kontext 15: wieder ein infomix [update 21.12.09]

der heute startet mit einer meldung zum zusammenhang zwischen gestörten spiegelneuronen und autismus:

"Bei Autisten funktionieren die Gehirnschaltungen, die Menschen ermöglichen die Aktionen anderer wahrzunehmen und zu verstehen, nicht auf die herkömmliche Art und Weise. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie der University of California gekommen. Die EEGs von zehn Patienten mit Autismus wiesen eine Dysfunktion des Spiegelneuronensystems auf. Ihre Spiegelneuronen reagieren nur auf ihre eigenen Aktionen und nicht auf die anderer. Bei Spiegelneuronen handelt es sich um Gehirnzellen im prämotorischen Kortex."
(...)
Heute wird davon ausgegangen, dass das menschliche Spiegelneuronensystem nicht nur bei der Ausführung und Beobachtung von Bewegungen eine Rolle spielt, sondern auch bei höheren kognitiven Prozessen. Dazu gehören zum Beispiel die Sprache, die Fähigkeit andere zu imitieren oder von ihnen zu lernen, ihre Intentionen zu erkennen oder mit ihrem Schmerz zu fühlen. Autismus wird teilweise genau durch Defizite in diesen Bereichen charakterisiert. Frühere Studien legten daher nahe, dass ein dysfunktionales Spiegelneuronensystem die beobachteten Pathologien erklären könnte. Die aktuellen Forschungsergebnisse unterstützen diese Hypothesen in einem entscheidenden Ausmaß."


wie früher schon
hier geschrieben, spielen die erst seit recht kurzer zeit zum thema gewordenen spiegelneurone offensichtlich für unsere sozialen beziehungen eine wichtige rolle. wenn nun (soziale) prozesse bekannt werden sollten, die diese spiegelneuronsysteme verändern, beeinträchtigen oder gar zerstören können - wäre das nicht sogar ein relevanter grund, z.b. justizielle konsequenzen aus allgemein antisozialen aktionen zu überdenken bzw. neu zu definieren? nur mal so als gedanke eingeworfen.

*

in einem weiteren beitrag zum autismus taucht der satz
"Demnach müssen wohl auch andere Faktoren eine wesentliche Rolle spielen" auf. ach? tatsächlich? gene hin oder her (zu den immer noch nicht breit wahrgenommenen jüngsten erkenntnissen der genforschung gehört übrigens das zusammenspiel von genen und sozialen bedingungen, aber ich habe gerade nicht die kapazitäten dafür, hier auch noch einen crashkurs zu veranstalten), dieses zauberwort dient anscheinend - genauso wie "neurologisch bedingt" - immer noch primär dazu, auch den kleinsten verdacht auf die beteiligung psychosozialer einflüsse zu zersteuen. sachlich hingegen erlauben weder "genetisch" noch "neurologisch" die konstruktion eines menschen, der quasi "ganz aus sich selbst heraus" krankhafte veränderungen produziert. der verdacht bleibt weiter bestehen, dass es sich bei dieser fragmentierten und objektivierenden wissenschaftlichen wahrnehmungsart selbst um eine quasiautistische wahrnehmung handelt. was natürlich nicht thematisiert wird.

stattdessen haben Wissenschaftler (...) mehrfach auch toxische Stoffe, Mangelernährung, Viren oder andere Pathogene dafür verantwortlich gemacht. dazu wird auch bei möglichen umweltgiften geschaut, während die theorie, dass verschiedene impfungen möglicherweise ursächlich-auslösend beteiligt sind, inzwischen breit als unwahrscheinlich bewertet wird. und so bleibt entscheidendes ungeklärt:

"Unklar ist an der Theorie der genetischen Faktoren aber die rasante Zunahme an Autismus-Fällen. (...) Erschreckend waren jedenfalls die beim Treffen in Boston präsentierten Zahlen: seit den 90-er Jahren hat die Krankheit um 172 Prozent zugenommen, obwohl die Bevölkerung in den USA um nur 13 Prozent jährlich wächst."

eine entwicklung, die nicht nur in den usa zu verzeichnen ist - folgende
meldung bezieht sich auf großbritannien und datiert von 2001:

"London (rpo). Die Anzahl der Autismusfälle bei Kindern dürfte viermal höher sein als bisher angenommen. Eine Studie von Forschern der Central Clinic und des Institute of Psychiatry des King’s College hat zwischen Juli 1998 und Juni 1999 im englischen Staffordshire 15.000 Kinder zwischen 2,5 und 6,5 Jahren auf Entwicklungsstörungen hin untersucht.
Frühere Studien gingen von vier bis sechs Erkrankungen auf 10.000 Kinder aus. Jetzt zeigte sich, dass der Anteil viel eher bei 17 Fällen liegt."


ist tatsächlich eine veränderte definition und wahrnehmung die erklärung?

"Der scheinbare Anstieg von Autismus-Fällen ist zum Stillstand gekommen. Eine UK Kohorten-Studie (Archive of Diseases of Childhood 2003;88:666-70) fand einen Anstieg bis zum Gipfel 1992, der v.a. auf ein grösseres Bewusstsein der Bevölkerung und der Kinderärzte für das Krankheitsbild zurückzuführen sei. Seitdem ist es zu keiner signifikanten Zunahme der Neuerkrankungen mehr gekommen."


(quelle)

ist es eine fehlinterpretation meinerseits, wenn ich die erste meldung als direkten widerspruch zur zweiten ansehe?

keine erklärung jedenfalls ist das obige für die in den usa involvierten forscher:

"Ein explosionsartiger Anstieg der Autismus-Fälle im US-Bundesstaat Kalifornien in den vergangenen 15 Jahren ist nicht das Ergebnis sich ändernder Diagnose-Kriterien. Auch die Verbesserung der Diagnose ist nicht der Grund des enormen Anstiegs um 273 Prozent zwischen den Jahren 1987 und 1998. "Autismus steigt in den USA und wir wissen nicht warum", erklärte der Erstautor der Studie, Robert S. Byrd vom M.I.N.D. Institute der University of Califonia/Davis.

Für die Zunahme der Autismus-Fälle finden die Forscher keine Erklärung. Der Anstieg ist laut Byrd nicht durch eine Lockerung der Kriterien, die für eine Diagnose benötigt werden, begründbar. Autismus-Kriterien erfüllten zwar auch einige Kinder, die nicht autistisch aber geistig unterentwickelt waren, diese falsche Einstufung habe sich aber mit der Zeit nicht verändert. Weiters wurden 90 Prozent der Kinder in den Staaten geboren. Dadurch wird die Möglichkeit ausgeschaltet, dass die Zunahme das Ergebnis einer Einwanderung von Familien nach Kalifornien, um bessere Services in Anspruch zu nehmen, ist. Die Genetik spiele zwar eine Rolle. Wurden bislang auch schon mindestens sechs Gene entdeckt, die Menschen für den Autismus prädisponieren können - eine Epidemie auslösen können diese aber nicht, betonte Byrd".


nur kalifornien?

"Die Autismus-Zunahme kann ebenso gut in anderen Bundesstaaten festgestellt werden. Nur sieht diese niemand", betonte Allenby.

eine öffentliche
erklärung der europäischen union hingegen bleibt so derart im vagen und unklaren - sinngemäß "zwar kann eine zunahme festgestellt werden, aber..." -, dass der klartext aus kalifornien dagegen regelrecht krass wirkt. mehr zu diesem ganzen komplex in der zukünftigen fortsetzung dieses beitrags.

*

ein kleines quiz gefällig?

"Es wird verglichen, bewertet, gemessen und alles mit jedem in ein Konkurrenzverhältnis gesetzt."

(quelle)

handelt es sich um a) eine beschreibung des objektivistischen bewusstseins, b) eine autismus-variante, c) ökonomisch-effektives denken, d) empathielosigkeit, e) den ausdruck einer zwangsneurose, f) den ausdruck einer zwanghaften persönlichkeitsstörung, g) die typische form der westlichen rationalität, h) die typische form des westlich-wissenschaftlichen denkens, i) puren kapitalismus, j) eine folge von sozialer dissoziation, k) etwas von allem, l) nichts davon?

ausgespielt werden erkenntnisgewinne.

*

edit am 21.12.09: wenn ich mich recht erinnere, habe ich diesen beitrag vor gut vier jahren geschrieben - und nun gibt es aktuell
neue zahlen aus den usa:

"Nach neuen Erhebungen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) verbreitet sich Autismus, eingeschlossen das Asperger-Syndrom und andere Autismus-Spektrum-Störungen, in den USA immer schneller unter den Kindern. Jetzt sollen bereits 1 Prozent der 8-Jährigen bzw. 9 von 1000 autistisch oder 1 von 110 sein (in der EU geht man von 3-6 auf 1000 Kinder aus, es liegen aber keine genauen Zahlen vor). (...)

2007 galt noch ein achtjähriges Kind von 150 als autistisch, 2000 eines von 300. In 10 der beobachten Regionen haben autistische Störungen durchschnittlich um 57 Prozent gegenüber den letzten Erhebungen in 2002 du 2006 zugenommen, allerdings schwankt die Zunahme regional erheblich zwischen 27 und 95 Prozent. Derzeit könnten, so wird von den CDC geschätzt, 730.000 Menschen im Altre bis 21 Jahren Autismus-Spektrum-Störungen zeigen.

Die sprunghafte Zunahme autistischer Erkrankungen bei den 1998 Geborenen könnte ganz einfach darin liegen, dass Ärzte Kinder häufiger so diagnostizieren. Beim CDC will man aber nicht ausschließen, dass eine wirkliche Zunahme stattgefunden hat, auch wenn man keinen Grund dafür angeben kann." (...)


seit jahren also keinerlei wirkliche erkenntnisse, selbst bei der entscheidenden frage nach dem grund des ansteigens der diagnosen im autistischen spektrum nicht - hm...
Quirinus (Gast) - 29. Nov, 06:44

Autismus & Pharmaka

Habe gerade einen Artikel gefunden, worin berichtet wird, daß es eine Korrelation zwischen der Verwendung bestimmter Impfstoffe (vaccines) und dem sprungshaften Anstieg der Fälle von Autismus, ADHS etc. in den USA gibt. Siehe hier.

monoma - 29. Nov, 16:03

ja, dieser zusammenhang wird in den letzten jahren...

...immer wieder vermutet - siehe auch http://www.impfkritik.de/autismus/index.php

allerdings scheint mir nach einer durchsicht hier eher eine motivation zu sein, impfen generell mit allen möglichen und unmöglichen folgen und nebenwirkungen in verbindung zu bringen - ob das berechtigt ist, möchte ich hier nicht weiter vertiefen.

wie oben im beitrag allerdings schon erwähnt, gilt diese hypothese des durch impfungen ausgelösten autismus innerhalb der "offiziellen" wissenschaftlichen diskussion als weitgehend widerlegt:

http://www.aerztezeitung.de/docs/2005/03/03/039a0105.asp?cat=/medizin/impfen

(hier erfahren wir so nebenbei also auch von einer steigenden autismusrate in japan).

*

http://www.zeit.de/archiv/2001/18/200118_impfangst.xml

*

http://www.netdoktor.de/reisemedizin/impfungen/fakta/impf_masern.htm enthält folgendes zitat:

"Vor einigen Jahren verunsicherte eine kleine Studie mit 12 Teilnehmern die Bevölkerung. Darin wurde ein möglicher Zusammenhang zwischen der MMR-Impfung und Autismus nicht ausgeschlossen. Diese Studie wurde inzwischen zurückgezogen, denn ein ursächlicher Zusammenhang konnte nicht gefunden werden."

*

und noch ein hinweis auf eine dänische studie zum thema:

http://www.psychiatrie-aktuell.de/news/detail_furInter.jhtml?itemname=news_59633

insgesamt also, trotz - notwendiger - skepsis gegenüber der pharmaindustrie, können die aus verschiedenen ländern vorliegenden ergebnisse die angebliche verbindungen zwischen impfungen und autismus nicht erhärten. wobei ich persönlich nicht ausschließe, dass verschiedene umweltgifte durchaus eine rolle spielen könnten in dem sinne, dass sie pathologische prozesse verschlimmern/beschleunigen oder vielleicht sogar als eine art auslöser beteiligt sein können, wenn andere wesentliche voraussetzungen für eine autistische entwicklung bereits gegeben sind. das toxische chemikalien natürlich auch psychische bzw. neurologische effekte auslösen können, ist zwar seit langem bekannt, wird aber kaum jemals berücksichtigt.

danke jedenfalls für den hinweis, und gruß
mo

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