Dienstag, 11. Oktober 2011

assoziation: rund um das k-wort (plus updates in sachen occupy everything)

"Alle (...) schauen zu, geduldig und nett, wie wir postmodernen Menschen heute sind. Es ist viel zu ruhig.

Es ist längst Zeit, das Staunen über die irrwitzige Geschichte von den mehrfach gebündelten Schrottpapieren und den kriminellen Systemen, die ihre Verbreitung zum Geschäft gemacht haben, diesen Dealern mit gepanschten Finanzspritzen, zu überwinden und das ganze Ausmaß der sich gerade voll entfaltenden Weltkrise ins Auge zu fassen. Das monatelange öffentliche Kümmern um die Banken hat wenig gebracht und führt dazu, die akute Gefahr kommender sozialer Krisen zu vernachlässigen. Wir haben bald ganz andere Probleme, abstrakt war letztes Jahr: In Island führten Proteste der chronisch friedlichen Bevölkerung, die langen schlechten Zeiten entgegensieht, zum Sturz der Regierung, der auch nur ,abwiegeln‘ und ,weiter so‘ einfiel.

Die angesehene Zeitschrift „Foreign Policy“ hat nun die Liste der „nächsten Islands“ veröffentlicht, Staaten, bei denen sich totale Überschuldung, politisches und wirtschaftliches Missmanagement und ein kompletter Glaubwürdigkeitsverlust der Regierenden krisenhaft zuspitzen. Nicaragua ist dabei, alle anderen aber liegen in und bei Europa: Großbritannien, Griechenland, Lettland und die Ukraine. Deren wachsendes Elend wird nicht stumm bleiben. Abgesehen von Streiks, Demonstrationen, Unruhen und Plünderungen können wir rassistische Ausschreitungen gegen Migranten und Minderheiten, politische Instabilität, höhere Kriminalität und generell eine um sich greifende Gewaltbereitschaft und Radikalisierung erwarten. Diese Krise beschert uns zerfallende Gesellschaften in unserer Nachbarschaft: Wo noch die Republik war, herrscht bald die Mafia. Krise ist keine Frage von Blasen und Buchungen, da geht es um durchgeheulte Nächte. Anderswo, unter den chinesischen Wanderarbeitern und bei den Illegalen, die aus Afrika nach Europa wollen, wird die Krise Leben kosten."(...)


("es gibt systemkrise, baby!")

*

obiges zitat stammt aus einem bemerkenswerten text aus der "frankfurter allgemeinen" aus dem frühjahr 2009, und man kann ihn so, wie er da steht, auch als aktuelle zustandsbeschreibung lesen. die liste der "failed states" sowie die prognostizierten (anti-)sozialen folgen sind innerhalb der letzten jahre bis heute allesamt in mehr oder weniger großem ausmaß realität geworden- die august-riots in großbritannien, die seit monaten andauernden pogrome gegen sinti/roma vor allem in vielen osteuropäischen staaten sind ebenso wie die vielfältigen europäischen und us-amerikanischen "rechtspopulistischen" strömungen diejenigen "lösungen", die sich in elitären kreisen großer beliebtheit erfreuen. und nicht zuletzt deswegen habe ich den
letzten beitrag so formuliert, wie ich´s getan habe - denn das oben skizzierte ist die sehr wahrscheinliche variante dessen, was kommt, wenn jetzt nicht begonnen wird, zumindest potenziell emanzipatorische proteste, und letztlich auch massive und wirkungsvolle widerstandsoptionen, in die öffentlichkeit zu bringen, bekanntzumachen, zu diskutieren und umzusetzen. ich halte das dafür vorhandene zeitfenster für begrenzt und plädiere stark dafür, sich ein beispiel an dem derzeitigen breiten schweigen der sog. "tea party" in den usa im angesicht der regelrecht explodierenden occupy wallstreet-bewegung zu nehmen. solche und ähnliche aktionen und ziele sind genau das, vor dem die herrschaften am meisten angst haben.

markus gärtner, dessen
wirtschaftsblog ich bei der gelegenheit gleich mal neben den querschüssen empfehlen kann, schreibt in einem ausführlichen artikel im "manager magazin" speziell zu diesem punkt:

(...) "Dass die Bewegung so schnell Zulauf erhält und der Wall Street durch ihre Erfolge näherrückt, macht einige an den Finanzmärkten bereits nervös. Beim Gipfeltreffen der Geldbranche zum Thema Bankentechnologie in Phoenix in der vergangenen Woche sei Occupy Wall Street "ein siedend heißes Thema" gewesen, räumt das Fachmagazin "Bank Systems Technology" ein. Und der Hedgefondsmanager Jim Cramer, eine Fernsehlegende unter amerikanischen Kleinanlegern, sinnierte in der jüngsten Sendung, die Proteste seien "beunruhigend für die Geldinteressen" im Lande." (...)

möge die beunruhigung schnell der nackten panik weichen! die zeit dafür ist überreif.

*

bis es soweit ist, wird allerdings noch so mancher kampf zu fechten sein - so wurde heute morgen ein camp von occupy boston geräumt, wobei die cops gegen menschen und dinge wenig zimperlich vorgegangen sind - besonders die "veterans for peace", also jene ex-soldaten aus den kriegen von vietnam bis zum golf, wurden mittels prügeln traktiert, und es ist die rede von über 100 festnahmen plus etliches an zerstörtem (camp-)material.

so sah es da gestern abend aus...




...und das passierte in der nacht bzw. am frühen morgen:



ausführlicher und mit fotos ist das alles direkt bei occupy boston nachzulesen.

aus eigenem erleben weiß ich, dass derartiges agieren der staatsgewalt nachdrückliche lerneffekte nach sich ziehen kann, und zwar nicht unbedingt im beabsichtigten sinne. und ich wüsste keinen grund dafür zu nennen, warum das - wenn solche bilder mehr werden - bei den menschen in den usa anders sein sollte.

*

ich hatte im letzten beitrag vergessen anzumerken, dass sich am 15. in über 40 ländern weltweit etwas tun wird - die liste ist mittlerweile ellenlang: brasilien, indien, australien, so ziemlich alle europäischen staaten, die usa, kanada, chile, neuseeland, ägypten... es wird sehr interessant und lehrreich sein zu sehen, wie sich jeweils der protest äussern wird, was gefordert wird und wie die jeweiligen staatlichen reaktionen ausfallen werden. vielleicht können wir wirklich die geburtsstunde einer
globalen bewegung erleben.

*

aus dem zitat vom anfang:

"Krise ist keine Frage von Blasen und Buchungen, da geht es um durchgeheulte Nächte."

das fand ich damals schon eine absolut nötige anmerkung, und auch in den jahren seit 2008 fanden sich bereits hier und da immer wieder meldungen wie
diese:

"Die Wirtschaftskrise macht den Griechen zu schaffen - und das nicht nur finanziell. Laut einer neuen Studie zerfällt das staatliche Gesundheitswesen, die Zahl von Suiziden und Krankheitsfällen steigt rapide. Schon warnen Mediziner vor einer "griechischen Tragödie". (...)

auf dem ziemlich eindrucksvollen us-blog
"we are the 99 percent" lässt sich anhand diverser schicksale nicht nur der us-amerikanischen mittelklasse nachlesen, warum es um durchgeheulte nächte geht, und was das unmittelbar mit bankbilanzen, börsenkursen und überhaupt dem ökonomischen system zu tun hat.

dabei fiel mir dann auch die eigene,
sehr unvollständige liste von todesfällen im zusammenhang mit antisozialer politik ein, die ich vor jahren erstellt hatte (ich weiß inzwischen von weiteren "fällen" nach 2006, schaffe das jedoch nicht, alles nachzurecherchieren). wir erinnern uns: in tunesien waren die "selbstmorde" von verzweifelten und verarmten letztlich das auslösende moment für den sturz einer diktatur; in den usa erkennen sich viele in den trostlosen geschichten der 99% wieder - nur hierzulande wird schamhaft gestorben, still und heimlich von der bildfläche verschwunden, und ebenso still vor sich hingelitten - und es dürfte da draussen genügend geben, die das auch ganz richtig so finden. ich fürchte, dass das so einiges über die tatsächliche menschliche qualität dieser gesellschaft hier aussagt.

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