demon driver (Gast) - 17. Mär, 15:56

Ich halte "unvorstellbar" einfach für keine sinnvolle Kategorie. Ein Buzzword, das genausogut verniedlichend wie dramatisierend eingesetzt werden kann, und im Grunde genommen überhaupt nichts aussagt.

Für mich ist der Tod eines einzigen geliebten Menschen vielleicht "unvorstellbarer" als das Versinken eines Kontinents, und wenn die Flutwelle tausend Meter hoch wäre. Was soll daran "unvorstellbar" sein? Als wären wir gerade die ersten, die sich über ein solches Szenario Gedanken machen. Wie alt ist die Geschichte mit der Sintflut nch gleich?

So richtig problematisch werden solche "Unvorstellbarkeits"-Charakterisierungen für mich aber erst dann, wenn im selben Kontext ein "Ende mit Schrecken" herbeigewünscht wird, dessen zwangsläufige und eben auch durchaus vorstellbaren Schrecken, wenn dieses *Ende* nämlich ohne einen planvollen, vernünftigen, neuen *Anfang* kommt, durchaus Ähnlichkeiten mit den gerade diskutierten Natur- und Zivilisationskatastrophen haben wird. Ohne jede Perspektive für eine neue, bessere Enticklung, die frühere (Web-) Fehler vermeiden würde.

Ohne planvollen Neuanfang existiert die Option eines "Endes mit Schrecken" genaugenommen überhaupt nicht.

Und da stellt sich dann für mich die Frage, inwieweit man sich die zwangsläufigen Folgen dessen, das man sich da herbeiwünscht, einfach nur nicht vorstellen *will*.

monoma - 19. Mär, 11:20

zum ersteren...

...ich begreife einfach deinen punkt nicht - wenn ich persönlich für mich sage, dass ich mir ein worst-case-szenario zb. für tokio einfach in seinen dimensionen nicht vorstellen kann (und nichts anderes drücke ich mit dem wort aus) - was ist daran nicht zu verstehen?

zum zweiten (umständehalber nur kurz):

ich behaupte, dass es aus diversen gründen so einen "plan" nicht geben kann und nicht geben wird. in der folge bedeutet das beharren darauf dann zwangsläufig, die jetzigen zustände verteidigen zu müssen. aber das ist ein punkt, zu dem ich mich noch ausführlich äussern werde.
demon driver (Gast) - 20. Mär, 16:38

Nun, wenn Du Dir ein solches Szenario nicht vorstellen kannst, dann ist das als Tatsache durchaus "zu verstehen", ich verstehe aber nicht, warum das so ist und wofür eine solche Aussage gut sein soll. Du hast doch sonst weder Probleme noch Hemmungen, Dir und anderen die unterschiedlichsten zivilisatorischen Schreckensszenarien im Detail auszumalen, was ja auch gerne mal richtig und angemessen ist. Ich finde eine solche "Unvorstellbarkeits"-Aussage im konkreten Zusammenhang einfach etwas befremdlich, vor allem dann, wenn alles an einem solchen Szenario grundsätzlich durchaus vorstellbar ist.

Und die jetzigen Zustände müssen selbstverständlich dann verteidigt werden, wenn ihre Zerschlagung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu noch schlimmeren Zustände führen würde. Und das müssen sie ohne Plan fast zwangsläufig. Mit der zu einem primitivistischen Anarchismus, mit dem ich nichts zu tun haben will, passenden Behauptung, es könne keinen Plan für das Zusammenleben nach dem Zusammenbruch geben, kann ich allerdings – zumal ohne Nennung der "diversen Gründe", die es da angeblich geben soll – überhaupt nichts anfangen.
monoma - 20. Mär, 16:57

noch mal:

zum ersteren: es gibt da durchaus unterschiede für mich in der durchaus objektivistischen konstruktion von möglichen szenarien aller art und meinen eher "ganzheitlichen" reaktionen in den fällen, in denen sich dinge von der ebene der simulation auf einmal in der realität wiederfinden. auf letzteres ist meine geschilderte reaktion bezogen.

und zum anderen: das letzte kann ich zwar verstehen, ist aber von mir gerade situationsbedingt nicht zu ändern. hole ich aber, weil augenscheinlich überfällig, sobald wie möglich nach. ich stolpere daneben aber auch immer wieder über einen unauflöslichen widerspruch in deiner argumentation: die jetzigen zustände laufen doch genau auf ihre anomische (das hat weder etwas mit "primitivistischen" noch sonstigem anarchismus was zu tun) zuspitzung heraus, die in weiten teilen der welt bereits als realität existiert. mehr noch, sie bringen diese zuspitzung woanders bereits ständig hervor. was sagt dir vor diesem hintergrund das wort notbremse?
demon driver (Gast) - 20. Mär, 21:59

Meinst Du nicht, dass Deine radikale Kritik am "Objektivistischen" gelegentlich Gefahr läuft, ein Hindernis für eineobjektive Sicht manches Gegenstands zu sein? In diesem Fall scheint es mir so: Wenn Du hier von "Ganzheitlichkeit" sprichst, dann mag eine solche Betrachtung durchaus von psychologischem Interesse sein, aber mein Gefühl dabei ist, dass es einer ernsthaften, sachlichen Beschäftigung mit dem Gegenstand eher schadet.

Was die Notbremse angeht: Warum sollte man ernsthaft eine Notbremse ziehen wollen, wenn einem klar ist, dass die darauf zwangsläufig folgende Entgleisung der Menschheit höchstwahrscheinlich ähnliche, wenn nicht noch schlimmere Folgen brächte, als den Zug einfach gegen die Wand fahren zu lassen, und das auch noch viel früher? Zumal dannm, wenn man zumindest noch eine wenn auch noch so geringe Resthoffnung hat, dass signifikante Minderheiten der Weltbevölkerung sich noch zusammenschließen könnten, um einen planvollen Umsturz der Verhältnisse herbeizuführen, bevor es soweit ist. Ein gewaltsamer Umsturz jetzt hätte nur eines ganz sicher zur Folge: dass mit allem anderen auch jeder Ansatz einer solchen Möglichkeit zerstört würde. Abgesehen davon, dass der zivilisatorische Stand aller Wahrscheinlichkeit nach auf ein Niveau zurückfallen würde, wie es sich ein Anarchoprimitivismus herbeiwünscht (auch deswegen erwähnte ich die Richtung).
monoma - 23. Mär, 11:41

ich finde zuerst...

... dass du hier die worte "objektivistisch" und "objektiv" in einer weise verwendest, wie ich sie im blog eigentlich immer kritisiere - und vor allem der konstruierte gegensatz von "ganzheitlich" zu "ernsthaft und sachlich" ist etwas, was in dieser gesellschaft wie eine seuche verbreitet ist. dazu und zu meiner defintion der "o"-begriffe empfehle ich das hier zur erneuten lektüre.

zum anderen: ich habe mich oben anscheinend zu missverständlich ausgedrückt - es gibt schlicht und einfach für große teile der weltbevölkerung (und ich finde, damit auch für "uns") keine "schlimmeren zustände" mehr zu befürchten als die, in denen sie bereits stecken und meist auch krepieren. und das hat etwas direkt mit dem angeblichen "funktionieren" unseres aller alltags hier zu tun, dessen grundlagen das genannte direkt mit hervorbringen. und genau darum finde ich bspw. die worte des "unsichtbaren kommitees" so treffend und unmittelbar einleuchtend:

"Es gibt keinen Grund mehr zu warten – auf eine Aufheiterung, die Revolution, die atomare Apokalypse oder eine soziale Bewegung. Noch zu warten ist Wahnsinn. Die Katastrophe ist nicht, was kommt, sondern was da ist. Wir verorten uns bereits jetzt in der Bewegung des Zusammenbruchs einer Zivilisation. Dort ist es, wo man Partei ergreifen muss."

die katastrophe ist das, was da ist. punkt. genauer: sie ist das, was hier der alltag ist.

und im gegensatz zu deinen bedenken liegen meine eher in einem anderen bereich: wir bezahlen bereits alle mehr oder weniger für die erbärmlichkeiten, die wir tag für tag produzieren. ich darf nochmal an das erinnern bzw. an das, was sich dahinter verbirgt - die zerstörung der menschlichen fähigkeiten zum sozialen. und dieser prozess - letztlich besteht er konkret aus nichts weiter als großen teilen des sog. normalen alltags hier - ist es vor allem, der uns irgendwann meiner meinung nach das genick brechen wird, dieser prozess wird aber auch und gerade durch jene zustände produziert - oder besser: er ist ein synonym für diese zustände -, die du unbedingt "verteidigen" möchtest (was sich in letzter konsequenz meiner meinung nach übrigens nur diktatorisch bewerkselligen ließe, aber das ist eine andere diskussion). und darum sollte ganz ernsthaft über die notbremse nachgedacht werden.

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