"fake for real" ?
als ich so vorhin mal nach längerer zeit wieder im lieblingsbuchladen vorbeischaute, um ein wenig zu gucken, blieb ich irgendwann wie angewurzelt und mit großen augen stehen: "weia, was ist DAS?"
ja, was ist das?
"Zwei streitbare junge Autorinnen zeigen: Die Welt, so wie sie wirklich ist, existiert nicht mehr. Inszenierung, Image und Schein sind die Leitplanken für Politik, Ökonomie und das ganz normale private Leben. Wir machen »Als-ob-Karrieren«, führen »Als-ob-Beziehungen« und schauen den Politikern jeden Sonntagabend bei ihren »Als-ob-Debatten « zu. Im gleichen Moment wird die Fälschung aber zur neuen subversiven Protestform, um das System von innen zu attackieren. Ist die »harmlose Heiapopeia-Generation« längst im Widerstand? Aus der Innenperspektive beschreiben die Autorinnen, wie die neuen Protest- und Überlebensformen in Politik und Alltag aussehen."
womit natürlich auch die thematik dieses blogs aufs engste berührt ist. aufgrund extremen finanziellen mangels gerade konnte ich es nur im laden recht oberflächlich durchsehen, um mir zumindest einen ersten eindruck zu verschaffen. und der ist sehr gemischt, wie vielleicht ein blick ins inhaltsverzeichnis etwas unzureichend deutlich macht - soweit ich überblicke, ist den autorinnen die definition des "als-ob"-begriffes, wie sie aus der psychiatrie stammt, nicht bekannt. und so können sie also folglich auch nicht die schwerwiegenden verbindungen zwischen den von ihnen immerhin wahrgenommenen fatalen entwicklungen und den hier thematisierten psychiatrisch-neurologischen störungen thematisieren. letztlich möchte ich für den moment auf den allerersten beitrag hier verweisen, und da besonders auf das dritte zitat. aber zum gerade entdeckten buch werde ich auf jeden fall versuchen, hier eine ausführliche rezension nachzutragen. und vielleicht liest es ja der eine oder die andere leserIn hier auch, und mag die persönlichen eindrücke beschreiben?
*
edit am 09.10.: eine rezension findet sich hier; dazu nimmt dieser taz-artikel bezug auf das buch, und stellt zusätzlich fest:
"(...) Das Bedenkliche daran ist, dass in die Simulation politischen Handelns nur allzu gerne eingewilligt wird. Judith Mair und Silke Becker, altersmäßig der als apolitisch gescholtenen Generation Golf zugehörig, ziehen in ihrem Buch "Fake for real. Über die private und politische Taktik des So-tun-als-ob" erleichtert den Schluss, dass die Ära der "Objektivitätsapostel" mit ihren ideologischen Scheuklappen endgültig überwunden sei. Statt großen Posen in der politischen Arena empfehlen die beiden Autorinnen smartes Verhalten in der Warenwelt: "Als aktive Konsumenten sind wir zugleich immer auch konsumierende Aktivisten, die sich aus einem gut bestückten Freizeitparksortiment und Supermarkt das herauspicken, was ihrer ,politischen Gesinnung' nahe kommt."
Es ist bezeichnend für das Selbstverständnis vieler Menschen in den Dreißigern, die statt von Bebel von Baudrillard gelernt haben, politische Gesinnung nur noch in Anführungszeichen denken zu können. Der Austausch von widerstreitenden Positionen, die Geltungsansprüche von Welterklärungsmodellen wird mit Kusshand den "immergleichen selbsternannten Diskurshoheiten" (Mair/Becker) überlassen. Man selbst wähnt sich in der pfiffigeren Position und verfolgt amüsiert das Politainment der Titanic-Partei und die situationistischen Einflüsse bei Guido Westerwelle.
Die schonungslose Analyse hat man drauf, klar, doch um das Eingeständnis, über die jahrelangen Dekonstruktionsarbeiten irgendwie auch seinen Politikbegriff verloren zu haben, drückt man sich noch herum. (...)"
und die fragen danach, was dekonstruktion überhaupt bedeutet, was konstruktivismus für ein umgang mit der welt ist, warum und wie eine solche "geistige haltung" überhaupt entsteht, wer ein bedürfnis danach hat (bzw. haben muss) - und was das alles mit der menschlichen wahrnehmung, ihren möglichen zuständen und störungen, zu tun hat - solche fragen werden erst gar nicht gestellt.
aber die beiden obigen rezensionen verstärken meinen ersten eindruck vom buch, wobei ich es natürlich trotzdem lesen werde, sobald es möglich ist.
*
@somlu: danke für die idee/den vorschlag. vielleicht komme ich irgendwann drauf zurück.
ja, was ist das?
"Zwei streitbare junge Autorinnen zeigen: Die Welt, so wie sie wirklich ist, existiert nicht mehr. Inszenierung, Image und Schein sind die Leitplanken für Politik, Ökonomie und das ganz normale private Leben. Wir machen »Als-ob-Karrieren«, führen »Als-ob-Beziehungen« und schauen den Politikern jeden Sonntagabend bei ihren »Als-ob-Debatten « zu. Im gleichen Moment wird die Fälschung aber zur neuen subversiven Protestform, um das System von innen zu attackieren. Ist die »harmlose Heiapopeia-Generation« längst im Widerstand? Aus der Innenperspektive beschreiben die Autorinnen, wie die neuen Protest- und Überlebensformen in Politik und Alltag aussehen."
womit natürlich auch die thematik dieses blogs aufs engste berührt ist. aufgrund extremen finanziellen mangels gerade konnte ich es nur im laden recht oberflächlich durchsehen, um mir zumindest einen ersten eindruck zu verschaffen. und der ist sehr gemischt, wie vielleicht ein blick ins inhaltsverzeichnis etwas unzureichend deutlich macht - soweit ich überblicke, ist den autorinnen die definition des "als-ob"-begriffes, wie sie aus der psychiatrie stammt, nicht bekannt. und so können sie also folglich auch nicht die schwerwiegenden verbindungen zwischen den von ihnen immerhin wahrgenommenen fatalen entwicklungen und den hier thematisierten psychiatrisch-neurologischen störungen thematisieren. letztlich möchte ich für den moment auf den allerersten beitrag hier verweisen, und da besonders auf das dritte zitat. aber zum gerade entdeckten buch werde ich auf jeden fall versuchen, hier eine ausführliche rezension nachzutragen. und vielleicht liest es ja der eine oder die andere leserIn hier auch, und mag die persönlichen eindrücke beschreiben?
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edit am 09.10.: eine rezension findet sich hier; dazu nimmt dieser taz-artikel bezug auf das buch, und stellt zusätzlich fest:
"(...) Das Bedenkliche daran ist, dass in die Simulation politischen Handelns nur allzu gerne eingewilligt wird. Judith Mair und Silke Becker, altersmäßig der als apolitisch gescholtenen Generation Golf zugehörig, ziehen in ihrem Buch "Fake for real. Über die private und politische Taktik des So-tun-als-ob" erleichtert den Schluss, dass die Ära der "Objektivitätsapostel" mit ihren ideologischen Scheuklappen endgültig überwunden sei. Statt großen Posen in der politischen Arena empfehlen die beiden Autorinnen smartes Verhalten in der Warenwelt: "Als aktive Konsumenten sind wir zugleich immer auch konsumierende Aktivisten, die sich aus einem gut bestückten Freizeitparksortiment und Supermarkt das herauspicken, was ihrer ,politischen Gesinnung' nahe kommt."
Es ist bezeichnend für das Selbstverständnis vieler Menschen in den Dreißigern, die statt von Bebel von Baudrillard gelernt haben, politische Gesinnung nur noch in Anführungszeichen denken zu können. Der Austausch von widerstreitenden Positionen, die Geltungsansprüche von Welterklärungsmodellen wird mit Kusshand den "immergleichen selbsternannten Diskurshoheiten" (Mair/Becker) überlassen. Man selbst wähnt sich in der pfiffigeren Position und verfolgt amüsiert das Politainment der Titanic-Partei und die situationistischen Einflüsse bei Guido Westerwelle.
Die schonungslose Analyse hat man drauf, klar, doch um das Eingeständnis, über die jahrelangen Dekonstruktionsarbeiten irgendwie auch seinen Politikbegriff verloren zu haben, drückt man sich noch herum. (...)"
und die fragen danach, was dekonstruktion überhaupt bedeutet, was konstruktivismus für ein umgang mit der welt ist, warum und wie eine solche "geistige haltung" überhaupt entsteht, wer ein bedürfnis danach hat (bzw. haben muss) - und was das alles mit der menschlichen wahrnehmung, ihren möglichen zuständen und störungen, zu tun hat - solche fragen werden erst gar nicht gestellt.
aber die beiden obigen rezensionen verstärken meinen ersten eindruck vom buch, wobei ich es natürlich trotzdem lesen werde, sobald es möglich ist.
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@somlu: danke für die idee/den vorschlag. vielleicht komme ich irgendwann drauf zurück.
monoma - 8. Okt, 12:51
@somlu