Montag, 30. August 2010

notiz: "Ich fühle mich sehr deutsch"

trefflicher und prägnanter kann eine selbstdiagnose wie diese von einem gewissen thilo s. gar nicht ausfallen - vor allem dann, wenn noch die allzu typische und individuell angepasste symptompalette dieses zustands dazu kommt: dummschwätzerei, "rasse"hygienisches erbrechen, fulminante pseudowissenschaftlichkeit, verdinglichung als wahrnehmungsmodus und eine ordentliche egozentrik.

ich hatte die letzten tage großen widerwillen verspürt, an diesen wirklich deutschen sozialdemokraten - ich vermute, der espehdeh passt vor allem nicht, dass er ihr wirklich nur einen spiegel vor die nase hält - auch nur ein wort zu verschwenden. wozu? argumentativ ist gegen diese art von gehobenem stammtischgeschwätz nicht wirklich was zu machen, was nur z.t. daran liegt, dass das gerede von ganz weit rechtsaussen verlässlich abstrus daher kommt. eher ist entscheidend, dass solche typen und ihr anhang tatsächlich primär um das kreisen, was im zitat der überschrift zum ausdruck gebracht wird: sie "fühlen".. und zwar sich am liebsten in hierarchien, klaren oben-unten-verhältnissen und ganz allgemein gesprochen im binären modus: WIR und DIE.

zu den durchaus pathologischen bedeutungsebenen hinter einen aussage wie "ich fühle mich sehr deutsch" hat sich klaus theweleit vor jahrzehnten schon in seinen "männerphantasien" etliche, eher klassisch psychoanalytische gedanken gemacht. was ich von solchen attributen wie "deutsch" (wahlweise läst sich hier auch jedes andere adäquate wort einsetzen) halte, habe ich ausführlicher
hier dargestellt. ansonsten bleibt anzumerken, dass s. genau wie seine claquere mit einem veralteten und rein instrumentell definierten begriff von intelligenz herumfuhrwerken und gerade dadurch belegen, dass sie selbst keinesfalls als intelligent zu betrachten sind:

(...) "Nicht das bloße Vorhandensein von Gefühlen, Emotionen, Stimmungen und Affekten, sondern der bewusste Umgang mit ihnen macht eine hohe emotionale Intelligenz aus." (...)

auch in sachen genetik humpelt s. ungefähr ein halbes jahrhundert hinter dem
aktuellen stand hinterher, und der wird maßgeblich durch die epigenetik definiert:

(...) "Die neuen Entdeckungen erschüttern das bisherige Wissen über Genetik und gängige Vorstellungen von Identität. Stellen also infrage, was gemeinhin angenommen wird: dass die DNS unser Aussehen, unsere Persönlichkeit und unsere Krankheitsrisiken bestimmt. Die These "Die Gene sind unser Schicksal" ist bei vielen zur Überzeugung geworden. Solche eindimensionalen Vorstellungen aber sind nun obsolet. Denn selbst wenn Menschen exakt über die gleichen Gene verfügen, unterscheiden sie sich häufig in den Mustern der Genaktivität und damit auch in ihren Eigenschaften." (...)

und seine beiträge zur "völkerkunde" besitzen schon eine regelrecht humoristische qualität - wie war das mit
"den basken" und ihrem gen, thilo?

"Die Geschichte der heutigen Europäer hat nach neuen Forschungsergebnissen Wurzeln im Baskenland und ist weit älter, als bislang angenommen. Mindestens drei Viertel der Europäer gehen demnach direkt auf Urahnen zurück, die schon in der Eiszeit auf dem Kontinent lebten, also vor mindestens 20.000 Jahren." (...)

ich ziehe die imaginäre (basken-)mütze vor Ihnen, das liegt nämlich irgendwo vergraben in meinen genen...

ganz großer sport ist natürlich auch die adäquate behauptung hinsichtlich "der juden", die in letzter konsequenz zwangsweise in der erstaunlichen erkenntnis mündet, dass die zugehörigkeit zu einer religiösen gruppe genetisch bedingt, wenn nicht gar determiniert ist - dann ist es nur noch eine frage der zeit, bis das christen-, hindu- oder buddha-gen gefunden ist. oder gar das scientology-gen? vom islam ganz zu schweigen, der ja eh das lieblingsthema solcher knallchargen der marke thilo s. darstellt. das problem ist nur wieder mal, dass sie in ihrer typischen manier aus einem restbestand an tatsächlicher realitätswahrnehmung (bezgl. der zustände in islamisch dominierten gesellschaften empfehle ich nochmals
diesen beitrag, der einige gründe dafür aufzeigt, warum besonders männliche migranten aus islamischen gesellschaften tatsächlich in gefahr sind, egal an welchen orten auffälliges(!) antisoziales verhalten zu entwickeln. das hat aber nichts mit "dummheit" und nur sehr peripher etwas mit genetik zu tun) einen widerwärtigen mix aus ihren mit pseudowissenschaftlichkeit unterlegten als-ob-gefühlen brauen - in der wahl der zielgruppe(n) mutet das alles eher beliebig an, und ich würde mir zutrauen, mittelfristig aus eben diesem spektrum auch genügend anhängerschaft für, sagen wir mal eine kampagne zwecks erzeugung von "problembewusstsein" hinsichtlich der fragwürdigen rolle von leuten mit sommersprossen im gesicht (die gene!) in dieser gesellschaft zu mobilisieren. you know what i mean?

echte antisoziale wie hitler haben regelmässig mit ihrer fähigkeit "geglänzt", die sozusagen frei flottierenden ansammlungen von hass innerhalb einer gesellschaft zu bündeln und ihnen ausdruck zu verleihen. auf einer komplexeren ebene manipulieren sie u.a. die minderwertigkeitsgefühle vieler gesellschaftlicher verlierer (die es im kapitalismus zwangsweise gibt, ja geben muss) in richtung des oben erwähnten binären modus und konstruieren sich zusammen mit denen eine art pseudokollektiv ("nation", "volk", "gott" [in allen varianten]), in dem sich die verlierer bzw. alle unter ähnlichen ängsten leidenden dann aufgehoben fühlen können (und der begriff darf ruhig wortwörtlich verstanden werden).

das alles ist eigentlich ausdruck abgrundtief trauriger verhältnisse, und gleichzeitig brandgefährlich, wie ein blick in ein beliebiges geschichtsbuch belegt. aber wie gesagt: mit rationaler argumentation ist den für derartigen unsinn auf sarrazinischem niveau anfälligen genausowenig beizukommen wie klassischen nazis. es geht dabei nicht um "politik", sondern um kollektive wie individuelle pathologische zustände und die möglichkeiten zu derem ausagieren - das ist das eigentliche geschäft jeder faschistischen / faschistoiden mobilisierung.

*

die säue, die seit geraumer zeit in ermüdender regelmässigkeit von leuten wie s., dem anderen s. (sogenannter philosoph) oder auch g. heinsohn durchs dorf getrieben werden, sind allerdings keine rein hiesige spezialität, wie ein blick auf die wahlergebnisse in so ziemlich allen europäischen ländern ebenso zeigt wie die an bizarrer weltwahrnehmung und expliziter dummheit sogar ihre europäischen brüder und schwestern im fundamentalistischen ungeiste noch übertreffende "teaparty"-bewegung in den usa. alles zusammengenommen bietet sich ein bild, welches ich öfter schon in den krisennews der vergangenen zwei jahre angesprochen hatte - ob es sich nun um berlusconis getöse gegen "ausländische vergewaltiger" in italien handelte, die pogrome offen faschistischer paramilitärischer gruppen gegen roma in osteuropa (v.a. ungarn), die "wilden streiks" in großbritannien gegen "ausländische" arbeiter oder auch die jagdszenen an der südgrenze der usa gegen die migranten aus mittel- und südamerika - in der großen und aufgrund vieler zusammenkommender einflüsse wahrscheinlich finalen krise nicht nur des kapitalismus, sondern auch des damit untrennbar assoziierten "way of life" ist es bei den bis auf weiteres ausbleibenden emanzipatorischen aktionen und massenwirksamen bewegungen eben alles andere als erstaunlich, dass sich "eliten" und die ahnungslos-vorahnenden ängstlichen bevölkerungsteile zusammen auf die suche nach sündenböcken machen, finanziert und moderiert natürlich von den ersteren.

sarazzin war "politiker" und ist jetzt banker, wenn auch im staatlichen sold, und damit real gesehen angehöriger zweier der antisozialsten und destruktivisten elitären schichten überhaupt (btw: er verhält sich übrigens ansonsten auch neben seiner ideologieproduktion
genau so :

(...) "Mit 46 Nebentätigkeiten war Sarrazin im Juni 2008 das Senatsmitglied mit den meisten Nebentätigkeiten. Er ist unter anderem Mitglied des Aufsichtsrats der Berliner Verkehrsbetriebe, der Charité, der Investitionsbank Berlin und der Vivantes GmbH. Im Rahmen der Tempodrom-Affäre wurde ihm vorgeworfen, Landesgelder regelwidrig vergeben zu haben. Die Staatsanwaltschaft erhob im November 2004 Anklage. Ermittelt wurde außerdem gegen zwei weitere SPD- und zwei CDU-Politiker, drei Unternehmer und zwei Wirtschaftsprüfer. Gegen den ermittelnden Oberstaatsanwalt reichte Sarrazin eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein. Das Landgericht Berlin lehnte es im Dezember 2004 ab, das Hauptverfahren zu eröffnen, da die Anklage als unschlüssig angesehen wurde.

Seit August 2009 ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft gegen Sarrazin wegen Untreue. Er soll dem Golf- und Landclub Berlin-Wannsee e. V. einen Golfplatz zu günstig verpachtet und jenen so finanziell begünstigt haben. Sarrazin wies die Vorwürfe mit der Begründung zurück, er sehe keinen Vermögensschaden für das Land." (...)
)

kurz: vermutlich ist s. aufgrund seiner rein instrumentellen intelligenz (die böseste von allen formen) durchaus in der lage zu erkennen, dass der ganze laden hier absehbar den bach runter gehen wird, allem aufschwungsgetöse zum trotz. und das nicht erst in jahrzehnten, sondern in jahren. und da müssen aus elitärer sicht nicht nur nach innen ("teile und herrsche"), sondern auch nach aussen die zügel angezogen werden. eine im vergleich zum medialen auflauf um s. völlig untergegangene nachricht der letzten tage macht auch hier einiges
deutlicher:

(...) "Zu den neuen Aufgaben der Bundeswehr gehöre auch die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen, sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Hans Heinrich Driftmann, dem Nachrichtenmagazin Focus. Für den Exportvizeweltmeister Deutschland "wäre es eine Katastrophe, wenn die Handelswege, insbesondere nach Südostasien dauerhaft eingeschränkt oder bedroht wären", sagte Driftmann. "Die dürfen wir nicht Piraten überlassen." (...)

Driftmann hatte vor seinem Eintritt in das Unternehmen der Familie seiner Frau bei der Bundeswehr und im Verteidigungsministerium Karriere gemacht und ist Vize-Vorsitzender der Expertenkommission zur Reform der Bundeswehr.

Mit ähnlichen Äußerungen zu den Zielen der Bundeswehr hatte der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler scharfe Kritik auf sich gezogen." (...)


und trat dann bekanntlich beleidigt zurück. interessant, dass einer der führenden köpfe bei der "reform" der armee, für die sich von guttenberg gerade mächtig ins zeug legt, genau die gleiche vorstellung von den aufgaben einer berufsarmee hat. das finde ich ebenso interessant wie den verlag von sarrazins machwerk: die "deutsche verlagsanstalt" ist ein teil von bertelsmann, und dieser name steht in verbindung mit "stiftung" bekanntlich für genau jene extremistische neoliberale transformation des letzten jahrzehnts, die zur krise geführt hat. ich würde nun nicht soweit gehen, einen "masterplan" zu vermuten, aber die zeitliche und personelle abfolge der forderungen, dieses land nach innen quasi mit einem kapitalistisch-autoritären regime unter mobilisierung von nationalistischen und rassistischen affekten auszustatten bei gleichzeitiger umformung der bundeswehr in ein instrument zur imperialistischen intervention zwecks unterstützung der "deutschen wirtschaft" ist schon auffällig, von den personellen verquickungen ganz zu schweigen.

*

all dieser destruktive und hochgefährliche quatsch wird natürlich nicht verhindern können, dass das ganze system sein verdientes und überfälliges ende finden wird. aber dazu mehr demnächst.

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