein paar wochen zwei meldungen zitieren, die beide für sich eine durchaus beunruhigende zukunft aufschimmern lassen: „Ich habe gerade eben die erste Referenz für den Besitz einer Schusswaffe erteilt”, sagte ein Freund, der mir erzählte, dass er auf den guten Charakter eines bei Goldman Sachs angestellten Bankers schwöre, der sich an die lokale Polizei wandte, um eine Erlaubnis für den Kauf einer Schusswaffe zu erhalten. Dieser Banker erzählte meinem Freund, dass Personen in der Geschäftsleitung von Goldman sich mit Feuerwaffen eingedeckt hätten und jetzt ausreichend ausgerüstet seien, um sich selbst zu verteidigen im Falle dessen, dass es zu einem Volksaufstand gegen die Bank kommen sollte. Ich rief den Sprecher von Goldman Sachs, Lucas van Praag, an, um ihn zu fragen, ob es tatsächlich wahr sei, dass Partner von Goldman das Gefühl hätten, Feuerwaffen zu benötigen, um sich selbst gegen ein überaus verärgertes Proletariat schützen zu können. Ich erhielt bis heute keinen Rückanruf. Die New Yorker Polizeibehörde (NYPD) hat mich wissen lassen, dass man davon ausgehe, dass einige der Banker, die ich um die Auskunft ersuchte, ob sie die Erlaubnis für den Kauf und das Tragen von Schusswaffen einholten, dies “als eine unter mehreren Vorsichtsmaßnahmen” getan hätten. Das NYPD teilte ebenfalls mit, dass es einige Zeit dauern wird, bevor es Namen nennen könnte." auch die anmerkung des blogs dazu ist lesenswert + beim anblick der zweiten meldung erscheint das verlangen der bankster sogar rational. und hier möchte ich die anmerkung komplett zitieren: "Die Auslöser des Crashs am US-Immobilienmarkt leben sicherlich bereits seit geraumer Zeit gefährlich, ebenso wie vollkommen realitätsferne Banker, die sich trotz allem weiterhin die Taschen voll stopfen, und dies schamlos auf Kosten der Allgemeinheit. Die Politik tut nichts anderes, als diese Personen zu schützen und der Bevölkerung etwas vom großen Aufschwung zu erzählen, während in der Realität ein Stützpfeiler nach dem anderen dieses Systems weg bricht, so dass man sich sicherlich nicht wundern sollte, wenn Opfer der kriminellen Geschäftsgebaren dieser (größtenteils) Herren nun das Gesetz selbst in die Hand nehmen, um abzurechnen. Dies ist ohnehin die amerikanische Tradition, und vielleicht könnte es in den USA in naher Zukunft heißen, dass nur ein toter Banker ein guter Banker ist. Wer will dies schon so genau wissen? Ich bin bei Gott kein Anhänger der Gewalt, wundern tue ich mich jedoch in dieser Gesellschaft schon lange über nichts mehr. Wer mit offenen Augen durch die Welt läuft, wird sicherlich sehen, dass Gewalt ein probates Mittel zu werden scheint, um seinem Frust Luft zu verschaffen. Es will mir erscheinen, dass dies die falschen Ingredienzien sind, um allzu optimistisch in die Zukunft zu blicken. Leider." dem bleibt nichts hinzuzufügen + neuigkeiten aus dem ebenfalls schwer gebeutelten lettland: bewohnerInnen der schwedischen stadt norrköping schicken carepakete nach lettland (wenn lettland finanziell über den deister geht, geht das schwedische bankensystem gleich mit, und es bleibt zu hoffen, dass dann keine carepakete nach norrköping fällig sind.) gleichzeitig läuft in riga vor dem regierungsgebäude ein hungerstreik: "Seit 10 Tagen campieren vor dem Regierungsgebäude in der lettischen Hauptstadt Riga junge Menschen, die keine Arbeit oder Ausbildungsplätze finden. Sie sind in den Hungerstreik getreten, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt." (...) es will mir ja nicht in den kopf, warum in vielen ländern in den letzten jahren ausgerechnet erwerbslose ausgerechnet immer wieder auf hungerstreiks als protestform verfallen. davon sind die herren und damen mafiosi auch immer schwer beeindruckt, ganz bestimmt + österreich? war da was? da war was. und zwar etwas so undurchsichtiges mit hauptrollen in vielen staaten und ländern (u.a. der kroatischen mafia), dass ich nicht ganz durchblicke + und das allerletzte heute von der insel: "Die britische Wirtschaft befindet sich immer noch in der Rezession, der Schatzkanzler muss soviel Geld leihen wie noch nie in Friedenszeiten – Großbritannien steht am Abgrund. Dennoch glauben die Briten, dass bald alles wieder gut wird." realitätsverlust und -leugnung sind durchaus ein europäisches problem geworden +
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ich werde hier vor dem jahreswechsel mit einem blick auf die "morgenwelt" (kleiner insider für sci fi-freaks ;-) vermutlich nochmal auftauchen, wünsche bis dahin erträgliche feiertage und verbleibe mit der wiederholten feststellung: "optimismus beruht nur auf einem mangel an information"
monoma - 19. Dez, 15:50
Danke!
Die organisierte Lernpathologie nimmt dramatische Ausmaße an.
"Lernpathologie" ist ein Begriff, der mir vor allem in den 1970er Jahren häufig begegnet ist. Er bezog sich damals meist auf die Lernpathologie bzgl. der Friedensfähigkeit. Heute lässt er sich auf nhezu sämtliche Ebenen der "Weltgesellschaft" übertragen.
Wie aber kommt man aus der erst einmal überzeugenden Kritik an der Borniertheit heraus, man selbst sei nicht lernpathologisch?
Gruß
archenoe
gruß zurück