benutzt und weggeworfen
ein neuer us-amerikanischer dokumentarfilm, When I Came Home, thematisiert die realität des lebens jener männer (und frauen), die unter der sich im zweiten weltkrieg herausbildenden und imo sehr treffenden bezeichnung "GI" (für Government Issue, also regierungseigentum), in jener armee "dienen", die neben ihrem - zweifellos zu respektierendem - anteil an der niederschlagung des naziterrors ansonsten von den indianerkriegen über vietnam bis zum heutigen weltweiten "krieg gegen den terror" auch angst und schrecken in vielen ländern verbreitet (hat), und sich als machtinstrument einiger der wichtigsten teile der herrschenden globalen "eliten" am treffendsten begreifen lässt.
täter und opfer zugleich, sind bis heute überproportional viele angehörige der deklassierten us-amerikanischen bevölkerungsteile als kerne der kämpfenden truppen vertreten - schwarze, latinos und viele sonstige arme, auch mit weißer hautfarbe. während die offizierskaste immer noch mehrheitlich aus der schicht der sog. wasps, white-anglo-saxon-protestants, stammt, also der privilegiertesten und auch formal "gebildesten" klasse der usa. mittels der struktur der army schaffen es also bis heute die angehörigen der us-eliten, gleich zwei aus ihrer sicht nützliche funktionen zu verbinden: zum einen gewährt die army eine gewisse materielle und ökonomische sicherheit, die unter den sich verschärfenden kapitalistischen bedingungen für viele verlockend ist, ebenso wie die aussicht auf ein mögliches höhersteigen innerhalb der gesellschaftlichen hierarchien (was gerade für angehörige der verarmten afroamericans ansonsten hauptsächlich nur per sportlicher karriere oder aber im show- und musikbusiness möglich ist - und dieser weg ist real nur für ganz wenige offen. die army lässt sich also bereits durch diese option als instrument zur abschöpfung sozial produzierter frustration begreifen. zum anderen aber verheizen die sog. eliten diese soldaten dann regelmässig bei ihren verschiedenen und groß angelegten globalen antisozialen aktionen zwecks eigenem machterhalt und expansion (die überlegene technik der us-army dient in diesem zusammenhang nicht nur einer immer perfekteren und tödlicheren kriegsführungsfähigkeit, sondern ebenso der reduzierung menschlicher verluste seitens der usa - letzteres aber keineswegs aus humanistischen motiven, sondern zur sedierung der öffentlichen meinung - eine lektion aus dem vietnamkrieg, die im übrigen dann, wenn z.b. wie im irak die militärmaschine auch immer mehr eigene tote produziert, auch ganz klassisch mittels zensur und medienmanipulation umgesetzt wird.)
und nirgends wird diese tatsache deutlicher als am schicksal derjenigen, die im film gezeigt und in diesem artikel beschrieben werden:
"Richtig zusammengebrochen ist der 26-jährige Schwarze aber erst später, nach der Rückkehr von jenem Ort, an dem das alles passierte - dem Irak. Da krümmte er sich eines Abends in seinem alten, roten Jeep am Straßenrand in Brooklyn mit einem Weinkrampf übers Steuerrad. "Ich habe drei Kinder", schluchzte er. "Ich habe für mein Land gekämpft. Wie kann mein Land mir das jetzt nur antun?"
Verheizt, verstoßen, vergessen: Herold Noel gehört einer wenig beachteten, doch immer schneller wachsenden Randgruppe in den USA an - obdachlose Kriegsveteranen. Jedes Jahr finden sich nach Zählung der National Coalition for Homeless Veterans über eine halbe Million US-Kriegsheimkehrer ohne Dach über dem Kopf. Fast die Hälfte sind kranke, gealterte Vietnamveteranen. Doch ein rasant steigender Prozentsatz kommt, oft noch ganz jung, aus dem derzeit noch brennenden Konfliktherd - dem Irak."
von denen wie schon nach dem vietnamkrieg sehr viele mit einer wohlbekannten diagnose leben müssen:
"Die Ärzte diagnostizierten bei ihm außerdem ein posttraumatisches Stress-Syndrom (PTSD). Fast jeder fünfte Irak-Veteran leidet an solchen Traumaschäden. Er bekam Antidepressiva, doch nur befristet. Dann kehrten die Angstzustände und Wutanfälle zurück. Noel wurde erwerbsunfähig geschrieben, doch Invalidenrente erhielt er keine, da es oft bis zu einem Jahr dauert, bis neue Fälle bearbeitet sind. Das System ließ ihn im Stich."
mehr noch, es machte ihn zuerst zum opfer (des der us-gesellschaft immanenten rassismus´), dann zum täter (u.a. zur aufrechterhaltung und zur expansion eben dieses rassistischen systems), der wieder zum opfer wurde:
"Mit 19 meldete sich Joel zur Armee, wie so viele arme Schwarze auf der Suche nach Geld. Im März 2003 zog er in den Irak. Er war Hauptgefreiter in der 3rd Infantry Division, die als "Speerspitze" der Invasion den Weg freischlug. Noels Job war es, Panzersprit an die Front zu schaffen. Sein Sattelzug war eine Bombe auf Rädern. "Es knallte rechts und links", lacht er leise. "Ich habe oft nur die Augen zugemacht und blind aus dem Fenster geschossen."
Dafür zeichnete die Armee Noel mit mehreren Orden aus. Doch nach der Heimkehr begann das wahre Elend. Noel zog mit seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern zurück in seine Heimatstadt New York - ohne Geld, ohne Unterkunft. Sein Sozialwohnungsantrag wurde abgelehnt. Die Stadt steckte ihn in ein Asyl. Das war aber dreckig und verwahrlost, und sie klauten ihm dort alle Kleidungsstücke und Armee-Orden. "Asyl?", sagt Noel. "Nie wieder!"
"patriotismus"? der "dank des vaterlands"? "the american dream?" all diese leeren phrasen werden als die lügen sichtbar, die diese begriffe seit und je - und keineswegs nur in den usa - sind. und bevor jetzt jemand aus diesem land hier kommt und sich hinstellt: "das hätte er doch alles wissen können - kein mitleid", möchte ich kurz nur daran erinnern, dass auch die mehrheit der hiesigen bevölkerung bis heute dreiste und übelste lügen der hiesigen herrschaftsschichten bereitwillig schluckt - ich sehe keinen so großen unterschied ausser dem, dass das leben mit schwarzer hautfarbe in einem typischen ghetto einer beliebigen us-amerikanischen city doch noch um einiges übler ist als die überwiegenden lebensumstände für die meisten von uns in d-land (wobei schon seit einiger zeit fleißig daran gearbeitet wird, diese us-verhältnisse in entsprechend modifizierter form auch hier einzuführen).
es ist natürlich trotzdem berechtigt, notwendig und imo auch zumutbar, gerade die sog. "einfachen" soldaten nicht nur der us-arny klar mit ihrer funktion zu konfrontieren: sie gleichen dem kondom eines vergewaltigers (der selbst keine spuren hinterlassen will), welches nach der tat schlicht und einfach als müll irgendwo weggeworfen wird. mittels bestechung zum ding gemacht, das andere in - tote - dinge verwandelt. und sehr wahrscheinlich unter kontrolle und im auftrag von leuten, denen die ganze welt als ein einziges großes ding zu ihrer beliebigen verfügung erscheint. ich wiederhole mich zwar, aber es muss wahrscheinlich noch oft wiederholt werden, bis die meisten von uns es tatsächlich begreifen: dieser wahrnehmungsmodus in dieser besonderen form ist schlicht und einfach als wahnsinn im übelsten und gefährlichsten sinne zu verstehen. und wir müssen schnellstens begreifen, dass es davor kein ausweichen gibt - nirgendwo und für niemanden. dieser besondere wahnsinn vergiftet bis heute unser gesamtes soziales leben und wird über kurz oder lang die gesamte spezies existenziell bedrohen - wenn wir ihm nicht radikal alle grundlagen entziehen und sehr, sehr deutliche und harte grenzen setzen.
edit: zum thema empfehle ich auch diesen artikel in der zeit - auszüge:
"Joshua Key war Soldat im Irak. Auf Heimaturlaub desertierte er. Seitdem lebt er mit seiner Frau und den vier Kindern im Untergrund.(...)
Allerdings erkennen sie, dass es zum Traum vom Familienglück auch die passende Realität geben muss. Dazu gehört eine Krankenversicherung, die sie nicht haben, und ein festes Einkommen, das sie nicht haben, und eine Perspektive, die sie noch nie hatten. Und da die Armee im Fernsehen, im Radio, auf der Straße großartige Perspektiven verspricht, lässt sich Joshua Key im Februar 2002 auf ein Gespräch mit einem Rekruteur ein.
Er will Computerfachmann werden, und tatsächlich bietet ihm die Armee eine Fülle von Jobs. Sie bietet ihm auch eine College-Ausbildung für die Kinder und seine Frau und Krankenversicherung auf Lebenszeit und obendrauf die Gewähr, nicht in den Krieg zu müssen. Der Rekruteur sagt: Falls ein Krieg ausbrechen sollte, wärest du der Allerletzte, der eingezogen wird, weil du so viele Kinder hast. Und überhaupt müsste das ein Krieg wie der Zweite Weltkrieg sein, sonst kommt einer wie du gar nicht in Betracht.
»Ich habe denen geglaubt«, sagt Joshua Key.(...)
Wie nimmt man eine Stadt ein? »Dein Herz pumpt wie verrückt vor Angst. Das erste Mal mussten wir es um vier Uhr morgens machen. Wir sind mit einem Zivilfahrzeug hin, das wir in der Nacht vorher gestohlen hatten. Du klopfst an die Tür eines Hauses, wenn keiner öffnet, bringst du vier Pfund Sprengstoff an, gehst um die Ecke und sprengst die Tür weg. Dann läufst du mit sechs Leuten rein, ich immer als Dritter, ich sollte Terroristen abknallen, falls der Erste und der Zweite beschossen werden (plötzlich fahren seine Hände durch die Luft, er zeigt, in welcher Türhöhe Sprengstoff angebracht wird, lacht unvermittelt, holt tief Luft, seine Miene erstarrt wieder), das alles passiert nur in Sekunden.
Dann bist du im Haus und gehst ins Wohnzimmer, holst alle männlichen Personen raus und verhaftest sie. Die Frauen und Kinder schreien dich wie verrückt an, weil wir diejenigen sind, die ihre Brüder, Väter, Männer holen. Die geben nicht der Bush-Regierung daran die Schuld, sondern dir. Du bist derjenige, der ein Gesicht hat.«
Wenn Zivilisten erschossen wurden, musste er ihre toten Körper aufreihen, damit die Verwandten sie leichter identifizieren konnten. »Du stehst dann neben Männern, die grundlos getötet wurden, und ihre Familien beweinen sie. Was soll man da sagen? Tut mir leid, dass das passiert ist? Mein Land entschuldigt sich dafür? Geht nicht. Also stehst du da und lächelst freundlich, als seist du überzeugt davon, das Richtige getan zu haben.«(...)
In Falludscha sieht Key die ersten Kameraden sterben. Wen, wie, wann, darüber spricht er noch heute nicht. Und dort sieht er auch zum ersten Mal diese großen Schilder. »Kill Americans« stand darauf. »Ich hatte das Gefühl, diese Schilder haben wir verursacht. Ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, wenn die in unser Land eingefallen wären. Wir würden doch nicht anders reagieren. Meine Kameraden und ich haben viel darüber geredet. Wir hatten Angst, jeden Tag Angst um unseren Arsch. Vergiss all das Heldengeplapper. Du hast eine Scheißangst.»(...)
Trotzdem versteht sie ihren Mann. Sie sieht, wie verändert er ist, am Flughafen erkennt sie ihn nicht einmal. Er ist abgemagert, benimmt sich komisch, er trinkt zu viel Bier. Er scheint zu leiden. Sie weiß zu diesem Zeitpunkt nicht, was ein Trauma ist, aber ihr Gefühl sagt ihr: Wenn Joshua in den Krieg zurückgeht, verliere ich ihn endgültig. Er schreit die Kinder ja jetzt schon den ganzen Tag an und sie im Schlaf, er, der sonst geduldigste Mann auf der Welt, stoisch und passiv. Sie beschließt, mit Joshua unterzutauchen.(...)
Fast jede Nacht träumt er vom Krieg und durchlebt die Häuserkämpfe und sieht Leichen. Einmal würgt er seine Frau im Schlaf. Sie befreit sich und rüttelt ihn wach. Mit Kissen baut sie von jetzt an einen Schutzwall zwischen ihn und die Kinder. Ein anderes Mal reißt er den Ventilator aus der Decke, die Nachbarn alarmieren die Polizei wegen Ruhestörung, Brandi kann sie mühsam abwimmeln. Am nächsten Morgen erinnert sich Key an nichts.(...)
»Joshua ist ein anderer Mann geworden«, sagt Brandi mit ernstem Gesicht, »und das wird so bleiben. Du kannst lernen, mit einem Trauma umzugehen, aber ablegen kannst du es nicht.« Flashback, Trauma, Begriffe, von denen sie vor wenigen Monaten noch nie gehört haben, gebrauchen sie nun genauso selbstverständlich wie ihre Mikrowelle."(...)
nein, ablegen sicher nicht. aber es gibt inzwischen immerhin gewisse chancen, ein trauma zumindest emotional soweit zu entschärfen, dass es nicht mehr das ganze leben bestimmen kann. und zur heilung kann auch das folgende gehören, die bewußte entscheidung für aktivitäten gegen die antisozialen strukturen, die permanent neue traumata erzeugen:
"Joshua und Brandi Key leben fortan von Spenden und Vorträgen, die Key hält. Vor Gewerkschaftern, Schülern, Studenten. Er spricht von seinen Erlebnissen im Irak und von der Schuld, die er empfindet, aber dass man ihn nicht verdammen möge, er sei Teil eines Systems gewesen, von dem er sich distanziere und das er für falsch halte. Er tritt selbst in Moscheen auf und entschuldigt sich für das Unheil, das er und seine Männer angerichtet hätten. So sieht er das. Da steht dann ein junger vierfacher Familienvater, der aus der Unterschicht kommen mag, der unpolitisch gewesen sein mag, aber nun packend erzählt und scharf analysiert. Und manchmal weint.(...)
respekt! finde ich absolut gut und nötig, genau wie das handeln derjenigen frauen und auch männer, die z.b. opfer sexualisierter gewalt geworden sind und in einem meist anstrengenden kampf lernen, öffentlich genau darüber zu sprechen - und derart den finger genau auf die wunde legen, die auch der deserteur im obigen beitrag anspricht: verdinglichung findet auf verschiedensten wegen statt, aber das ergebnis ist immer ähnlich - und trostlos.
mit dem auch oben angesprochenen system (was nicht auf ein land beschränkt ist) aber kann es weder kompromisse noch eine tolerierung geben - es ist auf expansion und unterwerfung angelegt und eine unmenschliche maschine, die zwar komplex, aber auch unsagbar dumm ist. und in der letzten eigenschaft dürfte auch eine große chance liegen. für die, die wirklich leben wollen.
edit am 14.05.: heute gibt es noch dieses nachzutragen:
"Das US-Militär setzt nach einem Zeitungsbericht im Irak kranke und labile Soldaten ein, die zum Teil schwere Antidepressiva einnähmen. Ärztliche Hilfe komme so gut wie gar nicht in Frage.(...)"
"In einigen Fällen seien Soldaten, die nach einem Irak-Einsatz traumatisiert zurück gekommen seien, wieder in den Krieg geschickt worden. Um sie im Kampfeinsatz zu lassen, würden zunehmend Anti-Depressiva mit teils gefährlichen Risiken verabreicht. US-Soldaten seien auch in Kampfzonen geblieben, selbst wenn Vorgesetzte über die gesundheitlichen Probleme informiert gewesen seien.(...)"
täter und opfer zugleich, sind bis heute überproportional viele angehörige der deklassierten us-amerikanischen bevölkerungsteile als kerne der kämpfenden truppen vertreten - schwarze, latinos und viele sonstige arme, auch mit weißer hautfarbe. während die offizierskaste immer noch mehrheitlich aus der schicht der sog. wasps, white-anglo-saxon-protestants, stammt, also der privilegiertesten und auch formal "gebildesten" klasse der usa. mittels der struktur der army schaffen es also bis heute die angehörigen der us-eliten, gleich zwei aus ihrer sicht nützliche funktionen zu verbinden: zum einen gewährt die army eine gewisse materielle und ökonomische sicherheit, die unter den sich verschärfenden kapitalistischen bedingungen für viele verlockend ist, ebenso wie die aussicht auf ein mögliches höhersteigen innerhalb der gesellschaftlichen hierarchien (was gerade für angehörige der verarmten afroamericans ansonsten hauptsächlich nur per sportlicher karriere oder aber im show- und musikbusiness möglich ist - und dieser weg ist real nur für ganz wenige offen. die army lässt sich also bereits durch diese option als instrument zur abschöpfung sozial produzierter frustration begreifen. zum anderen aber verheizen die sog. eliten diese soldaten dann regelmässig bei ihren verschiedenen und groß angelegten globalen antisozialen aktionen zwecks eigenem machterhalt und expansion (die überlegene technik der us-army dient in diesem zusammenhang nicht nur einer immer perfekteren und tödlicheren kriegsführungsfähigkeit, sondern ebenso der reduzierung menschlicher verluste seitens der usa - letzteres aber keineswegs aus humanistischen motiven, sondern zur sedierung der öffentlichen meinung - eine lektion aus dem vietnamkrieg, die im übrigen dann, wenn z.b. wie im irak die militärmaschine auch immer mehr eigene tote produziert, auch ganz klassisch mittels zensur und medienmanipulation umgesetzt wird.)
und nirgends wird diese tatsache deutlicher als am schicksal derjenigen, die im film gezeigt und in diesem artikel beschrieben werden:
"Richtig zusammengebrochen ist der 26-jährige Schwarze aber erst später, nach der Rückkehr von jenem Ort, an dem das alles passierte - dem Irak. Da krümmte er sich eines Abends in seinem alten, roten Jeep am Straßenrand in Brooklyn mit einem Weinkrampf übers Steuerrad. "Ich habe drei Kinder", schluchzte er. "Ich habe für mein Land gekämpft. Wie kann mein Land mir das jetzt nur antun?"
Verheizt, verstoßen, vergessen: Herold Noel gehört einer wenig beachteten, doch immer schneller wachsenden Randgruppe in den USA an - obdachlose Kriegsveteranen. Jedes Jahr finden sich nach Zählung der National Coalition for Homeless Veterans über eine halbe Million US-Kriegsheimkehrer ohne Dach über dem Kopf. Fast die Hälfte sind kranke, gealterte Vietnamveteranen. Doch ein rasant steigender Prozentsatz kommt, oft noch ganz jung, aus dem derzeit noch brennenden Konfliktherd - dem Irak."
von denen wie schon nach dem vietnamkrieg sehr viele mit einer wohlbekannten diagnose leben müssen:
"Die Ärzte diagnostizierten bei ihm außerdem ein posttraumatisches Stress-Syndrom (PTSD). Fast jeder fünfte Irak-Veteran leidet an solchen Traumaschäden. Er bekam Antidepressiva, doch nur befristet. Dann kehrten die Angstzustände und Wutanfälle zurück. Noel wurde erwerbsunfähig geschrieben, doch Invalidenrente erhielt er keine, da es oft bis zu einem Jahr dauert, bis neue Fälle bearbeitet sind. Das System ließ ihn im Stich."
mehr noch, es machte ihn zuerst zum opfer (des der us-gesellschaft immanenten rassismus´), dann zum täter (u.a. zur aufrechterhaltung und zur expansion eben dieses rassistischen systems), der wieder zum opfer wurde:
"Mit 19 meldete sich Joel zur Armee, wie so viele arme Schwarze auf der Suche nach Geld. Im März 2003 zog er in den Irak. Er war Hauptgefreiter in der 3rd Infantry Division, die als "Speerspitze" der Invasion den Weg freischlug. Noels Job war es, Panzersprit an die Front zu schaffen. Sein Sattelzug war eine Bombe auf Rädern. "Es knallte rechts und links", lacht er leise. "Ich habe oft nur die Augen zugemacht und blind aus dem Fenster geschossen."
Dafür zeichnete die Armee Noel mit mehreren Orden aus. Doch nach der Heimkehr begann das wahre Elend. Noel zog mit seiner Frau und seinen drei kleinen Kindern zurück in seine Heimatstadt New York - ohne Geld, ohne Unterkunft. Sein Sozialwohnungsantrag wurde abgelehnt. Die Stadt steckte ihn in ein Asyl. Das war aber dreckig und verwahrlost, und sie klauten ihm dort alle Kleidungsstücke und Armee-Orden. "Asyl?", sagt Noel. "Nie wieder!"
"patriotismus"? der "dank des vaterlands"? "the american dream?" all diese leeren phrasen werden als die lügen sichtbar, die diese begriffe seit und je - und keineswegs nur in den usa - sind. und bevor jetzt jemand aus diesem land hier kommt und sich hinstellt: "das hätte er doch alles wissen können - kein mitleid", möchte ich kurz nur daran erinnern, dass auch die mehrheit der hiesigen bevölkerung bis heute dreiste und übelste lügen der hiesigen herrschaftsschichten bereitwillig schluckt - ich sehe keinen so großen unterschied ausser dem, dass das leben mit schwarzer hautfarbe in einem typischen ghetto einer beliebigen us-amerikanischen city doch noch um einiges übler ist als die überwiegenden lebensumstände für die meisten von uns in d-land (wobei schon seit einiger zeit fleißig daran gearbeitet wird, diese us-verhältnisse in entsprechend modifizierter form auch hier einzuführen).
es ist natürlich trotzdem berechtigt, notwendig und imo auch zumutbar, gerade die sog. "einfachen" soldaten nicht nur der us-arny klar mit ihrer funktion zu konfrontieren: sie gleichen dem kondom eines vergewaltigers (der selbst keine spuren hinterlassen will), welches nach der tat schlicht und einfach als müll irgendwo weggeworfen wird. mittels bestechung zum ding gemacht, das andere in - tote - dinge verwandelt. und sehr wahrscheinlich unter kontrolle und im auftrag von leuten, denen die ganze welt als ein einziges großes ding zu ihrer beliebigen verfügung erscheint. ich wiederhole mich zwar, aber es muss wahrscheinlich noch oft wiederholt werden, bis die meisten von uns es tatsächlich begreifen: dieser wahrnehmungsmodus in dieser besonderen form ist schlicht und einfach als wahnsinn im übelsten und gefährlichsten sinne zu verstehen. und wir müssen schnellstens begreifen, dass es davor kein ausweichen gibt - nirgendwo und für niemanden. dieser besondere wahnsinn vergiftet bis heute unser gesamtes soziales leben und wird über kurz oder lang die gesamte spezies existenziell bedrohen - wenn wir ihm nicht radikal alle grundlagen entziehen und sehr, sehr deutliche und harte grenzen setzen.
edit: zum thema empfehle ich auch diesen artikel in der zeit - auszüge:
"Joshua Key war Soldat im Irak. Auf Heimaturlaub desertierte er. Seitdem lebt er mit seiner Frau und den vier Kindern im Untergrund.(...)
Allerdings erkennen sie, dass es zum Traum vom Familienglück auch die passende Realität geben muss. Dazu gehört eine Krankenversicherung, die sie nicht haben, und ein festes Einkommen, das sie nicht haben, und eine Perspektive, die sie noch nie hatten. Und da die Armee im Fernsehen, im Radio, auf der Straße großartige Perspektiven verspricht, lässt sich Joshua Key im Februar 2002 auf ein Gespräch mit einem Rekruteur ein.
Er will Computerfachmann werden, und tatsächlich bietet ihm die Armee eine Fülle von Jobs. Sie bietet ihm auch eine College-Ausbildung für die Kinder und seine Frau und Krankenversicherung auf Lebenszeit und obendrauf die Gewähr, nicht in den Krieg zu müssen. Der Rekruteur sagt: Falls ein Krieg ausbrechen sollte, wärest du der Allerletzte, der eingezogen wird, weil du so viele Kinder hast. Und überhaupt müsste das ein Krieg wie der Zweite Weltkrieg sein, sonst kommt einer wie du gar nicht in Betracht.
»Ich habe denen geglaubt«, sagt Joshua Key.(...)
Wie nimmt man eine Stadt ein? »Dein Herz pumpt wie verrückt vor Angst. Das erste Mal mussten wir es um vier Uhr morgens machen. Wir sind mit einem Zivilfahrzeug hin, das wir in der Nacht vorher gestohlen hatten. Du klopfst an die Tür eines Hauses, wenn keiner öffnet, bringst du vier Pfund Sprengstoff an, gehst um die Ecke und sprengst die Tür weg. Dann läufst du mit sechs Leuten rein, ich immer als Dritter, ich sollte Terroristen abknallen, falls der Erste und der Zweite beschossen werden (plötzlich fahren seine Hände durch die Luft, er zeigt, in welcher Türhöhe Sprengstoff angebracht wird, lacht unvermittelt, holt tief Luft, seine Miene erstarrt wieder), das alles passiert nur in Sekunden.
Dann bist du im Haus und gehst ins Wohnzimmer, holst alle männlichen Personen raus und verhaftest sie. Die Frauen und Kinder schreien dich wie verrückt an, weil wir diejenigen sind, die ihre Brüder, Väter, Männer holen. Die geben nicht der Bush-Regierung daran die Schuld, sondern dir. Du bist derjenige, der ein Gesicht hat.«
Wenn Zivilisten erschossen wurden, musste er ihre toten Körper aufreihen, damit die Verwandten sie leichter identifizieren konnten. »Du stehst dann neben Männern, die grundlos getötet wurden, und ihre Familien beweinen sie. Was soll man da sagen? Tut mir leid, dass das passiert ist? Mein Land entschuldigt sich dafür? Geht nicht. Also stehst du da und lächelst freundlich, als seist du überzeugt davon, das Richtige getan zu haben.«(...)
In Falludscha sieht Key die ersten Kameraden sterben. Wen, wie, wann, darüber spricht er noch heute nicht. Und dort sieht er auch zum ersten Mal diese großen Schilder. »Kill Americans« stand darauf. »Ich hatte das Gefühl, diese Schilder haben wir verursacht. Ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, wenn die in unser Land eingefallen wären. Wir würden doch nicht anders reagieren. Meine Kameraden und ich haben viel darüber geredet. Wir hatten Angst, jeden Tag Angst um unseren Arsch. Vergiss all das Heldengeplapper. Du hast eine Scheißangst.»(...)
Trotzdem versteht sie ihren Mann. Sie sieht, wie verändert er ist, am Flughafen erkennt sie ihn nicht einmal. Er ist abgemagert, benimmt sich komisch, er trinkt zu viel Bier. Er scheint zu leiden. Sie weiß zu diesem Zeitpunkt nicht, was ein Trauma ist, aber ihr Gefühl sagt ihr: Wenn Joshua in den Krieg zurückgeht, verliere ich ihn endgültig. Er schreit die Kinder ja jetzt schon den ganzen Tag an und sie im Schlaf, er, der sonst geduldigste Mann auf der Welt, stoisch und passiv. Sie beschließt, mit Joshua unterzutauchen.(...)
Fast jede Nacht träumt er vom Krieg und durchlebt die Häuserkämpfe und sieht Leichen. Einmal würgt er seine Frau im Schlaf. Sie befreit sich und rüttelt ihn wach. Mit Kissen baut sie von jetzt an einen Schutzwall zwischen ihn und die Kinder. Ein anderes Mal reißt er den Ventilator aus der Decke, die Nachbarn alarmieren die Polizei wegen Ruhestörung, Brandi kann sie mühsam abwimmeln. Am nächsten Morgen erinnert sich Key an nichts.(...)
»Joshua ist ein anderer Mann geworden«, sagt Brandi mit ernstem Gesicht, »und das wird so bleiben. Du kannst lernen, mit einem Trauma umzugehen, aber ablegen kannst du es nicht.« Flashback, Trauma, Begriffe, von denen sie vor wenigen Monaten noch nie gehört haben, gebrauchen sie nun genauso selbstverständlich wie ihre Mikrowelle."(...)
nein, ablegen sicher nicht. aber es gibt inzwischen immerhin gewisse chancen, ein trauma zumindest emotional soweit zu entschärfen, dass es nicht mehr das ganze leben bestimmen kann. und zur heilung kann auch das folgende gehören, die bewußte entscheidung für aktivitäten gegen die antisozialen strukturen, die permanent neue traumata erzeugen:
"Joshua und Brandi Key leben fortan von Spenden und Vorträgen, die Key hält. Vor Gewerkschaftern, Schülern, Studenten. Er spricht von seinen Erlebnissen im Irak und von der Schuld, die er empfindet, aber dass man ihn nicht verdammen möge, er sei Teil eines Systems gewesen, von dem er sich distanziere und das er für falsch halte. Er tritt selbst in Moscheen auf und entschuldigt sich für das Unheil, das er und seine Männer angerichtet hätten. So sieht er das. Da steht dann ein junger vierfacher Familienvater, der aus der Unterschicht kommen mag, der unpolitisch gewesen sein mag, aber nun packend erzählt und scharf analysiert. Und manchmal weint.(...)
respekt! finde ich absolut gut und nötig, genau wie das handeln derjenigen frauen und auch männer, die z.b. opfer sexualisierter gewalt geworden sind und in einem meist anstrengenden kampf lernen, öffentlich genau darüber zu sprechen - und derart den finger genau auf die wunde legen, die auch der deserteur im obigen beitrag anspricht: verdinglichung findet auf verschiedensten wegen statt, aber das ergebnis ist immer ähnlich - und trostlos.
mit dem auch oben angesprochenen system (was nicht auf ein land beschränkt ist) aber kann es weder kompromisse noch eine tolerierung geben - es ist auf expansion und unterwerfung angelegt und eine unmenschliche maschine, die zwar komplex, aber auch unsagbar dumm ist. und in der letzten eigenschaft dürfte auch eine große chance liegen. für die, die wirklich leben wollen.
edit am 14.05.: heute gibt es noch dieses nachzutragen:
"Das US-Militär setzt nach einem Zeitungsbericht im Irak kranke und labile Soldaten ein, die zum Teil schwere Antidepressiva einnähmen. Ärztliche Hilfe komme so gut wie gar nicht in Frage.(...)"
"In einigen Fällen seien Soldaten, die nach einem Irak-Einsatz traumatisiert zurück gekommen seien, wieder in den Krieg geschickt worden. Um sie im Kampfeinsatz zu lassen, würden zunehmend Anti-Depressiva mit teils gefährlichen Risiken verabreicht. US-Soldaten seien auch in Kampfzonen geblieben, selbst wenn Vorgesetzte über die gesundheitlichen Probleme informiert gewesen seien.(...)"
monoma - 7. Mai, 02:48
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