notiz: alles nichts neues
ein kleines nächtliches quiz gefällig? in welchem jahr wurden wohl die folgenden sätze formuliert?
"(...) Diffus, aber immer häufiger wird der Verdacht laut, daß viele der bei den Arbeitsämtern Registrierten eigentlich gar keinen Job suchen, sondern sich im enggeknüpften Netz der in (...) Jahren Nachkriegsgeschichte erlassenen Sozialgesetze entspannen wollen. Von Parasiten ist da die Rede, von Arbeitsscheuen und Schmarotzern, die auf Kosten der Gemeinschaft sich ein geruhsames Leben einrichten.
Und rasch sind dann die Konsequenzen gezogen: Das Arbeitslosengeld sollte gekürzt, die Auszahlung an notorisch Faule gestrichen werden." (...)
oder auch diese?
(...) "Bis dahin Parkanlagen, in denen Gärtner graben, Spaziergänger, Trimm-dich-Läufer, lärmende Schulklassen. Auch mal eine Schafherde. Dann Linkskurve, und plötzlich starrt der Autofahrer in die Läufe von Maschinenpistolen. die ihm drohend folgen; aus einem Schützenpanzerwagen wird er argwöhnisch gemustert.
Grüne Uniformen, Kaki-Hemden, Walkie-Talkies, Schäferhunde: Der Besucher fährt durch ein Heerlager. Es fehlen nur noch Schlagbaum und Ausweiskontrolle." (...)
nummer eins: 1977. nummer zwei: dito. so sieht dann also wahrscheinlich der vielgerühmte "gesellschaftliche fortschritt" aus...
*
ich kann mich durchaus an jenes jahr erinnern, und auch - obwohl nur aus einer art außenposition, da gerade an der schwelle vom kind zum jugendlichen - an die tatsächliche hysterie in weiten teilen der öffentlichkeit der alten brd. ich möchte eigentlich wirklich nicht wissen, was hier heute passiert, wenn es denn - von wem auch immer - tatsächlich zu einem anschlag kommen sollte.
die hetze gegen erwerbslose allerdings ist dagegen in gewisser hinsicht zeitlos, weil sie in unterschiedlichen ausmaßen und intensitäten seit spätestens ende der 1960er jahre in der brd immer vorhanden gewesen ist. und auch, wenn meistens für ihre jeweilige zuspitzung mediale kampagnen nötig gewesen sind - die disposition dazu dürfte sozusagen etwas "urdeutsches" darstellen. (lohn-)arbeit als existenzlegitimation - es ist und bleibt ein trauerspiel.
unabhängig davon: ich finde das archiv des "spiegel", beginnend 1947, tatsächlich eine interessante quelle besonders für alle, die sich für die geschichte der alten brd interessieren. und ebenfalls lassen sich naturgemäß die wendungen der redaktionellen linien bestens rekonstruieren. ist was für lange dunkle tage zum stöbern.
"(...) Diffus, aber immer häufiger wird der Verdacht laut, daß viele der bei den Arbeitsämtern Registrierten eigentlich gar keinen Job suchen, sondern sich im enggeknüpften Netz der in (...) Jahren Nachkriegsgeschichte erlassenen Sozialgesetze entspannen wollen. Von Parasiten ist da die Rede, von Arbeitsscheuen und Schmarotzern, die auf Kosten der Gemeinschaft sich ein geruhsames Leben einrichten.
Und rasch sind dann die Konsequenzen gezogen: Das Arbeitslosengeld sollte gekürzt, die Auszahlung an notorisch Faule gestrichen werden." (...)
oder auch diese?
(...) "Bis dahin Parkanlagen, in denen Gärtner graben, Spaziergänger, Trimm-dich-Läufer, lärmende Schulklassen. Auch mal eine Schafherde. Dann Linkskurve, und plötzlich starrt der Autofahrer in die Läufe von Maschinenpistolen. die ihm drohend folgen; aus einem Schützenpanzerwagen wird er argwöhnisch gemustert.
Grüne Uniformen, Kaki-Hemden, Walkie-Talkies, Schäferhunde: Der Besucher fährt durch ein Heerlager. Es fehlen nur noch Schlagbaum und Ausweiskontrolle." (...)
nummer eins: 1977. nummer zwei: dito. so sieht dann also wahrscheinlich der vielgerühmte "gesellschaftliche fortschritt" aus...
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ich kann mich durchaus an jenes jahr erinnern, und auch - obwohl nur aus einer art außenposition, da gerade an der schwelle vom kind zum jugendlichen - an die tatsächliche hysterie in weiten teilen der öffentlichkeit der alten brd. ich möchte eigentlich wirklich nicht wissen, was hier heute passiert, wenn es denn - von wem auch immer - tatsächlich zu einem anschlag kommen sollte.
die hetze gegen erwerbslose allerdings ist dagegen in gewisser hinsicht zeitlos, weil sie in unterschiedlichen ausmaßen und intensitäten seit spätestens ende der 1960er jahre in der brd immer vorhanden gewesen ist. und auch, wenn meistens für ihre jeweilige zuspitzung mediale kampagnen nötig gewesen sind - die disposition dazu dürfte sozusagen etwas "urdeutsches" darstellen. (lohn-)arbeit als existenzlegitimation - es ist und bleibt ein trauerspiel.
unabhängig davon: ich finde das archiv des "spiegel", beginnend 1947, tatsächlich eine interessante quelle besonders für alle, die sich für die geschichte der alten brd interessieren. und ebenfalls lassen sich naturgemäß die wendungen der redaktionellen linien bestens rekonstruieren. ist was für lange dunkle tage zum stöbern.
monoma - 23. Nov, 02:06