notiz: ein kessel kühles, graues zeug ...
... so würde der im startposting dieses blogs bereits erwähnte mr. patson es mit britischem understatement ausdrücken. wobei: bei immer mehr nachrichten, die einen am tage so erreichen, nehme ich persönlich eher einen eiskalten hauch wahr. große teile dieser (menschen-)welt lassen sich bei halbwegs funktionierender wahrnehmung nur noch als obszöne monströsität empfinden.
rühren wir mal ein bißchen im kessel herum. ich hoffe, die werte leserInnenschaft ist einigermaßen resistent gegenüber gestank.
*
über einen ansatz zur im wahrsten sinne des wortes bekämpfung von traumatischen erinnerungen z.b. bei der posttraumatischen belastungsstörung berichtet ein telepolis-artikel. nun mag unter den verschiedenen absichten dahinter vielleicht auch eine ernstgemeinte motivation stecken, menschliches leiden - und traumatisierte leiden auf eine teils sehr verwickelte und unerträgliche art - zu reduzieren. und nach allem, was bisher besonders über die spezifischen neurophysiologischen prozesse bei traumatisierungen - siehe hier - bekannt ist, stellen die abgespaltenen erinnerungsnetzwerke und die damit einhergehenden symptome wie bspw. flashbacks große probleme dar.
es entspricht nun aber leider perfekt der mentalität dieser zeit - oder vielleicht sollte ich besser sagen, der mentalität einer sehr großen gruppe von menschen dieser zeit -, auf die zeitaufwendige und auch schmerzhafte durcharbeitung und integration der erlebten traumatischen gewalt zu verzichten (wie sie z.b. beim emdr geschieht und als bestes ergebnis die emotionale entschärfung mit sich bringt - die traumatischen erinnerungen an sich verschwinden nicht, verlieren aber ihre belastende emotionale koppelung. das bedeutet re-integrierung in die normale gedächtnisspeicherung bzw- -verarbeitung), und sich stattdessen an der aussicht auf einen "unproblematischen" griff zur pille regelrecht zu berauschen (bei den beteiligten wissenschaftlern kommt zusätzlich aber auch noch der aspekt der verlockenden finanziellen förderung ins spiel, neben der aussicht, sich zukünftig nicht mehr mit all den unbequemen ethisch-moralischen fragen herumzuschlagen, die jedes gewaltopfer automatisch alleine durch seine bloße existenz an den rest der menschheit stellt. und auch nicht beim miterleben und der empathischen begleitung während einer traumakonfrontation feststellen zu müssen, dass diese menschlich hochanspruchsvolle arbeit vielleicht die eigenen fähigkeiten doch etwas überfordert).
kurz, es läuft daraus hinaus: "pille geschluckt = erinnerungen los = wieder fit und leistungsfähig sein". ich werde bestimmt keinen traumatisierten menschen verurteilen, der sich u.u. nichts weiter als ein halbwegs "normales" leben wünscht und in solch´ einer pille vielleicht den letzten rettungsanker sieht. aber die grundsätzlichen fragen, die einem menschen durch das leben gestellt werden - und die zwischenmenschliche gewalt sowie unser aller umgang damit gehört zu den existenziellsten fragen überhaupt - lassen sich meiner meinung nach nicht in form einer pille beantworten. es liefe wieder mal auf eine reduzierung menschlichen erlebens und menschlicher möglichkeiten hinaus, gleichzeitig aber auch auf einen abbau der eh schon zu schwachen hemmungen bei der gewaltausübung. was im übrigen durch den letzten absatz des tp-artikels auf den punkt gebracht wird:
"Wenn Soldaten etwas getan haben, dass am Ende dazu führte, dass Kinder getötet wurden, wollen Sie ihnen dann Betablocker geben, damit sie es wieder tun können?"
das sich gerade auffällig häufig vom militär finanzierte forschung im trauma-bereich tummelt - das wird wohl niemand als reinen altruismus mißverstehen können.
*
absichtlich etwas "liegengelassen" habe ich das thema babymord, wie es zur geheuchelten betroffenheit der spektakelgesellschaft vor einigen tagen zunächst medial ausgeschlachtet und dann auch noch propagandistisch funktionalisiert wurde. zum letzteren, dem abstrusen versuch, die nun keinesfalls als hort der utopie und befreiung anzusehende ddr für den neunfachen mord nachträglich verantwortlich zu machen, empfehle ich als lektüre diesen
artikel , in dem u.a. folgendes zu lesen ist:
"Die Geburt kommt überraschend, niemand hat gewusst, dass Marion wieder schwanger war. Auch sie selbst habe ihren Zustand nicht wahrhaben wollen, sagt die Angeklagte. Sie habe Alkohol getrunken, nicht ein einziges Mal den Frauenarzt aufgesucht und ihre Leibesfülle der Umwelt mit angeblicher Fresslust erklärt. Die Geburt vollzieht sie zu Hause auf dem Teppich, Marion K. fühlt sich währenddessen »abwesend«."
"Der Düsseldorfer Nerverarzt Martin Platzek hat die Angeklagte auführlich untersucht und eine kranke Seele gefunden. Marion K., sagt er, leide unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, einer Krankheit, die zwischen hochgradiger Neurose und Psychose angesiedelt ist. Früher habe man solche Menschen als »haltlos« oder »sozial schwachsinnig« bezeichnet. In der Angeklagten herrsche eine Wüste aus Sprachlosigkeit und quälender Gefühlsleere, die sie allein durch selbst gemachte Kicks wie Diebstähle oder oberflächliche Sexualerlebnisse ertragen könne. Die Existenz der beiden Kinder habe Marion K. daran gehindert, mit Hilfe der bewährten Strategien weiter zu überleben. Unter den Mutterpflichten sei ihr mühsames Konstrukt der inneren Stabilisierung zusammengebrochen. Deshalb sei die Mutterschaft für Frau K. nichts anderes gewesen als ein »völlig unerträglicher Zustand«, sagt der Sachverständige, und der Tod der Kinder die »Lösung eines schwerwiegenden Problems«."
all das passierte im westen. und wirft, besonders in den äusserungen des gutachters, weitere fragen auf, die für dieses blog relevant sind. aber ich mag jetzt nicht. dieses thema macht irgendwie sprachlos. dingwelt halt.
*
noch einmal zurück zu telepolis, das in den vergangenen tagen gleich zwei artikel zum thema (asperger-)autismus veröffentlicht hat. wobei sich beim ersten folgender absatz findet:
"Die sich seit Jahren wiederholenden Meldungen über eine grassierende Autismus-Epidemie (...) , sind gekoppelt mit einer fieberhaften Suche nach Ursachen oder Schuldigen. Denn die Zahlen sind erstaunlich. In den USA entwickelt eines von 250 Kindern eine Form von Autismus, vor zehn Jahren war es eines von 10 000 Kindern. Manche sprechen sogar von einem von 166 Kindern, andere geben zu bedenken, dass sich die Diagnosemöglichkeiten erweitert hätten und gehen von weit weniger Fällen aus. Experten in den USA sprechen bereits davon, dass die einzelnen Staaten sich bald auf sehr viele Erwachsene mit speziellen Bedürfnissen werden einstellen müssen (...)."
diese epidemie sowie die im zweiten artikel angesprochene "jagd nach dem autismus-gen" (die - diese einschätzung traue ich mir zu - substanziell zu nichts führen wird ausser zu ein paar materiellen verbesserungen bei den beteiligten wissenschaftlichen kräften) verdienen mehr aufmerksamkeit. aber ein anderesmal.
rühren wir mal ein bißchen im kessel herum. ich hoffe, die werte leserInnenschaft ist einigermaßen resistent gegenüber gestank.
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über einen ansatz zur im wahrsten sinne des wortes bekämpfung von traumatischen erinnerungen z.b. bei der posttraumatischen belastungsstörung berichtet ein telepolis-artikel. nun mag unter den verschiedenen absichten dahinter vielleicht auch eine ernstgemeinte motivation stecken, menschliches leiden - und traumatisierte leiden auf eine teils sehr verwickelte und unerträgliche art - zu reduzieren. und nach allem, was bisher besonders über die spezifischen neurophysiologischen prozesse bei traumatisierungen - siehe hier - bekannt ist, stellen die abgespaltenen erinnerungsnetzwerke und die damit einhergehenden symptome wie bspw. flashbacks große probleme dar.
es entspricht nun aber leider perfekt der mentalität dieser zeit - oder vielleicht sollte ich besser sagen, der mentalität einer sehr großen gruppe von menschen dieser zeit -, auf die zeitaufwendige und auch schmerzhafte durcharbeitung und integration der erlebten traumatischen gewalt zu verzichten (wie sie z.b. beim emdr geschieht und als bestes ergebnis die emotionale entschärfung mit sich bringt - die traumatischen erinnerungen an sich verschwinden nicht, verlieren aber ihre belastende emotionale koppelung. das bedeutet re-integrierung in die normale gedächtnisspeicherung bzw- -verarbeitung), und sich stattdessen an der aussicht auf einen "unproblematischen" griff zur pille regelrecht zu berauschen (bei den beteiligten wissenschaftlern kommt zusätzlich aber auch noch der aspekt der verlockenden finanziellen förderung ins spiel, neben der aussicht, sich zukünftig nicht mehr mit all den unbequemen ethisch-moralischen fragen herumzuschlagen, die jedes gewaltopfer automatisch alleine durch seine bloße existenz an den rest der menschheit stellt. und auch nicht beim miterleben und der empathischen begleitung während einer traumakonfrontation feststellen zu müssen, dass diese menschlich hochanspruchsvolle arbeit vielleicht die eigenen fähigkeiten doch etwas überfordert).
kurz, es läuft daraus hinaus: "pille geschluckt = erinnerungen los = wieder fit und leistungsfähig sein". ich werde bestimmt keinen traumatisierten menschen verurteilen, der sich u.u. nichts weiter als ein halbwegs "normales" leben wünscht und in solch´ einer pille vielleicht den letzten rettungsanker sieht. aber die grundsätzlichen fragen, die einem menschen durch das leben gestellt werden - und die zwischenmenschliche gewalt sowie unser aller umgang damit gehört zu den existenziellsten fragen überhaupt - lassen sich meiner meinung nach nicht in form einer pille beantworten. es liefe wieder mal auf eine reduzierung menschlichen erlebens und menschlicher möglichkeiten hinaus, gleichzeitig aber auch auf einen abbau der eh schon zu schwachen hemmungen bei der gewaltausübung. was im übrigen durch den letzten absatz des tp-artikels auf den punkt gebracht wird:
"Wenn Soldaten etwas getan haben, dass am Ende dazu führte, dass Kinder getötet wurden, wollen Sie ihnen dann Betablocker geben, damit sie es wieder tun können?"
das sich gerade auffällig häufig vom militär finanzierte forschung im trauma-bereich tummelt - das wird wohl niemand als reinen altruismus mißverstehen können.
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absichtlich etwas "liegengelassen" habe ich das thema babymord, wie es zur geheuchelten betroffenheit der spektakelgesellschaft vor einigen tagen zunächst medial ausgeschlachtet und dann auch noch propagandistisch funktionalisiert wurde. zum letzteren, dem abstrusen versuch, die nun keinesfalls als hort der utopie und befreiung anzusehende ddr für den neunfachen mord nachträglich verantwortlich zu machen, empfehle ich als lektüre diesen
artikel , in dem u.a. folgendes zu lesen ist:
"Die Geburt kommt überraschend, niemand hat gewusst, dass Marion wieder schwanger war. Auch sie selbst habe ihren Zustand nicht wahrhaben wollen, sagt die Angeklagte. Sie habe Alkohol getrunken, nicht ein einziges Mal den Frauenarzt aufgesucht und ihre Leibesfülle der Umwelt mit angeblicher Fresslust erklärt. Die Geburt vollzieht sie zu Hause auf dem Teppich, Marion K. fühlt sich währenddessen »abwesend«."
"Der Düsseldorfer Nerverarzt Martin Platzek hat die Angeklagte auführlich untersucht und eine kranke Seele gefunden. Marion K., sagt er, leide unter einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus, einer Krankheit, die zwischen hochgradiger Neurose und Psychose angesiedelt ist. Früher habe man solche Menschen als »haltlos« oder »sozial schwachsinnig« bezeichnet. In der Angeklagten herrsche eine Wüste aus Sprachlosigkeit und quälender Gefühlsleere, die sie allein durch selbst gemachte Kicks wie Diebstähle oder oberflächliche Sexualerlebnisse ertragen könne. Die Existenz der beiden Kinder habe Marion K. daran gehindert, mit Hilfe der bewährten Strategien weiter zu überleben. Unter den Mutterpflichten sei ihr mühsames Konstrukt der inneren Stabilisierung zusammengebrochen. Deshalb sei die Mutterschaft für Frau K. nichts anderes gewesen als ein »völlig unerträglicher Zustand«, sagt der Sachverständige, und der Tod der Kinder die »Lösung eines schwerwiegenden Problems«."
all das passierte im westen. und wirft, besonders in den äusserungen des gutachters, weitere fragen auf, die für dieses blog relevant sind. aber ich mag jetzt nicht. dieses thema macht irgendwie sprachlos. dingwelt halt.
*
noch einmal zurück zu telepolis, das in den vergangenen tagen gleich zwei artikel zum thema (asperger-)autismus veröffentlicht hat. wobei sich beim ersten folgender absatz findet:
"Die sich seit Jahren wiederholenden Meldungen über eine grassierende Autismus-Epidemie (...) , sind gekoppelt mit einer fieberhaften Suche nach Ursachen oder Schuldigen. Denn die Zahlen sind erstaunlich. In den USA entwickelt eines von 250 Kindern eine Form von Autismus, vor zehn Jahren war es eines von 10 000 Kindern. Manche sprechen sogar von einem von 166 Kindern, andere geben zu bedenken, dass sich die Diagnosemöglichkeiten erweitert hätten und gehen von weit weniger Fällen aus. Experten in den USA sprechen bereits davon, dass die einzelnen Staaten sich bald auf sehr viele Erwachsene mit speziellen Bedürfnissen werden einstellen müssen (...)."
diese epidemie sowie die im zweiten artikel angesprochene "jagd nach dem autismus-gen" (die - diese einschätzung traue ich mir zu - substanziell zu nichts führen wird ausser zu ein paar materiellen verbesserungen bei den beteiligten wissenschaftlichen kräften) verdienen mehr aufmerksamkeit. aber ein anderesmal.
monoma - 9. Aug, 14:09
Wo bin ich und wer bin ich?
Mir fällt nur auf, und das nicht nur in diesem Zusammenhang, dass man gerade in der Psychiatrie gerne unbekannte oder neue Phänomene versucht in eine Schublade zu packen. Damit wird man aber niemandem gerecht.
Dem Betroffenen nicht, weil er dort nicht hineingehört, und dem Therapeuten auch nicht, weil er damit keine Hilfe anbieten kann. So hat man dann zwar einen Namen für das Kind, aber das Kind ist immer noch im Brunnen.
Leider verlangt diese Gesellschaft offensichtlich nach Namen. Und dies gilt nicht nur für Krankenkassen und Therapeuten. Auch die Betroffenen wollen einen Namen haben, damit sie sich einordnen können und mit ihrer Betroffenheit umgehen können. Was ich aus jahrelange Erfahrung mit Eltern behinderter Kinder kenne. Wenn die Krankheit einen Namen hat, kann man sich aus der Eigenverantwortung lösen und sich der Schuldfrage entledigen. Das ist gerade bei Eltern von behinderten Kindern ein grosses Problem, da auch die Umwelt ständig eine Antwort auf die Ursache wissen will.
Und erst recht wollen Erwachsene, die Probleme im Zusammenspiel mit der Gesellschaft haben, eine Antwort auf die Frage haben, warum dies so ist. Und daraus entstehen durchaus kuriose und zum Teil sehr skurile Antworten.
hallo angelwing...
deinen kommentar möchte ich später noch inhaltlich beantworten.
gruß
mo
antwort
"Ich bin bisher hauptsächlich mit dem frühkindlichen Autismus befasst und dies ist für mich auch völlig losgelöst von autistischen Zügen oder später erworbenen autistischen Zügen Erwachsener."
frage: warum? weil diese kinder (die, wenn ich deine worte richtig interpretiere, mehrheitlich unter die rubrik "kanner-autismus" fallen?) so offensichtlich weltabgewandt sind? wenn der begriff autismus nur für diese extreme ausprägung verwendet werden würde, wäre das "losgelöst" sicher nachvollziehbar. aber selbst "offiziell" wird er so nicht verwendet (siehe asperger) - und meiner meinung nach lässt sich er sich noch in einem viel größeren kontext berechtigt anwenden - das ist eigentlich das thema dieses blogs.
"Mir fällt nur auf, und das nicht nur in diesem Zusammenhang, dass man gerade in der Psychiatrie gerne unbekannte oder neue Phänomene versucht in eine Schublade zu packen. Damit wird man aber niemandem gerecht."
gibt es in der psychiatrie soviele neue oder unbekannte phänomene, die wirklich neu sind? das möchte ich bezweifeln. (mit den schubladen hast du aber trotzdem recht).
"Dem Betroffenen nicht, weil er dort nicht hineingehört, und dem Therapeuten auch nicht, weil er damit keine Hilfe anbieten kann. So hat man dann zwar einen Namen für das Kind, aber das Kind ist immer noch im Brunnen."
wenn ich den ersten satz einigermaßen richtig verstehe, beziehst du damit auch die definition von autismus ein, wie ich sie hier vorstelle?
"Leider verlangt diese Gesellschaft offensichtlich nach Namen. Und dies gilt nicht nur für Krankenkassen und Therapeuten. Auch die Betroffenen wollen einen Namen haben, damit sie sich einordnen können und mit ihrer Betroffenheit umgehen können. Was ich aus jahrelange Erfahrung mit Eltern behinderter Kinder kenne. Wenn die Krankheit einen Namen hat, kann man sich aus der Eigenverantwortung lösen und sich der Schuldfrage entledigen. Das ist gerade bei Eltern von behinderten Kindern ein grosses Problem, da auch die Umwelt ständig eine Antwort auf die Ursache wissen will."
ja, identitätsgewinnung stellt in solchen fällen eine variante von krankheitsgewinn dar. und auch gerade eltern sind schnell für bspw. genetische ursachen zu "erwärmen". aber diese spezielle geschichte wird hier noch thema werden.
einige der punkte, die du angesprochen hast, werden im laufe der zeit hier meinerseits noch deutlicher werden.
gruß
mo