notiz: presseschau gewaltfolgen

wie üblich zwangsläufig unvollständig, und bei der gelegenheit möchte ich die leserInnen nochmals darauf hinweisen, dass ich mich über hinweise auf weitere texte / informationen zu den blogrelevanten themen auch zukünftig freuen würde (dadurch sind bereits einige beiträge entstanden).

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zur aufgekommenen "unterschichtendebatte" trägt der neurologe, psychiater und psychoanalytiker hans-joachim maaz im aktuellen freitag eine art essay bei, den ich zwar an vielen stellen zu oberflächlich finde, nichtsdestotrotz aber wegen des aussprechens ein paar ganz elementarer dinge empfehlen möchte:

(...)"Sowohl das Wirtschaftswunder im Westen als auch die sozialistische Idee im Osten waren nach dem Krieg geeignet, demokratische Verhältnisse zu etablieren, ohne dass man sich ernsthaft der möglichen Heilung vorhandener seelischer Schäden bei Millionen Deutschen annehmen musste, die Nationalsozialismus, Krieg und Völkermord erst ermöglicht hatten. Dank der tiefenpsychologischen und neurobiologischen Forschung wissen wir, wie frühe Beziehungsstörungen, die Kinder erleiden, noch im Erwachsenen-Alter zu destruktiven innerseelischen Vorgängen führen, die sich bei sozialer Not, psychischer Angst und geeigneter Verführung als kollektiver Wahn abreagieren können, wenn eine Mehrheit davon betroffen ist.(...)

Man mochte sich in beiden deutschen Staaten anfangs mit Aufbauleistungen der Täuschung hingeben, es sei möglich, aus dieser prekären seelischen Notlage herauszuwachsen. Ein verhängnisvoller Irrtum, der durch die Spaltung Deutschlands zusätzlich befördert wurde. Die Täuschung erlaubte es, die innerseelischen Störungen auf die jeweils andere Seite zu projizieren, um eigene Verletzungen und Entfremdungen nicht wahrnehmen zu müssen."


mit der in den letzten sätzen anklingenden interpretation der folgen der spaltung dieses landes steht er nicht ganz alleine da; auch klaus theweleit hat die mauer notwendige bedingung für gegenseitige projektionen ähnlich interpretiert (mehr zu den beiden nachkriegsdeutschlands wird im traumaschwerpunkt zu lesen sein).

"Wir wissen, ein hohler Sozialismus, dessen Ideale eben nicht innerseelisch verankert werden konnten, ist durch den Verlust an Überzeugung und durch seine Mangelwirtschaft kollabiert. Und wir sehen heute, wie eine global entfesselte Marktwirtschaft das humane, soziale und ökologische Gleichgewicht zerstört. Erneut sind wir alle beteiligt an einer derartigen Fehlentwicklung. Wiederum darf keiner sagen, er hätte nichts gewusst. Wir wissen, dass materielles Wachstum begrenzt ist, wir wissen, wie Profitstreben Arbeitslosigkeit und Armut schafft, und wir wissen, dass unsere Lebensform die natürlichen Ressourcen vernichtet und unser Klima im wörtlichen wie übertragenen Sinne zerstört. Wir haben inzwischen auch erfahren, dass es selbst in einer Demokratie möglich ist, Kriege auf der Grundlage von Lügen zu führen. Es gibt also bereits wieder Mehrheiten, die sich von Suggestionen, Manipulationen und verlogenen Ideologien leiten lassen."(...)

das wort "innerseelisch" finde ich ehrlich gesagt ziemlich unglücklich, da es sofort wieder assoziationen zu (anscheinend) "luftigen" und immateriellen sphären aufruft - und diese art spaltung zwischen psyche/"geist" und körper sollte gerade ein gesellschaftlich doch etwas bewussterer professioneller nicht noch befördern. und auch das "bereits wieder" vor den mehrheiten lässt sich imo ruhig streichen - auch in der pseudostabilität des sog. kalten kriegs waren simulative zustände eher die regel.

ganz tendenziell aber kann ich seiner zustandsbeschreibung grundsätzlich beipflichten, und möchte nur noch einen satz herausheben:

(...)"Und wer durch äußere Gewinne seine inneren Defizite befriedigen will - ganz profan gesagt, sein Liebesdefizit mit Geld begleichen will -, der braucht erkennbare Verlierer."(...)

weitergedacht, lässt sich hier irgendwann der begriff von den notwendigen (für die innere stabilität der täter) opfern im sinne von deMause finden. und die "inneren defizite" lassen sich bestimmt auch präzisieren.

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wir bleiben eng am thema und finden in der taz vom wochenende gleich einen ganzen schwerpunkt zum bereich tatort familie. daraus möchte ich u.a. erstens ein interview mit einem sozialwissenschaftler zur situation in den zuständigen behörden empfehlen, in der er nochmals auf den anhand des "falls kevin" sich aufdrängenden verdacht einer art von stillschweigender entscheidung über das wohl von kindern nach ökonomischen kriterien kommentiert:

(...)"Es gab wohl Fehleinschätzungen in den Fallkonferenzen. Dazu aber haben sich die Sparvorschläge im gesamten Organisationsklima wohl als Druck ausgewirkt. Die Fachkräfte hatten vermutlich eine Art Zensur im Kopf. Die bewirkte, dass man nicht mehr fragte, was notwendig ist. Stattdessen fragte man, ob man es noch so eben verantworten kann, das Kind nicht in die Obhut einer Einrichtung zu geben.(...)"

zweitens eine art überblick über die situation in diesem land, die u.a. bereits im blog thematisierte punkte aufgreift:

(...)"Wir wissen nicht einmal viel über Kinder. Die umfassende Studie über das, was Drei- bis Zehnjährige über die Welt denken, welche Träume und Wünsche sie haben, wurde eben erst von der Hilfsorganisation World Vision in Auftrag gegeben. Über Misshandlungen und Vernachlässigungen gibt es nur eine Reihe vereinzelter Untersuchungen. Zwei Kinder sterben pro Woche in Deutschland an Misshandlungen, hat die Unicef herausgefunden. Doch was ist mit der großen Zahl an nicht tödlichen oder nicht sichtbaren Misshandlungen? Wie sieht es mit Vernachlässigungen aus? Hier können Experten nur mit Hilfe der Kriminalstatistik schätzen: Etwa ein Prozent der jährlich geborenen Kinder sind von Verwahrlosung bedroht, glauben sie. Das wären in der Altersgruppe der bis zu Zehnjährigen etwa 80.000 Kinder.

Bei der Berliner Polizei vergleicht man das Dunkelfeld verschiedener Straftaten und zieht daraus Rückschlüsse. "Bei Sexualdelikten gegen Kinder liegt das Verhältnis von einem aufgeklärtem Fall zu einem nicht polizeibekannten in einer Spannbreite von eins zu sechs bis eins zu zwanzig", sagt Michael Havemann, Leiter des Dezernats 12, das auch für Kindesmisshandlungen zuständig ist. "Und weil die Hemmschwelle für Vernachlässigung und Misshandlung wohl höher ist als bei sexuellem Missbrauch liegt die Dunkelziffer wahrscheinlich eher am oberen Ende dieses Spektrums." 2005 ermittelte die Berliner Polizei in 314 Fällen wegen Vernachlässigung und in 472 wegen Misshandlung. Diese Zahlen müsste man wohl mit zwanzig multiplizieren um sich eine Vorstellung vom Ausmaß des Leidens von Kindern zu machen.

Die Berliner Polizei ist bundesweit die einzige, die ein eigenes Kommissariat zur Bekämpfung von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung unterhält. Die Beamten wissen genau, wie verharmlosend diese beiden Begriffe eigentlich sind. "Viele stellen sich unter Misshandlungen einfach nur ein paar blaue Flecke vor", sagt Havemann und blättert Bilder aus Ermittlungsakten auf den Tisch: ausgehungerte Säuglinge, dunkle Striemen von Kleiderbügeln, Glutnarben von Zigaretten, Knochenbrüche, Verbrühungen durch heißes Wasser, Flecken, die von heißen Bügeleisen stammen. Und er erzählt von Kindern, die geschüttelt werden, wenn sie zu viel schreien. Dabei reißen leicht die Brückenvenen, die zwischen Gehirn und Hirnhaut verlaufen. An den Blutungen kann ein Kleinkind durchaus sterben. Häufiger jedoch sind Spätfolgen - schwerste Behinderungen beispielsweise. Dann zitiert Havemann Aussagen von Eltern: "Ich habe dieses Kind in die Welt gesetzt, ich kann damit machen, was ich will", sagen sie. Oder: "Mir tat die Hand vom Schlagen so weh, da musste ich einen Bügel nehmen."(...)


"ich kann damit machen, was ich will" - mein eigentum, im sinne eines beliebigen dings. nicht oft genug kann wiederholt werden, dass es sich bei solchen äußerungen aller wahrscheinlichkeit nach um eine art symptom des objektivistischen wahrnehmungsmodus in einer krankheitswertigen monopolposition handelt - auch die täterInnen nehmen sich letztlich selbst, v.a. ihren körper, als ding wahr - und sitzen als virtuelles und immaterielles "ich" irgendwo "in" ihrem kopf, paranoid und kontrollierend. aber das ist weder ein muss noch gar die angeblich natürliche und einzige variante der menschlichen existenz (auf dieser behauptung gründet sich in letzter konsequenz, nebenbei gesagt, auch der kapitalismus als ideologie).

zur frage, welche gesellschaftlichen schichten (bzw. klassen) eigentlich vorwiegend betroffen sind, gibt es, wie eigentlich nicht anders zu erwarten, streit:

(...)"Die meisten Fälle, sind sich fast alle Experten einig, geschehen in armen Familien. "Vernachlässigung und Misshandlung sind fast ausschließlich ein Phänomen der Unterschicht", sagen unisono der Kriminologe Christian Pfeiffer und der Soziologe Klaus Hurrelmann (siehe Interview). LKA-Chef Havemann hat da andere Erfahrungen. Bei Misshandlungen, sagt er, stammen die Täter aus einem "breiten gesellschaftlichen Spektrum". Der Unterschied sei nur: Grausamkeiten gegen Kinder in Mittel- und Oberschicht äußere sich weniger häufig in körperlicher Gewalt: "Wenn eine Mutter den Hamster der Tochter im Klo runterspült, dann ist das eine seelische Misshandlung, aber dem Kind sieht man nichts an." Auch was Migrantenfamilien betrifft, sprechen die Zahlen der Berliner Polizei eine andere Sprache als die der Forscher. Die meinen, dass dort die Eltern öfter zuschlagen, die Beamten stellen bisher "keine diesbezüglichen Auffälligkeiten" fest. Den logisch scheinenden Befund, dass Drogensucht der Eltern ein erhöhtes Misshandlungsrisiko für Kinder sei, stellt eine noch nicht veröffentlichte Studie aus Leipzig ebenfalls in Frage. "Es besteht noch viel Forschungsbedarf", sagt Heinz Hilger, Präsident des Kinderschutzbundes. Er wehrt sich aber dagegen, eine "Ablenkungsdebatte" über Wohlstandsvernachlässigung zu führen. "Zu 90 Prozent sind Misshandlung und Vernachlässigung ein Problem armer Familien." Wo es Armut gebe, sei nun einmal weniger zu verteilen. Zudem hätten Eltern kaum Möglichkeiten, sich von der Kindererziehung zu entlasten, weil der Babysitter oder ein Kindermädchen zu teuer sind."(...)

ich sage dazu: vor allem die methoden der objektivistischen gewalt sind je nach klasse verschieden - die bürgerlichen mittel- und oberschichten sind sozusagen durch ihre konstruierten selbstbilder in ihrer virtualisierung (verachtung des körpers) weiter fortgeschritten, werden dazu eher durch bestimmte "moralische" (und ebenso konstruierte) gerüste von offener gewalt abgehalten - und greifen dann lieber zu primär "psychisch" erscheinenden formen (die sich aber natürlich letztlich ebenso materiell niederschlagen - bspw. in der neurophysiologie des gehirns - wie die "ganz banale" prügel).

ein streitgespräch greift als letztes einige widersprüche wieder auf, die ich selbst hier schon geäussert habe. ich kann nach wie vor verschiedene argumente nachvollziehen:

(...)"Auch überdauert bei uns das Denken, ein Kind allein als Privatsache zu betrachten. In unseren Köpfen dauert dieses Denken fort: dass Mutterliebe quasi ein Automatismus ist. Dass der Staat sich nicht einmischen sollte. Wir aber müssen deutlich machen: Ein Kind zu erziehen ist keine Privatsache."(...)

finde ich prinzipiell richtig (auch, wenn ich nicht gerade den staat als babysitter sehen möchte).

(...)"Man sollte so etwas nicht mit Androhungen von Strafen verbinden. Mutterliebe lässt sich nicht erzwingen. Im Gegenteil laufen wir dann Gefahr, dass die Eltern sich bevormundet fühlen und sich gegen jede Hilfe sperren."(...)

dito (wobei der aspekt der totalitären tendenzen in jeder art staatlicher kontrolle noch nicht mal angesprochen wurde).

solange die mitglieder dieser gesellschaft hier überwiegend meinen, ohne staat nicht auskommen zu können, wird im interesse der betroffenen kinder vermutlich nichts anderes übrigbleiben, als einen gewissen raum für staatliche sanktionen zuzugestehen - auch wenn mich diese (hoffentlich) übergangslösung keinesfalls zufrieden stimmt.

*

es ist ja doch der gleiche staat, der seinen eigenen untertanen (die frage, wieweit dieses untertanendasein gerade bei soldaten eigentlich tatsächlich selbstgewählt ist, sollte beim folgenden immer im hinterkopf bleiben) solches zumutet:

(...)"Wie leben Sie heute mit der PTBS?

Ich würde eher sagen, ich überlebe. Ich schlafe nur mit Tabletten ein und wache nur mit Tabletten wieder auf. Nachts fange ich an zu zittern. Damit ich das Pfeifen im Ohr nicht höre, lasse ich nachts das Radio an. Meine Freundin hat sich schon daran gewähnt. Wenn ich mit ihr oder meiner Tochter zusammen bin, komme ich zur Ruhe. Tagsüber habe ich Flashbacks, bei denen die Bilder wieder auftauchen. Vom Kameraden ohne Kopf, von den Fliegen. Den Blutgeruch habe ich immer in der Nase. Ich hab mir schon Tigerbalsam unter die Nase gerieben. Aber das hilft nicht. 2004 wurde ein Gehirntumor festgestellt. Der wurde schon ein paarmal entfernt, aber er kam immer wieder. Weil ich als Reservist nur eine kleine Rente bekomme, stehe ich vor dem finanziellen Ruin. Ich wurde beim Einsatz dienstunfähig, also kämpfe ich darum, wie ein aktiver Feldwebel bezahlt zu werden. Im November muss ich wieder nach Hamburg ins Bundeswehrkrankenhaus. Ich soll mal wieder untersucht werden, ob ich wirklich PTBS habe. Ich werde von einer Dienststelle an die nächste weitergereicht."(...)


und zum genannten hamburger bundeswehrkrankenhaus findet sich hier einiges interessante:

(...)"Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ist das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg zu einem düsteren Nebenkriegsschauplatz der Auseinandersetzungen in Afghanistan, Bosnien und Kosovo geworden: In der Abteilung VI für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie wurde und wird ein Großteil jener (offiziell) rund 1550 deutschen Soldaten behandelt, die als Folge ihrer Erlebnisse und Erfahrungen an schweren psychischen Störungen, vor allem an der selbstzerstörerischen Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leiden."(...)

es stellen sich gerade hier so einige fragen - wie kriege auch noch sozusagen indirekt in das soziale gefüge kriegführender gesellschaften eingreifen (und dabei wiederum in großen dimensionen geschädigte, aber gleichzeitig womöglich auch machtkompatible menschen hervorbringen), ist dabei längst keine frage mehr:

(...)"Patienten berichten, dass sie ihre Kinder bei Hausaufgabenhilfe geschlagen haben, was sie früher nie getan hätten", sagte Oberstarzt Dr. Karl-Heinz Biesold, Leitender Arzt der Abteilung VI, der auf dem Balkan und in Afghanistan im Einsatz war. "In akuten Fällen sind die Männer nicht aggressiv, sondern gefühlsmäßig taub. Sie spüren keine Gefühlsregung, weder Freude noch Trauer."(...)

einige fragen, die sich besonders die behandelnden ärzte, psychiater, psychologen/therapeuten stellen lassen müssen, entstehen zwangsläufig bei ansicht des folgenden:

(...)"In Hamburg hat es Dr. Biesold mit Opfern wie David Hallbauer zu tun, der am 13. Juni 1999 in Prizren die ersten tödlichen Schüsse eines Bundeswehrsoldaten abgefeuert hatte, als zwei Serben in einem gelben Lada feuernd auf ihn zurasten. Der 22-Jährige hatte, wie befohlen, erst Einzel-, dann Dauerfeuer abgegeben. Am Ende waren die von 27 Kugeln getroffenen Serben tot. Hallbauer hatte die Bedrohung der zivilen Marktplatzbesucher abgewendet, den ersten Schusswechsel seines Lebens aber konnte er nicht verkraften. Er ist seit drei Jahren in der Hamburger Militärpsychiatrie in Behandlung, seine Bewerbung als Berufssoldat wurde abgelehnt, sein Leben ist ruiniert."(...)

erstens: wer hat eigentlich überhaupt im "politischen" sinne die situation auf dem balkan zu verantworten? serbien als alleine verantwortlich zu begreifen, ist eine bequeme reduktion gerade der deutschen rolle bei der auflösung jugoslawiens. ich frage mich, ob sich die verantwortlichen mediziner auch selbst fragen, was eigentlich die institution, für die sie tätig sind, im ausland zu suchen hat? zweitens: kriege als extemste formen menschlicher gewalt in massendimensionen haben - und das ist seit jahrzehnten auch wissenschaftlich bekannt - nun mal entsprechend extreme folgen, die aber - und das ist wichtig! - keinesfalls immer zb. in form einer ptbs auftreten müssen. der oben beschriebene soldat zeigt imo doch eine durchaus menschliche reaktion: beschossen zu werden und selbst zu töten (auch in notwehr) ist letztlich für keinen menschen leicht "wegzustecken" - ausser für solche, die bereits in ihrer selbst- und fremdwahrnehmung geschädigt sind (die werden womöglich dann als "robuste naturen" noch als vorbilder hingestellt). es ist nicht sehr weit hergeholt zu spekulieren, dass gerade in einem militärkrankenhaus das kriterium der "funktionsfähigkeit" noch um das attribut "dienstfähig" als zeichen einer erfolgreichen behandlung erweitert sein dürfte. aber hat die fähigkeit, innerhalb einer gewaltproduzierenden institution wie einer armee funktionieren zu können, wirklich etwas mit "heilsein" in einem menschlichen sinne zu tun? meine antwort darauf können Sie sich vermutlich vorstellen.

fragen muss sich aber auch der autor des artikels stellen lassen:

(...)"Gebraucht werden jetzt mehr Psychologen für die Früherkennung am Einsatzort, damit man die Nachsorge nicht als Rückzugsgefechte betreiben muss. Wenn nicht, wird die Bundeswehr den "Krieg der Seelen" verlieren."(...)

wer medizinische tätigkeiten als "rückzugsgefecht" bezeichnet und dazu einen "krieg der seelen" postuliert (bei dem so ganz nebenbei das harte aushalten von grausamkeiten und gewalt implizit als "erstrebenswert" - weil nötig zum "gewinnen" - enthalten ist), schrammt bereits ganz nah an der wertung "schreibtischtäter" herum.
archenoe - 29. Okt, 19:39

Ja, und nochmals ja ... aber ...

... einen Hinweis möchte ich geben:

Es ist dir weitgehend gelungen, das zu vermeiden, was ich noch mehr fürchte, als die psychophysischen Zusammen- und Ausbrüche als Folge gesellschaftlicher Verhältnisse. Ich meine die bis zur Entschuldigung und Rechtfertigung vorangetriebene vesrständnisvolle Analyse - selbst noch für die menschenverachtendsten Taten, sobald eine Machtstruktur oder noch besser einzelne Machtpersonen für den psychophysischen Horror verantwortlich gemacht werden können.
David Hallbauer bleibt Täter! Er ist Teil der Machtstruktur. Ohne die gehorsamen Hallbauers hätte die bestehende Machtstruktur keine Chance, genauer: Sie fiele in sich zusammen. Dir scheint man das nicht sagen zu müssen, aber mein Antrieb, es in einem Forum dennoch zu tun, ist so stark, dass ich es nicht lassen kann.

monoma - 29. Okt, 19:59

verständnis ja (im sinne eines möglichst breiten verstehens der bedingungen, vorgänge und strukturen, in denen täter/-innen entstehen, akzeptanz nein. das ist und bleibt eigentlich mein standpunkt dazu.

die mögliche entschuldigungsfunktion wird dadurch genauso gebremst wie das krasse gegenteil: nämlich durch die regelmässige verwechselung von verständnis mit akzeptanz eben keine genauen fragen zu stellen (mit der vorgeblichen angst vor entschuldigung), und erst recht nicht die möglichen antworten (die heute imo durchaus bereits teilweise gegeben werden können) wahrzunehmen. diese position ist es imo, aus der dann solche konstrukte wie das anthropologisch-naturhaft "böse", "das tier im menschen", das "unbegreifliche" und der "zivilisationsbruch" entstehen. und mit diesem, letztlich auch selbstentlastenden - weil damit vermieden werden kann, die eingewobenheit des eigenen lebens in die destruktiven strukturen zum thema zu machen - unsinn sollte so langsam niemand mehr durchkommen - auch und gerade keine wissenschaftlerInnen.

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