Yurun (Gast) - 16. Mär, 18:03

weit weg und doch so nah

Nach ein Paar wohl verunglückten Technikern in Fukushima ist das dritte Opfer scheinbar die öffentliche Glaubwürdigkeit der technologischen Kontrollillusion, allerdings wie immer nur häppchenweise von Gegenstand zu Gegenstand. Bemerkenswert fand ich beispielsweise Merkels Rückzug in die Gottesfurcht, ein sehr bezeichnendes Manöver, freilich auch ein verlogenes.

Etwas worauf ich hier hinweisen will ist die Unterschiedlichkeit der Berichterstattung von Land zu Land. Die Informationslage ist praktisch überall gleich, nicht aber deren Deutung. Dabei zeigt sich für Deutschland, dass die jahrzehntelange Antiatomkraftbewegung scheinbar noch bis ins letzte Loch Bewusstsein nachwirken lässt. Sachverstand und Qualität sind wie üblich hier oft schlechter als vielerorts im Ausland, bei diesem einen Thema sind die Scheuklappen aber mal geringer und es kommt fast unmerklich zu realistischeren Einschätzungen (oder aus Sicht einiger dann eben unfundierter Panikmache).

Es ist selten genug, dass der ... nunja Realitätsentzug jener Politik(er), die das Ganze dann sozusagen rhetorisch retten wollen (oder müssen), für eine große Zahl von Menschen auch deutlich sichtbar hervortritt. Im Gebiet der Nukleartechnologien ist dann auch die Bevölkerung hierzulande wie in keinem anderen mir bekannten Gebiet darauf vorbereitet, den Wahnsinn der vorgespielten Normalität zu durchschauen - sowie ihn daraufhin schlicht nicht mehr zu dulden. Der deutsche Michel war sozusagen für Fukushima geprimed, in anderen Ländern müsste das erst nachgeholt werden. Mit etwas Glück ist das dabei wie auch in der Vergangenheit ein Einfallstor für allerhand aha-Momente, wenn diese auch bei Pech mit der Windrichtung ziemlich traumatisch werden dürften. Bisher ist Supergau nur ein ziemlich blödes Technokratenwort, wenn auch ein Wort das bei uns deutlicher ausgesprochen wird als sonstwo. Wenn erstmal die unvorstellbare Realität hinter diesem Wort empatisch bis in die Wohnzimmer dringt und sich mit den hier bestehenden Ängsten verbindet, dann dürfte der Sturm ziemlich gewaltig ausfallen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, wie jemand dieses Grauen dissoziativ verdrängen sollte, um weiter wie gehabt zu leben. Dabei war Tschernobyl noch viel weiter von den Menschen weg als dies wohl bei Fukushima der Fall sein wird, wenn es denn dort zum wirklich Schlimmsten kommt. Ich glaube das spüren die Funktionseliten bei uns alles auch, weshalb es zu dieser leicht panischen Reaktion mittels eines Moratoriums kommt. Die Presse scheint das kaum zu merken oder beim Namen zu nennen, dort unterstellt man höchstens Wahlkalkül (was wohl richtig aber unangemessen ist) oder macht sich hanebüchende Sorgen um den Rechtsstaat, weil das Ganze Notverordnungscharakter hat. Es geht hier aber um viel mehr als nur Wahlen oder ein durchbiegen rechtsstaatlicher Sitten. Insofern ist dieser japanische Supergau auch eine spezifisch deutsche "Katastrophe", nur wenige Kilometer über die Grenze in Polen etwa ist die Wirkung weit harmloser und die Pläne für den Neubau von AKWs bleiben fürs erste bestehen.

Noch nie dürften die Hoffnungen einer Bundesregierung derart auf den Krisenmanagmentfähigkeiten eines anderen Landes und dem Wetter gelegen haben. Angesichts des damit verbundenen Leids waren meine Hoffnungen auch noch nie derart mit denen der Bundesregierung identisch. Das ist dann die leidige Ironie hinter der apokalyptischen Vision.

monoma - 19. Mär, 11:14

@yurun

danke mal wieder für einen sehr gehaltvollen kommentar, bei dem ich besonders hinsichtlich des folgenden aspektes ins nachdenken gekommen bin:

...jahrzehntelange Antiatomkraftbewegung...

es ist tatsächlich ein phänomen, bei dem ich keine antwort finde: warum ist gerade dieser bereich hierzulande so offensichtlich geeignet, gesellschaftliche mobilisierungen nicht nur großer dimensionen auszulösen, sondern auch noch mobilisierungen, die durchaus erfolge verzeichnen können? whyl, wackersdorf, etc. - wenn ich mich richtig erinnere, war das ursprünglich mal geplante atomare programm hierzulande beträchtlich größer als das, was dann aufgrund der realen widerstände tatsächlich bis heute umgesetzt wurde.

es gibt sicherlich schnittmengen mit den hierzulande ebenfalls in der vergangenheit enorm mobilisierenden anti-atomwaffen (1950/60er jahre) bzw. anti-atomkriegs-bewegungen (80er - ein begriff, der imo treffender ist als "friedensbewegung"). anti-akw ist jedoch immer noch und immer wieder ein feld, in dem sich offensichtlich ständig neue generationen von aktivistInnen sammeln - und ich bezweifle, dass das "nur" an der hierzulande tatsächlich an diesem punkt besseren informationsqualität liegt.

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