Freitag, 11. April 2008

"BenX" und "Marienhof" - oder wenn der (asperger-)autismus im mainstream ankommt

was hat es zu sagen - bzw. : hat es was zu sagen? - , wenn in diesen tagen und wochen gleich zweimal das thema "asperger" massenmedial präsentiert wird, mit der erkennbaren zielgruppe junger und jüngerer leute? schauen wir´s uns mal an.

*



in einer
ankündigung zum film ist u.a. zu lesen:

"Ben (Greg Timmermans) ist anders. Er lebt in seiner eigenen Welt, in der er in seinem liebsten Onlinespiel "Archlord" Heldentaten besteht. Er spielt es, wann immer er kann und versucht, für die Widrigkeiten des wahren Lebens zu trainieren. Mit seiner Internetgefährtin Scarlite (Laura Verlinden) meistert er alle Herausforderungen und Gefahren, die ihn in der realen Welt überfordern. Der harte Alltag in der Schule ist für den verschlossenen Außenseiter eine tägliche Höllenqual. Immer wieder wird er von seinen Mitschülern gemobbt und tyrannisiert. Ben fasst einen Plan: Er will mit allem Schluss machen. Game Over. Da tritt das Mädchen aus dem Onlinespiel in sein Leben…"(...)

eine andere
quelle konkretisiert das "anderssein":

(...)"BenX erzählt die Geschichte des 17-jährigen Ben, der unter Autismus leidet."(...)

mit den ersten preisen ausgezeichnet, wird medial vermittelt, dass es sich primär um eine auseinandersetzung mit dem thema "cybermobbing" handele - tatsächlich?

die geschichte ist jedenfalls interessant, fast schon klassisch und auch im blog schon an verschiedenen stellen thematisiert worden (ein
persönliches beispiel) - die flucht in die virtualität, wenn das soziale leben nicht die positiven qualitäten aufweist, die es haben könnte und sollte. ich will jetzt gar nicht primär auf die themen schüler-mobbing, computerspiele und auch amok eingehen, die alle recht deutlich beim inhalt des films mitschwingen. gerade interessiert mich mehr die frage, warum die hauptfigur ausgerechnet als autist gezeichnet wird. eine erste spekulation dazu: das könnte die ausgiebige darstellung der (scheinbaren) macht der virtualität leichter gemacht haben. ich werde mir den film, der anfang mai in d-land anlaufen soll, jedenfalls anschauen - danach dann mehr.

*

als nur sehr sporadischer tv-gucker gehen solche
meldungen leicht an mir vorbei:

(...)"Dieser Tage erlebte eine neue, rätselhafte Randgruppe ihre massenmedial-populärkulturelle Premiere: In »Marienhof«, täglich gegen 18.30 Uhr im Ersten, hat gerade ein Vertreter einer geheimnisumwitterten seltenen Spezies die Szenerie betreten, die es schon immer gab, die aber erst seit etwa zwei Jahrzehnten einen wissenschaftlichen Namen hat und sich seit einigen Jahren in Internetforen und Vereinigungen organisiert: ein Asperger-Autist. In der ARD-Serie heißt er Valentin, ist 17 Jahre alt, kann hervorragend rechnen, rastet manchmal aus und hat ein ernstes Problem, wenn sein versiffter Lieblingspullover gewaschen wird und folglich furchtbar nach Waschpulver riecht."(...)

das der ganze beitrag unter der überschrift "Neue Subjektivität" steht, hat schon eine ordentliche dosis ironie. und die "junge welt" fährt in ihrer berichterstattung zum thema asperger da fort, wo sie im letzten jahr
aufgehört hat (wenn Sie sich erinnern, hat das zu einer kleinen, aber ausführlichen diskussion damals geführt):

(...)"Das Asperger-Syndrom ist erst in den letzten zwanzig Jahren näher erforscht worden. Es handelt sich um eine vorwiegend genetisch bedingte, im frühen Kindesalter einsetzende Entwicklungsanomalie, die sich in vom Normalstandard abweichenden Funktionsweisen des Gehirns niederschlägt. Im Unterschied zum klassischen frühkindlichen Autismus, der mit starken Beeinträchtigungen des Sprachvermögens einhergeht, verfügen Asperger-Autisten über eine hochentwickelte Sprache, können aber bei alltäglichen Fragen wie »Wie geht es dir?« mitunter in Verwirrung geraten, weil ihnen das intuitive Erkennen von Gesprächskontexten und angemessenes Reagieren auf diese schwer fällt. Daraus die Abwesenheit von Emotionen zu folgern ist ein Trugschluß – es handelt sich eher um hochsensible Menschen. Taktvolles und diplomatisches Handeln fällt ihnen schwer, aber dafür ist ihnen auch jede Heimtücke völlig fremd."(...)

alle ist wieder da - von "den genen" (zu denen wieder jegliche nötige anmerkung unterschlagen wird) über die behauptung der hochsensibilität bis hin zur als positiv vermerkten unfähigkeit zu lügen, zu der ich in der oben verlinkten diskussion ein paar anmerkungen gemacht habe. und was die hochsensibilität angeht, wird zu diesem aspekt etwas im kommenden beitrag zu objektivität & soziopathie zu lesen sein. aber weiter im jw-text:

(...)" Die Schulmedizin sträubt sich gegen die Einsicht, daß Autisten nicht »krank«, sondern einfach anders sind, weil ihre Machtansprüche dadurch gefährdet würden. Hinter der US-Organisation »Defeat Autism Now« steht ziemlich unverblümt die Pharmaindustrie. Sie schürt die Wahnvorstellung, Autismus abschaffen zu können. Gäbe es keinen Autismus, so hätte es auch keinen Michelangelo, keinen Immanuel Kant und keinen Albert Einstein gegeben. Diese Genies waren nämlich höchstwahrscheinlich autistisch."

eigenartige positionen für eine sich links begreifende zeitung, wie ich finde - neben dem (fast immer angemessenen) bashing der pharmaindustrie (deren biomedizinische forschung überhaupt erst die heutige fokussierung auf "die gene" zu verantworten hat), wird gleichzeitig völlig unterschlagen, was eine weite verbreitung von strukturell und funktionell autistischen zuständen für katastrophale gesellschaftliche folgen hat. und dann noch der evergreen von den (männlichen) "genies", die in schlechter bildungsbürgerlicher tradition umstandslos auch in der "jungen welt" implizit angehimmelt werden - nee, nee, nee. es ist das eine, menschenwürdige lebensverhältnisse für wie auch immer kranke bzw. "behinderte" zu schaffen - etwas anderes ist es aber, einfach ignorant gegenüber der tatsache zu sein, dass gerade "psychische" (psychophysische) pathologien in der menschlichen geschichte eine fatal unterschätzte rolle spielen. aber wem sage ich das.

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