notiz: krisennews und -gedanken (7) [update]

„Der Klassenkampf ist ein historischer Fakt, er wird von meiner Klasse, der Klasse der Reichen geführt und wir sind dabei ihn zu gewinnen“ (warren buffet, us-amerikanischer multimilliardär, in der new york times vom 26.11.2006)

"Der grösste Kredit, auf dem das Kapital gegenwärtig seine Herrschaft errichtet, ist weder seine ökonomische noch seine militärische Kraft. Es sind vielmehr die sich beharrlich reproduzierenden Fiktionen und Halluzinationen der Alltagscharaktere. Diese Krise mag fundamental sein, doch wenn wir gar nicht daran glauben, wird sie aber schön schauen, die Krise."
(franz schandl, österreichischer historiker und redakteur der zeitschrift
streifzüge)

"Jeder, der glaubt, dass exponentielles Wachstum für immer weitergehen kann in einer endlichen Welt, ist entweder ein Verrückter oder ein Ökonom."
(kenneth e. boulding, us-amerikanischer ökonom und sozialwissenschaftler)


*

mit den drei obigen zitaten sind wesentliche eckpunkte der derzeitigen situation meiner meinung nach sehr schön zugespitzt auf den punkt gebracht. und rund um diese drei punkte werden sich auch die einzelnen teile dieser neuen ausgabe der krisenreihe hier bewegen. ist es übrigens notwendig, noch zu erwähnen, warum ein blog, welches sich thematisch rund um den komplex beziehungskrankheiten und gesellschaft dreht, der aktuellen weltwirtschaftskrise so derart viel platz einräumt? auch die antwort(en) auf diese frage lassen sich in den obigen zitaten finden - von der frage nach der inneren strukturierung von leuten wie buffet über die (noch) systemtragenden "fiktionen und halluzinationen der alltagscharaktere" (ein treffendes synonym für das als-ob-leben) bis zur frage der grenzen, die uns jeweils individuell und kollektiv (als spezies) gesetzt sind, und ihrer wahrnehmung - so ziemlich alle zentralen parameter und bedingungen der sich weiter entfaltenden krise weisen bei näherer betrachtung auch immer - und ich finde: zwangsläufig - auf die jeweiligen psychophysischen und psychopathologischen eigenschaften der aktiven und auch der passiven protagonistInnen hin.

*

wobei mich momentan das stichwort der passivität am meisten interessiert, und wie in den letzten folgen der reihe und auch gleich zu sehen sein wird, ist das eine haltung (bezogen auf relevante bevölkerungsmehrheiten), die zwar nicht nur in diesem land hier, aber gerade hier besonders ausgeprägt ist - und das macht die derzeitige situation nochmals fataler, als sie eh schon ist.

einiges von den möglichen gründen hatte ich schon im letzten
teil umschrieben, und ich möchte es nicht wiederholen. zuletzt beschäftigten mich diese gründe vor ein paar tagen in einer betriebsversammlung des kleinen mittelständischen unternehmens, in dem ich lohnarbeite, und zu der ein mitarbeiter der für uns zuständigen gewerkschaft eingeladen war, um etwas zur krise und der gewerkschaftssicht darauf zu erzählen. sinngemäß sagte der mann zu diesem speziellen punkt in etwa, dass er sich wundere und auch nicht verstehe, wie das alltagsleben noch so relativ normal weiterlaufen könnte. und führte das auf eine strategie der regierungspolitik zurück, viele der - zunächst noch - primär finanziellen belastungen der krise hintenrum und still und heimlich auf die bevölkerung abzuwälzen. bei betrachtung der ereignisse der letzten zwei bis drei monate sowie der medienberichterstattung ist das durchaus nachvollziehbar. andererseits gilt aber auch weiter, dass die entsprechende innere disposition dafür bei der zielgruppe auch vorhanden sein muss, sich quasi mit offiziellen beruhigungspillen auch abspeisen zu lassen bzw. lassen zu wollen. und das ist keinesfalls nicht nur eine frage der zweifellos größtenteils schönfärbenden berichte der mainstreammedien.

ansonsten gab´s auch aktuelle einschätzungen der geschäftsführung zu hören, die ich hier aus nachvollziehbaren gründen nicht detailliert wiedergeben werde. nur soviel: das kommende jahr 2009 wird auch auf basis der letzten quartalszahlen als problematisch und teils unkalkulierbar eingeschätzt - womit wir uns denn auch in den chor der immer lauter wehklagenden stimmen aus immer mehr bereichen der sog. realwirtschaft eingegliedert haben. und womit die krise dann für mich und die mitarbeiterInnen auch im ganz persönlichen leben angekommen ist, was durchaus kein angenehmes gefühl darstellt. die weiteren persönlichen und ans kollektive gebundenen perspektiven sind das eine, und schon diesbezgl. bin ich seit längerer zeit schwer beunruhigt. die ganz konkreten persönlichen aussichten jedoch, an denen bspw. auch die frage der eigenen reproduktion hängt, werden jetzt gleichfalls unsicher. und so bin ich unfreiwillig in die lage versetzt, das, was ich selbst konkret bezgl. dieser perspektiven wahrnehme oder eben auch nicht wahrnehme, wie eine art seismograph zu registrieren und daraus von fall zu fall auch trends zu schließen, die bei psychophysisch ähnlich strukturierten menschen gleichfalls auftreten könnten. das immerhin macht die situation aufgrund meiner allgemeinen neugier für mich noch erträglich. aber verschiedene ängste werden mehr und mehr thema.

*

bei der erwähnten versammlung kam ganz zum ende auch die frage auf, warum wir (kollektiv als betrieb und individuell als konsumentInnen) zum teufel nochmal eigentlich so auf die frage des wachstums fixiert sind, wo doch genau dieser immerwährende und als quasi naturgesetzliche determinante verkaufte drang und zwang nach (materiellem) wachstum nicht nur eine der wesentlichen krisenursachen darstellt, sondern inzwischen allerorten als die angeblich einzige "lösung" präsentiert wird? richtige frage, gute frage, und ein paar gute antworten sind in der aktuellen taz zu
lesen, wo u.a. ausgeführt wird:

(...)"Denn nicht zu wenig Konsum ist das Problem der nationalen und internationalen Wirtschaft, sondern zu viel vom falschen. Erinnern wir uns: In den USA begann die Finanzkrise mit einem Kaufrausch im Immobiliensektor, der über ungesicherte Kredite finanziert war. Die zweite Schockwelle wird folgen, wenn ausfallende Kreditkartenschulden die globalen Märkte erfassen werden. Und dann geben auch noch die Staaten dem Wachstum zuliebe ihre nicht vorhandenen Gelder aus. So gehört nicht viel Fantasie dazu, die nächste Krise durch kollabierende öffentliche Haushalte kommen zu sehen. Wir merken: Jede dieser Krisen wird befeuert durch Konsum, den wir uns bei genauer Betrachtung gar nicht leisten können.

Klar, wer mit viel Geld spontanes Wachstum schafft, kann damit kurzfristig als Retter der Wirtschaft dastehen. Er mag sich über die Wahlperiode hinwegdilettieren. Doch dauerhaft wird er der Wirtschaft damit nicht helfen, sondern sie vielmehr ruinieren. Denn jede neue Krise nach dem Abflauen des provozierten Wachstums wird heftiger werden als die jeweilige zuvor.

Über kurz oder lang nämlich muss das materiell-quantitative Wachstum vor die Wand laufen. Zwangsläufig, denn die Grenzen des Wachstums sind in Sicht. Sie sind der entscheidende Auslöser des Bebens der Weltwirtschaft. Nun kann man zwar durchaus zu recht über die fehlende Kontrolle der Geldmärkte oder die Gier der Finanzakteure lamentieren, doch das sind Nebenschauplätze. Längst definieren die natürlichen Ressourcen das ökonomische Limit: Energie und Rohstoffe sind knapp. Jeder politische Wachstumsimpuls wird daher zur Folge haben, dass der Ölpreis wieder emporschnellt und so das Wachstum wieder abwürgt. Naturgesetze lassen sich eben nicht überlisten - selbst von Ökonomen nicht."(...)


yep, immer wieder nötig, zu wiederholen, dass wir es gerade nicht nur mit einer, sondern mit den dynamiken gleich mehrerer krisen zu tun haben, die sich gegenseitig beeinflussen - stichwort bspw.
peakoil. und vor diesem hintergrund neige ich immer mehr dazu anzunehmen, dass, selbst den fall vorausgesetzt, die "eliten" (deren instrumentell-objektivistische intelligenz und überlebensdrang niemand unterschätzen sollte!) und "ihr" system kriegen für dieses mal noch die kurve (was momentan durchaus fraglich erscheint), die gesamte menschliche welt in eine art kaskade von immer schneller aufeinanderfolgenden gesellschaftlichen und ökonomischen krisen gerät, über der immer greller die botschaft zu lesen sein wird:

(qualitative und grundsätzliche) individuelle und kollektive veränderung oder tod (bzw. ein zeitalter der barbarei, welches für die allermeisten von uns den letztgenannten bedeuten würde).

falls ich Ihnen damit jetzt gerade die stimmung versaue, tut´s mir ja leid - aber ich komme, egal wie ich das alles drehe und wende, zu keinem anderen, mir realistisch erscheinendem ergebnis.

*

schauen wir uns mal an, ob es möglich ist, anhand der entwicklung in ganz verschiedenen ländern bereits tendenzen in die eine oder andere der beiden oben genannten richtungen zu erkennen.

aus japan, dem land des
hikikomori, erreichen uns dieser tage nachrichten wie diese...

"Japans Industrie hat ihre Produktion kräftig gedrosselt. Damit mehren sich die Hinweise, dass die Rezession noch tiefgreifender wird als befürchtet. Im Oktober ging die Fertigung um 3,1 Prozent zurück. Das Verarbeitende Gewerbe wird deshalb im letzten Vierteljahr wohl im Rekordtempo um 8,6 Prozent schrumpfen. Exportstarken Firmen wie Toyota brechen die Aufträge weg. Das ist dramatisch, weil der Export die wesentliche Stütze der Wirtschaft ist. Manche Experten befürchten, dass Japan die längste konjunkturelle Durststrecke seiner Geschichte droht."(...)

...vor derem hintergrund dann infos wie der folgende
artikel, obwohl der inhalt mich teils schon überrascht hat, dann doch verständlicher werden:

"Nein zur Armut!", schallte es aus dem Megafon. "Steht auf und verändert die Gesellschaft!" Mit solchen Forderungen zogen kürzlich Tausende Japaner durch Tokio. Sie waren in diesem Jahr nicht allein: In mehr als 40 Städten gingen Menschen auf die Straße. Ihre Proteste richteten sich gegen die unsicheren Lebensverhältnisse im Land - und signalisierten ein neues Bewusstsein: Die sozialen Verlierer in Japan begehren auf und lassen sich nicht mehr länger als Versager abstempeln. "Ich bekomme kaum Arbeit und finde nur schwer eine Wohnung", beschwerte sich eine junge Frau. "Man sagt mir oft, ich sei dafür selbst verantwortlich. Aber das stimmt einfach nicht."(...)

Der 1929 verfasste Proletarier-Roman "Kanikosen" über die Ausbeutung von Arbeitern auf einem Krabbenfänger-Schiff entwickelt sich zu einem Bestseller. Mehr als eine halbe Million Exemplare wurden in diesem Jahr verkauft, weil sich viele Leser nach Ansicht des Verlages in den sklavenartigen Arbeitsbedingungen jener Zeit wiedererkennen. In den Buchläden stapeln sich anti-kapitalistische Werke. Das erfolgreichste Buch des Jahres - "Gieriger Kapitalismus und die Selbstzerstörung der Wall Street" von Hideki Mitani - wirft Japan vor, seine Unternehmenskultur auf dem Altar des angelsächsischen Kapitalismus geopfert zu haben. Im Dezember erscheint "Das Kapital" von Karl Marx erstmals als Manga.

Die Kommunistische Partei Japans gewann in weniger als einem Jahr mehr als zehntausend neue Mitglieder."(...)


neben der information, dass also auch in japan die fiktion des raffenden (aka "wall street") und schaffenden ("japanische unternehmenskultur") kapitalismus mit allen nationalistischen und faschistoiden untertönen gedeiht, finde ich vor den mir bekannten hintergründen der japanischen gesellschaft tatsächlich einen derart öffentlich werdenden protest, der sich gegen zentrale eigenarten des systems wendet, schwer bemerkenswert. die - teils religiös untermauerten - dortigen gesellschaftlichen hierarchien, deren erstickung aller tatsächlich authentischen individuellen regungen meiner meinung nach eben auch phänomene wie das hikikomori mit hervorbringt, grundsätzlich in frage zu stellen, dürfte für viele der dortigen menschen tatsächlich eine art revolutionären schritt darstellen. also genau das, was hierzulande bisher fast völlig fehlt.

*

die im letzten beitrag schon thematisierten zustände auf einer anderen insel, nämlich island, produzieren inzwischen ähnliche bilder, wie sie auch in spanien schon zu sehen waren - es wird
unruhig:

(...)"In der isländischen Hauptstadt ist es am Samstag zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen.
Die Polizisten setzten Pfefferspray ein, einige der Protestierenden mussten mit Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. Die Demonstranten hatten versucht, in eine Polizeiwache in Reykjavik einzudringen, wo sie einen seit Freitag dort festgehaltenen Mann befreien wollten.(...)

In Island ist es in den vergangenen Wochen zu zahlreichen Protesten gekommen, nachdem die Wirtschaft des Landes im Zuge der weltweiten Finanzkrise nahezu zusammengebrochen ist."(...)


und eine nötige
anmerkung dazu:

(...)"Dies mag für deutsche Ohren lächerlich klingen. In Island hingegen, wo man gar nichts anderes als friedliche Demonstrationen kennt (...), ist dies ein nie gekannter Gewaltausbruch.

die beiden berichte beziehen sich auf eine demonstration vom 22.11., aber wie einem weiteren
artikel zu entnehmen ist, bildet sich dort seit wochen eine tradition von samstagsdemonstrationen heraus:

"Wie auch an den Samstagen zuvor fand am 22. November eine große Demonstration vor dem Parlament in Reykjavik statt. Dieses mal kam es im Anschluss zu Auseinandersetzungen vor der Polizeistation. Die buntgemischte Demonstration unter Beteiligung von linken und anarchistischen Gruppen fordert den Rücktritt der Regierung unter der konservativen Unabhängigkeitspartei von Premierminister Haarde, welche für die neoliberale Politik der letzten Jahre, die in Island im Staatsbankrott gipfelte verantwortlich gemacht wird. Während der regelmäßigen Samstagsdemos flogen immer wieder Farbeier und Obst gegen das Regierungsgebäude.(...)

U.a. richtete sich der Protest auch gegen den IWF, welcher der Regierung kürzlich Kredit gewährte, aber auch gegen die enge Verknüpfung von Premierminister Haarde und dem Chef der Zentralbank David Oddson.
Insgesamt nahmen an der Demonstration letzten Samstag mehrere tausend Leute teil, was gemessen an der Gesamteinwohnerzahl Islands- 300 000 - einem Massenprotest gleichkommt."(...)


einen atmosphärischen eindruck von diesen demos lässt das folgende video zu:



leider existieren dafür keine übersetzungen, es wäre spannend zu hören, was dort im einzelnen gesagt wird.

*

auch im brennpunkt usa sind die inzwischen wahrnehmbaren krisenfolgen für eine täglich größer werdende menge von menschen schlicht verheerend, wie nicht nur die allgemeinen
armutszahlen zeigen...

"Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise steigt nicht nur die Zahl der Arbeitslosen in den USA, auch die Zahl der Amerikaner, die auf Lebensmittelmarken (food stamps) angewiesen sind, nimmt wieder zu. Erwartet wird, dass erstmals seit der Flutkatastrophe durch den Wirbelsturm Katrina 2005, als kurzzeitig im November 2005 ein Höchststand von 29,8 Millionen erreicht wurde, mehr als 30 Millionen Menschen auf das Programm rekurrieren, das seit 1. Oktober unter dem angeblich weniger stigmatisierenden Namen Simplified Nutrition Assistance Program, abgekürzt SNAP, läuft."(...)

...sondern damit zusammenhängend auch die in den letzten beiträgen schon erwähnte persönliche katastrophe der obdachlosigkeit als eine mögliche armutsfolge, die aufgrund der us-spezifischen verhältnisse nicht selten gewaltsam tödlich enden kann, wie eine
meldung von anfang november zeigt:

(...)"In einem Obdachlosen-Lager bei Los Angeles sind fünf Personen einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Polizisten fanden die Leichen der zwei Frauen und drei Männer nach einem anonymen Hinweis am Sonntag in Long Beach.

Auf einige der Opfer sei mehrfach geschossen worden. Anwohner berichteten, sie hätten Sonntagmorgen mehrere Schüsse und lautes Schreien gehört.(...)

In der Gegend waren Obdachlose in den vergangenen Monaten immer wieder Opfer von Verbrechen geworden. Zuletzt wurde Ende September ein Obdachloser bei lebendigem Leibe angezündet und so getötet. In und um Los Angeles leben Schätzungen zufolge rund 73.000 Menschen ohne Dach über dem Kopf. "


wie schrieb ich weiter oben? veränderung oder tod/barbarei !

*

und für all diejenigen, denen bei den verlautbarungen aus unseren spaß- und gute-launeministerien regelmässig die gesichtszüge entgleisen, hat wirtschaftsquerschuss wieder einmal die mühe auf sich genommen, die regierungsamtlichen fiktionen an der bösen realität platzen zu lassen -
Der deutsche Arbeitsmarkt im November 2008 macht deutlich, dass auch die eingangs erwähnte "hintenrum-strategie" in bälde ihr ende finden wird...und ob das ein ende mit wenig oder viel schrecken sein wird, bestimmen wir alle tag für tag mit.

*

einen kleinen nachtrag habe ich noch vergessen - eine
geschichte aus lettland nämlich:

"Die Finanzkrise hält in Lettland nicht nur Politiker und Ökonomen in Atem, sondern auch die Sicherheitspolizei. Seit in der Baltenrepublik die Gerüchte über eine mögliche Abwertung des Lats nicht verstummen, geht die Sicherheitspolizei konsequent gegen jeden vor, der öffentlich eine Abwertung der Landeswährung anspricht oder gar dazu auffordert, Spareinlagen abzuheben. So wurde ein Dozent der Universität Ventspils Mitte November zwei Tage lang wegen des Vorwurfs festgehalten, er habe mit seinen Aussagen das lettische Finanzsystem destabilisiert."(...)

das absichern der offiziell angeordneten und erlaubten fiktionen mittels polizei & strafgesetzbuch - so sind sie, unsere demokratiesimulationen.

*

edit am 03.12.: aus aktuellen anlässen einige nachträge - in island kam es gestern zu einer halbsymbolischen
stürmung der zentralbank:

(...)"Angesichts der desolaten wirtschaftlichen Lage platzt sogar den sonst so friedliebenden Isländern der Kragen. Am Montag sind mehrere hundert Demonstranten in die Isländische Zentralbank (Seðlabanki Íslands) eingedrungen. Zuerst schlug die Menge gegen die Glastür, später wurden die Menschen dann in das Gebäude hineingelassen. In der Lobby erklangen Protestlieder und sie skandierten "Weg mit David".

Mit "David" ist David Oddsson gemeint. Der isländische Notenbankchef machte als Ministerpräsident von 1991 bis 2004 den Inselstaat zu einem wirtschaftsliberalen Musterland. Oddsson privatisierte Banken, öffnete die Geldmärkte und ermöglichte so der Finanzbranche ein rasantes Wachstum. Nun kreiden die Isländer ihm den Absturz des Landes an."(...)




eine nachricht übrigens, die es das erste mal auch breiter in die hiesigen mainstreammedien schaffte.

*

während hierzulande vor ein paar wochen die mitarbeiterInnen am hauptsitz der bayrischen landesbank in münchen für "ihren" vorstandsvorsitzenden demonstrierten - erinnern Sie sich? - , also genau den gleichen mann, der jetzt im zuge der verschärften krise dieser bank ein paar tausend entlassungen ankündigte - davon einen nicht geringen teil am hauptsitz in münchen. sollen wir das als ironische botschaft der geschichte betrachten? es ist eben sehr wahrscheinlich, dass etliche der damals demonstrierenden jetzt aus eben dem mund, vor den sie sich damals gestellt haben, ihre kündigung entgegengenommen haben. wenn das keine lernprozesse in gang bringt, was denn dann?

*

und zum thema der obdachlosigkeit in den usa bzw. den zunehmenden angriffen auf obdachlose dort gibt´s jetzt einen ausführlichen
beitrag auf telepolis.
Peter (Gast) - 30. Nov, 16:40

Genau...

Danke für den Artikel - genau solche Gedanken treiben mich auch schon seit längerem um und ich frage mich immer, ob diese Gedankengänge so abwegig sind oder wieso man sonst so wenig, z.B. in den Medien, aber auch im Bekanntenkreis, darüber hört/liest. Wobei ich auch feststellen muss, dass die kritischen & besorgten Stimmen bei meinen Freunden/Bekannten auch langsam zunehmen. Leider versucht uns die Regierung ja mit immer neuen Jubelmeldungen etc. zu beschwichtigen, und Rettungspakete und -schirme klingen schließlich auch so niedlich und vertraut - gerade so, als wenn es EIGENTLICH gar keine RICHTIGEN Probleme gäbe, nur ein paar kleinere Unpässlichkeiten des Systems. Über die Grundproblematiken, die Du auch anreißt, z.B. den Wachstumszwang (der auch als logische Konsequenz aus dem auf Schulden & Zinseszinsen basierenden Geld folgt), machen sich aber nur wenige Leute Gedanken...
Mal sehen, ich hatte eigentlich vor, auch mal ein paar grundsätzliche Überlegungen in diese Richtung bei mir zu veröffentlichen. Aber man kommt ja irgendwie zu nix. :-)

loellie (Gast) - 1. Dez, 14:33

Komisch ...

bei "Rettungsschirm" muss ich immer an Moellemann denken ...
sansculotte - 30. Nov, 21:12

Der Wachstumszwang

ist allerdings eine Folge des Geldsystems und nicht unseres Konsumverhaltens, auch wenn dieses pathologische Züge hat.

Es hört sich zugegeben schwer nach Verschwörung an, aber wer sich die Fakten zu eigen macht - etwa durch die Lektüre von G. Edward Griffins "Ungeheuer von Jekyll Island" - kann zu keinem anderen Schluss kommen: die Knappheitslogik des Kapitalismus ist eine menschengemachte. Und der Trick ist so unverschämt, dass "es eine Revolution noch vor morgen früh" gäbe, kämen die Menschen dahinter - wie Henry Ford es ausgedrückt hat.

Die Geldknappheit resultiert aus der Tatsache, dass die meisten Währungen der Welt, v.a. aber die "Hauptweltwährung" Dollar, nur gliehenes Geld sind, das von vornherein mit Schulden belastet ist. Wir hören immer, dass der Staat, die Kommunen, die öffentliche Hand Schulden haben. Wir fragen aber nie nach, bei wem.

Im Jahr 1910 sind die Vertreter von fünf führenden Bankhäusern und dreier Familienclans auf der Insel Jekyll Island vor Georgia zusammengekommen, um ein Kartell zu gründen, das sich "Federal Reserve System" nennt. Die Idee war nicht neu: ein Bankentrust von privaten Anlegern tritt in der Verkleidung einer staatlichen Organisation auf, um sich das Monopol der Geldschöpfung zu sichern. Das hatte es schon einmal gegeben, bei der Gründung der "Bank of England" im Jahr 1694. Neu war nur die globale Dimension, die dieser Gelderzeugungskonzern bekommen sollte.

Im Jahr 1913 wurde der "Federal Reserve Act" durch den Senat der Vereinigten Staaten bestätigt. Damit hatten sich Banker wie Rockefeller, Morgan, Rothschild und Warburg das Recht gesichert, den Dollar zu erzeugen und ihn - gegen Zinsen - an die Regierung der USA zu verleihen.

Somit wurde Geld an die Bevölkerung ausgeschüttet, das von vornhinein schuldenbelastet war. Einzubringen waren ja noch die Zinsen, gegen die dieses Geld verliehen worden war, die aber durch die erzeugte Geldmenge selbst nicht bedient werden konnten. Der ausstehende Betrag sollte also durch die Wertschöpfung der Lohnabhängigen eingebracht werden, und somit waren die Lohnabhängigen von vornhineien in der Schuldenfalle und einem Produktionszwang unterworfen, der die ständige Erbringung von Mehrwert erforderte.

Das perfekte Hamsterrad und alles Laufen mündete nur in einem fortlaufenden Wachstumszwang. Sämtliche Bemühungen, dieses System "in den Griff zu bekommen" - mehr produzieren, billiger produzieren - führen nur zu einem neuerlichen Zuwachs an umlaufendem Geld - und neuen Schulden.

Das - und nicht das Ende der natürlichen Ressourcen oder blinder Konsum - ist die Ursache des periodischen Kollaps des Kapitalsystems. Die beiden vorgenannten Probleme - Ressourcen und Konsum - sind Symptom und nicht Ursachen der Krankheit. Was allerdings nichts daran ändert, dass 99% aller Menschen sich weigern, dem System auf den Grund zu gehen und in fortlaufender sozialer Trance in die Fallen tappen, die das eine Prozent an echten Psychopathen für sie ausgelegt hat.

willi (Gast) - 2. Dez, 16:00

Wachstum

@sansculotte: Yep. Dazu gbt's ein wunderschönes Zitat:
“Während Wirtschaftslehrbücher behaupten, dass Menschen und Firmen um Marktanteile und Ressourcen ringen, behaupte ich, dass sie in Wirklichkeit um Geld kämpfen - sie gebrauchen die Märkte und Ressourcen dafür. Die Gier und Furcht vor Mangel wird ständig aufrecht erhalten und verstärkt durch die Art Geld, die wir benützen. Wir können zum Beispiel mehr als genug Essen produzieren um alle satt zu machen und es ist definitiv genug Arbeit auf der Welt da für alle, aber es ist ganz klar nicht genug Geld auf der Erde um für das alles zu bezahlen. Es ist ein Fakt, dass Zentralbanken dafür da sind diesen Mangel zu kreieren und aufrecht zu erhalten. Geld wird geschaffen, wenn es die Banken verleihen. Wenn eine Bank dich mit einer 100.000 $ Hypothek versorgt, dann wird nur der Kreditbetrag geschaffen. Die Bank erwartet, dass du 200.000 $ über die nächsten 20 Jahre zurückbezahlst, aber sie schafft nicht die zweiten 100.000 $ die Zinsen. Die Bank sendet dich anstatt dessen in die harte Welt hinaus, um gegen jeden zu kämpfen, um diese zweiten 100.000 $ zurückzubringen.” Bernard Lietaer, ehemaliger Zentralbanker (EZB)
Leider ist es so wie du gesagt hast: Kaum jemand möchte der Sache auf den Grung gehen und wenn's nicht ein so einige Blogger und andere gäbe, die sich mit den Hintergrunden des Spektakels beschäftigen, wäre ich längst an meinem Umfeld verzweifelt.
monoma - 2. Dez, 19:29

das herrschende geldsystem...

...finde ich zugegebenermaßen schwer zu durchschauen, und mich hat etliches an dem film "money as debt" nachdenklich gemacht, den ich vor ein paar wochen verlinkt habe. auch mein eindruck ist zunehmend, dass da ein grundsätzlicher knackpunkt liegt - aber ich finde es nicht zutreffend, die bisherigen periodischen krisen mit der bevorstehenden erkenntnis der endlichkeit von ressourcen wie öl u.a. zu koppeln, weil ich denke, dass das eine qualitativ neue qualität besitzt. will sagen: ich glaube, dass auch das bisherige geldsystem auf der wahnvorstellung eines endlos erschaffbaren exponentiellen wachstums beruht, und genau wie der ganze rest an dieser grenze gegen die wand fahren wird.
demon driver - 7. Dez, 14:45

Die Krise ist eine Krise der kapitalistischen Wertverwertung, nicht des Geldsystems

Die Krise nur am Geldsystem festzumachen zu wollen greift, meine ich, zu kurz. Damit landet man letztlich bei der kruden Ideologie von "Freigeld" und "Freiwirtschaft", die meint, nur den bösen Zins abschaffen zu müssen (letztlich nichts anderes als die alte Leier vom "schaffenden" und vom "raffenden" Kapital), und die kapitalistische Produktionsweise, die Wertverwertung und die Marktwirtschaft als solche dann gar nicht mehr in Frage stellen zu brauchen. Tatsächlich aber ist die Krise eine Krise der kapitalistischen Wertverwertung und Produktionsweise, nicht des Geldsystems, und zwar insofern, als ihr infolge kontinuierlicher Produktivitätssteigerung durch Technologiefortschritt sukzessive immer stärker die Arbeit ausgeht, während ökonomische Werte letztlich immer nur aus aufgewandter menschlicher Arbeit entstehen.
sansculotte - 8. Dez, 10:15

Alles und noch mehr...

@ demon driver und @ all

Natürlich ist das eine Krise der kapitalistischen Wertschöpfung. Aber Geld - und zwar so wie es uns zur Verwendung zur Verfügung gestellt wird - und Zinsdruck sind Faktoren, die diese kapitalistische Produktionsweise verfestigen. Natürlich müssen wir nicht nur das Geldsystem reformieren sondern auch die Realwerte umverteilen. Die gemeinsamen Produktionsmittel sind weiterhin in gemeinschaftliche Hand überzuführen, was nur zu einer nachaltigen Produktsweise führen kann, wenn es eine echte Selbstverwaltung (Richtung Anarchosyndikalismus) gibt. Und als Grundlage aller Verteilungsgerechtigkeit muss eine Boden- und Ertragsreform dienen.

Nun ist es aber so, dass Geld das Vehikel der Umverteilung ist, in die eine wie auch in die andere Richtung. Und diese Umverteilung geht meistens von "arm" nach "reich". Deshalb sind aber die "zyklischen" Finanzkrisen, die Geldblasen und die darauf folgende Verknappung, tatsächlich planmäßig vorbereitete und sorgfältig konzipierte, um das Geld in Realwerte überzuführen. Das bewerkstelligen die "Eliten", indem ihre Zentralbanken zunächst Geld im Überfluss zur Verfügung stellen. Auf der anderen Seite werden wichtige Rohstoffe verknappt. Und zwar nicht nur "künstlich" durch Monopolisierung, Aufkaufen, Krisen und Kriege (der Überfall auf den Irak stellte übrigens nicht nur auf die Ausbeutung der Ölfelder sondern auch auf die beliebige Minderung der Ölförderung ab). Sondern auch indem die natürliche Knappheit bestimmter Rohstoffe ausgenutzt und Innovationen verhindert werden, die eine energiewirtschaftliche Alternative eröffnen würden.

So haben wir auf der einen Seite genug "Geld" und auf der anderen Seite knapp gehaltene Rohstoffe. Dadurch entsteht ein gewaltiger Investitionsdruck, der abgelassen werden kann, indem man Schrott anbietet: Schrottimmobilien, Schrottkonsumgüter, abenteuerliche Finanzprodukte, CO2-Zertifikate, u.v.ä.m. So füllen sich die Kassen der "Produzenten" (i.e. Erfinder und Quacksalber) dieser Schrottwerte immer mehr.

Weil aber die Schrottwerte doch nur Schrott sind, muss "Geld" wieder in Geld übergeführt werden. Das, indem man den Realwert wiederherstellt (abwertet). Die Folge: Inflation, Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit für die große Masse, das Streichen von vielleicht ein oder zwei Nullen in den Büchern für die Finanzelite (da bleibt immer noch genug übrig). Die Bankster haben sich aber mittlerweile mit dem Spielgeld auch die Allmende, wesentliche gemeinschaftliche Güter und Infrastrukturen gesichert.

Die Krise fossiler Rohstoffe ist dabei eine willkommene Begleiterscheinung und bedeutet NICHT das Ende der Zivilisation. Auch die blinde Naturvernichtung ist für die Finanzelite (ich verweise z.B. auf die Saatgutbank in Svalbard/Spitzbergen) nicht nur keine Bedrohung, sondern wird konzeptionell genutzt. Im richtigen Moment wird ihr durch Dezimierung der Weltbevölkerung und Einführung einer Art von Ökofaschismus Einhalt geboten werden (siehe "Georgia Guidestones").

Es ist alles noch viel schlimmer: die soziale Trance, der wir unterliegen, führt uns nicht nur dazu, unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Sie hindert uns nicht nur daran, Alternativen zu verwirklichen. Sie verhindert auch, dass wir die Ursachen erkennen und die Verantwortlichen benennen. Die Weigerung, eine tatsächlich stattfindende Verschwörung der künftigen Weltherrscher als Realität anzuerkennen, hat damit zu tun, dass wir einfach weiterhin daran glauben wollen, dass Mama und Papa es doch gut mit uns meinen. Diese Hoffnung aufzugeben ist nicht nur ein notwendiger Schritt in der Individualtherapie, sondern wäre auch ein mächtiger kollektiver Emanzipationsschritt.
monoma - 8. Dez, 11:20

@sansculotte

danke für deine ausführliche anmerkung, etwas ähnliches wollte ich zu d.d.´s antwort schreiben, bei der mir nicht eingeleuchtet hat, warum das eine (= problematisches geldsystem) gegen das andere ( = krise der wertverwertung) ausgespielt wird, weil nach meinem verständnis beides und noch einiges andere grundsätzlich strukturelle fehler darstellen (die diese krise übrigens in meinen augen zu etwas qualitativ anderem als eine "normale" zyklische kapitalismuskrise werden lassen).

nur an dem punkt habe ich widerspruch:

"Die Krise fossiler Rohstoffe ist dabei eine willkommene Begleiterscheinung und bedeutet NICHT das Ende der Zivilisation. Auch die blinde Naturvernichtung ist für die Finanzelite (ich verweise z.B. auf die Saatgutbank in Svalbard/Spitzbergen) nicht nur keine Bedrohung, sondern wird konzeptionell genutzt."

ich gehe eher davon aus, dass die schon vielfach angesprochenen individuellen und kollektiven wahrnehmungsdefekte bei den "eliten" sie im wahrsten sinne des wortes blind für grenzen machen, und natürliche grenzen sowie der fakt der endlichkeit sind etwas, was sich nicht mit technokratischen tricks oder sonstigem aus der welt schaffen lässt - daran werden sie sich die köpfe blutig hauen, aber leider auch den großen "rest" der spezies mit in ihren untergang ziehen - wenn sie nicht gestoppt werden.

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