Freitag, 19. Januar 2007

kontext 31: "fiktionale glaubwürdigkeit"

nicht vergessen möchte ich den hinweis auf ein interview mit einem angehörigen der branche, deren tätigkeit als professionelle fake-industrie vermutlich schwer unterschätzt wird. einige gleichzeitig erschütternd und erfreulich deutliche auzüge:

(...)"Sie behaupten auch, Ehrlichkeit sei für die Politik kein relevantes Kriterium.

Kocks: Richtig. Und das ist kein Zynismus, das ist der Zustand des Aufgeklärtseins. Die Wahrheitskategorie hat mit Geschäften nichts zu tun. Ein Autohändler möchte Geschäfte machen, und ein Politiker möchte das auf einer anderen Ebene auch. In Demokratien müssen Sie Machtausübung - zynisch könnte man sagen: leider - legitimieren. Deshalb müssen Sie die Leute von Ihren politischen Maßnahmen überzeugen. Dass es dabei nicht um die reine Wahrheit geht, ist mittlerweile Allgemeingut. Auf die Frage: 'Glauben Sie Politikern?', antworten nur 15 Prozent uneingeschränkt mit ja. Und die müssen Sie im Grunde genommen zum Arzt schicken."(...)


so wird auch noch ganz nebenbei die bedeutung des wortes "aufklärung" manipuliert: in der denkwelt dieses konstruktivisten ist das offensichtlich die rein kognitive wahrnehmung eines zustands der sozialen zerstörung, die lediglich objektivistisch registriert und unter dem eigenen nutzkalkül bewertet wird. zynisch bleibt das allerdings weiterhin, und die konstatierte - angebliche - nichtbeziehung von wahrheit und geschäften klingt haargenau wie die hier dokumentierte behauptung, das gefühle und "geschäfte" nichts miteinander zu tun hätten. haben sie auf einer ebene auch nicht, aber ganz anders, als es die zitierten meinen. es ist eigentlich unglaublich, dass diese selbstdemaskierungen von protagonisten der herrschenden a-sozialen zustände ohne sichtbare konsequenzen bleiben.

und dann wird es noch deutlicher - was für einen begriff von authentizität hat so jemand?

(...)"Also geht es in der politischen Auseinandersetzung darum, wer der bessere Schauspieler ist?

Kocks: Es geht um fiktionale Glaubwürdigkeit. Wir können einen Politiker nicht als Person beurteilen, weil wir ihn nicht wirklich kennen, sondern nur in seiner Rolle. Die kann er authentischer oder weniger authentisch spielen. Authentizität ist eine bestimmte Art der Inszenierung, auf die wir mit der Zubilligung von Vertrauen reagieren. Authentizität ist aber nicht Wahrheit: Leute, die im Stadttheater sitzen und den Hamlet sehen, glauben doch nicht, sie wären jetzt wirklich in Dänemark und es wären Geister da"(...)


"authentizität ist eine bestimmte art der inszenierung" - so klingt das gerede der völlig flexibilisierten, globalisierten und konstruktivistischen ich-manager, die den waren-fetischismus, die verdinglichende logik und ihren letztlich funktional autistischen wahrnehmungsstatus in totalität als ersatzoption und identitätskrücke für verlorengegangene (selbst-)wahrnehmungsfähigkeiten - und in letzter konsequenz für ihren fehlenden persönlichkeitskern (durchaus materiell gemeint) - akzeptiert haben (früher waren dafür bevorzugt götter und nationen beliebt - aber auch die haben ja bekanntlich eine art revival).

natürlich kann authentizität auch simuliert werden, aber hier geht es um jemanden, der ganz offensichtlich nichts anderes als simulationen wahrnimmt (bzw. wahrnehmen kann). und seine beschriebenen schwierigkeiten mit seiner branche dürften eher daher rühren, dass er seinen wahrnehmungsstatus bis in die letzte konsequenz hinein deutlich werden lässt - und dabei womöglich berufsspezifische strukturen zu sehr kenntlich macht.

(...)"Mit welchem Rollenbild möchten Sie denn gerne wahrgenommen werden?

Kocks: Ich? Der käufliche Intellektuelle. Klar. Brain to hire."


sich selbst zur nutte machen und stolz drauf sein. sie wissen irgendwo, was sie tun. andererseits wissen sie´s auch wieder nicht - sonst würden sie vor sich selbst schreiend davonrennen.

notiz: von "machtmenschen"

zum wiederholten male gesammelte unerträglichkeiten. wann es hier mit der trauma-reihe weitergeht, kann ich übrigens gerade nicht genau sagen - ich peile übernächste woche an.

*

china, so ist es sinngemäß immer wieder aus den reihen besonders der sog. ökonomischen elite vieler westlicher länder zu hören, china sei in verschiedener hinsicht ein vorbild - gerade was die umsetzung kapitalistischer prinzipien unter verzicht auf praktisch das meiste betrifft, was ein selbstbestimmtes menschliches leben in einer funktionierenden sozialen matrix ausmacht. und wenn eine "politik", so wie sie im folgenden artikel dargestellt ist, immer wieder implizit als beispielhaft hingestellt wird, gibt es allen grund, für die innere entwicklung nicht nur dieses landes hier einiges zu befürchten:

(...)"Chinas Behörden und Unternehmen greifen immer häufiger zu Mafiamethoden, um Kritiker und Journalisten mundtot zu machen. Im Juni 2006 wurde der Bauer Fu Xiancai, der über Korruptionsfälle am Drei-Schluchten-Staudamm berichtet hatte, offenbar im Auftrag der lokalen Polizei zusammengeschlagen. Er überlebte knapp und ist seitdem vom Hals ab gelähmt. Auch Umweltaktivisten und Journalisten, die über schmutzige Industrien berichten wollten, wurden Opfer von Misshandlungen."(...)

"mafiamethoden" trifft es auf den punkt - unvermeidbar überall da, wo das prinzip der verdinglichung als siamesischer zwilling mit der kapitalistischen ökonomie auftritt. also letztlich immer, weil sich dieses paar nicht einfach durch eine operation trennen lässt.

*

was auch das nächste zitat belegt:

(...)"Der inzwischen über Sexskandale und wegen persönlicher Begünstigung zu Fall gekommene David Blunkett ordnete während seiner Amtszeit an, die Armee im Strafgefängnis Lincoln einmarschieren zu lassen und revoltierende Gefangene mit Maschinengewehren zusammenzuschießen. »Menschenleben interessieren mich nicht«, kreischte er den damals für Gefängnisse zuständigen höchsten Beamten Martin Narey an, der sich weigerte, den Befehl auszuführen."(...)

so geschehen in einer der traditionellen "stützen" der freien welt - und man beachte, dass der kerl nicht wg. seiner mörderischen absichten geflogen ist.

im übrigen ist das, was in diesem artikel sonst noch so zu lesen ist, bestens geeignet, nun die chinesischen machthaber ihrerseits vor neid erblassen zu lassen.

*

die dabei mit hoher wahrscheinlichkeit ebenso wie der zitierte britische ex-funktionsträger unter maßgeblicher beteiligung von psychophysischen defekten wie schweren empathiestörungen ihre antisozialen "politiken" ausbrüten. dazu gibt´s gerade bei telepolis die vorstellung einer studie, welche zu ergebnissen kommt, die keinesfalls wirklich überraschen können:

(...)"Nach einer Studie der Psychologen Adam Galinsky von der Northwestern University, Joe Magee von der Wagner Graduate School of Public Service an der NYU und Ena Inesi und Deborah Gruenfeld von der Stanford University scheint es so zu sein, dass Machtausübung systematisch verhindert, die Perspektive eines Mitmenschen einnehmen und die Gefühle von diesem erkennen zu können (A. Galinsky et al.: Power and Perspectives Not Taken, in: Volime 17 - Number 12/2006). Macht ist, wie die Psychologen sagen , gerade das Gegenteil von Einfühlungsvermögen, nämlich die Fähigkeit, andere Menschen mit Belohnungen und Strafen beeinflussen zu können. Wer andere besser verstehen kann, übernimmt deren Perspektiven und wird auch dadurch beeinflusst, Mächtige sind rigider und halten an ihrer Identität stärker fest. Dafür leisten sie sich mehr Vorurteile und denken weniger komplex. Wer Macht hat, übt eine entsprechend große Kontrolle über Ressourcen aus und ist daher weniger abhängig als andere Menschen. Zudem seien Mächtige vor allem auf ihre Ziele orientiert und daher nicht auf eine korrekte Deutung der Befindlichkeit und Interessen der Mitmenschen ausgerichtet."(...)

wiedermal eine - wie ich allerdings finde - nicht ganz vollständige darstellung der funktionsweise von personen, die sich überwiegend oder gar ständig im objektivistischen modus befinden. ich frage mich, wie lange wir noch warten wollen, um aus den sich verdichtenden informationen über den zustand derjenigen, die sich als "machtmenschen" bezeichnen lassen, konsequenzen zu ziehen?

User Status

Du bist nicht angemeldet.

US-Depeschen lesen

WikiLeaks

...und hier geht´s zum

Aktuelle Beiträge

Es geht ihm gut? Das...
Es geht ihm gut? Das ist die Hauptsache. Der Rest...
Grummel (Gast) - 23. Jan, 21:22
Im Sommer 2016 hat er...
Im Sommer 2016 hat er einen Vortrag gehalten, in Bremen...
W-Day (Gast) - 23. Jan, 14:49
Danke, dir /euch auch!
Danke, dir /euch auch!
Grummel - 9. Jan, 20:16
Wird er nicht. Warum...
Wird er nicht. Warum auch immer. Dir und wer sonst...
Wednesday - 2. Jan, 09:37
Ich bin da, ein Ping...
Ich bin da, ein Ping reicht ;) Monoma wird sich...
Grummel - 15. Sep, 16:50
Danke, Grummel. Das Netzwerk...
Danke, Grummel. Das Netzwerk bekommt immer grössere...
Wednesday - 13. Sep, 10:02
Leider nicht, hab ewig...
Leider nicht, hab ewig nix mehr gehört.
Grummel - 12. Sep, 20:17
Was ist mit monoma?
Weiss jemand was? Gruß Wednesday
monoma - 12. Sep, 14:48
Der Spiegel-Artikel im...
Den Spiegel-Artikel gibt's übrigens hier im Netz: http://www.spiegel.de/spie gel/spiegelspecial/d-45964 806.html
iromeister - 12. Jun, 12:45
Texte E.Mertz
Schönen guten Tag allerseits, ich bin seit geraumer...
Danfu - 2. Sep, 21:15

Suche

 

Status

Online seit 6842 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

Besuch

Counter 2


assoziation
aufgewärmt
basis
definitionsfragen
gastbeiträge
in eigener sache
index
kontakt
kontext
lesen-sehen-hören
notizen
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren