Samstag, 19. November 2011

notiz: wochenendlektüre

zum einen gibt es einen für mich persönlich sehr treffenden, "innerlinken" text auf indy mit dem titel Die öko-soziale Frage, der sich mit ähnlichen argumenten, wie ich sie auch hier schon öfter vertreten habe, im prinzip mit einigen unheilvollen relikten des klassischen marxismus und ihrem fortwirken bis heute beschäftigt:

"Bei Antikapitalisten ist die „soziale Frage“ eine anerkannte Größe und hat ihren fest angestammten Platz in ihren Diskursen. Die Kapitalismuskritik vieler Linker jedoch greift deutlich zu kurz, wenn in ihr angenommen wird, allein durch die Auflösung von Privateigentum, Vergesellschaftung oder kollektives Eigentum, also simplen Verteilungsfragen, würde sich die Menschheit ein Reich des Friedens und der Freiheit ohne materielle Sorgen erkämpfen können. Ein Staatskapitalismus wie zur Zeiten des so genannten „real existierenden Sozialismus“ gilt glücklicherweise bereits unter vielen (bei weitem nicht allen) Linken als deutlich gescheitert. In der UdSSR und der DDR und den anderen Ländern der damaligen „realsozialistischen“ Welt hat sich nach der Enteignung der Kapitalisten eine neue Bourgeoisie gebildet, die aus den Kadern der so genannten „kommunistischen“ Parteien entstand und die sich ebenfalls ein Mehr an Gütern und Rechten gegenüber der Mehrheitsgesellschaft mit fragwürdigen Begründungen sicherten. Aber auch wenn dieses Problem einer neuen Oberschichtenbildung gelöst wäre, wäre ein grundlegender Konstruktionsfehler unseres derzeitigen Wirtschaftssystems noch lange nicht gelöst: Der abgöttische, ja fast religiöse Glaube an das Wirtschaftswachstum.


Wirtschaftswachstum bedeutet bei den Verfechtern der freien Marktwirtschaft eine Möglichkeit der Entschärfung der sozialen Frage, indem man arme Menschen nach und nach besser stellt, ohne das von oben eine Umverteilung erfolgen muss. Die These dazu ist, dass ein größerer Kuchen auch einen entsprechend größeren Krümel für die unteren Gesellschaftsschichten ergäbe. Tatsächlich hat sich mit Hilfe des Wirtschaftswachstums in den letzten 100 Jahren eine deutliche Verbesserung der Lebensbedingung im Vergleich zu früheren Tagen für zumindest die Menschen der ersten Welt und seit einigen Jahrzehnten der Mittelschicht in der zweiten Welt ergeben. Andererseits aber hat sich die Schere zwischen Arm und Reich dabei nicht etwa geschlossen sondern ist noch weiter und krasser auseinander gegangen. Ein Großteil der Menschheit jedoch konnte in keinster Weise vom Wachstum einiger weniger Abgeschlossener Wirtschaftsräume profitieren.


Für viele linke Gruppen verspricht Wachstum ebenfalls die Lösung von umfassenden Problemen. Eine der bekanntesten Parolen in dieser Richtung ist hierbei wohl „Luxus für alle“, oder auch „her mit dem schönen Leben“, welche in Richtung eines materiellen Wohlstands auf einem für alle Menschen gleichermaßen hohen Standard abzielen. Ein durch Wachstum ständig steigender Wohlstand, der gerecht an alle verteilt wird, ist hier die Utopie, die angestrebt wird. Dieser Utopie hingen auch diverse frühe sozialistische Theoretiker an, etwa wenn sie sich durch Wegfall von Konkurrenz oder gesteigerte Plangenauigkeit durch den Wegfall der Irrationalität des Marktes eine weitere Steigerung der Produktivkraft erhofften. Entsprechend lösen sich nur die wenige Menschen von der Idee eines Wirtschaftswachstums, egal ob sie sich selbst im linksradikalen, linken oder bürgerlichen Spektrum verorten. Ständiges Wachstum aber setzt voraus, dass Wachstum schlussendlich auch endlos möglich sein muss. Die Frage, wie endloses Wachstum in einer endlichen Welt überhaupt möglich sein kann, konnte aber bisher von Niemanden beantwortet werden. Deswegen wird sie von den meisten Ökonomen schlichtweg ignoriert oder auf spätere Generationen abgewälzt. Die Veröffentlichung der Studie „The Limits Growth“, die 1972 zum ersten mal eindeutig bewies, dass grenzenloses Wachstum einen unrealisierbaren Mythos darstellt, hat seit dem nicht zu einem relevanten Umdenken bei Ökonomen sowohl des kapitalistischen, als auch des sozialistischen Lagers geführt. Auch nicht, nachdem die Erkenntnisse der damaligen Studie heute um ein vielfaches erweitert wurden und an Genauigkeit und Aussagekraft gewonnen haben.


Die politische Diskussion zur Ökologie greift, zumeist vollkommen losgelöst von sozialen Aspekten, diese Frage teilweise in Bezug auf den Klimawandel auf. Aber auch diese Diskussion ist verkürzt, haben wir es doch mit mehr als nur das Schwinden der Eisberge und einem Anstieg von Temperaturen zu tun. Schlussendlich geht es um die Endlichkeit aller vom Menschen nutzbar gemachter Ressourcen. Erdöl ist eine der wenigen Ressourcen, bei dem eine breite Bevölkerungsmehrheit inzwischen irgendwie mitbekommen haben sollte, dass es in naher Zukunft ausgehen wird." (...)


kann ich alles so unterschreiben, allerdings muss ein sachlicher fehler in den folgenden nicht zitierten abschnitten korrigiert werden - meines wissens ist hinsichtlich der landwirtschaft nicht schwefel, sondern phosphor das problem.

der text schliesst so:

"Klar ist jedoch: Eine Lösung der sozialen Frage ist losgelöst von der ökologischen Frage nicht denkbar. Das 20. Jahrhundert stand klar unter dem Zeichen der sozialen Frage. Für Marx waren seine Erkenntnisse über die Beraubung der Natur durch den Kapitalismus nicht greifbar genug, um umfassende Konsequenzen in seiner Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie zu ziehen. Wir befinden uns bereits wesentlich näher am Peak Everything, als die Menschen des 19. Jahrhunderts, die die soziale Frage thematisierten. Deswegen ist es nun unsere Aufgabe als Antikapitalisten, die soziale Frage um den ökologischen Aspekt zu erweitern, um tragfähige Lösungen für die Zukunft zu erarbeiten. Wir müssen jetzt die sozial-ökologische Frage für das 21. Jahrhundert stellen."

uneingeschränktes JA.

*

den gleich folgenden verlinkten beitrag von "plusminus", dem ard-wirtschaftsmagazin, sollte man sich ebenfalls auch unter dem aspekt des "peak everything" betrachten - ich finde es interessant, dass sowas mittlerweile auch im tv-mainstream erscheint:


Eurokrise: Verunsicherte Verbraucher sorgen vor

trotzdem wünsche ich ein gutes wochenende.

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