ernte23 (Gast) - 3. Okt, 11:45

mit sich selbst beschäftigt

Die "linke Szene", wenn man das so sagen kann, hat z.B. das Problem, Hürden für potentielle "Neukunden" aufzubauen, die völlig unnötig sind. Mir ist z. B. nicht klar, was "links" direkt mit veganem Essen, zu tun, hat. Auch, ob das unpersönliche "man" durch "mensch" ersetzt werden soll, gehört zu den absoluten Nebenkriegsschauplätzen, womit die Liste der Spitzfindigkeiten noch lange nicht zu Ende wäre. Daraus könnte man vermutlich ein abendfüllendes Programm machen.

In Spanien wurden die "Linken" übrigens von der Protestwelle beginnend mit dem 15.5.2011 total überrascht, sie waren auf den ersten Massenkundgebungen in Madrid nicht vertreten.

monoma - 3. Okt, 14:54

naja,

das, was sich heute als (autonome) "szene" bezeichnen lässt, meinte ich noch nicht mal primär. was die fragen betrifft, ließe sich eine stundenlange diskussion führen - da ich mich in der vergangenheit über ein jahrzehnt in dieser welt bewegt habe, könnte ich ein paar antworten geben, sehe aber gerade den sinn darin nicht.

es geht eher um etwas, was mich an einem zufällig gesehenen interview nach der "wahl" in meck-pomm beunruhigte - da redete dann auch einer der führenden dortigen npd-fuzzies, und er war der einzige von allen anwesenden, der den begriff "asoziale politik" nutzte. was aus dem mund eines nazis zwar immer ein schlechter witz ist, aber mir fiel dann etwas ein, was ich vor jahren so geschrieben hatte:

"...und wenn diese vorgegebenen grenzen in zeiten wie heute immer enger gezogen werden (was z.b. ganz zentral grundsätzliche fragen nach menschenwürde, materiellen existenzsicherungen, umgang mit asylsuchenden und anderes betrifft), bekommen die parteien insgesamt einen blockähnlichen charakter, der bereits totalitäre elemente enthält - eine art front, in der die anscheinend widerstreitenden positionen sich nur noch in verschiedenheiten bezgl. irgendwelcher detailfragen ausdrücken, wie diese und jene sache denn jetzt genau zu regeln ist. ein absolutes tabu ist es jedoch, grundsätzlich strukturelle eigenschaften der sozialen und ökonomischen verhältnisse überhaupt zu thematisieren, jedenfalls für die protagonistInnen der "demokratischen parteien" (die rechtsextremen scheinen dieses tabu zu berühren, wobei es sich jedoch auch nur um eine als-ob-aktion handelt - sie wollen vor allem eine offene zuspitzung der vorhandenen hierarchischen strukturen erreichen, nicht ihre grundsätzliche veränderung. zynisch könnte gesagt werden, sie sind ehrlicher, was die forderungen nach gewalt, zwang und repressionen angeht - die programme und aktionen der sog. demokratischen parteien laufen faktisch auf ähnliche resultate hinaus, werden aber durch sog. "vernünftige argumente" kaschiert, und sind dazu noch recht unsicheren ethischen und moralischen normen teilweise unterworfen, die zumindest oberflächlich berücksichtigt werden müssen. genau darauf verzichten die faschisten fast völlig, machen das als verächtliche schwäche der "systemparteien"aus und ziehen vermutlich aus diesem kontrast die rolle der "einzigen echten opposition", die sie sich gerne selbst geben, und in der sie von entsprechend disponierten persönlichkeiten dann aufgrund dieses kontrastes in der erscheinungsform auch so wahrgenommen werden."

gerade aufgrund der beschreibungen der verbreiteten psychophysischen zustände, wie ich sie im blog immer wieder versuche, ziehe ich vor diesem hintergrund einen schluß: die verbliebenen reste der linken haben eine entscheidene lektion aus dem deutschen faschismus immer noch nicht kapiert: die nazis haben vor allem deshalb erfolg gehabt, weil sie verbreitete akkumulationen von negativer aggression, hass, ressentiments und auch ängsten innerhalb großer bevölkerungsschichten wirkungsvoll bündeln und ausdrücken (nicht lösen!) konnten (und mit hitler einen idealen container für diesen prozeß hatten, der biographiebedingt selbst all das zitierte war).

ich habe bei dem zitierten statement des nazis gedacht "richtig", und bin dabei sehr wahrscheinlich nicht der einzige. wo aber ist "die" linke, die begriffen hat, dass von oben tatsächlich schon lange ein nicht mal unerklärter klassenkampf - „Der Klassenkampf ist ein historischer Fakt, er wird von meiner Klasse, der Klasse der Reichen geführt und wir sind dabei ihn zu gewinnen“ (warren buffet, us-amerikanischer multimilliardär, in der new york times vom 26.11.2006) - geführt wird und diese herausforderung auch annimmt? das heisst letztlich klartext sprechen, grenzen ziehen und vor allem begreifen, dass sich das, was sich hinter dem buffet-zitat an antisozialer "politik" verbirgt, bereits jetzt und zukünftig noch mehr ungeheure mengen an aggressionen und verzweiflung produzieren wird - mengen von psychophysischen energien, die sich irgendwann auch in der öffentlichen arena manifestieren werden bzw. das in verdeckten formen bereits jetzt tun. und die werden und können keinesfalls durch "vernunft", "rationalität" u.ä. gesteuert oder gar kontrolliert werden, sondern werden sich einen, auch handfest-materiellen, ausdruck suchen (in formen wie der "tea party" und ihren analogen geschwistern in europa schon zu sehen). formen und wege dieses ausdrucks lassen sich allerdings meiner meinung nach in maßen durchaus partiell bestimmen (wie den "eliten" schon lange klar ist), und es wäre eine der allerersten aufgaben für eine linke, diese wege zu finden und zu beschreiten. um es kurz zu sagen: mir ist natürlich eine deutliche, auch populistische, ansage gegenüber banken, konzernen und ihren politmarionetten lieber, als irgendein nationalistisches oder rassistisches konstrukt als surrogat. wer das erste versäumt, fördert zwangsweise das zweite. und da versagt die rest-linke heute kläglich.

ein weiterer aspekt ist in dem weiter unten von yurun verlinkten "taz"-artikel zu finden - verschiedene, in der vergangenheit einmal irgendwie "links" gewesenen fraktionen suchen auf die eine - die "antideutschen" mit ihrer wahnhaften unterstützung für das westliche zivilisationsmodell - oder andere weise, wie der "grüne" taz-autor, ihren jeweiligen frieden mit den zuständen. und zwar just in dem historischen moment, in dem die in diesen zuständen gebundene scheiße beginnt, überzukochen. ein wirklich deutsches trauerspiel.

das ganz andere dicke problem dahinter ist aber auch, dass sich eine zeitgemäße linke von vielen aspekten des bisherigen systems, die sie selbst vertritt, ebenso verabschieden muss - gerade die "kritische sozialdemokratie" alá "nachdenkseiten" oder auch der partei "die linke" ist mit ihrem wachstumsmantra und der verklärung des "rheinischen kapitalismus" in der "guten alten brd" in zeiten von peak oil etc. auf einem in bälde absaufenden dampfer.
ernte23 (Gast) - 3. Okt, 20:14

Ach so, meine Anmerkung sollte auch kein Schlechtreden der "linken Szene" sein, sondern eher Ausdruck des Bedauerns.

Die 15M Bewegung entstand nicht zuletzt aufgrund der Alternativlosigkeit innerhalb des spanischen Parteiensystems, also daraus, dass ziemlich viele dort erkannt haben, dass der Parlamentarismus funktionsunfähig geworden ist. Das ist ein Erkenntnisfortschritt, der hier von noch viel weniger Leuten vollzogen wurde bzw. wird, weil viele noch glauben, mit einem blauen Auge davon zu kommen, indem sie sich die Verhältnisse schönreden wie der taz-Autor in dem verlinkten Artikel.

Für viele meiner Bekannten sind die Grünen immer noch die alternative Partei, die SPD die Partei der kleinen Leute usw., obwohl alle ihre Erfahrungen der letzten Jahre auf das Gegenteil deuten müssten. Ein Freund von mir, der gerade in einem Umfrageinstitut arbeitet, erzählte mir letztens, dass er bei einer Studie Leute befragte, die in vielen Bereichen eindeutig Positionen der Linkspartei vertraten, aber sich politisch in der Mitte wähnten.

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